Klang-Zauberer

Wenn ein High-End-Hersteller fremd geht und Geräte für Studio-Profis entwickelt, ist ein Erfolg nicht immer vorprogrammiert. Doch im Fall des Mikrofon-Vorverstärkers von Aqvox gibt es ein Happy End.

Von Hans-Günther Beer 

Überragend gute Messwerte auf dem Papier waren noch nie die Sache von Carlos Candeias, ihm kam es immer nur auf den guten Klang an. Schon während seines Studiums an der Berliner TH gründete der gebürtige Berliner und Sprössling einer spanisch-portugiesischen Einwandererfamilie seine erste Firma und beschäftigte sich mit der klanglichen Verbesserung von HiFi-Geräten. Mitte der 1990er-Jahre machte sich Candeias in der High-End-Szene durch Entwicklungen für das japanische Unternehmen CEC einen guten Namen. Er verbrachte danach viel Zeit in Taiwan, Japan und China, die Auswanderung nach Asien war nur eine Frage der Zeit. Nachdem dann ein deutscher Banker einen Kreditwunsch mit der Begründung, er sei als Südländer nicht ausreichend vertrauenswürdig, abschlägig beschied, packte Candeias endgültig seine Koffer und ließ sich mit seinem Unternehmen in Shanghai nieder. Dort beschäftigt sich die Candeias Engineering mit der Entwicklung hochwertiger Audio-Elektronik für Fremdhersteller, außerdem wurde die deutsche Aqvox Audio Devices mit Firmensitz in Hamburg gegründet. Unter diesem Label produziert der findige Entwickler in China neben dem Phono-Vorverstärker Phono 2 Ci und dem D/A-Wandler USB 2 D/A den Mikrofon-Vorverstärker MIC 2 A/D, Gegenstand dieses Tests.

Herzstücke des zweikanaligen Vorverstärkers sind die sogenannten CC-Module. Hier verwenden die Entwickler die Top-Version CC80, die nach eigenem Bekunden mit besonders hochwertigen und selektierten Transistoren und Widerständen bestückt sei. Die CC-Module sind universell einsetzbare Verstärker-Module, die vom Eingang bis zum Ausgang symmetrisch aufgebaut sind. Candeias nennt die dort verwirklichten Schaltungskonzepte LEF (Load Effect Free) und Current Injection. Die Schaltung ist so aufgebaut, dass Verzerrungen von vorne herein minimiert statt per Über-Alles-Gegenkopplung reduziert werden sollen.

Der Vorverstärker MIC 2 A/D besitzt zwei solcher gekapselter Module (siehe Bild Seite 88), in denen die eingebauten LEDs nicht etwa dem Showeffekt dienen, sondern spannungs-stabilisierende Aufgaben übernehmen. Allerdings wirken die illuminierten Module dennoch beeindruckend. Dies lässt sich vom äußeren Erscheinungsbild des MIC 2 A/D nicht unbedingt sagen. Er ist weder besonders üppig in seinen Abmessungen, noch fällt er optisch außergewöhnlich aus dem Rahmen – ein gut gemachtes 19-Zoll-Gerät eben. Doch bei näherer Betrachtung offenbart der Vorverstärker seine Besonderheiten, und davon gibt es nicht wenige. Seine Bauweise ist fraglos solide und Vertrauen erweckend, alle Schalter und Regler machen schon haptisch einen sehr guten Eindruck. Die Ausstattung geriet für einen zweikanaligen Vorverstärker aber geradezu verschwenderisch, zumindest gehört der MIC 2 A/D zu den außergewöhnlich gut ausgestatteten Exemplaren.

Das beginnt schon bei den Anschlüssen. Auf der Front finden sich zwei XLR-Buchsen für die Mikrofone sowie zwei Klinkenbuchsen für Gitarre oder Bass. Auf der Rückseite geht es dann richtig zur Sache. Pro Kanal eine Line-in- und Line-out- sowie je eine Send- und Return Buchse im XLR-Format, natürlich symmetrisch beschaltet, sind dort ebenso montiert wie zwei zusätzliche Klinken-Ausgänge und nochmals Line-in und Line-out als unsymmetrische RCA/Cinch-Buchsen. Da der Vorverstärker über eine Digital-Sektion verfügt, liefert er die digitalisierten Analogsignale sowohl per XLR-Buchse im AES/EBU-Format, als auch im S/PDIF-Format über einen RCA- oder einen optischen Toslink- Anschluss. Die drei Ausgänge können übrigens gemeinsam und gleichzeitig genutzt werden. Das gilt auch für alle Analog-Ausgänge. Soll der Wandler im MIC 2 A/D nicht von seinem internen Frequenzgenerator synchronisiert werden, lässt er sich wahlweise auch per AES/EBU oder S/PDIF fremd takten, dafür stehen spezielle Eingänge bereit. Optional ist auch eine Word-Clock-Synchronisation möglich, die entsprechende BNC-Buchse ist schon eingebaut.

Wen wundert es, dass mit dieser Bestückung die Rückseite des MIC 2 A/D gut ausgefüllt ist, das gleiche lässt sich aber auch von der Frontplatte sagen. Auch dort haben die Entwickler in Shanghai, zu denen seit kurzem auch Michael Conrad gehört, der ehemals für das unter Audiophilen wohlbekannte Outsider-Team in Gießen arbeitete, keinen Quadratzentimeter verschwendet. Neben den schon erwähnten Mikrofon- und Instrumenten-Eingängen haben die Entwickler dort 15 blau hinterleuchtete Drucktasten, zwei vierstufige Eingangs-Drehschalter, zwei LED-Ketten als Aussteuerungsmesser und zweimal eine Gainregelung, bestehend aus je einem achtstufigen Drehschalter und einem Drehregler, untergebracht.

Per Tastendruck lässt sich pro Mikrofoneingang die Phantomspeisung einschalten, die sich, wie das Messlabor herausfindet, absolut Normenkonform verhält. Sie liefert eine Phantomspannung von 48,7 Volt und vermag mehr als 20 Milliampere Strom zu liefern. Da freut sich jedes Kondensatormikrofon, Probleme durch die Spannungsversorgung sind ausgeschlossen. Die Eingangsimpedanz beträgt nominell neun Kiloohm, kann aber auf 1,5 Kiloohm oder 200 Ohm reduziert werden. Hersteller hochwertiger Mikrofone, wie beispielsweise das Karlsruher Unternehmen Schoeps, plädieren allerdings unbedingt für einen möglichst hohen Eingangswiderstand, dann herrscht auf jeden Fall Spannungsanpassung. Mit einer niederohmigeren Eingangsimpedanz kann man allerdings Sound-Design betreiben. Viele Mikrofone ändern dann ihre Klangeigenschaften – allerdings insbesondere beim Impulsverhalten nicht immer zum Besten. Ein Hochpassfilter, hier mit 70 Hertz Einsatzfrequenz, gehört heute zur Grundausstattung jedes ordentlichen Channelstrips beziehungsweise Mikrofonverstärkers. Der Ordnung halber sei erwähnt, dass er seinen Job wie erwartet macht.

Jeder der beiden Eingänge lässt sich in der Phase drehen, hilfreich bei Aufnahmen, in den ein Mikrofon gegenphasig zum anderen arbeiten muss. Beispielsweise ist dies bei der Aufzeichnung eines Tom Toms dann der Fall, wenn ein Mikrofon über und das andere unter dem Instrument aufzeichnet. Eine Besonderheit und nicht alltäglich ist allerdings der Loop-Modus, der in jedem Kanal aktiviert werden kann. Per Tastendruck lässt sich so ein über die symmetrischen Send-Return-Buchsen angeschlossenes Peripheriegerät in den Signalweg einschleifen. Das reduziert den Stöpselaufwand in der Studio-Praxis erheblich. Als ebenfalls sehr praxisgerecht beweisen sich die beiden Eingangs-Umschalter, hier zeigt Candeias seine entwicklerische Herkunft aus dem Hifi-Lager. Die stylischen Drehknöpfe sind zwar nicht sonderlich griffig aber optisch machen sie was her und besitzen außerdem eine ausgeprägte Zeigernase, die keine Zweifel über die gewählte Schalterstellung aufkommen lässt. Die Gain-Regelung pro Kanal erfolgt einmal über einen Stufendrehschalter mit acht Positionen à zehn Dezibel sowie über einen Drehregler. Über den Gainreglern liegt eine zehnstufige LED-Kette, die mit „dB“ beschriftet ist, aber dBFS anzeigen soll.

Zwischen den beiden Gain-Gruppen thront ein mit „Limiter“ gekennzeichneter Taster, der – wie übrigens auch alle seine Kollegen – zwar in sehr vornehmen blau hinterleuchtet ist, das Leuchten ist aber bei sehr hellem Umgebungslicht nicht immer eindeutig wahrzunehmen. Dieser Limiter arbeitet rein passiv und ist so zusagen als Notnagel gedacht, wenn ein Übersteuern des Wandlers verhindert werden soll. Wie sich im Messlabor und auch in der Aufnahmepraxis mit dem MIC 2 A/D zeigt, sollte man von dem Limiter aber besser die Finger lassen, sich mehr Mühe beim akkuraten Aussteuern geben und lieber etwas mehr Headroom einplanen. Last not least finden sich links außen auf der Front die beiden Taster, mit denen sich einmal die Clock-Sync (internal, Wordclock, AES/EBU, Coax) sowie die Samplingfrequenzen in acht Stufen (44,1 bis 192 kHz) einstellen lassen.

Messtechnisch hinterlässt der MIC 2 A/D einen etwas zwiespältigen Eindruck. Wie schon eingangs erwähnt, verfolgt Carlos Candeias beim Design seiner LEF-Schaltung eine Philsosophie, die nicht unbedingt zum Mainstream gehört. Schon der Finnische Verstärker-Papst Mati Otala hat in den 1980er-Jahren, damals stand er noch in Diensten von Harman Kardon, die TIM-Verzerrungen (Transiente Intermodulation) entdeckt. Hier ist von dynamischen Verzerrungen die Rede, die bei dynamischen Signalen entstehen, sich aber bei eingeschwungenen Signalen – und dazu gehören auch herkömmliche Messsignale – nicht bemerkbar machen. Deshalb können sie auch mit herkömmlichen Verzerrungs-Messungen nicht aufgedeckt werden und manche Entwickler tun sie als nicht existent ab.

Candeias hat nun nach eigenem Bekunden diese Verzerrungen nachweisbar gemacht und hält sie für äußerst klangschädlich. Nach seiner Theorie ist die Tatsache, dass manche Röhrenschaltungen sozusagen prinzipbedingt deutlich weniger dynamische Verzerrungen verursachen, der Hauptgrund, warum für viele der Röhrenklang angenehmer erscheint als der oftmals kalte Halbleiterklang. Vom viel beschworenen warmem Röhrensound, der auf harmonischen Verzerrungen basiert, ist hier also nicht die Rede. Allerdings kommt es wie immer im Leben auf das „Gewusst wie“ an, denn – viele Hörtests im Studio von Professional audio Magazin belegen das –, gibt es auf dem Markt sehr viele gut bis exzellent klingende Studiogeräte in Halbleitertechnik. Durch den speziellen Schaltungsaufbau, einer besonders peniblen Bauteileauswahl und dem Verzicht auf die Über-Alles-Gegenkopplung wurden, so Candeias, die dynamischen Verzerrungen zwar auf ein Minimum reduziert. Dafür seien die üblichen Klirrwerte, die man sonst durch entsprechende Gegenkopplungs-Maßnahmen problemlos im Griff hat, höher als bei vielen Konkurrenzprodukten. Dies bestätigt sich im Messlabor von Professional audio Magazin. Klirrwerte von 0,2 Prozent (20 bis 20.000 Hertz) für einen Transistorverstärker sind tatsächlich überdurchschnittlich hoch, aber sicher kein Beinbruch. Bei einem Röhrenverstärker wären solche Werte übrigens fraglos exzellent. Das Klirrspektrum des MIC 2 A/D zeigt auch ein ähnliches Verhalten wie bei einem Röhrenverstärker, die harmonischen Verzerrungen liegen im Pegel in der gleichen Größenordnung wie die unharmonischen. Bei aktiviertem Limiter – diese Diagramme finden Sie unter www.professional-audio.de – steigen vor allem die unharmonischen Verzerrungen deutlich, selbst wenn von Übersteuerung nach lange keine Rede sein kann. Um es vorweg zu nehmen: Das macht sich auch klanglich negativ bemerkbar. Deshalb die Empfehlung: Finger weg vom Limiter. Über den Instrumenten-Eingang klirrt der Aqvox übrigens nochmals deutlich mehr. Im Mittel liegen die Werte bei einem Prozent, zu den Bässen hin steigen sie über fünf Prozent.

Die Gleichtaktunterdrückung ist in den Mitten und Höhen exzellent, verschlechtert sich aber in den unteren Mitten und Tiefen. Dort sinkt die Dämpfung von exzellenten -75 Dezibel auf unter -50 Dezibel im linken Kanal. Die Frequenzgänge sind bei allen Eingängen ohne Fehl und Tadel, deshalb verzichten wir auf die Veröffentlichung. Die Eingangsempfindlichkeit des Mikrofoneingangs liegt für +4 dBu am Analogausgang bei etwa 50 Dezibel. Da können leise Mikrofone, wie etwa dynamische Bändchenmikrofone schon in Schwierigkeiten kommen. Deshalb bietet der Hersteller den MIC 2 A/D auf Wunsch auch mit höherer Verstärkung an. Für einen Ausgangspegel am Digital-Ausgang (AES/EBU) von -1 dBFS beträgt die Empfindlichkeit 48 Dezibel. Die Werte für die Line-Eingänge sind absolut identisch. Die maximale Ausgangspannung beträgt 13,5 Dezibel. Die Fremd- und Geräuschspannungsabstände liegen mit 84 beziehungsweise 87 Dezibel für die Mikrofoneingänge auf der sicheren Seite. Die Werte für die Line-Eingänge unterscheiden sich links etwas.

Das FFT-Spektrum zeigt folgenden Effekt: Schaltet man während dieser Messung die Samplingfrequenz um und befindet sich der D/A-Wandler noch in der einige Sekunden dauernden Denkpause, sind beide Kanäle identisch gut. Dann aber entsteht im linken Kanal, der sich räumlich direkt neben den Digital-Ausgängen befindet, ein zusätzliches Störspektrum, das den Wert um einige Dezibel verschlechtert – nicht schlimm, aber messtechnisch auffällig. Auffällig linear verläuft auch die Wandler-Linearität des Aqvox und stellt den verbauten Burr-Brown-Wandlern ein gutes Zeugnis aus.

Der verhältnismäßig lange Aufenthalt im Messlabor erhöht natürlich die Spannung nach der Antwort auf die Frage: Wie klingt er denn nun? Immerhin hat Carlos Candeias mit seiner Schaltungsphilosophie die Erwartungshaltung nach oben geschraubt – und bei den Messwerten hat er ja auch Wort gehalten. Um es auf den Nenner zu bringen: Der Aqvox MIC 2 A/D gehört fraglos zu den exzellent klingenden Mikrofon-Vorverstärkern. Seit Monaten versieht er im Studio von Professional audio Magazin seinen Dienst und findet sich immer wieder in den diversesten Aufnahme-Setups. Dabei kommt den Redakteuren die Vielfalt der Anschluss- und Integrations-Möglichkeiten zupass. Sehr schnell kristallisiert sich ein Klangbild heraus, das man als kraftvoll, schnell und transparent bezeichnen kann. Im Vergleich zu unserem Referenz-Vorverstärker F355 von Lake People klingt der Aqvox in den Bässen und unteren Mitten ein wenig dicker, ohne allerdings diesen Bereich in irgendeiner Form auf zu blähen. Alles bleibt sehr aufgeräumt und durchsichtig. Zuweilen entsteht der Eindruck, dass der Lake People noch einen Hauch konturierter tönt. In den Mitten geben sich beide Verstärker nichts oder nicht viel, was eindeutig reproduziert werden kann. Das Klangbild wirkt ungemein offen und dreidimensional. Entsprechend gute Mikrofone vorausgesetzt, bekommen Stimmen eine Körperhaftigkeit, die bezaubern kann. In Sachen Feinstauflösung hat aber der Lake People zuweilen die Nase vorne, wenn auch nur einen Hauch. Ganz leise Griffgeräusche beispielsweise kommen bei ihm eine Nuance akzentuierter und greifbarer. Allerdings, so sei eingeschränkt, spielen sich diese Unterschiede schon im Mikrokosmos der Wahrnehmung ab. Die Höhenauflösung ist bei beiden Verstärkern exzellent. Perkussive Signale kommen peitschenschnell und akkurat. Hier sehen einige der Tester den Aqvox sogar einen Deut im Vorteil, andere wiederum den Lake People. Alles in Allem muss und kann man dem Aqvox MIC 2 A/D einen hervorragenden Klang bescheinigen.

Fazit

Mit dem MIC 2 A/D hat Carlos Candeias und seine Mannen einen wirklich außergewöhnlichen Mikrofon-Vorverstärker geschaffen. Messtechnisch kann er vielen großen Namen nicht das Wasser reichen, klanglich allerdings schon. Seine Ausstattung geriet üppig, immerhin kommt er mit integriertem D/A-Wandler, und seine Bedienung ist, abgesehen von einigen Kleinigkeiten, praxisgerecht. Wer einen Mikrofon-Vorverstärker mit solchen Eigenschaften sucht, sollte sich den Aqvox MIC 2 A/D unbedingt ansehen oder noch besser anhören.

Erschienen in Ausgabe 04/2008

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 1490 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut