Drei gewinnt

Der erste Eindruck mag täuschen, aber der neue C55 vom Monitor-Spezialisten KS Digital ist ein Drei-Wege-Lautsprecher, der sich um den Posten als Abhör-Chef bewirbt.

Von Harald Wittig

Der in Saarbücken beheimatete Lautsprecherhersteller KS Digital stellte den C55 zusammen mit seinem größeren Bruder, dem C88 und dem C8 auf der diesjährigen Musikmesse vor. Alle drei neuen Lautsprecher gehören zur Koaxial-Serie der Saarländer, die bis dahin einzig aus dem C5 Tiny, einem Nahfeld-Monitor mit Coax-Chassis im handlichen Würfelformat bestand.

Professional audio Magazin testete den C5, der vor allem durch seine exzellente Raumdarstellung und die mächtige Basswiedergabe punktete, in Ausgabe 13/2006. Tiefmittel- und Hochtöner sind auch bei den Neuen auf einer gemeinsamen Achse angeordnet, wobei der Gewebe-Hochtöner im Zentrum des Tief-Mitteltöners sitzt. Während es sich beim neuen C8 um die größere und leistungsstärkere Variante des C5 handelt, weichen C55 und C88 konstruktiv von den Vorgaben des C-Serien-Erstlings deutlich ab: Beide Lautsprecher verfügen über ein zusätzliches Lautsprecherchassis, ausschließlich zuständig für den Bassbereich. Folglich handelt es sich beides Mal um Drei-Wege- oder besser gesagt um Zwei-Einhalb-Wege-Systeme, die – so die selbstsichere Aussage der Saarländer – als echte „Fullrange-Abhöre“ die Qualifikation als Haupt-Abhöranlage besitzen sollen. Angesichts der moderaten Anschaffungspreise – der C55 kostet rund 1.000, der C88 etwa 1.150 Euro – und des sehr guten Rufes der Schallwandler aus dem Hause KS Digital, scheint es sich um ein äußerst attraktives Angebot zu handeln. Ob dem wirklich so ist, wollen wir für Sie herausfinden und haben deswegen den C55 einem gewohnt akribischen Praxistest unterzogen.
Beim C55 baut das Team von KS Digital um Inhaber und Chef-Entwickler Johannes Siegler auf dem reichhaltigen Erfahrungsschatz auf, den die Saarländer mit dem C5 Tiny gesammelt haben. Soll heißen: Obwohl es sich bei dem Koax-Chassis des C55 um eine Neuentwicklung – oder besser Weiterentwicklung – handelt, entspricht es in Abmessungen und bei den verwendeten Materialien dem des kleinen Koaxial-Würfels. So misst der Membran-Durchmesser des Tief-Mittel-Töners ebenfalls 165 Millimeter oder 6,5 Zoll. Als Membran-Material kommt Kohlefaser-/Carbongewebe zum Einsatz. Dabei handelt es sich um eines der Markenzeichen der Monitore aus dem Saarland: Vom C5, über den ADM30 (Test in Ausgabe 2/2007), den ausgezeichneten ADM20 (Test in Ausgabe 9/2006) bis hin zum momentanen Flaggschiff der KS-Digital-Produktpalette, dem exzellenten Großmonitor Line-Master (Test in Ausgabe 11/2007) sorgen Carbon-Membranen für den guten Tief-Mittel-Ton. Aufgrund der spezifischen Eigenschaften dieses Carbon-Gewebes – hohe Steifigkeit bei sehr geringem Gewicht – bleiben diese Membranen auch bei hohen Pegeln formstabil und gewährleisten, ausweislich unserer bisherigen Test-Erfahrungen, sowohl trockene, sehr saubere Bässe als auch verzerrungs- und partialschwingungsfreie Mitten. Schon der kleine C5 hat sich beispielsweise als echter Kraftprotz im Mitten- und Bassbereich erwiesen. Dabei erreichte das Würfelchen sein Basspfund ohne billige elektronische Effekthascherei. Auch alle anderen KS-Digital-Lautsprecher konnten insoweit durch die Bank überzeugen, wobei einzelne Unterschiede dem jeweiligen sonstigen konstruktiven Aufwand zuzuschreiben sind. Mithin könnte für den C55 gelten: Was für seine Verwandten recht ist, kann für ihn nur billig sein.
Die Membranform des Tief-Mitteltöners fungiert als schallführendes Element oder Wave Guide für den in dessen Zentrum sitzenden Hochtöner. Angetrieben wir der Hochtöner mit seiner besonders leichten Gewebe-Kalotte von einem kräftigen Neodymium-Magneten. Damit soll eine sehr impulsstarke und gleichzeitig klare Hochton-Wiedergabe erreicht werden. Wir werden sehen beziehungsweise hören, wie sich der Hochtöner des C55 schlägt.
Der Vorteil der koaxialen Bauweise wie sie eben auch im C55 Verwendung findet, bringt grundsätzlich den Vorteil mit sich, dass sie dem (theoretischen) Ideal einer Punktschallquelle am nächsten kommt, das neben einem beinahe idealen Impulsverhalten vor allem interne Phasenverschiebungen und eine äußerst präzise Raumdarstellung und Ortung ermöglicht. Allerdings ist ein Koax-System in der Praxis nicht eben einfach umzusetzen. Da wie gesagt der Tief-Mittel-Töner als Schallführung für den Hochtöner dient, können ungewollte Modulations-Interferenzen die Hochtonwiedergabe beeinflussen und diese faktisch verschlechtern. Als probates Mittel bietet sich an, das Koaxial-System erst gar keine großen Hübe ausführen zu lassen, sondern diese mit einem separaten Tieftöner zu teilen.
Kommen wir also zur augenfälligsten Neuheit, die beim C55 und beim C88 Premiere feiert: Das zusätzliche Chassis, ebenfalls mit Kohlefaser-Membran. Bei beiden Neuen entspricht der Membran-Durchmesser des hinzugefügten Lautsprecher-Chassis dem der Tief-Mittelton-Abteilung des Koax-Chassis. Der Sinn und Zweck des Ganzen: Das zweite Chassis teilt sich, wie gesagt, mit dem Koaxial-Treiber die Arbeit im Bassbereich und reduziert so dessen maximale Auslenkung erheblich. Daraus ergeben sich mehrere Konsequenzen. Das Koaxial-Chassis macht weniger Hub, erzeugt weniger Modulation für obere Mitten und Höhen, die dadurch sauber und definierter klingen sollten. Das zusätzliche Chassis übernimmt in gewisser Weise die Funktion eines eingebauten Subwoofers, der bis zur Übernahmefrequenz von 100 Hertz arbeitet. Allerdings arbeiten beide Chassis parallel, der Koaxial-Treiber reicht also selbst bis in den Bassbereich, er bekommt nur tatkräftige Unterstützung durch das Zusatz-Chassis.
Bedingt durch das zweite Chassis verdoppelt sich zwangsläufig das Gehäusevolumen des nun zum Zwei-Einhalb-Wege-System ausgebauten Lautsprechers gegenüber dem C5. Beides zusammen, das größere Volumen und der zusätzlich Unterstützungsarbeit leistende spezielle Tieftöner tragen zu tieferen und möglicherweise auch impulsfesteren Bässen bei – soweit die Theorie. Trotz der Volumenzunahme wiegt der C55 kaum mehr als der C5 mit seinen rund neun Kilo Lebendgewicht, bringt allerdings immer noch 12,5 Kilo auf die Waage. Ein stabiler, vibrationsfreier Untergrund ist also Pflicht. Ein positiver Nebeneffekt der besonderen Zwei-Einhalb-Wege-Konstruktion: Der C55 ist in puncto Aufstellung ungewöhnlich flexibel. Er darf liegen, aufrecht oder auf dem Kopf stehen – es passt dank dieser Bauweise immer.

nsgesamt drei, in Hybridtechnik arbeitende MOSFET-Endstufen sorgen für die nötige Power, die wahrhaft nicht von schlechten Eltern ist: Mit einmal 80 Watt für den Hochtonkanal und zweimal 180 Watt für die beiden Tiefton-Kanäle protzt der C55 mit gehörig Endstufenleistung, welche die direkte Umsetzung des anliegenden elektrischen Signals in Schall-Leistung garantieren soll. Auch bei den üppig dimensionierten Endstufen handelt es sich in gewisser Weise um ein typisches Merkmal der Aktiv-Lautsprecher von KS Digital: So werkeln schon im C5, der insofern gar nicht „tiny“/klein ist, eine 100-Watt- und eine 170-Watt-Endstufe. Vergleichbare Kraftpakete finden sich auch in ADM20 und 30.
Auf der Rückseite finden sich neben dem Kühlkörper und der XLR-Anschlussbuchse zwei Bass-Reflex-Ports. Wie immer ist daher Vorsicht bei wandnaher Aufstellung geboten. Sollte der C55 nicht auf der Meterbridge oder exponiert auf dem Arbeitstisch Platz nehmen, sollte der Anwender unbedingt vom sogenannten Low-Shelving-Regler Gebrauch machen. Dabei handelt es sich um ein Filter mit Kuhschwanz-Charakteristik, das den Basspegel um maximal sechs Dezibel herab- oder heraufsetzt. Ab Werk steht der dazugehörige Regler, der nur mit einem Werkzeug (Schraubenzieher) verstellbar ist, in mittiger, neutraler 12-Uhr-Stellung. Wie beim C5 auch, hat der Regler keine Skalierung – der Benutzer kann respektive muss sich ganz auf sein Gehör verlassen. Als Anhaltspunkte dienen die Acht-Uhr-Stellung für die Sechs-Dezibel-Absenkung und die 17-Uhr-Stellung für die entsprechende Anhebung. Der mit „High“ beschriftete Regler aktiviert demgegenüber ein Höhen-Shelving-Filter. Steht der C55 weiter als etwa 1,5 bis zwei Meter vom Hörplatz entfernt, sollte der Hochtonpegel damit dezent angehoben werden. Natürlich spielt auch der persönliche Geschmack oder die Bedämpfung im Raum eine Rolle. Die beiden Pegelsteller für die Raum-Equalizer und der Gain-Regler sind ab Werk mit Klebeband vor ungewollter Verstellung geschützt. Sollte der Anwender eine Anpassung an seine konkrete Abhör- und Aufstell-Position vornehmen müssen, empfiehlt es sich, die optimale Reglerstellung nach getaner Arbeit mit diesem Klebeband wieder zu sichern.
Wegen der guten Wirkungsweise der beiden Filter kann dem C55 eine gewisse Anpassungsfähigkeit an dem Raum attestiert werden. Dennoch sollte der jeweilige Hör- beziehungsweise Abhörraum eingemessen und akustisch optimiert sein. Wunderdinge darf und soll niemand von den Raumanpassungs-Optionen des C55 erwarten – das gilt aber für fast alle Monitore.

Die obligatorische Frequenzgangmessung ergibt einen weitgehend ausgewogenen Verlauf der Messkurve (siehe Seite 46): Abgesehen von einer kleinen Senke zwischen 300 und 500 Hertz verläuft die Kurve von 200 bis hinauf 15 Kilohertz linear. Auffällig ist hingegen der stete, allerdings gleichmäßige Abfall unterhalb 200 Hertz.
Beim Praxis- und Hörtest nimmt das C55-Paar auf der Konsole im Studio von Professional audio Magazin Platz und muss seine Wiedergabequalitäten mit einigen aktuellen, noch nicht fertig gestellten Projekten und finalisiertem Programm-Material unterschiedlichster Stilistiken beweisen. Zuerst ist auffällig, dass der C55 mit einiger Dynamik und Power aufspielt. Dabei gefällt uns die Direktheit des Lautsprechers: Der Klang springt den Hörer förmlich an, so dass Einzelstimmen auch von komplexen Arrangements für die Ohren greifbar nah sind. Den C55 insoweit als „vordergründig“ zu diskreditieren, wäre allerdings vollkommen verfehlt. Denn obwohl er kein zurückhaltender Vertreter der Monitor-Zunft ist, überzeugt der C55 mit einer hohen Trennschärfe. Sofern der Mix transparent ist, also keine Verdeckungseffekte aufweist, stellt der Lautsprecher genau dieses dar. Umgekehrt entlarvt er mulmige Mischungen oder überladene Arrangements gnadenlos. Ganz so, wie es sich für ein Arbeitsgerät gehört. Aufgrund seiner leistungsstarken Endstufen erlaubt der Monitor auch das Hören mit hohen Pegeln: Er behält dabei immer die Kontrolle, bleibt sehr stabil und das Hören über den C55 ist auch bei heftiger Lautstärke nicht anstrengend. Insbesondere diese Eigenschaft weisen nur wirklich gute Lautsprecher auf. Insoweit erweist er sich als typischer KS Digital-Monitor, denn auch seine von uns bereits getesteten Anverwandten verfügen über vergleichbare Stärken.
Bei der Raumdarstellung spielt der C55 die Vorteile des ohrenfällig gekonnt umgesetzten Koxial-Prinzips aus. Die starke Phantommitte lässt die Lead-Bass-Stimme in einem vielspurigen Instrumental-Stück deutlich konturiert im Zentrum erstehen. Allerdings zeigt sich, dass der Bass ein wenig Feinabstimmung über den Low-Shelving-Regler benötigt, denn er ist, bedingt durch die Lautsprecher-Aufstellung in einer Raumecke, zu überbetont und neigt zum Dröhnen. In Neun-Uhr-Stellung des Reglers, also mit einer vergleichsweise dezenten Pegelabsenkung, liefert der C55 an dem von uns gewollten Aufstellort eine überzeugende Leistung bei der Basswiedergabe. Die recht tiefen Bässe sind trotz der nahen Raumecken nie breiig oder gar verzerrt. Das Impulsverhalten der beiden Tief-Mittel-Töner kann sich wirklich hören lassen. Ganz gleich, ob es sich um knallharte Elektro-Bässe handelt, die exakt fokussiert den Hörplatz erreichen oder um einen weich gespielten Kontrabass, dessen Spieler die unteren Lagen auslotet: Der C55 macht bei allem Druck immer eine überzeugende Figur. Allerdings sei nicht verschwiegen, dass erst mit dem Subwoofer ADM B2 (siehe Kasten auf Seite 44), die Tieftonwiedergabe noch eine kräftige Schippe zulegen kann. Denn in Verbindung mit diesem echten Experten für die Kellerfraktion im Frequenzspektrum klingt alles – unabhängig vom Material – noch deutlich lässiger, entspannter und satter. Daher unser Tipp: Falls Sie einen C5 Tiny besitzen oder derzeit mit dem C55 Freundschaft schließen, testen sie diese Lautsprecher nach Möglichkeit mit dem ADM B2. Denn dieser Subwoofer ist die optimale Ergänzung fürs tiefste Tiefenfundament.
Anders als noch der C5, der mit einer Absenkung bei den Tiefmitten eher auf ein analytisches Klangbild hin abgestimmt war, ist das Mittenband des C55 sehr viel ausgewogener. Ohne dabei ins Warme – Stichwort Mittenbauch – zu spielen, klingt der Neue weniger rau, was das Abhören von Konzertgitarren-Aufnahmen sehr angenehm macht. Dass der C55 hier nicht etwa schönfärbt, beweist das Vergleichshören über unsere Referenz, den KRK Exposé E8B und den ADAM S3A. Auch wenn die – allerdings deutlich teureren Konkurrenten – hier mit mehr Feinzeichnung aufwarten können, was die gitarristischen Klangfarben und Register noch farbiger erscheinen lässt, bleibt der Saarländer dichtauf. Anders ausgedrückt: Der C 55 klingt nicht analytisch, sondern bekennt sich grundsätzlich zur Neutralität, was unserer Meinung nach die Eingewöhnungszeit an einen Abhör-Lautsprecher beträchtlich erleichtert und verkürzt.
Der Hochtöner besitzt nicht ganz die Akkuratesse des Beryllium-Hochtöners des KRK und steht in puncto Impulsverhalten auch hinter dem A.R.T.-Hochtöner des ADAM zurück. Gleichwohl löst der Gewebe-Hochtöner des C55 fein auf, was bei einem Steelstring-Akustikgitarren-Stück, seinerzeit im Rahmen des Testes des RME DMC 842 mit einem digitalen Schoeps MK 4/CMD 2U eingespielt, greifbar ist. Gerade bei der Wiedergabe von Transienten ist der Hochtöner impulssicher und sehr sauber. Es fehlt lediglich das letzte Quäntchen an Farbigkeit und Obertönigkeit, dafür klingt der Höhenbereich auch etwas weicher und damit sogar angenehmer als bei den Vergleichs-Lautsprechern. Es fehlt sicherlich die allerletzte Griffigkeit und Plastizität im Hochtonbereich, aber dabei sollte berücksichtigt werden, dass der C 55 im Rahmen der KS-Digital-Produktpalette im preislichen Mittelfeld rangiert. Wer noch mehr will – und es sich leisten kann – der greife gleich zum ADM20. Alle anderen bekommen mit dem C55 in jedem Fall viel richtig gute Box fürs Geld.

Fazit

Der neu entwickelte C55 baut auf den Erfahrungen des Koax-Würfels C5 Tiny auf, übertrifft diesen aber gerade klanglich deutlich. Als sehr impuls-sicherer, weitgehend neutraler Lautsprecher besitzt er in jedem Fall die Quali-fikation zum Abhörchef.

Erschienen in Ausgabe 11/2008

Preisklasse: Oberklasse
Preis: 1012 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut