Nomen est Omen
Der erste Kopfhörerverstärker von Rupert Neve Designs sieht denkbar unspektakulär aus, lässt aber mehr als ein halbes Jahrhundert Studioexpertise hören.
Von Freda Ressel
Es wird nicht viele Menschen im Pro-Audio-Bereich geben, die bei der Erwähnung des Namens Rupert Neve keine leuchtenden Augen bekommen. Vor allem seine Konsolen aus den 1970er Jahren, wie etwa die Neve 8078, gelten heute als legendär. Dabei sollte man ihn nicht als Vintage-Ikone abtun: mit seiner aktuellen Firma Rupert Neve Designs (RND) stellt er seit den frühen 2000er Jahren unermüdlich Studio-Equipment mit State-of-the-Art-Technik mit dem unverkennbaren, charakteristischen „Neve-Sound“ her.
Der RNHP Precision Headphone Amplifier, welcher auf der Kopfhörerverstärkersektion des rund 8000 Euro teuren RND 5060 Centerpiece Mixers basiert, ist der erste reine Kopfhörerverstärker aus dem Hause Rupert Neve Designs. Mit drei verschiedenen, auf unterschiedliche Anwendungsgebiete zugeschnittenen Inputmöglichkeiten will er das liefern, was viele Konkurrenzprodukte dieser Preisklasse (UVP 677 Euro) vermissen lassen: High End-Klangqualität gepaart mit universellen Anschlussmöglichkeiten für Studio, Live- und Heimgebrauch. Mit einer Ausgangsimpedanz nahe Null (0.08 Ohm) soll er es auch mit anspruchsvollen Kopfhörern mit bis zu 600 Ohm Eingangsimpedanz aufnehmen können.
Verarbeitung und innere Werte
Das Design des RNHP entspricht dem für RND typischen schnörkellosen Retro-Chic. Ein robustes Stahlgehäuse mit überstehender Krempe zum Schutz der Anschlüsse umschließt den Verstärker.
Rutschfeste Gummifüße sorgen für einen sicheren Stand auf dem Desktop. Zudem ist der RNHP kompatibel mit VESA-100 Halterungen und lässt sich so alternativ an der Wand oder einem Stativ befestigen, was ihn auch für Monitoring-Aufgaben im Livebereich bestens qualifiziert. Mit einem Gewicht von 1,2 Kilo und seiner kompakten Bauform ist er außerdem uneingeschränkt transportgeeignet.
Auf der hellgrauen Frontplatte finden sich ein einziger Kopfhörerausgang (6,3 mm Stereo-Klinke), drei helle, LED-beleuchtete Drucktaster zum knackfreien Anwählen der Eingänge sowie ein rot mattierter Metall-Drehregler für die Lautstärkeeinstellung. Dabei handelt es sich um ein hochwertiges ALPS-Poti, das sich gewohnt cremig regeln lässt. Auf der ebenfalls hellgrau gehaltenen Rückseite des RNHP bieten drei verschiedene Input-Varianten umfangreiche Verwendungs-Möglichkeiten. Neben zwei XLR/TRS Kombianschlüssen (mit +4 dBu Linepegel, symmetrisch) für den Anschluss an Studioequipment wie Wandler oder Interface erlauben zwei Cinch-Eingänge (mit -10 dBV Consumerpegel, unsymmetrisch) die Paarung mit HiFi-Geräten. Zudem bietet der 3,5 mm Stereoklinkeninput die Möglichkeit, zum Beispiel Smartphones, mobile Audio Player, Computer und Handheld-Aufnahmegeräte über deren Kopfhörerausgang anzuschließen. Ebenfalls auf der Rückseite sind der Anschluss für den externen 24 V Netzstecker sowie der On/Off-Schalter verbaut.
Das Innenleben des RNHP präsentiert sich vorbildlich verarbeitet. Die Anschlüsse sind ohne Kabel in sauber verlöteter Oberflächenmontage und Durchsteckmontage verbaut. Zwei üppige Kondensatoren liefern schnelle Power, was eine optimale Impulswiedergabe begünstigen soll.
Messwerte
Im Labor zeigt sich der RNHP absolut mustergültig. Mit einem Geräusch- und Fremdspannungsabstand von 98,4 und 95,9 Dezibel am XLR-Eingang der Kombibuchse ist er sehr gut aufgestellt. Die FFT-Kurve zeigt einen hervorragend niedrigen Noisefloor von durchschnittlich -125 Dezibel, bei 50 Hz, beträgt der Geräuschspannungsabstand 100 Dezibel, was noch immer mehr als im grünen Bereich liegt und keinesfalls hörbar wird. Der Klirrfaktor ist mit Werten zwischen 0,002 und 0,0015 Prozent à la Bonheur. Der Frequenzgang zeigt sich erwartungsgemäß wie mit dem Lineal gezogen und bietet keinen Grund zur Beanstandung. Die Gleichtaktunterdrückung kann sich ebenfalls sehen lassen: Im Bassbereich startet die Verlaufskurve bei fantastischen -130 dB, um bei 5 kHz auf den Maximalwert von noch immer ausgezeichneten -110 dB anzusteigen.
Klang
Beim Hörtest verstärken wir unter anderem den in der Professional audio-Ausgabe 8/2016 getesteten Magnetostaten Hifiman HE 1000, den AKG K702 (Professional audio 02/2009) und natürlich den Testsieger unseres Kopfhörervergleichs in Ausgabe 4/2015, den Audeze LCD-X mit dem RNHP. Bei allen Kopfhörern, selbst den anspruchsvollen Magnetostaten, arbeitet der Kopfhörerverstärker auf Ideallast. Über den Mytek 8×192 ADDA, unseren Referenzwandler, schickten wir verschiedene Musikstücke und Eigenaufnahmen über den XLR-Eingang in den RNHP. Dabei offenbart er ein Klangbild, dass typisch für Rupert Neves Produkte ist: opulent und dynamisch, dabei absolut ausgewogen, aber nicht klinisch. Impulse werden trocken und blitzschnell wiedergeben. Bei der Stereoabbildung in Breite wie Tiefe zeigt sich der RNHP äußerst konturiert. Die Auflösung ist überaus fein und akribisch, wird dabei aber nie lästig. Eine tiefreichende, straffe und impulsschnelle Basswiedergabe sorgt für ein voluminöses Klangfundament, ohne dass die Bässe sich in den Vordergrund zu spielen. Gerade im Mittenbereich zeigt der RNHP außergewöhnliches Potential: farbig, lebendig und scheinend gehen mittlere Frequenzen – vor allem Gesangsstimmen und Gitarren – schlicht ab wie Schmitz’ Katze. Dabei sind sie dennoch gut ins Gesamtspektrum eingebettet. Die Höhen kommen offen und angenehm, niemals harsch oder überbetont.
Der RNHP holt die besten Eigenschaften aus jedem Kopfhörer heraus und lässt sie ideal und unangestrengt arbeiten. Sehr akribische Kopfhörer wie etwa der AKG K702 können mit dem RNHP spielend als akustische Lupe für eigene Aufnahmen genutzt werden, denn selbst unauffällige Fehler bei Aufnahme oder Mix fallen deutlich auf. Doch auch für genussvolles Hören ist der RNHP bestens geeignet, und wird in Kombination mit dem seidigen Klang des Hifiman HE 1000 zum echten Ohrenschmeichler.
Fazit
Der RNHP zeigt sich im Test als wertiger vielseitig einsetzbarer Kopfhörerverstärker. Mit seinem runden und dabei akribischen Klang, der niemals lästig wird, hat er uns absolut überzeugt. Auch die Messwerte zeugen von einer sehr hohen Qualität.
Ob als Studio-Arbeitspferd, Monitoringhilfe im Livesetting oder im Heimgebrauch mit Edelkopfhörer – der RNHP meistert jede Aufgabe mit Bravour. Auch mit 90 Jahren können wir offensichtlich mit Rupert Neve noch rechnen. Wir sind begeistert.
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