Chirurgisches Kreativ-Werkzeug

Mit dem innovativen Röhrenkompressor Iron hat SPL bereits ein vielbeachtetes Statement zum Thema Mastering-Outboard  abgegeben. Jetzt kommt mit dem PQ der passende Equalizer hinzu. Wir haben uns den Analogboliden aus Niederkrüchten genau angesehen.

Von Igl Schönwitz

SPL steht wie kaum ein anderer Hersteller für Innovation. Geräte wie der Vitalizer, der Transient Designer oder auch der originäre DeEsser, der im Gegensatz zur bis dato bekannten frequenzabhängigen Kompression auf Phasenbearbeitung setzte, haben bereits in den 1990er Jahren Maßstäbe gesetzt. In jüngster Zeit beeindruckte der Mastering-Kompressor Iron mit einem durchdachten Konzept, das nicht nur mit einer völlig neuartigen Verschaltung zweier unterschiedlicher Röhrentypen glänzt, sondern zudem durch verschiedene Rectifier-Schaltungen und Sidechain-EQ-Kurven eine fast schon beispiellose Flexibilität bietet. Daran gemessen kommt der neue PQ auf den ersten Blick geradezu konservativ daher: Pro Kanal fünf EQ-Bänder mit jeweils regelbarer Verstärkung, Frequenz und Bandbreite ergeben zwar beeindruckende 30 große Regler auf der imposanten, vier Höheneinheiten einnehmenden Aluminiumfrontplatte, bieten aber zumindest auf den ersten Blick noch keine funktionale Überraschung – jedes EQ-Plug-in ist ähnlich parametrisiert. Allerdings ist der PQ ein 15 Kilogramm schweres Hardware-Monster mit perfekter Verarbeitung und Potis, die edel und sahnig laufen. Allein der Wohlfühlfaktor und eine besondere Haptik sind in einer Produktionsumgebung für das Endergebnis unserer Arbeit nicht zu unterschätzen, denn schließlich kann und darf Mastering gerne auch ein kreativer Prozess sein, der ein Stück weit emotional angegangen wird. Dennoch muss dazu auch ein veritabler klanglicher Mehrwert kommen, anders ließe sich eine Investition von 5.999 Euro (UVP), wie sie SPLs jüngster Spross erfordert, kaum rechtfertigen.

Im Masteringbereich sind analoge Equalizer nach wie vor en vogue. Häufig sind die verwendeten Geräte jedoch färbende Vertreter wie die aktuelle Pultec-Serie oder der vorzügliche VSE-2 Gyrator Equalizer von Vertigo Sound (Test in Professional audio 3/2016). Der PQ tritt dagegen mit SPLs 120 Volt-Technik als erklärter Saubermann an – der Vergleich mit chirurgisch arbeitenden hochwertigen Plug-ins sei also gestattet.

120 Volt Technologie

In den letzten Jahren hat sich SPL vor allem mit der hauseigenen 120-Volt Technologie einen Namen gemacht. Während die meisten Audioschaltungen traditionell mit Spannungen von +/- 15 Volt betrieben werden, benutzen die Ingenieure vom Niederrhein satte +/- 60 Volt. Das bringt einigen Entwicklungsaufwand mit sich, denn schließlich lassen sich hier nicht einfach Operationsverstärker „von der Stange“ verwenden. Der Lohn für die Mühe sind Schaltungen, die praktisch niemals am Limit betrieben werden, denn schließlich stehen Betriebsspannung und Maximalpegel einer analogen Audioschaltung in direktem Bezug zueinander. Laut SPL lässt sich so ein Dynamikumfang erzielen, der mehr als doppelt so hoch ist wie bei konventionellen Schaltungsdesigns. In den letzten Jahren hat SPL seine 120 Volt-Technologie konsequent weiterentwickelt und einige Geräte herausgebracht, die sich deren Vorteile zu Nutze machen. Neben dem Mastering Kompressor Iron sind das unter anderem die Phonitor-Kopfhörerverstärker sowie die Komponenten der neuen Pro Fidelity-Serie, deren Vorstufe Director bereits Bestnoten einheimsen konnte (Test in Professional audio 8/2016).

