Innere Werte
Elegant und edel sieht er aus, der Fredenstein F676, sein wahres Klangherz verbirgt er aber hinter seiner modernen Front.
Von Harald Wittig
Wenn Ihnen der Name Fredenstein Professional Audio nicht vertraut sein sollte, müssen Sie sich nicht schämen. Es handelt sich nämlich um einen noch sehr jungen Hersteller von Hardware-Geräten fürs moderne Tonstudio mit Sitz in Taiwan. Gründer und Chefentwickler ist Fred „Fredenstein“ Schuckert, beleibe kein Neuling in der Szene, entwickelt er doch bereits seit den 1970er-Jahren Studiogeräte. Inzwischen lebt der Pro Audio-Enthusiast nach längerem Zwischenstopp in den USA in Taiwan, wo er die Fredenstein-Produkte entwickelt und produziert. Den deutschen Vertrieb hat Jürgen „Mühlenstein“ Meyer mit seinem Unternehmen Millstone übernommen. Aufmerksam auf die Fredenstein-Geräte machte uns unser Mitarbeiter Andreas „Igl“ Schönwitz von den Amazing Sound Studios: „Die Sachen müsste Ihr unbedingt mal testen. Die bauen Röhrengeräte auf Basis historischer Schaltungen, die super klingen. Den Fredenstein F660, der vom Fairchild-Kompressor F660 inspiriert ist, aber mit digitaler Röhrenregelung manche Probleme der Originale überwindet, habe ich gerade hier und bin wirklich beeindruckt.“ Dieser Kompressor ist unsererseits auch schon vorgemerkt, für einen ersten Fredenstein-Test haben wir uns aber für den einkanaligen Mikrofon- und DI-Vorverstärker F676 entschieden. Denn dieser hat ebenfalls einige hochinteressante Merkmale zu bieten, welche für die Geräte des Herstellers charakteristisch sind. Bevor wir darauf ausführlich eingehen, müssen wir kurz über das liebe Geld sprechen: Mit rund 2.000 Euro lässt sich dieser Einkanaler, der zu den Topmodellen im Produktportfolio gehört, vergleichsweise teuer bezahlen. Die Fredenstein-Topgeräte werden allerdings auch in kleinen Serien hergestellt, es finden hochwertige Bauteile Verwendung und jedes Gerät wird – so wurde uns versichert – bei der Fertigung mehrfach und penibel kontrolliert. Aber halten wir uns nicht länger auf, und sehen uns den F676 näher an – und dabei auch mal hinter seine Goldfront.
Das LC-Display könnte manchen Betrachter ein digitales Gerät vermuten lassen, der Signalweg F676 ist aber rein analog aufgebaut. Um ganz genau zu sein: Der in Röhrentechnik aufgebaute, vollsymmetrische Signalpfad ist vom legendären Mikrofon-Vorverstärker V76 inspiriert. Nach Aussage von Fred Schuckert stelle seine Entwicklung aber nicht etwa eine Kopie des V76 dar, sondern vielmehr eine Hommage an die Entwickler vom NWDR. In jedem Fall biete der F676 klassischen Röhrenklang mit fein aufgelösten, detailreichen Bässen und Mitten und luftigen, niemals schrill-harschen Höhen. Wir wollen auch gar nicht anfangen, Vergleiche zum Insp8rationsgeber anzustrengen. Stattdessen sei der Fredenstein als eigenständiges Gerät wahrgenommen und besprochen.Wir leuchten das Innere des Geräts aus und erkennen die beiden Glaskolben, die sich stolz auf der Hauptplatine erheben. Unser Blick saugt sich zunächst an der hinteren Röhre fest, einer ECC803S Doppeltriode des slowakischen Röhrenspezialisten JJ-Electronic. Der Röhrenkenner merkt sofort auf, ist diese Röhre doch der originalgetreue Nachbau der bei Sammlern äußerst begehrten und inzwischen völlig überteuerten Telefunken ECC803S. Es handelt sich bei der JJ-Röhre wie beim Original um eine sogenannte Spanngitterröhre, die gegenüber den vielen ECC83/12AX7-Typen mit konventionellem Gitter deutlich weniger mikrofonisch ist. Hinzu kommen eine wesentlich geringere Toleranz zwischen den beiden Triodensystemen und eine Lebensdauer von etwa 10. 