Der Lehmann fürs Handgepäck
Mit seinem neusten Kopfhörerverstärker hat Lehmann audio einen erschwinglichen und kompakten Begleiter für Toningenieure und Musiker, die sich nicht mit Billiglösungen zufrieden geben möchten.
Von Harald Wittig
Ein guter Kopfhörer gehört ins Studio und ins Handgepäck des Tonschaffenden, allerdings wissen Anspruchsvolle längst, dass das wahre Klangpotenzial eines Kopfhörers erst ein dezidierter Kopfhörerverstärker voll auslotet. Zu den renommiertesten Herstellern von Kopfhörerverstärkern gehört der studierte Toningenieur Norbert Lehmann mit seinem in Bergisch Gladbach ansässigen Unternehmen Lehmann audio.
Im Pro Audio-Bereich, aber auch bei HiFi-Enthusiasten genießen die Kopfhörerverstärker, die Lehmann audio sowohl in einer Pro- als auch in einer Consumer-Ausführung anbietet, einen hervorragenden Ruf. Nach unseren einschlägigen Testerfahrungen mit dem bei Tonmeistern und Mastering-Ingenieuren geschätzten Black Cube Linear Pro völlig zu Recht: Sowohl im Einzeltest in Ausgabe 11/2008 als auch im Klangvergleichstest im Rahmen des großen Kopfhörer-Specials in Ausgabe 6/2009 konnte die rund 720 Euro teure „Black Box“ voll überzeugen und sich gemeinsam mit dem Lake People Phone-Amp G100 als neutrale Vertreter der Gattung ganz vorne positionieren.
Allerdings ist das Lehmann-Flaggschiff schon ein wenig zu groß und zu schwer für das ganz kleine Unterwegsgepäck, bestehend aus Laptop, Audio-Interface und Kopfhörer – vom Preis mal ganz abgesehen. Deswegen ist es erfreulich, dass es jetzt den StudioCube gibt. Mit einem Gehäuse, das nicht einmal die Fläche eines CD-Covers einnimmt, ist der Neue weitaus rucksack-tauglicher als das Topmodel. Hinzu kommt eine, wie wir noch im Detail sehen werden, praxisgerechte Ausstattung. Das alles gibt es zum – für Lehmann-Verhältnisse – Budget-Preis von rund 400 Euro, so dass auch weniger gut betuchte Musiker und Tonschaffende mit hohem Anspruch an die Klangqualität in den Genuss des StudioCube kommen können.
Sehen wir uns das schwarze, gerade mal 800 Gramm leichte, dabei robuste Kistchen näher an. Der StudioCube ist mit einer diskreten Class A-Transistorausgangsstufe ausgestattet, ansonsten verwendet der Hersteller, wohl auch aus Kostengründen diskrete Bauelemente. Diese seien allerdings sehr hochwertig, im Übrigen dürfte sich inzwischen auch unter sogenannten High-Endern herumgesprochen haben, dass ein komplettes Class A-Schaltungsdesign zwar teuer, aber heutzutage nicht mehr notwendig klanglich überlegen ist. Bestes Beispiel und klangopulenter Gegenbeweis sind die Kopfhörerverstärker von Lake People/Violectric wie der Professional audio-Referenz-Kopfhörerverstärker Violectric HPA V200 an dem wir sämtliche Kopfhörer testen.
Jedenfalls ist der StudioCube komplett symmetrisch aufgebaut, die gleichspannungsgekoppelten Verstärkerstufen sollen eine „außergewöhnliche Transparenz“ bei „perfekter Transientenabbildung“ gewährleisten, hinzu komme ein „extrem geringes Rauschen“. Diese selbstsicheren Herstelleraussagen kommen angesichts der im Professional audio-Messlabor ermittelten Werte nicht von ungefähr und sind weitaus mehr als Marketing-Sprech: Mit ausgezeichneten Werten von 94,7 und 92,0 Dezibel für den Geräusch- beziehungsweise den Fremdspannungsabstand, einem entsprechend guten Gesamtklirrfaktor von durchschnittlich 0,003 Prozent ist der kleine Schwarze bestens für eine pieksaubere Signalverarbeitung. Auch das auf Seite 56 abgedruckte makellose FFT-Spektrum verheißt nur das klanglich Beste: Der StudioCube soll den Audio-Signalen und den angeschlossenen Schallwandlern dienen und nicht selbstsüchtig in eigenen Klangfarben baden.
Am StudioCube lassen sich zwei Kopfhörer gleichzeitig betreiben, was zumindest im Pro Audio-Bereich Quasi-Standard ist. Das ist grundsätzlich sehr praktisch, denn auch der Alleintäter kann so beispielsweise zwischen einem offenen oder einem geschlossenen Kopfhörer wechseln. Allerdings sollten beide Modelle in etwa gleich laut sein. Der der StudioCube besitzt einen sogenannten High Gain-Modus, der die Verstärkung um +6 dB anhebt. Das ist praktisch für Hörer mit geringer Empfindlichkeit. Allerdings ist dafür das Gerät zu öffnen und ein interner Jumper umzusetzen – eine Operation, die wohl niemand allzu oft und gerne macht. Da bietet der große Black Cube Linear Pro weitaus mehr Komfort, denn die Anpassung der Verstärkung erfolgt bequem über DIP-Schalter am Gehäuseboden. Außerdem sind die Einstellmöglichkeiten weitaus umfangreicher (siehe hierzu im Detail den Test des Cube Linear Pro in Ausgabe 11/2008).
Auf der Rückseite finden sich die Neutrik Combo-Eingangsbuchsen, die symmetrische XLR- und Klinken-Kabel akzeptieren, hinzu kommt ein „THRU“-Ausgang mit zwei symmetrischen Klinkenbuchsen, ebenfalls aus dem Hause Neutrik. Dieser Ausgang dient dem einfachen Anschluss von weiteren Audiogeräten – beispielsweise einem Monitoring-Controller – oder zur Kaskadierung mehrerer StudioCubes. Allerdings sollten tunlichst nicht mehr als vier Geräte miteinander verschaltet sein, denn am THRU-Ausgang wird das Eingangssignal passiv ausgekoppelt. Das bewirkt, dass beim Anschluss von unsymmetrischen Mono-Klinken-Kabeln alle Signale unsymmetrisch weitergeführt werden. Bei sehr langen Kabelstrecken sollte deswegen ein Kabelsplitter zum Einsatz kommen.
Wir begeben uns zurück zur Front des Geräts und bemerken den kleinen Kippschalter links neben dem großen, griffigen Lautstärkeregler. Dieser dient dazu, abweichend vom Standard-Stereobetrieb den linken Eingangskanal auf beide Kopfhörer-Kanäle zu legen. Das ist praktisch, wenn beispielsweise Gitarristen über ihren Amp in Verbindung mit einem Lautsprecher-Simulator wie dem SPL Transducer üben und sich nicht vom einseitigen Signal irritieren lassen möchten. Auch Messtechniker wissen diese Funktion zu schätzen, allerdings ist der Mono-Betrieb entgegen der Beschriftung nicht etwa in Schalterstellung „Mono“ aktiviert. Stattdessen ist der Schalter hierfür nach oben zu kippen. Das ist verwirrend und hat auch uns – einschließlich der Abteilung Messtechnik – durcheinander gebracht. Tatsächlich handelt es sich zugunsten eines einheitlichen Layouts nur um die Beschriftung. Kein Beinbruch, immerhin informiert das Handbuch über Funktion und die jeweilige Stellung des Kippschalters.
Zur Stromversorgung befindet sich im Lieferumfang ein externes Schaltnetzteil, welches das Handgepäck kaum zusätzlich beschwert. Sobald der StudioCube am Netzt hängt, signalisiert die „Power“-LED Betriebsbereitschaft. Liegt ein Audio-Signal an leuchtet die „OK“-LED bei einer Signalstärke von mindestens -30 dBu, die „OL“ (Overload)-LED glimmt bei einem Eingangssignal von +15 dBu auf, die Übersteuerungs-Reserve beträgt dann aber immer noch 7dB bis zum Maximalpegel von +22 dBu.
