Audiophil
In HiFi-Kreisen genießt der Kopfhörerverstärker Black Cube Linear von Lehmann Audio einen hervorragenden Ruf. Mit dem Namenszusatz „Pro“ versehen, möchte er jetzt bei den Ton- und Mastering-Ingenieure neue Anhänger gewinnen.
Von Harald Wittig
Bereits seit 1988 entwickelt Norbert Lehmann unter der Firma Lehmann Audio in kleinen Stückzahlen Geräte für die Studio- und HiFi-Technik. Vor allem in HiFi-Kreisen genießt der Tüftler aus Bergisch Gladbach einen hervorragenden Ruf: Sein Phono-Vorverstärker Black Cube gilt in Teilen der Fachpresse, bei Herstellern von Tonabnehmern und nicht zuletzt den zahlreichen Audiophilen als Referenz. Angesichts der immens hohen Ansprüche dieser Klangfetischisten und –Enthusiasten eine ernstzunehmende Auszeichnung.
Da höchste Klangqualität auch auf der aktiven, also Ton-produzierenden Seite, ebenfalls ein immergrünes Thema ist, liegt es nicht fern, dass Lehmann audio sich auch im Pro-Audio-Bereich engagiert – zumal der Unternehmens-Chef selbst gelernter Diplom-Toningenieur ist. Ein heimlicher Star der Lehmann-Produkt-Palette ist seit mehreren Jahren gerade bei Tonmeistern und Mastering-Ingenieuren der Kopfhörer-Verstärker Black Cube Linear: Beispielsweise schwört Tonmeister Andreas Spreer, seines Zeichens Inhaber das audiophilen Klassik-Labels Tacet (siehe Interview mit Andreas Spreer in Ausgabe 8/2007) auf einen Lehmann Cube Linear bei Aufnahmen. Auch der Niederländer Martin de Boor, Chef des Mastering-Studios „The Masters“ vertraut auf einen Black Cube Linear. Um Materns zu zitieren: „Das Gerät ist atemberaubend. Was ich damit höre ist auch wirklich drauf – und das ist es, was ich will.“ Grund genug für Professional audio Magazin die neueste Inkarnation des Lehmann Cube einem Test zu unterziehen. Den spätestens seit dem Test des Lake People Phone-Amp F399 in Ausgabe 7/2006 ist bekannt, dass ein nur ein sehr hochwertiger Kopfhörer-Verstärker die klanglichen Qualitäten des Arbeitsgeräts Kopfhörer ausloten kann.
Mit rund 720 Euro erscheint der neue Black Cube Linear Pro teuer, zumal jedes Mischpult oder Audio-Interface – vom Einsteiger bis zum Profi-Gerät – Kopfhörer-Anschlüsse beziehungsweise Ausgänge bereithält. Allerdings erreichen diese Kopfhörer-Ausgänge beziehungsweise Vorverstärker-Stufen nicht annähernd die Klangqualität dezidierter Kopfhörer-Spezialisten. In den schlimmsten Fällen handelt es sich um reine Lautmacher, die stark färben und die akustische Lupe, als die ein guter Studio-Kopfhörer bei der Arbeit fungiert, buchstäblich verzerrt und unscharf macht. Sollte der Black Cube Linear Pro halten, was Anwender und Hersteller verheißen, kann er sein Geld allemal wert sein. Daher: Sehen wir uns den Lehmann doch mal näher an und hören vor allem ganz tief rein.
Der Cube Linear Pro kommt mit wenigen Bedienelementen aus und benötigt auch nicht mehr: Auf der mattschwarz lackierten Alu-Front des gediegen verarbeiteten Geräts finden sich zwei Klinkenbuchsen zum Anschluss zweier Kopfhörer und daneben der große Lautstärkeregler. Letzterer überzeugt mit sehr gutem Gleichlauf und erlaubt damit eine feinfühlige Abstimmung des Abhörpegels. Auch der Rückseite gibt es eingangsseitig zwei symmetrische XLR-Eingänge – daher rührt übrigens der Namenszusatz „Pro“ – und den Netzschalter. Die Betriebsbereitschaft signalisiert eine blau glimmende LED auf der Front. Auf der Geräteunterseite verfügt der Cube Linear Pro, wie alle Lehmann Kopfhörerverstärker, über acht DIP-Schalterchen. Damit lässt sich die Verstärkung für beide Kanäle separat einstellen, um alle handelsüblichen Kopfhörer unabhängig von deren Wirkungsgrad und Nennimpedanz optimal betreiben zu können. Dabei beträgt die zu erzielende Verstärkung jeweils bei Rechts- beziehungsweise Vollanschlag wahlweise 0, 10, 18 oder 20 Dezibel. Es handelt sich also um die zu erzielende Maximalverstärkung. Da Kopfhörer nicht unbedingt freundlich zu den wertvollen Ohren sind, sollten Sie darauf achten, die Maximalverstärkung passend zum Kopfhörer so einzustellen, dass die Maximalstellung des Lautstärkepotis nur minimal lauter als Ihre bevorzugte Abhörlautstärke ist. Das kommt einerseits Ihrem Gehör zugute, andererseits laufe das Potentiometer laut Hersteller nur bei dieser Einstellung wirklich optimal.
