Oldschool vs. Nuschool Drummachine

KORG’s Drummachines wie die „Minipops“ haben etwa bei Jean Michel Jarre Geschichte geschrieben. Nun bringen die Japaner mit Drumlogue ein neues Drumtool auf den Markt. Das Instrument besitzt verschiedene Klangerzeugungen, einen mächtigen Sequencer und eine Reihe von Performance-Tools. Mithilfe von KORG’s moderner OpenSource/„SDK“-Plattform lassen sich auch Custom Synths und Effekte laden. Die Steuerung über externe Controller, Einzelausgänge und KORG’s Motion Sequences für Parameterbewegungen bieten alle Voraussetzungen für professionelles Beatproducing.

von Heiner Kruse

Nach dem Auspacken halte ich ein mittelgroßes Gerät in Händen. Es hat in etwa die Dimensionen einer Elektron-Drummachine oder einer Roland TR 6S und TR 8S. Die dunkel lackierten Seitenteile erinnern mich an selbst gebaute Studiomöbel aus den 90ern – Vintage-Flair ist beabsichtigt, hier wirkt das sogar ein wenig subversiv. In einem ersten Praxistest zu versuchen, Drumlogue ohne Lesen eines Manuals erfolgreich zu bedienen, geht gut: Viele wichtige Parameter sind gut beschriftet. Das gibt es nicht oft und ist nicht unwichtig. Ein Blick ins Manual lohnt sich natürlich trotzdem. Es ist kompakt verfasst und gut strukturiert. In der deutschen Übersetzung sind manche Formulierungen allerdings manchmal ein wenig holprig.

 

Spuren und Klangerzeugung

Elf Spuren sind gleichzeitig programmierbar, daraus ergibt sich auch die maximale Polyphonie von elf Stimmen. In Sachen Klangerzeugung entpuppt sich Drumlogue als hybrider Zeitgenosse. Die Instrumente Bass Drum, Snare, Low und High Tom werden auf analoge Weise erzeugt. Zusätzlich lassen sie sich noch mit einem Transient-Sample anreichern, die ihren Job gut erledigen und viel Variabilität bieten.

Die weiteren sechs Spuren sind Closed und Open Hihat, Rimshot, Clap sowie Sample 1 und 2 vorbehalten. Diese können mit unzähligen mitgelieferten Samples, aber auch mit eigenem Material bestückt werden.

Drumlogue verfügt auch noch über eine digitale Klangerzeugung, die ausschließlich auf der elften, „Multi“ betitelten, Spur zum Einsatz kommt. Die dort arbeitende Multi-Engine ist in der Lage, wahlweise eine „Variable Phase Modulation“ (VPM), „Noise“ oder einen User Synth auf Basis der Korg eigenen „SDK“-Plattform zu erzeugen.

Ab Werk findet sich „Nano“ von Sinevibes installiert, ein Synth mit zwei Oszillatoren, Detuning, Filter, LFO und Hüllkurven. Die VPM-Engine besitzt auch zwei Oszillatoren, die sich gegenseitig modulieren können, was eine einfache FM-Synthese realisiert.

Wer sich mit KORG Geräten beschäftigt hat, kennt das Konzept der SDK-Plug-ins schon von Geräten wie minilogue xd, prologue oder NTS-1, wo es ebenfalls eine „API“ (programmierbare Anwendungsschnittstelle) gibt und die mithilfe eines Librarian Custom Klangerzeuger oder FX laden können. Allerdings sind diese Synths aufgrund einer etwas anderen Grundstruktur nicht direkt mit Drumlogue kompatibel. Laut Manual kann die elffache Polyphonie optional auch mit solchen „Custom“ Synthesizern, abhängig von den jeweiligen Spezifikationen, genutzt werden, um User-Synths polyphon via MIDI zu spielen.

Eigene Samples oder SDK’s importieren, Kits und Programs

Hält man die Rec-Taste beim Anschalten, wird Drumlogue als „Mass Storage Device“ erkannt und es lassen sich Samples, Expansion Packs, Custom Synths und Effekte importieren. Drumlogue verwendet eine Sampleauflösung von 32 Bit und 48 kHz. Importiert man andere Formate, werden diese praktischerweise automatisch konvertiert.

Ich finde bemerkenswert, dass ich im Test auch ein Stereo-Audiofile importieren konnte. Das können Konkurrenten wie Elektron Digitakt und Novation Circuit Rhythm nicht.