Kommen wir zur Praxis: Dank des ebenfalls mitgelieferten Haltebügels lässt sich der StudioCube an jedem gängigen Mikrofonstativ mit Standardgewinde fixieren, was auch im Studio-Einsatz, beispielsweise für Musiker beim Aufnehmen/Einspielen, Flexibilität bei der Aufstellung des Kleinen gibt. Für den Hörtest wählen wir ein Sonar-Projekt mit drei Gitarren: Eine Akustik sorgt dabei für die harmonische Grundlage, über die zwei stark verzerrte E-Gitarren, die hart links beziehungsweise rechts gepannt sind, solieren. Als Referenz-Kopfhörer dient uns der AKG K 702, der StudioCube ist mittels Vovox Sonorus-Kabeln mit dem Mytek 8×192 ADDA-Wandler verbunden. Der StudioCube ist, für sich alleine gehört, in jedem Fall ein Profi, der in puncto Impulsverhalten, Transientenwiedergabe und Durchhörbarkeit, sprich Transparenz, jeden Kopfhörerausgang – auch von hochwertigen Interfaces und Controllern – hinter sich lässt. Schon der erste Ton des Stückes, die leere, mit dem Daumennagel angeschlagene D4-Saite erklingt mit hörbarem Anschlagsimpuls, den teilweise sehr schnellen Leadgitarren-Passagen folgt der Lehmann auf den Plektrumanschlag, wobei auch die Anschlagsgeräusche sehr gut hörbar sind. Auch die Interaktion der trocken aufgenommenen Spuren mit dem virtuellen Raum, also Hall – Stichwort Resonanzfrequenzen – ist sehr deutlich erhörbar. Das hat Klasse, ohne Frage. Der AKG K 702 gehört nicht zu den lautesten Kopfhörern, für die klanglich optimale 14.00-Uhr-Einstellung des Lautstärkereglers am StudioCube müssen wir die Verstärkung aber nicht heraufsetzen. Problematisch können insoweit eher sehr laute Kopfhörer sein. Für solche Modelle wünschen wir uns tatsächlich eine Möglichkeit, die Vorverstärkung herabzusetzen. Wirklich Klasse und nicht nur für das Teststück genau passend ist der Mono-Betrieb, der es uns ermöglicht, die linke Spur separat und beidohrig abzuhören.
Soweit so sehr gut. Wir lassen es uns nicht nehmen, den StudioCube mit dem Violectric HPA V200 direkt zu vergleichen. Aufs erste Hinhören geben sich beide nichts – das spricht selbstverständlich für den Lehmann, der immerhin für gerade Mal die Hälfte des Violectric-Preises zu haben ist. Zu früh gefreut. Es gibt Unterschiede: Zunächst ist der Violectric bei der Transientenwiedergabe noch sauberer, sein Impulsverhalten, vor allem bei den Bässen ist besser und insgesamt ist der Klang aufgeräumter – wohlgemerkt ohne dabei an Fülle und Größe zu verlieren. Außerdem hat der Lehmann, obwohl er grundsätzlich ein neutraler Vertreter der Gattung ist, eine leichte Tendenz zur Andickung im Bass- und Tiefmitten-Bereich. Es handelt sich dabei eher um den Lehmann-Fingerabdruck, der uns bereits bei den Hörtests des Linear Pro auffiel, weniger um Schönfärberei. Zumal es sich um vergleichsweise subtile Nuancen handelt, die eher erfahrenen „Kopf-Hörern“ mit entsprechendem Equipment auffallen werden. Abschließend haben wir den StudioCube auch mit seinem großen Bruder Black Cube Linear Pro verglichen: Auch der nahe Verwandte des Kleinen erscheint etwas präziser, in der klanglichen Ausrichtung stammen beide eindeutig aus demselben Hause – und das ist als Kompliment zu verstehen.
Fazit
Der kleine StudioCube von Lehmann Audio ist ein sehr guter Kopfhörerverstärker, der Musikern und Tonschaffenden, die bisher Kompromisse eingegangen sind, ein neues Klangerlebnis bescheren wird. Auch wenn der StudioCube nicht ganz an die Präzision seiner Mitbewerber aus der absoluten Topliga heranreicht, überzeugt er klanglich und ist zudem auch noch recht kostengünstig.
Erschienen in Ausgabe 07/2011
Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 399 €
Bewertung: gut – sehr gut
Preis/Leistung: gut
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