Mr. Right

Der Spirit Professional von Focal ist der erste Profikopfhörer des französischen Lautsprecher-Spezialisten und soll auf dem hohen Klang-Niveau der eigenen Monitore spielen.

Von Harald Wittig

Seit über drei Jahrzehnten gibt es Focal-Lautsprecher. Zunächst entwickelten die Franzosen ihre Schallwandler für den HiFi-Bereich, seit längerem verstärkt auch fürs Profisegment. Die Focal-Studiomonitore haben sich inzwischen einen sehr guten Ruf in der Pro Audio-Szene erspielt, zuletzt konnte der Spitzen-Monitor SM9, den wir in Ausgabe 4/2013 ausführlich vorstellten, allgemeine Anerkennung verbuchen und Begehrlichkeiten wecken. Aufgrund unserer eigenen, durchweg positiven Erfahrungen mit den Focal-Lautsprechern waren wir direkt Feuer und Flamme, als der Hersteller 2013 mitteilte, dass es bald einen Profi-Kopfhörer eigener Entwicklung geben würde. Hier ist er nun, der Spirit genannte Hörer mit dem unmissverständlichen Namenszusatz „Professional“, bereit für die Beurteilung von Professional audio.

Der Spirit Professional ist ein dynamischer Kopfhörer und kostet nach Liste rund 300 Euro. Er konkurriert direkt mit teilweise schon lange bewährten und ungebrochen populären Modellen der Traditions-Kopfhörersteller wie dem Studio-Klassiker DT-880 Pro von Beyerdynamic, der preislich ungefähr gleichauf liegt. Im Unterschied zum DT-880 Pro, der wegen seiner hohen Neutralität schon fast Legendenstatus genießt (siehe hierzu den großen Kopfhörer-Vergleichstest in Ausgabe 6/2009) und in halboffener Bauweise konstruiert ist, handelt es sich beim Focal um einen geschlossenen Kopfhörer. Obwohl diese Bauweise fürs anspruchsvolle Monitoring, wegen der Gefahr klangverfälschender Reflexionen eher selten zu finden ist, bringt sie auch unbestreitbare Vorteile mit sich: Ein solcher Kopfhörer eignet sich wegen seiner bauartbedingten Schallisolierung bestens für die Mikrofon-Aufnahme zum zugespielten Playback und ist deswegen grundsätzlich vielseitiger einsetzbar als ein offener Kopfhörer. Auch für die Live-Situation ist die Abschottung des Trägers gegenüber der lärmenden Umgebung essentiell, weswegen offene Kopfhörer hierfür nicht in Frage kommen. Der Spirit Professional schirmt dank seiner ohrumschließenden Bauweise und der Ohrpolster aus Spezialschaumstoff, der sich sehr gut an die individuelle Ohr- und Kopfform anpasst, überdurchschnittlich gut ab. Wohlgemerkt bereits ohne zugespielte Klänge. Bringt der Kopfhörer erst mal Musik zu Gehör, dann ist sein Träger allein mit sich und den Klängen, denen er lauscht und die er analysieren möchte.

Focal bewirbt den Spirit Professional ausdrücklich als neutralen Kopfhörer für Mischung und Premastering, mithin also als Analyse-Werkzeug. Der Wandler des Kopfhörers ist, wie es sich für einen Lautsprecherhersteller gehört, der schon immer seine eigenen Chassis entwickelt und gefertigt hat, eine Schöpfung der Focal-Ingenieure. Herzstück des Spirit-Wandlers ist die im Durchmesser 40 Millimeter messende Membran aus einer Mylar-Titan-Legierung, die leicht und doch verwindungssteif wie sie ist, beste Voraussetzungen für ein gutes Impulsverhalten mitbringt. Der Hersteller verspricht zudem einen erweiterten Tiefenfrequenzgang tiefstenfalls fünf Hertz, was nicht eben alltäglich ist. Damit wetteifert der Spirit Professional mit dem neuen AKG-Star K812 (In dieser Ausgabe, Seite 26) und wir sind sehr gespannt, wie sich der Franzose bei der Basswiedergabe schlagen wird. Oft genug mussten wir in dieser Disziplin schwächelnde Kopfhörer erleben – vor allem bei den geschlossenen Typen. Mit einer Nennimpedanz von nur 32 Ohm gehört der Focal zu den niederohmigen Kopfhörern, der nicht zu anspruchsvoll in puncto Kopfhörerverstärker-Leistung ist. In der Tat ist er laut, uns selbst schon fast zu laut, weswegen wir „Pregain“ unseres Referenz-HPA auf -6 dB gesetzt haben – schließlich wollen die empfindlichen Ohren wohlbehütet sein.

