Des Meisters Equalizer

Producer-Legende George Massenburg stellt unter seinem Label George Massenburg Labs (GML) analoge Studiogeräte der allerhöchsten Qualitätsklasse her. Das MDW High Resolution Equalizer Plug-in ist das erste und einzige Softwareprodukt, das seinen klangvollen Namen tragen darf.

von Igl Schönwitz

George Massenburg ist sicherlich eine der schillerndsten Persönlichkeiten der Studiogeschichte. Seit den 1970er Jahren hat er mehr als 200 Alben mit Künstlern wie Linda Ronstadt, Billy Joel, James Taylor, Randy Newman, Little Feat, Journey, Toto, Weather Report, Kenny Loggins, Herbie Hancock und vielen anderen produziert. Allein der Sound der von ihm aufgenommenen Earth Wind and Fire-Platten spricht für sich. Er gewann vier Grammys in der Kategorie „Best Non-Classical Recording“ und hat die Akustik einiger der renommiertesten Studios der USA, unter anderem George Lucas‘ Skywalker Sound, mit gestaltet. Ganz nebenbei hat Massenburg den ersten vollparametrischen Equalizer erfunden und in einem wissenschaftlichen Dossier der Audio Engineering Society im Jahre 1972 beschrieben.

Der GML 8200 Hardware-Equalizer ist das Ergebnis seiner langjähriger Entwicklungsarbeit in diesem Bereich. Nicht zuletzt durch Massenburgs ungewöhnlich hohen Praxisbezug entstand einer der anerkannt besten analogen Entzerrer, die jemals zu haben waren. Das MDW-EQ-Plug-in möchte genau dieses Equalizerkonzept in die digitale Welt transportieren.

Plug-in Plattformen

Das Plug-in, das George Massenburg während seiner vier Workshops, denen ich beiwohnen durfte, selbstverständlich als einzigen Equalizer verwendet hat, stand lange Zeit ausschließlich für Avid Pro Tools,  Massenburgs bevorzugter DAW, zur Verfügung. Seit kurzem gibt es auch eine Version für die Universal Audio DSP-Plattform. Wer weder Pro Tools noch eine Universal Audio-Karte besitzt, muss auf das Plug-in in der hier beschriebenen Funktionalität bedauerlicherweise verzichten. Zwar bietet MDW den EQ darüber hinaus auch als Algorithmus-Option für das Sonnox Oxford-Plug-in und das System 6000 von TC Electronic an, diese Varianten sollen aber nicht das Thema unseres Tests sein.

Die Preise für das Plug-in liegen zwischen 299 Euro für die UAD-Version und satten 653 Euro für die Pro Tools AAX DSP-Variante. Als rein natives AAX-Plug-in schlägt der Equalizer mit rund 320 Euro zu Buche. Damit gehört der MDW EQ nicht zu den Schnäppchen auf dem Plug-in-Markt, für einen ausgewachsenen High-End-Algorithmus geht der Preis allerdings in Ordnung. Immerhin spricht mit Mastering-Guru Bob Ludwig eine weitere Legende großes Lob für diesen Equalizer aus. Wir sind entsprechend gespannt.

Der MDW Equalizer

Das Plug-in kommt zunächst als 5-bandiger, vollparametrischer EQ daher. Zusätzlich befindet sich ein EQ3-Plug-in im Lieferumfang, das mit lediglich drei EQ-Bändern etwas Ressourcen-schonender  arbeitet, ansonsten aber die gleiche Funktionalität bietet wie sein fünfbandiger Bruder. Unter Pro Tools steht das Plug-in nur als Dual-Mono-Instanz zur Verfügung, eine reine Stereovariante sucht man vergeblich. Da sich die beiden Kanäle eines Dual-Mono-Plug-ins selbstverständlich verkoppeln lassen, ist das kein Kritikpunkt – diese Auslegung bringt vielmehr die Möglichkeit, optional den linken und den rechten Stereokanal unabhängig zu bearbeiten. Man wundert sich anfangs lediglich, warum der Equalizer nicht in der Kategorie Stereo-Plug-ins aufgeführt wird.

Die blau-grau gehaltene Oberfläche des Plug-ins ist optisch einigermaßen unspektakulär. Bei näherem Hinsehen merkt man allerdings deutlich, dass hier die große Erfahrung des Praktikers George Massenburg maßgeblich eingeflossen ist. Das beginnt damit, dass das GUI nicht übermäßig viel Platz auf dem Bildschirm einnimmt, sich aber dennoch intuitiv und schnell bedienen lässt und stets übersichtlich Auskunft über die aktuellen Einstellungen gibt.

Das linke Drittel der Bedienoberfläche nimmt eine grafische Anzeige des eingestellten Frequenzgangs ein, dessen Hintergrund der selbstbewusste Schriftzug „Massenburg Design Works“ ziert. Die Darstellung ist nicht sonderlich groß und damit natürlich auch etwas ungenau. Folgerichtig ist es auch nicht wie bei manch anderem EQ-Plug-in möglich, den Frequenzgang direkt mit der Maus anzufassen, um den EQ zu verändern. Ich finde das konzeptionell gelungen, da man in der Praxis allzu leicht die Frequenz eines Filters mit verschiebt, wenn man dessen Gain direkt mit der Maus in der Kurve bearbeitet. Für exaktes Arbeiten ist der Weg über virtuelle Potis daher in der Regel zielführender. Kollege Massenburg hat das offensichtlich ähnlich gesehen. Die Darstellung des Frequenzgangs hat also nur die Aufgabe, die aktuellen Einstellungen des EQs grob zu visualisieren. Da man einen Equalizer vordringlich mit den Ohren einstellen sollte, finde ich diese Auslegung begrüßenswert, letztlich ist das aber auch Geschmacksache.

Klickt man etwas länger in den Bereich der Frequenzkurve, so öffnet sich ein Pop-up-Menu, mit dem sich die Auflösung der Display-Darstellung immerhin zwischen +/- 6 dB, +/-12 dB und +/- 24 dB umschalten lässt.

Links unterhalb der Kurve befindet sich ein Button, der durch Auf- und Abwärtsbewegung der Maus bei gedrückter Maustaste eine Justierung des Eingangspegels erlaubt. Alternativ kann man den gewünschten Wert auch numerisch per Tastatur eingeben. Direkt daneben gibt es eine weitere Schaltfläche, die das Signal in der Phase dreht – sehr praktisch, so muss man für diese alltägliche Aufgabe kein zusätzliches Plug-in bemühen. Die Dual-Mono-Variante dreht hier zunächst die Phase beider Kanäle, das kann man aber ändern, indem man die Kopplung im ProTools-Plug-in-Fenster deaktiviert.

Rechts unterhalb des Displays gibt es die Verwaltung von Snapshot A und B. Die aktuelle Einstellung ist dabei stets Snapshot A, sie kann aber auf den Speicherplatz B kopiert werden. Dann kann man sein EQ-Setting weiter bearbeiten und auf Knopfdruck mit dem Ursprungssetting vergleichen. Dieses Feature ist natürlich nicht neu, bei Waves gibt es Ähnliches schon lange. Dem Praxisnutzen tut das aber selbstverständlich keinen Abbruch.

Den größeren Teil der Bedienoberfläche nehmen die Regler für die Equalizerbänder ein. Jedes Band besitzt erwartungsgemäß drei untereinander angeordnete Drehpotis für Frequenz, Bandbreite und Gain. Die Gestaltung der Drehgeber stellt einen gelungenen Kompromiss zwischen fotorealistischer Darstellung und ergonomischer Maus-Bedienung dar: Jeder Drehknopf besitzt einen metallisch schimmernden Ring, der sich bei Betätigung wie ein „echter“ Potiknopf dreht, dabei jedoch keine Markierung für die Reglerstellung aufweist. In der Mitte der Drehknöpfe wird der jeweils aktuelle Parameterwert in großen, sehr gut ablesbaren Zahlen dargestellt. Man hat also ein quasi-analoges Bediengefühl und trotzdem exakte optische Kontrolle über die aktuellen Einstellungen. Klasse.

Der Regler für die Bandbreite fällt etwas kleiner aus als seine Pendants für Gain und Frequenz. Daher gibt es hier neben dem eigentlichen Poti ein kleines rundes Display, das den aktuellen Wert anzeigt. Neben diesem Poti und seinem Wertedisplay befindet sich in der Mitte der Bedieneinheit jedes EQ-Bandes ein eigener Bypass-Button.

Im unteren Bereich der Bedienfelder für die einzelnen Bänder findet sich letztlich ein Druckknopf und ein Pop-up-Menü zur Auswahl des jeweiligen Filtertyps. Alle Bänder lassen sich zwischen Bell-, High- und Low-Shelf-  sowie High- und Lowpassfiltern mit 6 oder 12 dB Flankensteilheit umschalten. Das fünfte EQ-Band stellt zudem High- und Lowpassfilter mit 18 und 24 dB bereit. Der oben erwähnte Button aktiviert ein bedientechnisches Highlight des MDW-EQs, die sogenannte IsoPeak-Funktion.

IsoPeak

Bei der Arbeit mit Equalizern werden Störfrequenzen gerne durch das Abfahren des Frequenzspektrums mit einer schmalbandigen Anhebung gesucht. Einige EQ-Plug-ins wie der hervorragende Epure V.3 des französischen Herstellers Flux bieten dafür einen Button, mit dem sich die Anhebung einer Frequenz in eine gleichlautende Absenkung invertieren lässt. Massenburgs IsoPeak-Funktion geht hier noch einen Schritt weiter:

Aktiviert man den entsprechenden Button, so wird die Frequenz des betreffenden EQ-Bandes extrem angehoben. Zusätzlich greift  ein High- bzw. Lowpassfilter links und rechts der gewählten Frequenz, so dass diese tatsächlich „solo“ abgehört werden kann. Verlässt man den IsoPeak-Modus, so ist das Frequenzband wieder in den vorher gewählten Einstellungen für Filtertypus, Gain und Bandbreite aktiv. Klickt man bei länger gehaltener Maustaste in den Bereich eines EQ-Bandes, öffnet sich ein Pop-up-Fenster, in dem sich die Bandbreite der IsoPeak-Anhebung zwischen Q4, Q8, Q12 und Q 24 umschalten lässt. Zusätzlich kann man hier die Settings des entsprechenden Bandes auf ein anderes kopieren. Bravo! IsoPeak ist ein wundervolles Feature, mit dem sich die zu bearbeitenden Frequenzen beispiellos schnell und intuitiv finden lassen.

Technische Daten

Das Ziel bei der Entwicklung des MDW-Equalizers war laut Herstellerangabe eine äußerst saubere, smoothe Arbeitsweise mit besonders akkurater Bearbeitung der hohen Frequenzen. Diese würde unter anderem durch eine „double Precision“ 64-Bit Bearbeitung möglich. Damit nicht genug führt das Plug-in bei Projekt-Sampleraten von 44,1 und 48 kHz ein internes Upsampling auf die doppelte Abtastrate durch. Sofern das jeweilige DAW-Projekt mit Sampleraten von 88,2 bis 192 kHz arbeitet, werden diese 1:1 umgesetzt.

Das interne Upsampling wird auch anhand der Frequenzauswahl der Bänder deutlich: Jedes Band des MDW-Equalizers lässt sich auf Frequenzen von 10 Hz bis 41 kHz einstellen – und das wohlgemerkt auch bei einer Projekt-Samplerate von 44,1 kHz. Ohne Upsampling wäre dies schon aufgrund des Nyquisttheorems unmöglich. Auch wenn sich Bearbeitungen oberhalb 20 kHz bei einem 44,1 kHz-Projekt in der DAW nicht fortführen lassen, garantiert diese Auslegung auch hier vorbildliche High-Shelving Kurven bei minimalem Phasenversatz. Wer in den vollen Genuss der Fähigkeiten des Massenburg Equalizers kommen möchte, sollte indes dennoch mit 88,2 oder 96 kHz Samplerate innerhalb seines Projektes arbeiten.

Jedes Equalizerband erlaubt darüber hinaus üppige Anhebungen und Absenkungen um bis zu 24 dB. Bezüglich der Bandbreite emuliert das MDW-Plug-in das reziproke Constant-Q-Verhalten, mit dem schon der Massenburg Hardware-EQ 8200 berühmt geworden ist.

Praxis und Sound

Für den Praxistest probierte ich den MDW Equalizer zunächst auf einer weiblichen Gesangsstimme eines Popsongs aus. Die Signalkette war durchaus opulent: Ich hatte den Black Cat Audio The Jaguar 670 Röhrenkompressor in Reihe mit einem SPL Iron geschaltet – eine zugegeben extrem teure Kombination, die aber sagenhaft durchsetzungsfähige und dennoch unauffällige Dynamikbearbeitung gewährleistet. Die Klangregelung erledigte SPLs PQ-Equalizer. Nun nahm ich den PQ aus der Kette und ersetzte ihn mit dem MDW-EQ mit ähnlichen Einstellungen, die aus einer leichten Anhebung im Lowmid-Bereich und einem High-Shelf von ca. 6 dB bei 10 kHz bestand. Verblüffendes Ergebnis: Der Unterschied war im Solobetrieb kaum und spätestens im Mixkontext nicht mehr wahrnehmbar. Das bedeutet natürlich nicht, dass der MDW-Equalizer einen PQ ersetzen kann. Es bleibt aber dennoch das Fazit, dass ich mit noch keinem Plug-in ein derart smoothes und musikalisches Ergebnis erreichen konnte.

Dabei gelingen  extrem schmalbandige Notchfilter zum gezielten Entfernen einzelner Störfrequenzen mit dem erwähnten Epure von Flux, das bisher meine persönliche EQ-Plug-in-Referenz darstellte, tatsächlich noch etwas besser. Spätestens wenn es um Anhebungen und musikalische Bearbeitungen geht, hat der Massenburg Equalizer aber deutlich die Nase vorn. Egal welches Signal bearbeitet wird, das Plug-in klingt auch bei extremen Bearbeitungen smooth, druckvoll und niemals anstrengend. Trotz herausragender Transparenz scheinen die Signale eine gewisse „analoge“ Signatur zu bekommen, die sich nur schwer beschreiben lässt.

Auch wenn beispielsweise das Maag EQ-Plug-in von Universal Audio eine im Einzelfall hilfreiche Färbung des Signals mitbringen mag, lassen sich mit dem MDW-Equalizer die allermeisten Standardaufgaben besser lösen als mit üblichen Emulationen analoger Hardware. Getreu dem Motto „one fits it all“ lässt sich so wertvolle Produktionszeit sparen, die man sonst eventuell mit dem Aussuchen des passenden Klangreglers verbracht hätte.

Fazit

George Massenburg zeigt einmal mehr, wie‘s geht. Schnörkellos und straight forward mit einem schlichten, aber umso praxisgerechteren User-Interface ist der MDW EQ ein durchdachtes Werkzeug ohne Schnickschnack und fotorealistischen Firlefanz. Mit einem über jeden Zweifel erhabenen Klang  schlägt er auch viele analoge Konkurrenten.