Importierte Samples in den „Digital“-Spuren lassen sich mit Einstellmöglichkeiten wie Sample Start/End, Filter, Bitreduktion und Drive weiter bearbeiten. Eine Wellenform bekommt man allerdings nie zu sehen, das ist in Digitakt komfortabler gelöst.

Insgesamt sind in Drumlogue 128 Kits und 128 Programs (damit sind Kombinationen aus Patterns und Kits gemeint) speicherbar. Werksseitig belegt sind dabei jeweils die Hälfte der Plätze, was ich für eine sinnvolle Aufteilung halte. Die Presets stammen größtenteils von KORG, weitere sind von „Hercelot“ und „Sekitova“.

Regler, Display, Pads, Buttons

Die 15 großen Drehregler auf der linken Seite gewähren Zugriff zu den wichtigsten Parametern der einzelnen Parts. Die elf kleinen Instrumenten-Gain-Regler direkt darüber, die auch von einem kleinen Volca-Gerät stammen könnten, lassen sich dabei leicht übersehen. Das gilt auch für den transparenten Tempo-Regler. Ein kleines Display, Buttons für die Bereiche Pattern, Program und Kits und die vier unbeschrifteten Endlosencoder unter dem Display, deren Funktion je nach Displayinhalt wechselt, erlauben direkten Zugriff auf wichtige Parameter ohne allzuviel Menü-Diving. Die Zahl möglicher Parameterpages wird dabei angezeigt, was vorbildlich ist.

16 kleine Pads am Fuß des Geräts dienen der Patternprogrammierung. Die kleinen Pads selbst sind nicht anschlagdynamisch. Das habe ich von der Optik her auch nicht erwartet. Für mich lädt das Gerät zur Programmierung im Lauflichtmodus ein – mit einer Realtime-Recording Option als Bonus. Anschlagdynamisches Spielen ist jedoch über einen externen Controller möglich, der direkt am Gerät anschließbar ist. Das Programmieren von „Accents“, und damit von Velocity-Werten ist am Gerät pro Step möglich. Gleiches gilt auch für die Motion-Sequences. Später dazu mehr.

Sounddesign, Klangtest

Den Klang der analogen Bassdrum finde ich schön unaufdringlich klassisch und eher weich. Wer es härter haben will, mischt ein Transientensample dazu. Über die vier Endlosencoder sind rasch weitere Parameter wie etwa Hoch- und Tiefpassfilter erreichbar.

Das typische Knacken am Anfang einer Kick kann man alternativ auch analog mit einer schnellen Pitch-Modulation erzeugen, was in Drumlogue mit dem Sweep-Parameter geht, für den sich schnelle und langsame Zeiten einstellen lassen. Für eine Bassdrum à la TR-808, die schon fast wie eine Bassline klingt, ist die bei maximalem Decay längstenfalls einstellbare Sweep-Time allerdings etwas kurz. Ähnlich ist es bei der Low Tom. Hier ist der Tuning-Bereich relativ eingeschränkt und es gibt nur einen Parameter, um die Sweep-Intensität einzustellen. Auch bei der Snare gibt es ein zusätzliches Attack-Layer: hier regelt der große Snappy-Regler am Gerät direkt den Ausklang eines hinzugemischten Samples.

Mit einer „Part Random“-Option kann man zudem auch Sounds per Zufallsgenerator erstellen. Die Ergebnisse bei den analogen Spuren im Test konnten sich hören lassen.

Die Frage ist, ob Demos im Internet oder programmierte Werkssounds das ganze Klangpotenzial des Geräts anschaulich zeigen. Bei einem samplebasierten Gerät mit Importoption ist das eigentlich sowieso nie möglich. Mir hat gefallen, dass die analogen Bassdrums zum Beispiel auch weicher klingen können. In Kombination mit der Nutzung der Transienten aus Samples konnte ich im Praxistest oft Sounds finden, mit denen ich arbeiten konnte.

Patterns und Motion Sequences

Patterns können in maximal vier Pages zu je 16 Steps programmiert oder auch in Echtzeit aufgenommen werden. Parts lassen sich auch mit einer Random-Option generieren, Spuren können bis zu 64 Steps lang sein. Das Pattern wird dabei mit allen Spuren auf dem Display angezeigt – cool.

