Der letzte Schliff
Das Mastering zählt nach wie vor zu den von Mythen umrankten Themen innerhalb der Musikproduktion. Die letzten zwei Spuren eines langen Weges werden veredelt und man setzt einen Punkt hinter meist sehr viel Arbeit. Umso schöner ist, dass IK Multimedia jetzt in Zusammenarbeit mit den Legenden von Lurssen Mastering eine intuitive Mastering-Konsole erarbeitet hat, die eine unkomplizierte Herangehensweise verspricht. Wir haben uns das einmal genauer angeschaut.
Von Henning Hellfeld
Die Anforderungen an das Mastering im Popularmusikbereich als letzter Schritt einer Produktion, haben sich im Laufe der Zeit massiv verändert. Während in den 60er und 70er Jahren noch ein großer Dynamikumfang Gang und Gäbe war, man denke nur einmal an Titel wie „Child in Time“ von Deep Purple, sah sich die Branche später mit Entwicklungen konfrontiert, die ein Umdenken erforderten. Musik wurde nun nicht mehr nur zu Hause genossen, sondern fand seinen Weg in Autos, wo ein geöffnetes Fenster oder allein das Motorengeräusch leise Passagen einfach verschwinden ließen. Jeder der schon einmal versucht hat eine alte Jazz-Platte während der Fahrt zu hören, weiß wovon die Rede ist. Zuvor hörbare klare Strukturen im Mix und klangliche Tiefe sind quasi dahin. Ein neues Denken in Sachen Dynamik wurde etabliert. Strophen und Refrains wurden in Bezug auf ihre Pegel immer ähnlicher und mit der Digitaltechnik war auch der gesamten Lautheit kaum noch Grenzen gesetzt. Dies führte schließlich zum Loudness War der frühen 2000er Jahre, welcher immer noch kontrovers diskutiert wird. Und wer hätte gedacht, dass nach den alten totgeglaubten Küchenradios inzwischen mobile Endgeräte in Mono wieder eine Rolle spielen würden.
Gavin Lurssen, Eigentümer von Lurssen Mastering, ging diesen Weg in den letzten 25 Jahren mit und hat sich in dieser Zeit einige Lorbeeren eingeheimst. Um genau zu sein, hat er sogar einen ganzen Lorbeer-Hain eingesackt, denn die Liste der Grammys, Awards und Credits scheint unendlich und vor allem unendlich vielseitig. Von Bruno Mars und Pharrel Williams zu den Foo Fighters und Metallica bis hin zu B.B. King oder Diana Krall sind Lurssen stilistisch keine Grenzen gesetzt. Auch eine Vielzahl an Soundtracks, wie beispielsweise der von Game of Thrones, Walk the Line oder O Brother Where Art Thou? bekamen bei ihm den letzten Schliff. Also keine schlechte Adresse für IK Multimedia, um mit diesem Guru eine virtuelle Mastering-Konsole zu konzipieren.
Nur das nötigste…
Die Lurssen Mastering Console funktioniert sowohl im Stand-alone Betrieb sowie als Plug-in in den gängigen Schnittstellen-Formaten. Kostenpunkt: rund 240 Euro. Überdies bietet IK Multimedia eine Variante der Konsole als App für das iPad an. Besonderheit: Für den vollen Zugriff auf alle Funktionen kann man wahlweise 5 US-Dollar für zwei Tage, 10 Dollar für eine Woche, 30 Dollar für einen Monat oder 100 Dollar für die volle Version berappen.
Dabei ist das generelle Konzept der Software auf beiden Plattformen identisch. Nach Aussage von Gavin Lurssen sei die Software mit einem Rennauto vergleichbar, bei dem man die ersten beiden Gänge schon mitgeliefert bekommt und mit der Zeit herausfindet, wie Gang drei und vier funktionieren. Dieses Konzept, den Benutzer nicht mit einer Vielzahl von Parametern und Einstellmöglichkeiten zu überfahren, um bei der Metapher des Autofahrens zu bleiben, dürfte bestimmt Anklang beim User finden, wie man beispielsweise bei der Signature-Series von Waves schon sehen konnte. Und so soll nun auch diese virtuelle Konsole konzipiert sein. Die Erfahrung von Lurssen und seinem Kompagnon Reuben Cohen haben den beiden gezeigt, welche Signalketten sich in welchen Stilistiken bewährt haben und auf welche Parameter man wirklich Einfluss haben muss, die letztlich am Ende des Tages doch immer wieder die gleichen sind.
Nach der Autorisierung im IK Multimedia Authorization Manager downloaden wir unsere Version und nach der blitzschnellen Installation öffnen wir unsere Tür ins Lurssen Mastering Lab. Das GUI der Software kommt edel daher und mit einem Bild des originalen Studios in der oberen Hälfte sind wir optisch zumindest schon in Laune. Die einstellbaren Funktionen auf der Oberfläche fallen übersichtlich und wie erwartet begrenzt aus. Im Stand-alone Betrieb finden wir in der oberen Reihe die Symbole zum Öffnen und Exportieren eines Files sowie das Symbol fürs Aktivieren der Wellenform-Ansicht, die im Plug-in-Modus natürlich hinfällig ist, da diese Funktionen von der DAW übernommen werden. Des Weiteren gibt es Buttons, die weitere Ansichten öffnen, um einen Einblick in die Signalkette zu erhalten sowie das Fenster zum Auswählen der Mastering-Styles. Mehr dazu gleich noch. Die untere Hälfte wird von zwei großen Drehreglern links und rechts nach dem Vorbild der originalen Konsole beherrscht. Das linke Stellglied regelt den Input, der über eine kleine Stellschraube auch in Dual Mono betrieben werden kann. Rechts ist der Push-Regler integriert, dessen Aufgabe es ist, alle Frequenzen im Verhältnis zueinander zu verstärken oder zu dämpfen. Dazwischen finden wir fünf Regler zum Anheben und Absenken ebenso vieler fest eingestellter Center-Frequenzen während des Masterns. Darüber befinden sich zwei VU-Meter plus drei Kippschalter: Der erste routet auf die Anzeigen wahlweise das Input-Signal oder das bearbeitete Signal. Der mittlere erlaubt das Schalten auf Bypass und der dritte schaltet das Monitoring von stereo auf mono. In der Stand-alone Version finden wir am Fuß des GUI zudem noch ein Transporttasten-Feld sowie einen Button für die Automation.
Einfachheit zu Gunsten der Kreativität
Werfen wir als Nächstes einen Blick darauf, wie diese Konsole genau arbeitet. Grundsätzlich wird auf verschiedene vorgegebene Stile zurückgegriffen, die sich anschließend den eigenen Anforderungen und Wünschen anpassen lassen. Hier stehen uns Americana Loose, Americana Tight, EDM (Electronic Dance Music), Hip Hop und Pop Rock zur Verfügung. Jeden dieser Stile gibt es dann noch in einer More Glue-, Less Glue-, Warmer- und Brighter-Variante. Beim Betrachten der Signalketten dieser Haupt-Stile fällt auf, dass das Signal an erster Stelle stets einen Tube Equalizer und an zweiter einen Solid State Equalizer durchläuft. An letzter Stelle steht immer ein Solid State Kompressor und an vorletzter ein Solid State De-Esser. Lediglich in den Americana-Stilen erscheint an dritter Stelle dann noch ein Tube Limiter, der rein optisch verdächtig nach Fairchild aussieht. Im Pop Rock Stil besitzt der dort eingesetzte Tube Limiter 2 hingegen eine auffällige Ähnlichkeit zu einem Manley-Gerät. Ein sehr schönes Feature, wenn man eine Stilistik wechselt, ist, dass die Veränderung in der Signalkette beziehungsweise in den Kompressor- und EQ-Einstellungen kurz aufleuchtet. So ist schnell zu sehen, was genau verändert wurde. Womit wir bei den Eingriffsmöglichkeiten als solchen angekommen sind. Diese sind, wie eingangs erwähnt, auf das Nötigste begrenzt. Fünf fest eingestellte Bänder im Equalizer lassen sich, wie eben angesprochen, im Gain verändern. Es gibt keinen Zugriff auf die Bandbreite der Filter. Die Limiter-Sektion lässt sich gar nicht editieren, lediglich die Gain-Reduction kann während der Arbeit beobachtet werden. Der De-Esser liefert uns einen Threshold-Regler und der Kompressor besitzt außer einem Threshold lediglich einen Makeup-Gain-Regler. Es gibt also keinerlei Eingriffsmöglichkeiten in die Attack- oder Releasezeiten, Ratio- oder Knee-Einstellungen. Das ist dann wohl der erste und zweite Gang, von denen eben die Rede war.
Nun legen wir einmal einen Mix ein und schauen uns an, wie die verschiedenen Komponenten arbeiten. Als erstes fällt uns auf, dass in jeder wählbaren Stilistik grundsätzlich alle Frequenzbänder des Equalizers auf +8 bis +10 stehen. Dies ermöglicht, so Reuben Cohen, das Signal schon von Anfang an durch den Equalizer zu hören, wenn er bereits arbeitet und färbt. Wenn alle Frequenzen angehoben sind und der Kompressor arbeitet, sei dies ja in gewisser Weise wieder ein ausgeglichenes Klangbild nur eben mit der eigenen Note und dem Charakter der Komponenten im Sound. Die Frequenzen scheinen in der Bandbreite unterschiedlich zu sein. So bearbeitet der 60Hz-Regler kuhschwanzartig alles unterhalb dieser Marke quasi als Low-End-Regler. Ähnlich verhält sich der 10kHz-Knopf: er hebt und senkt das komplette High-End. Die anderen drei Frequenzen arbeiten schmalbandig. So nimmt sich der 120Hz-Regler die Frequenzen zwischen 60Hz und 250Hz vor, der 3kHz-Regler den Bereich zwischen 2,5 und 4 kHz und der 6kHz-Parameter den Bereich zwischen 5 und 8 kHz. Wohlgemerkt, dies sind ungefähre Angaben, sie verdeutlichen aber, dass Lurssen und Cohen beim Mastering auf diese Frequenzbänder setzen und dem Bereich von 300Hz bis 2 kHz weniger Wichtigkeit zuordnen. Der Tube Limiter in den Stilen Americana und Pop Rock wird eingesetzt, um die ersten Spitzen leicht zu bearbeiten. Je nach Grundlautstärke des Mixes bewegt sich die Gain Reduction-Anzeige zwischen 0 und -2dB. Es wird also in erster Instanz nicht hart eingegriffen, sondern eher gefärbt und etwas dynamisch geglättet. Hierbei ist der Manley etwas beherzter und färbt deutlicher in den Mitten, während der Fairchild feiner agiert. Der De-Esser packt je nach Ausgangsmaterial hingegen heftig zu. Wo genau das Trigger-Frequenzband liegt, lässt sich allerdings nicht herausfinden. Besonders deutlich wird die Funktion an Stellen mit Vocals, Becken und bei hochfrequenten Electronica. Der Kompressor arbeitet im Bereich von -1 bis -4 dB je nach Input. Hierbei arbeitet der Threshold-Regler subtil und liefert bei vielen Stilen lediglich ein bis zwei Dezibel Dynamik-Reduktion. Dies lässt sich im nächsten Schritt mit dem Makeup-Gain wieder wettmachen. Was hinter diesem Prozessor den Pegel im Zaum hält und auch bei noch so harter Gangart nicht über die -0,1dB kommen lässt, bleibt wiederum im Verborgenen und ist auch nicht beeinflussbar.
Über den großen Input-Regler wird bestimmt, wie stark oder anders gesagt wie heiß die Kette angefahren wird und in den Gesamtsound eingreift. So kann man beispielsweise den Input erhöhen um mehr Aktion zu haben und dies dann mit dem Makeup Gain wieder ausgleichen. Aus einem höherem Input folgt übrigens nicht automatisch gleich ein höherer Output. Ähnlich wird auch der Push-Regler eingesetzt, der alle Frequenzen im Verhältnis zueinander regelt. Unterschied: Er beeinflusst die Färbung des Signals noch stärker als der Input-Regler. Ein sehr schönes Feature ist schließlich die Automations-Funktion in der Stand-alone-Version, denn genau diese beiden Regler – Input und Push – können in der Wellenform-Sektion durch Einzeichnen von Kurven automatisiert werden. So ist damit möglich, beispielsweise die Strophe etwas weniger stark zu bearbeiten und den Refrain stärker in die Sättigung und Kompression zu fahren. Auch das Spiel mit weniger Input und mehr Push oder umgekehrt, führt im Test zu interessanten Effekten. Als Plug-in eingesetzt, können über die DAW selbstverständlich alle Parameter bis auf die Frequenz-Regler automatisiert werden.
Ran an die Mixe
Für den Praxistest haben wir uns einige Mixe aus unterschiedlichen Genres geladen, um die Vielseitigkeit der Software zu testen. So haben wir verschiedene Stücke aus dem Indie-Rock, Gothic, Electro-Funk und einen Soundtrack mit Streichern und harten Percussions im Gepäck.
Für den Indie-Rock Song verwenden wir den Americana-Stil. Er arbeitet mit dem Vintage Tube Limiter und ist somit etwas weicher in den Mitten. Das Less Glue-Preset lässt den Toms und den perkussiven Bestandteilen mehr Luft und scheint uns besser geeignet als die härter verklebte Variante. Nun erhöhen wir den Input um 2,5 dB und stellen sicher, dass die lauteste Stelle im Song nicht zerrt. Wir erhöhen das 3kHz-Band, um der Gitarre mehr Raum zu geben und schieben bei den 10kHz auch noch was nach. Etwas ärgerlich im Test ist, dass wir nicht die Möglichkeit haben, den Mix und das Master ohne Lautstärkenaddition zu hören. Beim Schalten der Konsole auf Bypass ist der Mix so viel leiser, dass man nicht wirklich sagen kann, ob der Klang nun überzeugt oder die Lautstärke. Dies muss dann wohl mit dem Abhörvolumen getan werden. Anschließend fällt auf, dass die Konsole verhältnismäßig subtil arbeitet und den Grundcharakter des Songs verstärkt ohne ihm etwas aufzwingen zu wollen. Auch die Lautstärke lässt sich ohne Probleme auf Radio-Niveau erhöhen. Für unseren Gothic-Song laden wir den Rock Pop-Stil, der aufgrund der Mittenstruktur des Songs am besten anspricht. Bei einen um 3dB erhöhten Input kittet hier das More Glue-Preset den Song schön zusammen und liefert ein tightes Low End. Wir nehmen ein wenig bei 120Hz raus, um Ordnung zu schaffen und erhöhen das Top End ein wenig. Gleichzeitig lassen wir den De-Esser härter zupacken, um die Höhen dynamisch etwas mehr zu glätten. Hier bringt die Konsole mehr Charakter ins Spiel und macht unseren Mix zu einem ziemlichen Brecher. Der Elektro Funk-Song á la Daft Punk soll nun den EDM-Stil auf die Probe stellen. Im Allgemeinen liefert dieser Stil einen HiFi-mäßigeren Sound, was in diesem Genre ja gut funktioniert. Das Brighter Preset bringt unsere Hi-Hat- und hohen Snare-Anteile schön nach vorne ohne sie zu überbetonen. Insgesamt greift uns aber der Kompressor zu heftig ein und wir regeln den Threshold etwas runter. Nun atmet die Dynamik etwas mehr und die Bassdrum zieht nicht den ganzen Pegel mit runter. Ein bisschen Top End nehmen wir noch raus, da bei weniger Kompression die Hi-Hats dann doch zu aggressiv sind. Insgesamt merken wir im Test, wie intuitiv die Mastering Konsole funktioniert. Die Regelwege sind auch bei heftiger Benutzung nicht übertrieben, wenn man nicht gerade alles auf Anschlag dreht. Unser Soundtrack funktioniert hingegen mit dem Americana Loose-Stil am besten. Dafür automatisieren wir den Input-Regler um die Dynamik in leisen Passagen möglichst zu erhalten. Auch reduzieren wir das Makeup-Gain und füttern den Maximizer weniger, dies schafft Luft.
Fazit
Im Test hat sich die Lurssen Mastering Console von IK Multimedia als sehr hilfreiches Tool für intuitives Mastering herausgestellt, das den Verkaufspreis absolut rechtfertigt. In verhältnismäßig kurzer Zeit lassen sich amtliche Master-Versionen erstellen ohne aufwändige Verkettungen verschiedener Komponenten vornehmen zu müssen und diverse Mastering-Techniken studiert zu haben. Gut, die eingeschränkten Regelmöglichkeiten mögen dem einen oder anderen nicht behagen, doch das Konzept, das der Software zu Grunde liegt ist allemal erfüllt. Zumal lassen sich fehlende Einstellmöglichkeiten etwa im Frequenzband durch einen vorgeschalteten Equalizer wieder ausgleichen. Klanglich liefert die Konsole exzellente Ergebnisse und geht, abgesehen von der Lautstärke, dabei subtil vor ohne übermäßig viel Eigencharakter zu hinterlassen. Hier haben die Entwickler ein gutes Mittelmaß gefunden und Gavin Lurssons Devise „you want sound like you were never there“ sehr gut umgesetzt.
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