Ein Blick ins Innere des Black Cube Linear Pro offenbart die wenigen, hochwertigen Bauteile: Ein Netzteil mit 30 Voltampere-Ringkerntrafo, Gleichrichtern und Siebelkos bildet die Basis. Die Signalverstärkung übernehmen Doppel-Operationsverstärker mit nachgeschalteter diskreter Class-A-Ausgangsstufe. Die Verwendung einer Class-A-Endstufe bringt in der Theorie den Vorteil, dass – bei optimalem Aufbau – keine Übernahmeverzerrungen entstehen und die Transistoren im Ausgang ihren Arbeitspunkt nicht verändern. Dafür führen Class-A-Endstufen führen auch ohne anliegendes Signal den für die Vollausteuerung eines Kopfhörers einen Ruhestrom. Dadurch erwärmt sich die Endstufe ohne Signal stärker und auch der Lehmann besitzt gewisse Qualitäten als Standheizung. Ansonsten sind alle Bauteile im sehr sauberen Platinen-Layout angeordnet. Norbert Lehmann versichert, dass es sich nur um hochwertige Bauteile handle. Ansonsten lässt sich der Hersteller nicht in die Karten gucken.
Ein guter Kopfhörerverstärker sollte idealerweise selbst nicht oder nur wenig klingen, also färben. Der Hörer sollte nach Möglichkeit nur den angeschlossenen Kopfhörer hören können. Zumindest nach den im Messlabor von Professional audio Magazin ermittelten Messwerten, erfüllt der Black Cube Linear Pro schon einmal diese Voraussetzungen ohne Einschränkung. Die Werte für Geräusch- und Fremdspannungsabstand sind mit 98,8 beziehungsweise 87,9 Dezibel auf dem hohen Niveau des Phonitors von SPL (Test in Ausgabe 7/2008) – ganz wie es sich für ein Profi-Gerät gehört. Dies gilt auch für den Gesamtklirrfaktor, der bei ausgezeichneten 0,003 Prozent liegt: Verzerrungen sind für den Lehmann kein Thema. Wenn es zerrt, ist es der angeschlossene Kopfhörer. Das FFT-Spektrum zeigt, dass der Black Cube anliegende Signale weitestgehend unverfälscht bearbeitet. Die erkennbaren K2- und K3-Spitzen sind, da unterhalb -100 Dezibel, vernachlässigbar gering.
Wie bereits eingangs erwähnt, dient der Kopfhörer im Studio als akustische Lupe um Details, wie beispielsweise dezente, gleichwohl unerwünschte Verzerrungen oder vereinzelte Verdeckungseffekte auszuspüren. Als erstes Teststück fungiert dabei ein vielstimmiges Sonar-Projekt mit insgesamt 13 Gitarrenspuren und einem obligaten, eher solistisch aktivem E-Bass als Teststück. Dieses liegt in unbearbeiteter Form vor: Also keinerlei Effekte, nur reine DI-Signale. Für das Detail-Hören via dynamischem Kopfhörer sind bei Professional audio Magazin der geschlossene AKG K271 MKII wegen seiner hohen Ausgewogenheit und der offene Beyerdynamic DT-990 aufgrund seiner ausgezeichneten Höhenauflösung die Favoriten. Genau diese Kompetenzen der beiden Kopfhörer stellt der Lehmann dar – und zunächst mal nicht mehr. Auch das lange Hören mit diesem Kopfhörerverstärker ist keineswegs anstrengend. Ein nicht zu unterschätzendes Kriterium, denn Hörstress wirkt bei der Arbeit bekanntlich kontraproduktiv. Mit dem Beyerdynamic und dem Kjaerhus Audio Classic-Equalizer-Plug-in erarbeiten wir eine etwas weicheres Höhenspektrum der dreistimmigen Melodiestimme, während der AKG helfen soll, dem obligaten Bass mittels Kompressor etwas mehr Druck und Kontur zu geben. Dafür eignet sich das Cakewalk Sonitus-Plug-in mit dem gut gelungenen Preset „Urei 1176“ aufs erste Hinhören sehr gut. Den Zuschlag bekommt dennoch der Classic Compressor von Kjaerhus, da sich dessen Klangfarbe – wie wir deutlich hören können – homogener einfügt.