Für eine Weiterbearbeitung finden wir drei Pattern-Edit-Modi: Step, Accent und Motion. Der Step-Modus ist selbsterklärend und lässt sich an- und abschalten, zudem sind Probability und Alternate Modi programmierbar. Im Accent-Modus lassen sich für jeden Step Velocities einprogrammieren, deren Stärke durch die Helligkeit von LEDs über den 16 Pads angezeigt werden. Darüber hinaus sind auch sogenannte „Ratchets“, das sind Schlagwiederholungen, und „Ratchet Ramps“ programmierbar. Zu guter Letzt können im Motion-Modus Bewegungen von bis zu acht Parametern, bei Bedarf sogar live, aufgenommen respektive programmiert werden. Weitere Eingriffe in Steps und Pattern sind über den Time-Button möglich. Pro Step sind weitere Velocities oder Verzögerungen programmierbar. Zudem kann man typische Spielweisen beziehungsweise „Groove Types“, etwa von Tambourines oder LoFi-Styles mit Timing- und Velocity-Settings auswählen. Das kann dem User im Studio ohne fummeliges Programmieren schnell musikalische Ergebnisse liefern.

Drumlogue bietet auch überzeugende Hilfsmittel für Live-Performances: Es gibt drei Abspielmodi: Live, Chain und Loop. Live repräsentiert den Normalmodus, der das rasche Umschalten zwischen 16 Programs einer Bank ermöglicht. Der Chain-Modus erlaubt das Erzeugen von bis zu 16 Chains, in die pro Chain bis zu 16 Programs eingefasst sind und die nacheinander aufgerufen werden oder zwischen denen sich umschalten lässt. Der Loop-Modus erlaubt unter anderem das temporäre Loopen eines Steps und eines Abschnitts. Diese aus DJ-Programmen wie Rekordbox, Serato DJ oder Traktor bekannte Funktionalität ist in Drumlogue besonders überzeugend integriert. Denn es gibt verschiedene Optionen wie Loop-Speed, Abspielrichtung, Abspielposition nach Verlassen des Loops (das Pattern kann auch im Hintergrund weiterlaufen). Weil man durch Auswahl mehrerer Steps spontan einen Loop Bereich definieren und live verändern kann, entstehen schnell interessante Variationen. Das klingt für mich manchmal interessanter als bei einem DJ-Player, vielleicht weil kein Puffer verarbeitet, sondern alles (anders) generiert wird, wenn man zwischen Steps hin und herspringt.

Anschlüsse, MIDI-Verbindungen und externe Controller

Vier individuelle Einzelouts zusätzlich zu den Stereo-Outs erlauben, den Drumlogue auch am externen Mixer abzumischen.  Über den USB-to-Device-Anschluss kann der erwähnte externe Controller angeschlossen werden. Abseits vom anschlagsynamischen Spielen lassen sich darüber auch Parameter direkt ansteuern, die sonst nur in Menüpages aufrufbar sind. Denn will man am Gerät das Filter-Cutoff ändern, ist ansonsten leider Menütauchen nötig. Welche MIDI CC Nummern man nutzen muss, ist vorgegeben und steht im Manual. Das ist geschickt gemacht, einem komplexen professionellen Setup steht so nichts im Weg, ohne dass Drumlogue selbst zu teuer geworden ist. Im Test konnte ich zudem den VPM-Synth über ein angeschlossenes Keyboard auch chromatisch spielen. So ist es möglich, mit der Synth-Spur in Part 11 beispielsweise mit gewählter VPM-Klangerzeugung eine begleitende FM-Bassline oder ein Riff im TB-303-Stil als Teil eines Patterns einzuspielen.

Umgekehrt ist es übrigens auch möglich über Drumlogue externe Klangerzeuger anzusteuern.

Effekte und Sonstiges

Die Effekte klingen gut, Delay und Hall stehen als Send-Busse bereit, zusätzlich gibt es eine Mastersektion mit den Effekten Boost, EQ Three, Filter und Compressor.

Für Delay und Hall lassen sich verschiedene Modi einstellen, die erfreuliche Details bereitstellen. So gibt es Stereo-, BPM- und Tape-Delays und bei Letzterem auch eine Saturation Einstellung.  Beim Hall finde ich die Algorithmen Room, Hall, Space, Riser und Submarine – das erinnert mich an die Effekte meines NTS-1.

Mithilfe der Sync-Ein- und -Ausgänge kann beispielsweise Korgs Volca-Instrumente synchronisieren. Der Audio-In dient leider nicht dem optionalem Sampling, sondern bietet die Möglichkeit externe Signale mit Effekten zu versehen. Dies oder auch die Parts selbst können überdies in einen Sidechain-Bus geroutet werden, um Sounds zum Pumpen zu bringen.

Im Lieferumfang findet sich ein Neun-Volt-Netzteil, die Verwendung ist optional, denn die Stromversorgung kann auch via USB erfolgen. Eine Auto Power Off Funktion gibt es ebenfalls, aber kein Batteriefach.