Der Spirit Professional ist sehr gut verarbeitet und hinterlässt einen robusten Eindruck. Wie es sich für einen Profi-Kopfhörer gehört, ist das Anschlusskabel auswechselbar, zwei Kabel finden sich im Lieferumfang. Bevor wir dem Focal auf die klingende Spur kommen, müssen wir noch Ergänzendes zum Tragekomfort hinzufügen: Der Hörer sitzt sehr sicher über den Ohren und lässt sich – praktisch für den hektischen Liveeinsatz – dank des verstellbaren Kopfbandes bombenfest zurren. Das geht aber auf Kosten der Bequemlichkeit, der Focal drückt dann schon. Ein Kopfhörer wie der neue Sennheiser HD6 Mix (Test in der nächsten Ausgabe) fühlt sich im direkten Vergleich, das heißt auch mit großzügig geweitetem Kopfband angenehmer an. Wir vergeben deswegen für Tragekomfort nur eine 2,5.

Dafür überzeugt der Spirit Professional klanglich umso mehr. Vermutlich ist er kein Kopfhörer für gewisse Passivisten, die mit nüchterner Sachlichkeit eher wenig anfangen können. Dem Tonschaffenden kommt die tonale Abstimmung des Focal, die tatsächlich sehr ausgewogen ist, selbstverständlich entgegen. Das heißt konkret, dass der Franzose keine Frequenzbereiche überbetont oder umgekehrt nicht berücksichtigt. Sehr angetan sind wir von seiner Basswiedergabe, denn die Bässe kommen dank des ohrenfällig sehr guten Impulsverhaltens stets gut fokussiert. Außerdem reicht der Bass wirklich sehr tief in den Keller und lässt folglich das tiefe „Eb“ im Kontrabass der virtuellen Streichergruppe eines unserer Sonar X2-Projekte vollmundig, aber wohlgemerkt ohne verfälschende Andickung, tönen. Das kann der AKG K812, der immer hinüber fünf Mal so teuer ist, auf erste Hören kaum besser. Der Österreicher klingt allerdings edler und vornehmer, weil er einfach eine herausragende Auflösung auf Elektrostaten-Niveau hat. In seiner Preisklasse muss der Focal indes keinen Mitbewerber scheuen: Der – allerdings günstigere – AKG-Klassiker K271 MK II ist weniger tiefbasskompetent und eine Spur präsenter, der DT880 Pro von Beyerdynamic ist dem Focal bei der Höhenauflösung überlegen und bietet eine überzeugendere Raumdarstellung, obwohl der Franzose auch in dieser Disziplin sehr gutes leistet. Allerdings ist der Studio-Profi der Heilbronner nicht geschlossen, so dass der Spirit Professional vielseitiger einsetzbar ist. Wer also einen für alles sucht, der sollte den Spirit Professional unbedingt in die engere Wahl nehmen.

Fazit

Der Focal Spirit Professional verdient dank seiner neutralen Abstimmung, des sehr guten Impulsverhaltens, der gerade für ein geschlossenes System hervorragenden Basswiedergabe das Prädikat Studiokopfhörer und stellt eine echte Alternative zu den etablierten Profi-Kopfhörern dar.

Erschienen in Ausgabe 06/2014

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 308 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut