Das Postproduction-Plug-in
Speakerphone, Audio Ease einzigartiges Potstproduction- und Atmo-Plug-in, präsentiert sich gründlich überarbeitet und ist jetzt noch leistungsfähiger.
Von Harald Wittig
In der Ausgabe 2/2008 stellten wir das Plug-in Speakerphone von Audio Ease, bestens bekannt für das großartige Faltungshall-Plug-in Altiverb, vor: Obwohl die niederländischen Software-Tüftler Speakerphone als Lautsprechersimulation bezeichnen, erweis sich dieses einfach zu bedienende Plug-in als die ultimative Postproduction-Software mit der es ein Kinderspiel ist, trockene Aufnahmen um authentisch klingende Atmosphären anzureichern. Nach über einem Jahr präsentieren die Niederländer jetzt die zweite Version und haben sich kräftig ins Zeug gelegt, denn Speakerphone 2.0 ist jetzt noch einfacher zu bedienen und noch üppiger ausgestattet.
Wer bereits Speakerphone 1 hat, kann für 119 Euro upgraden, Erstkäufer müssen rund 470 Euro investieren. Das ist sicherlich ein hoher Preis, den Speakerphone 2 allerdings – so viel sei schon verraten – bis auf den Cent wert ist.
Ist die neue Version erstmals in den Effektcontainer einer Spur geladen, fällt zunächst die größere Benutzeroberfläche auf. Das hat gute Gründe, denn das Hauptmodul von Speakerphone, „Speaker“ genannt, umfasst jetzt noch mehr Impulsantworten von Lautsprechern und wäre alleine schon ein Upgrade wert. Hinzu kommen brandneue Module, die es ebenfalls klanglich in sich haben. Sehen wir uns zunächst das Speaker-Modul an.
Allein die Kollektion Gitarren-Boxen ist beträchtlich erweitert: Das Team um Audio Ease-Chef Aarjen van der Schoot hat zu diesem Zwecke einen bekannten deutschen Musikalienhändler besucht und dort jede Menge Amp-Impulsantworten generiert. Dabei sind jetzt unter anderem der Marshall SLP Jimi Hendrix MKII, ein Mesa Boogie Triple Rectifier oder ein Soldano Reverb-o-sonic ROS50. Gitarristen, die beispielsweise mit dem kostengünstigen Plug-in Virtual Guitar Amp von Studio Devil arbeiten (Test in Ausgabe 10/2008, schalten die Lautsprechersimulation ab und verwenden stattdessen die Boxen im Speakerphone. Der klangliche Zugewinn überzeugt auch Anspruchsvolle. Das Angebot an Telefonen wurde um viele antike Fernsprecher, die inzwischen äußerst selten sind, erweitert. Wer für einen Film- oder Hörspieldialog den authentischen Klang eines Bell TMC von 1882 benötigt – kein Problem, Speakerphone 2 hat den Urahn aller Telephone im Angebot. Was sonst nur mit erheblichen Aufwand und tontechnischer Finesse erreichbar ist, erledigt dieses Plug-in in Sekundenschnelle – da freut sich der Filmtonmeister.
Unter dem Hauptmodul findet sich zunächst das Mikrofon-Modul: Dahinter verbergen sich die Impulsantworten von diversen Mikrofonen, wobei das Angebot von hochwertigen Schallwandlern wie einem Schoeps CCM 5, einen Royer 121, einem Telefunken Ela M251 bis hin zu billigen Spielzeugmikrofonen reicht. Ist ein Mikrofon ausgewählt, soll mit die Aufnahme klingen, als sei das real existierende Mikrofon tatsächlich zum Einsatz gekommen. Das klappt am ehesten, wenn bei der ursprünglichen Aufnahme ein sehr neutrales Mikrofon Verwendung fand, bei stark färbenden Schallwandlern dominiert immer noch der ursprüngliche Mikrofon-Klang. Aber zumindest der neutrale Klang des Schoeps oder der spezielle Bändchenklang des Royer gefällt mit dieser Einschränkung und in jedem Fall lässt sich das Mikrofonmodul kreativ nutzen, um beispielsweise matte oder überpräsente Sprach- oder Gesangsaufnahmen zu korrigieren. Richtig spaßig wird ´s ohnehin erst, wenn eines der alten Kohlemikrofone ausgewählt ist: Da erklingt eine moderne, naturnahe Aufnahme mit einem Mausklick gut 60, 70 Jahre älter. Mittels des sogenannten „Degrade“-Reglers, der aus einem Kohlemikrofon im Topzustand einen gealterten Störenfried mit extremen Verzerrungsgrad macht, lässt sich der Effekt stufenlos verstärken.
Das Room-Modul sorgt, sofern gewünscht, für die nötige Portion Nachhall. „Room“ ist ein Faltungshall, die Raum-Impulsantworten stammen vom berühmten Altiverb, das Raumangebot selbst umfasst jetzt 40 Räume – also zehn mehr als Speakerphone 1, zusätzlich sind noch die Impulsantworten von Hardware-Hallgeräten hinzugekommen wie beispielsweise EMT-Hallplatten oder röhrengetriebener Federhall, der die Vintage-Amp-Sammlung bereichert. Da jedes Speakerphone-Modul auch alleine einsetzbar ist, erhält der Benutzer mit Room faktisch einen abgespeckten Altiverb, der sich durchaus gewinnbringend für allgemeine Mischarbeiten einsetzen lässt.
Das „Cover“-Modul ist ein Neuzugang, der es in sich hat: Wenn Sie schon immer wissen wollten, wie Ihre Aufnahmen in einem Plastikeimer oder einer Bierflasche klingen, aktivieren sie „Cover“ und wählen aus dem Aufklappbrowser das gewünschte Gefäß. Mit dem Reglern „Mix“ lässt sich der verblüffende Effekt stufenlos verstärken, „Pitch“ beeinflusst die Resonanzfrequenz der Gefäße und bringt vor allem bei Glasflaschen beeindruckende Ergebnisse.
„Telecom“ simuliert die typischen Audio-Artefakte, die bei schlechter Handy-Verbindung auftreten und Legionen von Mobiltelefonieren an den Rand des Wahnsinns getrieben haben. Da Speakerphone den typischen Klang zahlreicher bekannter Handys im Hauptmodul enthält, ist dieses Modul eine willkommene Ergänzung.
Das Leslie-Modul emuliert den klassischen rotierenden Lautsprecher, genauer gesagt die charakteristischen „Wusch“-Effekte. Für wirklich naturnahe Ergebnisse gibt es im Speaker-Modul die Impulsantwort eines Original-Leslies, es bleibt dem kreativen Anwender aber unbenommen, den Leslie-Effekt mit jedem Lautsprecher zu kombinieren, denn erlaubt ist, was gefällt.
Ein mächtiges neues Modul ist „Multi LFO“. Dahinter finden sich vier niederfrequente Oszillator und zwei Hüllkurven, mit denen sich der Klang aller Module, außer dem Speaker-Modul, gezielt verändern lässt. Multi FLO lässt sich virtuell mit den Modulen – beispielsweise dem Leslie-Modul – verkabeln und gezielt zur Klangformung einsetzen.
Soweit also die Tour d´ Horizonz über die neuen Module und Funktionen in Speakerphone 2. Unverändert ist die Sample Bay, also solche ein waschechter Sample-Player einschließlich einer fünf Gigabyte großen Library. Die Sample Bay ist das i-Tüpfelchen von Speakerphone, denn damit fügt der Benutzer noch Atmo-Geräusche zu den selbstgemachten Atmosphären hinzu. Der Sample-Player spielt übrigens jegliche Samples ab, zum Einstieg lässt sich bereits mit der Library arbeiten. Apropos arbeiten: Speakerphon erleichtert nicht nur die Postproduction, es hilft faktisch Zeit und Geld zu sparen. Mit wenigen Mausklicks ist das Ausgangsmaterial in eine völlig neue Umgebung versetzt und so mancher produktionstechnische Overkill gehört der Vergangenheit an. Sie benötigen eine typische Bahnhofsatmosphäre? Kein Problem, Speakerphone 2 generiert aus einer schlichten Sprachaufnahme das passende Szenario. Dabei muss der Anwender nicht einmal selbst Lautsprecher und Module auswählen: Die vielen Presets decken bereits eine Vielzahl von Atmosphären ab. Auf unserer Website www.professional-audio.de finden Sie in der Soundbank als besonderen Service drei Soundfiles zum freien Download, die einen ersten Eindruck von der enormen Leistungsfähigkeit dieses auch noch Ressourcen-schonenden Plug-ins geben. Darüber hinaus seien noch die sehr guten Videos von Aarjen van der Schoot zu empfehlen, zu finden auf der Audio Ease-Website www.audioease.com, die sowohl Speakerphone-Neulinge als auch erfahrene Anwender ansehen sollten. Spätestens danach, sollte klar sein, dass Speakerphone 2 eine geniale und einzigartige Software ist, die zudem noch richtig Spaß macht.
Erschienen in Ausgabe 08/2009
Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 470 € (119 € Upgrade)
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut
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