Des Guten genug

„Das Bessere ist des Guten Feind“ – was aber, wenn das Gute wie im Falle der Kopfhörerverstärker von Lake People bereits in der Topliga spielt? Dann sind es die feinen Unterschiede, die das Gute noch besser und letztlich gut genug machen.

 Von Harald Wittig 

Zu den unumstrittenen Spezialisten in puncto Kopfhörerverstärkerbau gehört zweifelsohne der deutsche Pro Audio-Hersteller Lake People und Kopfhörerverstärker gehören seit der Unternehmensgründung Mitte der 1980er Jahre zu den Kernprodukten der Konstanzer. Speziell mit dem Modell G100 (siehe den Kopfhörerverstärker-Klangvergleichstest in Ausgabe 6/2009) machte sich Lake People, obwohl ein reiner Pro Audio-Hersteller, auch bei HiFi-Fans bekannt. Speziell in jener High Ender-Subgruppe, die Musik gerne über Spitzenkopfhörer genießt, erspielte sich der G100 eine der oberen Plätze in der Beliebtheitsskala, denn bei einem hervorragenden Preis-Leistungsverhältnis punktete der G100 mit seiner hohen Signaltreue bei praktischer Störgeräuschfreiheit. 2009 hat Lake People die Karten allerdings neu gemischt, denn mit der Marke Violectric enterte der Hersteller den HiFi-Markt und präsentierte gleich drei Kopfhörerverstärker: die Modelle V90, V100 und V200 (siehe Test in Ausgabe 11/2009). Das Topmodell V200 hat klanglich bisher alles in den Schatten gestellt, was aus dem Hause Lake People gekommen ist, der rund 850 Euro teure Kopfhörerverstärker ist bei vielen Audiophilen und Fachmagazinen Referenzgerät – nicht zuletzt auch bei Professional audio.Nicht zuletzt wegen des großen Erfolges der Violectrics entschloss sich das Team um Lake People-Chef Fried Reim, die stets in Profi- und Consumer-Lager gleichermaßen geschätzten Lake People Modelle G93, G95, G97 und G100 zu überarbeiten.

Herausgekommen sind dabei die Modelle G103, G105, G107 und G109. Zum Test treten für dieses Mal das mit 295 Euro zu Buche schlagende Einsteigermodell G103-P und der knapp 500 Euro teure G109-P – zur Nomenklatur später mehr –, der den Mastering-Ingenieur und den anspruchsvollen HiFi-Enthusiasten funktional und klanglich überzeugen möchte.
Gehen wir doch direkt ins Detail und sehen uns beide Modelle näher an. Grundlegend neu sind die Gehäuse: Anstelle der früheren Kombination aus silberner Aluminiumfront und Edelstahlgehäuse, bestehen die Gehäuse jeweils aus zwei Aluminium-Halbschalen sowie einer drei Millimeter dicken Aluminium-Frontplatte und sind schwarz eloxiert. Dieser dezent-elegante Look passt eher ins gepflegte Eigenheim als die nüchtern-sachliche Gewandung der Vorgänger – „wohnzimmer-kompatibel“ nennt Fried Reim das neue Aussehen und wir sind geneigt ihm zuzustimmen.Der G103 ist äußerst handlich, was zumindest großhändige Menschen wörtlich nehmen dürfen. Das Gerät passt locker in den Rucksack und erfreut damit auch den bevorzugt mit leichtem Gepäck reisenden mobilen Tonmeister. Er bietet zwei Kopfhörern mit den beiden frontseitigen 6,3mm-Klinkenbuchsen Anschluss, ist der G103 über den Ein-Ausschalter in Betrieb genommen, signalisiert eine grüne LED Spielbereitschaft. Das Lautstärkepoti stammt vom Spezialisten ALPS, hat keine Rastung, der Drehknopf ist aus Kunststoff.Der G109 beansprucht mit seiner annähernd quadratischen Standfläche deutlich mehr Platz als sein kleiner Bruder, ist aber mit seinen rund 1.200 Gramm Lebendgewicht immer noch leicht genug fürs Handgepäck. Auf der im Vergleich zu der des G103 um 60 Millimeter breiteren Frontplatte verteilen sich die gleichen Anschlüsse und Bedienelemente wie beim Kleinen. Beim Lautstärkepoti handelt es sich allerdings um ein wertiges und teureres ALPS RK14, standesgemäß ist der im Durchmesser 25 Millimeter messende Drehknopf aus Aluminium, außerdem ist der Regler fein gerastet.
Rückseitig finden sich die Eingangsbuchsen. Erstmals bietet die Lake People Kopfhörerverstärker-Familie auch unsymmetrische RCA/Cinch-Eingänge – entweder wie im Falle des G109-P zusätzlich zu den professionellen XLR-Eingängen oder, wie beim G103, anstelle der symmetrischen Eingänge. Geräte mit Cinch-Eingängen tragen ein zusätzliches „S“ wie „Standard“, die Kopfhörerverstärker mit XLR-Eingängen passsenderweise ein „P“, das für „Professional“ steht, im Namen. Der G109-P hat wie gesagt beide Arten von Eingängen, wobei die RCA-Buchsen Priorität haben. Sobald dort Stecker eingestöpselt sind, werden die XLR-Eingänge abgeschaltet.

Es ist an der Zeit ins Innere der Geräte zu sehen, was der Anwender, sofern er beispielsweise von einem niederohmigen zu einem hochohmigen Kopfhörer wechselt, wenigstens einmal tun wird. Denn eines der Markenzeichen der Konstanzer ist PRE-GAIN. Dabei erfolgt eine Anpassung des Verstärkers an die Kopfhörer durch die Vorstufe, die das Eingangssignal wie beim G103 in vier (-12/-60/+6dB) oder, im Falle des G109, in drei Schritten (-12/0/+6DB) verstärken oder dämpfen kann. Bekanntlich haben Kopfhörer recht unterschiedliche Impedanzen und verfügen über Wirkungsgrade zwischen 85 und 115 dB/mW. Ohne eine Anpassung des Verstärkers wäre es so eher gesundheitsschädlich und kaum materialschonend, den Lautstärkeregler über, sagen wir mal beispielhaft die Neun-Uhr-Stellung zu positionieren. Umgekehrt kann bei einem wirkungsgradarmen Hörer auch der Rechtsanschlag des Lautstärkereglers noch nicht genügen. In diesen Fällen sorgt PRE GAIN, bei beiden Geräten über im Gehäuseinneren verborgene Steckbrücken/Jumper einstellbar, für Abhilfe. Wir empfehlen nachhaltig, von dieser Anpassungs-Option Gebrauch zu machen, denn klanglich am Überzeugendsten spielen die Kopfhörerverstärker von Lake People/Violectric auf, wenn der Lautstärkeregler zwischen 13.00 und 14.00 Uhr steht. Zugegeben, die Violectrics bieten mit ihren rückwärtigen DIP-Schalterchen mehr Einstellkomfort – immerhin müssen die Geräte nicht geöffnet werden. Gleichwohl ist die Anpassung der Lake People G-Modelle auch kein Hexenwerk. In der Regel ist der für die eigenen Ohren und Arbeit optimale Hörer früher oder später gefunden – wir von Professional audio bevorzugen nach wie vor den eher niederohmigen AKG K 702 Studio (siehe Test der Sonderedition auf Seite 82 dieser Ausgabe) mit einem gleichwohl eher durchschnittlichen Wirkungsgrad. Sie können die Anpassung eingedenk unserer Empfehlung für die Stellung des Lautstärkereglers problemlos nach Gehör vornehmen – und dann erst mal so belassen. Im Falle des AKG hat sich nach unserer Erfahrung eine PRE GAIN-Einstellung von +6DB, was zusammen mit der vergleichsweise niedrigen Grund-Gesamtverstärkung von lediglich +8dB einen Wert von +14dB ergibt.

Apropos Gesamtverstärkung: Diese ist bei beiden Geräten bewusst niedrig angesetzt, um störendes Rauschen, das sich negativ auf die Dynamik auswirkt und gerade bei sehr guten, hochauflösenden Kopfhörern ohne Weiteres auch hörbar ist, möglichst niedrig zu halten. Nach unseren bisherigen Testerfahrungen mit Kopfhörerverstärkern aus dem Hause Lake People handelt es sich stets um vorbildliche Saubermänner. Auch die beiden Testkandidaten machen da keine Ausnahme, das belegen eindrucksvoll die Messwerte aus dem Professional audio-Messlabor. Über jeden Zweifel erhaben sind die Werte für Geräusch- und Fremdspannungsabstände, die mit 102,5 und 95,6 Dezibel für den G103-P und 102,5 und 99,1 Dezibel für den G109-P fraglos top sind, was auch die FFT-Spektren stützen (das für den G109-P ist auf Seite 39 abgedruckt). Auch Verzerrungen sind bei Gesamtklirrfaktoren von 0,00017 Prozent (G103-P) und 0,0015 Prozent (G109-P) kein den Hörgenuss vermiesendes Thema.
Deswegen soll Hörgenuss jetzt auch unser Hauptthema sein, wollen wir doch wissen, was die Neuen Lake Peoples so drauf haben. Wir verwenden die Test-Verstärker mit dem Mytek Digital Stereo192-DSD DAC, als Kopfhörer vertrauen wir mit dem AKG K 702 Studio auf unseren bewährten Referenzhörer, die Vergleichs-Referenz am denen sich G103-P und G109-P messen lassen müssen, kommt aus demselben Stall: Der grandiose Violectric V200.Beide Modelle sind dermaßen nebengeräuscharm, dass wir – selbstverständlich in Spielpausen – auch bei Rechtsanschlag der Lautstärkeregler keinerlei Rauschen vernehmen. Was bedeutet das für den Praktiker? Ganz einfach: Vorausgesetzt Sie hören in ruhiger Umgebung mit einem hochauflösenden Kopfhörer, ist es ein Leichtes, Störgeräusche wie Einstreuungen oder leiseste digitale Störgeräusche, beispielsweise hervorgerufen durch ungenaue Synchronisation oder auch Kabelprobleme mit Ihren naturgegebenen Messinstrumenten, Ihren Ohren, zu ermitteln. Damit dürfen sich vorab schon beide mit dem kleinen „Werkzeug-Prädikat“ schmücken.Grundsätzlich spielen beide Kopfhörerverstärker auf hohem Niveau – der eingebaute Kopfhörerverstärker des Mytek scheidet schon in der Vorrunde aus. Gleichwohl gibt es hörbare Unterschiede zwischen G103 du G109: So erklingt die wunderschöne Klavier-Ballade „Anna´s Sleep Song“ von Tom Peters, die der Komponist auf der High End-Aufnahme „Portraits I“ selbst interpretiert (siehe www-msp-analogue.de), über den G103 gehört flacher, während der G109 nicht einfach ein Klavier, sondern einen Bösendorfer in einem hervorragenden Saal hörbar macht. Der G109 klingt auch ein wenig straffer und präziser in den Bässen, wohingegen der G103 eine Spur weicher und gerade bei heftigen Bassimpulsen vergleichsweise weniger präzise erscheint. Bildhaft ausgedrückt: Wir vermissen den speziellen Bronzeton, den die tiefen umsponnen Bass-Saiten des Flügels oder auch eine sehr gute Stahlsaiten-Gitarre liefern. Auch der feine Diskant des Flügels, den der Pianist gekonnt nutzt, um die zarte Melodie zum Singen zu bringen, bekommt in der Kombination G109-P und AKG K702 eine gewisse Körperhaftigkeit, vermutlich wegen der präziseren Nachzeichnung des Obertonspektrums durch den teureren der beiden Lake People HPAs. Dieser Höreindruck erhärtet sich mit „Homeland“, dem Eröffnungslied des sehr empfehlenswerten Albums „The Voice of Armenia“ (siehe hierzu das Interview zur Entstehungsgeschichte mit Toningenieur Christian Vaida in Ausgabe 7/2012): Neben dem ungemein fülligen und farbigen Flügelklang begeistert die Sonorität von Robert Amirkhanyans Bariton, endgültig überzeugt uns dann „Feelings Awake“ wo letztlich nur der G109-P den Zauber des Liedes und des Gesanges von Sängerin Seda Amir-Karayan vermitteln kann.Klare Sache: Wer ein hochpräzises, detailverliebtes Arbeitsgerät oder einfach nur einen Klangvermittler der Spitzenklasse verlangt, sollte den G109-P wählen – trotz der achtbaren Leistung des G103. Stellt sich die abschließende Frage, ob der G109-P auch am Thron des Violectric V200 sägt. Ja, das tut er, tatsächlich ist der klangliche Vorsprung des Referenz-Kopfhörerverstärkers geringer als wir selbst zunächst erwartet haben. Der V200 liefert noch mehr Informationen – vor allem im Höhenbereich – was sehr gut aufgenommenem Material eine fast holografische Qualität gibt. Das gelingt dem G109-P allerdings annähernd so gut, weswegen wir allen, die sich den V200, der immerhin fast 400 Euro teurer ist, nicht leisten können, guten Gewissens den G109-P empfehlen können. Denn Spitzenklang liefert dieser Kopfhörerverstärker zweifelsohne.

Fazit

G103-P und G109-P sind sehr gute Kopfhörerverstärker, mit denen entweder – im Falle des günstigen G103-P – der kompetente klangliche Aufstieg zu meistern ist oder – mit dem G109-p – ein Hörerlebnis der Spitzenklasse garantiert ist.

Erschienen in Ausgabe 11/2012

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 295 €
Bewertung: gut
Preis/Leistung: sehr gut