Bei anderen, bereits fertigen Aufnahmen überzeugt die unscheinbare Black Box mit einer sehr plastischen Raumabbildung, die sich vor allem durch eine vielschichtige Tiefenstaffelung auszeichnet und die Wirkung von Send-Hall präzise beurteilen lässt. Das Bassfundament, das der Lehmann auslegt ist satt und zumindest mit dem AKG trocken und ohne effektreiche Andickung. Sind Tiefbässe auf der Aufnahme vorhanden, stellt sie der Lehmann dar, ohne etwas hinzuzudichten oder wegzulassen. Auch bei der Feindynamik, also der Fähigkeit, auch geringste Pegelunterschiede darzustellen, ist für den Lehmann eine leichte Übung: So wird tatsächlich ohrenfällig, dass auch bei schnellen Wechselschlag-Passagen beim Gitarrensolo einer Jazz-Aufnahme, die Anschläge nicht exakt gleich sind. Auch das Glöckchen im letzten Satz von Paganinis 2. Violinkonzert „La Campanella“ erklingt, obwohl alles andere als vordergründig, in feinster dynamischer Abstufung.
Durchaus angetan von der Kombination Beyerdynamic DT-990/AKG K271 MKII und Lehmann Black Cube Linear Pro hören wir uns das Teststück und zahlreiche andere Produktionen alternativ mit dem Phone-Amp F399 von Lake People (Test in Ausgabe 7/2006) anzuhören. Tatsächlich kristallisieren sich feine, aber hörbare Unterschiede heraus: Über den Lake People klingt alles direkter, aber auch vorlauter. Demgegenüber erscheint der Klang über den Lehmann etwas distanzierter, wobei dies in gewisser Weise auf die feinere räumliche Strukturierung zurückzuführen ist. Hinzu kommt, dass der Klang über den Black Cube ein Quäntchen wärmer als über den Lake People erscheint. Wohlgemerkt völlig unabhängig vom angeschlossenen Kopfhörer. Der Lake People wirkt etwas sachlicher und strenger, gerade im wichtigen Hochmittenbereich. Dafür setzt sich der Lehmann zusammen mit dem Beyerdynamic in puncto Höhenauflösung ab: Der obertonreiche Klang der Solovioline im Paganini-Konzert erklingt ein Stückchen vielfarbiger und schillernder als in der Kombination Lake People/Beyerdynamic und auch ein Tenorsaxophon hat mehr Bronzegehalt im Ton. Beim Aufspüren vereinzelter Verzerrungen, die über Monitore schon mal unentdeckt bleiben, leisten beide Kopfhörerverstärker gleichermaßen sehr gute, verlässliche Dienste. Nur damit wir uns richtig verstehen: Es geht hier nicht um einen Vergleich zweier Kopfhörerverstärker. Wir wollen lediglich verdeutlichen, dass ein scheinbar simples Gerät wie ein Kopfhörerverstärker durchaus einen klangentscheidendes Wörtchen mitreden. Spannend wäre natürlich zu wissen, wie sich der Lehmann gegen das aktuelle Topmodell von Lake People, dem G100 schlägt. In einer der kommenden Ausgaben werden wir den G100 testen und damit auch diese Frage beantworten. Jetzt steht aber schon mal fest: Der Black Cube Linear Pro ist ein sehr guter Vertreter der Gattung Kopfhörerverstärker, der trotz ein winzigen Tendenz zum angenehm Warmen, die Ansprüche an einen professionellen, signaltreuen Kopfhörerverstärker im Wesentlichen erfüllt.
Fazit
Der Lehmann Black Cube Linear Pro ist hochwertiger Kopfhörerverstärker, der zusammen mit einem guten Studio-Kopfhörer eine klarsichtige Lupe für Mix und Mastering darstellt und damit ohne Weiteres professionelle Werkzeug-Qualität hat.
Erschienen in Ausgabe 11/2008
Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 718 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: gut
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