000 Stunden. Manche Röhrenfachleute meinen zwar, dass dies keine spezifische Eigenschaft von Spanngitterröhren sei, die herrschende Meinung sieht es aber genau so. Unbestritten ist, dass bei Spanngitterröhren wegen des geringen Drahtdurchmessers und dem geringen Abstand zur Kathode das Rauschen vergleichsweise geringer ist – eine Eigenschaft, die sicherlich sehr wünschenswert für den Einsatz in einem Mikrofon-Vorverstärker ist.Auch die zweite Röhre stammt von JJ-Electronic, ist ebenfalls eine Doppeltriode, nennt sich ECC99 und ist eine Neuentwicklung der Slowaken. Die ECC99 ist als Treiber-Röhre konzipiert worden und zeichnet sich durch eine sehr hohe Verstärkungsleistung bei recht niedrigen Klirrwerten aus. Demnach haben wir es ebenfalls mit einem guten Kandidaten als aktives Bauteil in einem modernen Röhren-Preamp zu tun. Dass beide Röhren vergleichsweise kostengünstig sind, soll uns überhaupt nicht stören. Denn Röhren sind Verschleißteile, die auch mal zu ersetzen sind. Die JJ ECC803S und die ECC99 sind jedenfalls problemlos bei Fachhändlern wie Tube Town (www.tube-town.de) erhältlich.
Als nächstes erblicken wir einen Lundahl LL 1578XL Mikrofonübertrager im Eingang, ein anerkannt hochwertiger Eingangsübertrager, der Oberklasse-Preamps im Allgemeinen einen Schuss Wärme und seidigen Höhenglanz verleiht. Der LL1578XL kommt übrigens auch im mit rund 500 Euro vergleichsweise kostengünstigen Fredenstein F601-Preamp-Modul für den API-Rahmen zum Einsatz. Fredenstein Professional Audio scheint also generell Wert auf hochwertige Bauteile zu legen und behält diese nicht nur den Top-Modellen vor. Sehr löblich. Mit einem kurzen Hinweis auf den eingebauten, vorbildlich geräuscharm arbeitenden Lüfter wollen wir die Einzel-Bauteileschau beenden. Befassen wir uns jetzt mit dem Schaltungsdesign des Preamps. Der F676 hat eine Class A Push Pull-Röhrenschaltung, arbeitet also im Gegentaktbetrieb. Deswegen auch der Lüfter, denn Class A-Schaltungen erzeugen viel Wärme. Soweit so analog und erst mal wenig spektakulär. Was die Fredenstein-Röhrengeräte – das gilt auch für den Kompressor/Limiter F660 – von den Mitbewerbern klar abhebt, ist der eingebaute DSP. Dieser hat alleine die Aufgabe die Anodenströme der Röhrenverstärkerschaltung zu überwachen und mit einer Genauigkeit von 10μA zu regeln. Wird der F676 eingeschaltet und der frontseitige Druck-Drehgeber gedrückt, erfolgt zunächst eine Kalibrierung, bis die für den optimalen Betrieb benötigten Anodenströme anliegen und stabil sind. Ist die Kalibrierung abgeschlossen, wechselt die Display-Anzeige zum Hauptmenü, der Vorverstärker ist bereit Mikrofon- und Instrumenten-Signale zu verstärken. Über das Hauptmenü ist der F676 auch auszuschalten, genauer in den Bereitschafts-/Stand by-Modus zu versetzen. Die Anzeige wechselt wieder zum Startbildschirm, endgültig ausschalten lässt sich das Gerät über den rückwärtigen Netzschalter.
Auf der Gehäuserückseite finden sich auch die XLR-Eingangsbuchse zum Anschluss eines Mikrofons und die XLR-Ausgangsbuchse. Als Mikrofon-Vorverstärker verfügt der Fredenstein über eine umschaltbare Nenn-Abschlussimpedanz. Üblicherweise sollte der Eingangswiderstand des F676 1.000 Ohm betragen, folgerichtig ist das Gerät ab Werk darauf eingestellt. Bei der Verwendung älterer Bändchenmikrofone empfiehlt es sich allerdings, den Eingangswiderstand herabzusetzen. Dafür bietet der Preamp die optionale Einstellung auf 200 Ohm. Diese Einstellung findet sich nicht im Hauptmenü, sondern im „Fortgeschrittenen Sub Menü“. Das ist sehr sinnvoll, denn in wenigstens 90 Prozent der Fälle wird ein Umschalten der Nenn-Abschlussimpedanz nicht vonnöten sein.Im Fortgeschrittenen-Menü finden sich auch noch zwei Einstelloptionen, die vor allem Klangtüftlern Spaß machen werden: Zunächst ist die Ausgangstufe von Push Pull/Gegentaktbetrieb auf „Single Ended“ umschaltbar. Das bedeutet, dass nunmehr nur noch ein aktives Bauelement, sprich nur noch eine Röhre, das Signal übernimmt, was zunächst mit einer Reduktion der Ausgangs- Leistung um sechs Dezibel einher geht. Gleichzeitig wird das Signal mehr oder weniger stark mit k2-Anteilen angereichert, die im Push Pull-Betrieb ausgelöscht sind. Es ist aber gerade die zweite Harmonische, die eine Oktave über dem Grundton liegt und den besonderen Charme des Röhrenklangs ausmacht. Obwohl im technischen Sinne eine Verzerrungskomponente, ist das Klangbild nicht harsch und unangenehm, sondern im Gegenteil weich und „warm“. Im Push Pull-Betrieb haben wir es hingegen mit der dritten Harmonischen, die eine Oktave plus eine Quinte über dem Grundton liegt, zu tun. Die ist klingt für unsere Ohren ebenfalls noch angenehm, allerdings wird der Klang bei zunehmenden k3-Anteilen heller und durchdringender, in gewisser Weise auch durchsetzungsfähiger. Jetzt sollte aber niemand erwarten, dass der F676 von Haus aus verzerrt wie beispielsweise ein Gitarrenverstärker. Es handelt sich vielmehr um sehr subtile Färbungen – dazu mehr im Rahmen der Klangbeschreibung.Zum Zweiten erlaubt der Preamp auch eine Bias-Einstellung, die aber nichts mit der Einstellung des Ruhestroms für Endstufenröhren in einem Vollverstärker zu tun hat. Vielmehr geht es darum, einen permanenten „Leerlaufstrom“ – ab Werk liegt ein solcher nicht an – zu aktivieren. Die Aktivierung des Ruhestroms ändert die Klangcharakteristik des F676: Der Frequenzgang verengt sich, gleichzeitig steigt der k2-Anteil.
Verlassen wir den Innenraum und befassen uns mit dem Instrumenten-Eingang: Auf der goldenen Frontplatte des F676 findet sich, sehr praxisgerecht, die Klinkenbuchse zum Direkt-Anschluss von E-Gitarren und E-Bässen mit passiven Tonabnehmern. Wie es sich gehört, ist dieser DI-Eingang hochohmig, die Nenn-Anschlussimpedanz beträgt 470 Kiloohm, was im Verglich zu anderen HiZ-Eingängen etwas niedrig bemessen ist. Mit einem passivem E-Bass oder einer passiven E-Gitarre traditioneller Konstruktion – beispielsweise Fender – wird es keine Probleme geben, vereinzelt finden sich aber Instrumente, deren Nennimpedanz bereits im Megaohm-Bereich liegt, was beim Direktanschluss an den Fredenstein eine Unteranpassung und daraus resultierend Höhenverluste bedeuten würde.
Die Verarbeitung des F676 ist auf den ersten Außenblick dem Preis angemessen sehr gut – das Gerät sieht edel aus. Im Inneren sieht es aber nicht so dolle aus: Wir entdecken einige Klebereste, eigentlich sind es eher Klebstoff-Hügel, was für einen Vorverstärker dieser Preisklasse nicht akzeptabel ist. Auf Rückfrage beim Vertrieb erklärt uns Jürgen Meyer: „Bei Ihrem Testgerät handelt es sich um ein Vorserienmodell und mein persönliches Demogerät. Derartige Verarbeitungsmängel weisen die Seriengeräte nicht auf.“ Wir werden das anhand eines Serienmodells überprüfen und Ihnen unsere Ergebnisse in der nächsten Ausgabe präsentieren.Messtechnisch betrachtet macht das Demogerät einen weitaus besseren, sprich sehr guten Eindruck – für ein Röhrengerät wohlgemerkt. Das Klirrspektrum (siehe das Messdiagramm auf Seite 34) weist zwar einen Anstieg bei den tiefen Frequenzen auf, der allerdings keineswegs negativ auffallen muss und sich zudem noch sehr, sehr moderat gibt. Interessanter ist da der Klirrfaktor von nur 0,05 Prozent bei einem Kilohertz. Damit übertrifft der Fredenstein die meisten Röhrenverstärker, vor allem auch das Vorbild V76. Das FFT-Spektrum zeigt für einen solchen Preamp typische Spitzen – vor allem k2 –, untypisch ist indes der Peak bei neun Kilohertz, den auch Chefentwickler Fred Schuckert nicht nachvollziehen kann. Vermutlich haben wir es mit einem Störsignal vom LCD zu tun. Wir werden in jedem Fall das nachgelieferte Seriengerät messtechnisch dahingehend überprüfen.
Kommen wir zum Klang des F676. Wir haben mit dem Preamp in Verbindung mit dem ebenfalls in dieser Ausgabe auf Seite 28 getesteten Röhrenmikrofon Lewitt LCT 940 die Sängerin und Flötistin Akampita Steiner (siehe näher www.akampitasteiner.de) aufgenommen und stellen fest: Zu dem runden Grundklang mit einem guten Schuss Höhenluftigkeit, den das Mikrofon auszeichnet addiert der F676 noch eine Spur Seidenglanz in den Höhen und verstärkt gleichzeitig Bass- und Tiefmittenfundament. Damit ist sowohl Akampita Steiners sehr modulationsfähige Altstimme als auch der Flöte, einer „Hoch F“-Sopranino Blockflöte bestens gedient. Schalten wir von Push Pull auf Single Ended dünnt der tieffrequente Bereich etwas aus, dafür werden die Höhen ein Quäntchen weicher und samtiger. Der Effekt ist aber sehr subtil und nur im direkten Vergleich hörbar, wir meinen aber, dass sich das Experimentieren speziell bei der Aufnahme von Solobläsern und Gesangssolisten lohnt.Viele Praktiker beurteilen einen Vorverstärker nach dem Klang seines DI-Eingangs, handelt es sich um aktive Bassisten oder Gitarristen dann steht und fällt die Beurteilung eines Preamps mit seiner Leistung als DI-Verstärker. So weit wollen wir selbstverständlich nicht gehen, gleichwohl haben wir den F676 zum Einspielen eines Gitarren-Instrumentals mit zwei akustischen Begleitgitarren und einer solierenden E-Gitarre genutzt. Selbstredend, dass die E-Gitarre, eine Fender American Standard Stratocaster, Baujahr 1995, direkt in den Fredenstein eingestöpselt war. Um es auf den Punkt zu bringen: Dieser Preamp klingt als DI-Verstärker für eine Strat richtig gut. Neben dem einmal mehr verstärkten Tiefenfundament gefällt uns vor allem, wie der Vorverstärker die sehr crispen Höhen des Instruments moduliert. Diese klingen dank der hinzugefügten Obertöne angenehmer, süßlicher und seidiger. Der Klang wird im besten Sinne „älter“, die perkussive 1990er-Jahre Klarheit, dieses spezielle „Dräääääng!!“, das unserem Testinstrument zueigen ist, wird abgemildert, ohne dass das Farbenspektrum reduziert würde. Wer gerne E-Gitarren auf diese Weise aufnimmt beziehungsweise einspielt, sollte den Fredenstein auf jeden Fall antesten. Einen solchen Klang liefert eben doch nur gute Hardware. Wenn Sie DI-Spuren nachträglich gerne durch virtuelle Amps jagen oder generell Amp-Simulationen einsetzen, haben sie mit diesem Preamp bereits ein sehr gut aufbereitetes DI-Signal das beispielsweise die Verstärker in Amplitube Fender sehr willkommen heißen.
Fazit
Auch wenn das uns zur Verfügung gestellte Vorseriengerät kleinere Verarbeitungsmängel und messtechnische Auffälligkeiten aufweist, ist der Fredenstein F676 in jedem Fall ein hochinteressanter, sehr gut klingender Röhren Mikrofon- und DI-Vorverstärker, dessen eigener Klang – groß mit seidigen Höhen – nicht nur Vintage-Fans gefallen wird und vor allem bei Aufnahmen von Solisten eine gute Figur macht.
Erschienen in Ausgabe 02/2014
Preisklasse: Oberklasse
Preis: 1999 €
Bewertung: gut
Preis/Leistung: befriedigend
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