Der „Ur-PQ“ Modell 2050

Das erste Gerät, das von SPL mit 120 Volt-Technik entwickelt wurde, war die maßgeblich von Ronald Prent konzipierte MMC 1 Mastering Console, die neben den Wisseloord und den Skyline Studios auch bei Bob Ludwigs Gateway Mastering Verwendung findet. Kurz darauf – im Jahre 2002 – erschien quasi der „Urvater“ des heutigen PQ-Modells. Der 2050 war ein handgefertigter fünfbändiger Stereo-Equalizer, der erstmals mit 120 Volt Technologie arbeitete sowie speicher- und fernbedienbar war, um sowohl perfekte Reproduzierbarkeit wie auch identische Einstellungen für Mehrkanalumgebungen zu ermöglichen. Zu diesem Zweck besaß der 2050 neben einer aufwändigen Logiksteuerung hochwertige Motorregler, was seinen Preis auf schwindelerregende rund 14.000 Euro trieb. Unser vollmundig als „König des parametrischen Equalizers“ beworbenes Testgerät ist also genau genommen weniger eine Neuerscheinung als vielmehr eine Weiterentwicklung des ursprünglichen PQ-Klangreglers, der seit langen Jahren in vielen Masteringstudios rund um den Globus treue Dienste tut.

Der PQ-Equalizer

Der PQ Mastering Equalizer ist wie schon der Iron Kompressor in edlem schwarz (Modell 1540) oder rot (1544) erhältlich. Die Bedienung des PQs ist der seines Urahnen sehr ähnlich: die Bänder sind nebeneinander angeordnet und bieten jeweils untereinander liegend die Regler für Gain, Frequenz und Bandbreite. Alle verwendeten Potentiometer sind in 41 Stufen gerastet. Zur besseren Übersicht sind die einzelnen Bänder in ihrer Höhe leicht versetzt angeordnet. Unterhalb der Filterpotis befindet sich eine Reihe orange und blau hinterleuchteter Drucktaster, mit denen sich jedes Filterband einzeln aus dem Signalweg nehmen und auf proportionale Güte umschalten lässt.

Im Gegensatz zum älteren PQ gibt es in der Mitte des Gerätes keine Speicherverwaltung mehr. Die Programmspeicher sind dem sprichwörtlichen Rotstift zum Opfer gefallen, was nicht nur monetäre Gründe hat, wenngleich das aktuelle Modell erfreulicherweise weniger als die Hälfte seines Vorgängers kostet und dabei sogar einige zusätzliche Features mitbringt. Wie SPL mitteilte, sind einige der für die Speicherbarkeit benötigten Bauteile  entweder nicht mehr in der erforderlichen Qualität zu haben, oder preislich nicht mehr zu rechtfertigen. Zudem lassen sich Einstellungen auch dank der gerasteten Potis des aktuellen Modells reproduzieren – wenn auch merklich aufwändiger.

Im Bereich zwischen den beiden EQ-Kanälen, in der Mitte der Frontplatte finden sich zwei weitere Taster, mit denen sich die Equalizer komplett aus dem Signalweg nehmen lassen, sowie je einen Kippschalter für Stereo-Link und Auto-Bypass. Letztere Funktion ist aus dem Iron bekannt: Über einen Drehregler ist ein Zeitintervall einstellbar, in dem das Gerät automatisch zwischen Betrieb und Bypass hin- und herschaltet, um eine von haptischen Schaltvorgängen unbeeinflusste Beurteilung der Einstellungen zu erlauben. Eine tolle, praxisgerechte Option!

Im Stereo-Link Betrieb werden die Bypass-Schalter sowie die Proportional-Q-Umschaltung beider Kanäle durch die Taster des rechten Kanals gesteuert. Da  der PQ intern konsequent als Dual-Mono-Gerät ausgelegt ist, werden die anderen Parameter nicht verkoppelt – die Filterregler müssen also weiterhin von Hand kanalgleich eingestellt werden.

Der Blick ins Innere des Gehäuses zeigt, dass die vier Höheneinheiten technisch notwendig sind. Jedes Equalizerband besitzt eine eigene hochkant eingebaute Platine, auf der wiederum Tochterplatinen mit den 120-Volt-OPs sitzen. Die Hochvolttechnologie braucht offensichtlich Platz und saubere Wärmeableitung. Im hinteren Drittel des Gehäuses sitzt – effizient vom Rest der Schaltung abgeschirmt – das Netzteil, das um einen großzügig dimensionierten Ringkerntrafo herum aufgebaut ist, der hochkant an der Rückwand verschraubt wurde. Solch ein Netzteil findet man anderswo in analogen Endstufen, aber höchst selten in einem zweikanaligen Equalizer. Das Innenleben des PQ ist also überaus wertig und beeindruckend.

Besondere Features

Im Einleitungsabsatz zu diesem Test habe ich bewusst geschrieben, der PQ käme „auf den ersten Blick“ konservativ daher. Bei näherem Hinsehen besitzt das Gerät nämlich sehr wohl einige Features, die es aus der Masse der Equalizer, seien es Plug-ins oder Hardwaregeräte, herausheben.

Zunächst lässt sich wie schon beim Vorgängermodell jedes Band individuell zwischen einer constant Q-Charakteristik, die tendenziell „chirurgische“ Eingriffe ermöglicht, und einer proportional-Q-Auslegung, die musikalisch-kreative Eingriffe erlaubt, umschalten. Das ist alles andere als alltäglich, denn wir bekommen tatsächlich zwei Equalizer in Einem geboten. Für jedes Band sind im PQ aus diesem Grund zwei eigenständige Schaltkreise vorhanden. Informationen über das Verhalten der unterschiedlichen Charakteristika finden Sie im Kasten auf Seite 65.

Außerdem bietet der EQ einen sehr großen Frequenzregelbereich, der von 10 Hz als unterster Center-Frequenz im Bass bis zu 24 kHz als höchste wählbare Frequenz des Höhenreglers reicht. Obwohl der PQ von Haus aus keine Shelving-Filter besitzt, lässt sich durch diese extremen Center-Frequenzen in Verbindung mit größeren Bandbreiten durchaus ein High- beziehungsweise Lowshelf-Verhalten erzeugen. Außerdem überlappen sich die Frequenzbereiche der einzelnen Bänder  sehr stark – sogar noch mehr  als beim Vorgängermodell. So reicht etwa der Low-Mid-Regler hinab bis 35 Hz und der High-Mid-Regler bis 16 kHz nach oben. Dadurch können einzelne Frequenzbereiche immer mit mindestens zwei, gegebenenfalls sogar drei Bändern gleichzeitig bearbeitet werden. Die 120 Volt-Technik gewährleistet dabei, dass selbst bei extremen Anhebungen – und die sind wahrlich möglich! – keine Verzerrungen im Gerät selbst entstehen. Das gilt allerdings selbstredend nicht zwingend für das nachgeschaltete Equipment. Denn der PQ kann Pegel ausgeben, die geeignet sind, weniger potente Nachfolgegeräte in arge Bedrängnis zu bringen. An dieser Stelle wäre ein Ausgangspegelregler wünschenswert gewesen, der aber einleuchtenderweise schon aus Platzgründen nicht realisiert werden konnte. Bei diesbezüglichen Problemen muss der Pegel daher vor dem Eingang des PQ entsprechend abgesenkt werden.

Während der „Ur-PQ“ eines der ersten Geräte war, die mit 120 Volt-Technologie entwickelt wurden, flossen in das aktuelle Gerät mehr als zehn Jahre geballter Erfahrung ein. Der PQ Modell 1540/1544 ist damit das deutlich modernere Gerät, das im Vergleich zu seinem Vorgänger kleinere Bauteile, bessere Energieeffizienz, weniger Wärmeentwicklung und eine weiter optimierte Audioperformance vorweisen kann.

Das drückt sich auch in einem nochmals erweiterten Regelbereich aus. Während der Vorgänger „lediglich“ bis zu 11,5 dB Anhebung beziehungsweise Absenkung ermöglichte, trumpft das neue Modell hier mit bis zu +/- 20 dB pro Band (!) auf. Das ist bei einem analogen Equalizer rekordverdächtig, zumal man zudem noch zwei Bänder im gleichen Frequenzbereich addieren kann. Allerdings, Hand auf‘s Herz: Im Mastering wird man derlei drastische Eingriffe eher selten benötigen, es sein denn, in der Produktion ist etwas massiv schief gelaufen. Vielmehr ist hier ein eher subtiles Eingreifen gefragt, bei dem es auf Nuancen ankommt. Den Entwicklern bei SPL war das selbstredend bewusst, und so haben sie dem PQ zusätzlich für jedes Band einen kleinen Kippschalter spendiert, mit dem man die maximale Pegeländerung auf +/- 5 dB zügeln kann und im Gegenzug eine entsprechend feinfühlige Regelmöglichkeit erhält. So geht praxisgerechtes Design.

Messwerte

Im Messlabor lieferte der PQ Equalizer eine beeindruckende Vorstellung ab. Sowohl die Übersteuerungsfestigkeit im Eingang wie auch der maximale Ausgangspegel liegen bei mehr als +30 dBu. Der Gesamtklirrfaktor beträgt dabei lediglich 0,002 Prozent. Das FFT-Spektrum zeigt zwei Peaks bei k2 und k3, die allerdings mit Maxima um -110 dBu klanglich so gut wie gar nicht ins Gewicht fallen dürften. Der Frequenzgang in Neutralstellung verläuft fast linear mit minimalen Anhebungen von einem halben dB im Bass- und im Höhenbereich. Die Auswirkung der Filter können Sie den abgedruckten Diagrammen entnehmen.

Alles in allem erfüllt der Equalizer messtechnisch höchste Erwartungen. Angesichts der herausragend guten Geräusch-, Fremdspannungsabstände von 98,1 beziehungsweise 95,8 dB und der Übersteuerungsreserven kann man von einem geräuscharm arbeitenden, machtvollen Werkzeug ausgehen.

Hörtest

Kraftvoll und neutral, ohne Färbung, das muss doch ein gutes Plug-in auch können? Der PQ ist optisch und haptisch ein ansprechendes, „sexy“ Gerät – keine Frage. Aber wird uns nicht der Charme einer Schaltung fehlen, die ein wenig „Röhrenschmelz“ bietet?

Meine subjektive Antwort lautet: Wenn überhaupt, dann eher selten. Ein aktuelles Master von mir, mit dem der Kunde sehr, ich selbst aber nur fast zufrieden war, konnte ich mit dem PQ in zwei Handgriffen „retten“. Eine  breitbandige Anhebung von 2 dB im Tiefmittenbereich, gepaart mit einer schmalen Absenkung bei circa 110 Hz, nahm das letzte bisschen Mulm heraus und brachte die Wärme, die mir vorher gefehlt hatte. Nun ja, werden Sie anmerken, so arbeitet man halt mit Equalizern, das ist erst einmal noch nichts Besonderes. Grundsätzlich haben Sie Recht, aber mit welcher Geschwindigkeit man mit dem PQ zu diesem Ergebnis kommt, und, vor allem, wie dieses Ergebnis klingt, ist schlicht phänomenal. Kaum zu glauben, dass wir nur Korrekturen von wenigen dB vorgenommen hatten. Unser Master gewann gleichzeitig an Kraft und Durchsichtigkeit, zwei Phänomene, die sich bei einfacheren Klangregelwerken allzu häufig gegenseitig ausschließen. Ich kenne wirklich kein Plug-in, das dazu auch nur annähernd in der Lage wäre. Dass man aufgrund des Handlings auch intuitiver arbeitet, als mit einer Maus, kommt nur noch als „i-Tüpfelchen“ obendrauf.

Es liegt auf der Hand, dass die 120 Volt-Technik besonders dann ihre Stärken ausspielen kann, wenn es darum geht, Signale zu verstärken. Eindrucksvoll zu erleben ist das bei der „Performer“-Endstufe, fast noch eindrucksvoller beim PQ. Jede Einstellung wird mit einer Leichtigkeit und einer spielerischen Kraft umgesetzt, wie man sie nur selten erlebt. Selbst völlig abstruse Einstellungen klingen immer noch gut und in sich schlüssig. Dabei ist der PQ mit seinen weit überlappenden Bändern und den umschaltbaren Q-Charakteristika wirklich extrem flexibel. Ich kann mir kein frequenzbezogenes Szenario vorstellen, das mit diesem Schweizer Taschenmesser unter den Eqs nicht in den Griff zu bekommen wäre. Mit der proportional-Q-Charakeristik lassen sich wunderschön musikalisch klingende Anhebungen realisieren, sodass wir einen deutlicher färbenden Equalizer nur selten vermissen.

Fazit

Der PQ hat wahrlich das Zeug zum „König der parametrischen Equalizer“. Wenngleich stärker klangfärbende Schaltungsdesigns für gewisse Einsatzbereiche sicherlich ihre Existenzberechtigung haben, können sie die Power, Durchsichtigkeit und Flexibilität eines PQ in der Regel nicht bieten. Dieses Gerät ist ein eindrucksvoller Beweis dafür, welche Vorreiterrolle sorgfältig entwickelte Analogtechnik auch heute noch spielen kann. Mit PQ stößt SPL als mittelständisches deutsches Unternehmen endgültig in die internationale Crème de la Crème der Hersteller für Mastering-Equipment vor. Und ich schüttle wieder einmal verzweifelt meinen Sparstrumpf…