Thema mit kapriziösen Variationen

BAE, die amerikanischen Spezialisten für akkurate Nachbauten von Neve 1073-Modulen, wagen sich auch an eigene Variationen auf Basis des klassischen Neve-Sounds. So auch mit dem neuesten Preamp, dem 1073 DMP.

Von Harald Wittig 

Es war vor fast sechs Jahren, als wir in Ausgabe 13/2006 das erste Mal ein Gerät des amerikanischen Herstellers BAE testeten. Seinerzeit firmierte das im sonnigen Kalifornien ansässige Unternehmen noch als „Brent Averill Enterprises“, kurz BAE. BAE heißen die Amerikaner immer noch, allerdings steht das Kürzel inzwischen für „British Audio Engineering“, wobei die Amerikaner weiterhin ihrem Dauerthema verpflichtet sind: Dem Nachbau analoger Neve Konsolen-Module einerseits und eigene Varianten auf Basis der Vintage-Legenden andererseits. Dabei konzentriert sich BAE heute ausschließlich auf Reproduktionen der klassischen Neve Konsolen-Module, vor sechs Jahren bot Brent Averill Enterprises auch noch Repliken von Urei oder API an.
Zur Kategorie der Eigen-Varianten auf thematischer Basis des berühmten Neve 1073 Preamp-Moduls gehört auch der erst jüngst vorgestellte einkanalige Vorverstärker 1073DMP, unser heutiger Testkandidat. Dieser stellt eine eigene Variation auf der thematischen Basis der Mikrofon-Eingangsstufe des 1073-Moduls, welches im Original und als akkurate BAE-Replika noch einen Equalizer umfasst, dar. Die magische Zahl „1073“ begegnet einem beim Durchstöbern des BAE-Katalogs vergleichsweise häufig. Neben dem, laut Hersteller-Angabe absolut authentischen Nachbau des 1073er-Moduls, sind die Vorverstärker-Modelle 1073MP – erhältlich als Ein- und Zweikanaler – und der mit einem zusätzlichen Hochpassfilter ausgestattete 1073MPF die direkten Verwandten des 1073DMP.

Im Unterschied zu den beiden 19-Zoll-Geräten hat der Neue das Netzteil eingebaut und ist – erkennbar an dem großen Handgriff auf der Oberseite – als portables Gerät konzipiert. Bevor wir sogleich ins Detail gehen, müssen wir auch über Preise sprechen: BAE-Geräte sind nicht eben billig. Für den 1073DMP sind rund 1.160 Euro anzulegen – ein stolzer Preis für einen Kanal. Dafür ist dieser Vorverstärker wie seine Geschwister „Made in USA“ und wird unter Verwendung bester Bauteile von Hand gebaut, teilweise ist er sogar handverdrahtet. Nicht, dass wir damit automatisch überlegene Qualität verbinden. Dieser Fertigungsaufwand schlägt sich aber zwangsläufig im Preis nieder.

Grundsätzlich folgen die Amerikaner schaltungstechnisch auch mit ihrem 1073DMP dem berühmten Vorbild. So verwenden sie ebenfalls die Carnhill (St. Ives) Eingangs- und Ausgangsübertrager, die auch in den originalen Neve 1073 Konsolen-Modulen werkeln, hinzu kommt die gleiche diskret aufgebaute BA283 Class A-Vorverstärker- sowie Ausgangsstufen-Schaltung. Gleichwohl ist BAE vom historischen Schaltungsdesign abgewichen, genauer hat dieses modifiziert: Neve verwendete nämlich zwei Vorverstärkerstufen, zur BA283 kam noch eine zusätzliche BA284-Stufe hinzu, die für Verstärkungen im Bereich von 50 bis sage und schreibe 80 Dezibel zuständig ist. Diese zweite Stufe fehlt dem 1073DMP und auch sein nächster Verwandte, der 1073MPF kommt ohne die BA284-Stufe aus. Damit der 1073DMP dennoch flexibel einsetzbar ist, um beispielsweise auch im Zusammenspiel mit flüsterleisen Bändchen- oder dynamischen Mikrofonen genügend empfindlich zu sein, haben die Entwickler das Schaltungsdesign der BA283-Stufe modifiziert. Was die Amerikaner genau unternommen haben, verraten sie nicht, gleichwohl waren sie dabei offenbar und ausweislich unserer Messungen erfolgreich, denn mit einer Eingangsempfindlichkeit von -67,7 Dezibel muss sich der Anwender um einen praxisgerechten Arbeitspegel beim Einsatz ausgangsschwacher Schallwandler nicht sorgen. Auf einem anderen Blatt steht, dass absolute Vintage-Puristen den 1073DMP wegen dieser Eigenvariation des Schaltungsdesigns nicht mögen werden. Die werden es aber vermutlich ohnehin nicht unter einem möglichst unveränderten Original machen – oder alternativ zu den 1073-Replikas aus dem Hause BAE greifen.
Anders als die meisten Vorverstärker im 1073-Stil wie zum Beispiel der kostengünstige Pre-73 DLX von Golden Age Project (Test in Ausgabe 7/2012) bietet der 1073DMP nicht die Wahlmöglichkeit zwischen zwei Eingangsimpedanzen. So fehlt die 300 Ohm-Option, die Eingangsimpedanz ist auf 1.200 Ohm festgelegt. Dabei handelt es sich um einen praxisgerechten Wert, der perfekt zu den aktuellen Mikrofonen passt. Gleichwohl werden Klangtüftler, welche verschiedene Eingangsimpedanzen nutzen, um je nach verwendetem Mikrofon unterschiedliche Klangnuancen zu erzielen, den Verzicht auf die Impedanzumschaltung bedauern.

Der 1073DMP ist nicht nur ein Mikrofon-Verstärker, sondern bietet auch die Funktion einer DI-Box und gestattet mit seiner Eingangsimpedanz von 1,5 Megaohm den Direktanschluss von E-Gitarren und E-Bässen mit hochohmigen, passiven Tonabnehmern. Bemerkenswert ist, dass der DI-Eingang mit einem eigenen DI-Eingangsübertrager von Jensen, der speziell auf E-Bässe zugeschnitten ist, ausgestattet ist. Die Amerikaner beschreiben dieses DI- Box-Design als den „Bootsy Collins Mod“. Tatsächlich ist der legendäre P-Funk-Bassist ganz offiziell Endorser des 1073DMP und setzt den Preamp im Studio ein. Ob jeder Bassist dem Funk-Paradiesvogel klanglich automatisch nacheifern kann, wenn er sein Instrument in den BAE einstöpselt, darf allerdings bezweifelt werden. Denn der ganz eigene Sound von Collins, der nicht umsonst auch als der „Jimi Hendrix des Bass“ bezeichnet wird, ist geprägt vom Einsatz diverser Effektgeräte. Gleichwohl sind wir schon gespannt, ob sich der 1073DMP als eine Art Edel-DI-Box für Bassisten, die gerne die Funken sprühen lassen, erweist.
Jedenfalls hat der DI-Eingang, auch wenn ein Mikrofon an den Preamp angeschlossen ist, automatisch beim Einstöpseln Priorität. Ungewöhnlich – und sehr praktisch – sind die beiden DI Thru-Buchsen. Damit ist es möglich, bei der Aufnahme zusätzlich zwei parallele Gitarren- oder Bass-Rigs anzusteuern, die mit zwei anderen Preamp/Mikrofon-Kombinationen mikrofoniert sind und zusätzlich zum reinen DI-Signal des 1073DMP mit aufgenommen werden können. Gerade die Kombination aus DI-Signal und mikrofonierter Bass-Anlage gehört zu den immergrünen Standards bei Pop- und Rockproduktionen (siehe hierzu näher den Workshop E-Gitarren-Recording in den Ausgaben 5 und 6/2012).

Wie die Originale und die zahlreichen Nachbauten und Klone auch, hat der 1073DMP einen stufenlosen Drehregler für die Ausgangsstufe. Dieser ergänzt den in 5dB-Schritten gerasteten Gainregler und dient eigentlich der Feinabstimmung des Ausgangspegels. Findige Klangforscher wissen aber, dass die Kombination aus mehr oder wenige hochverstärktem Eingangssignal und entsprechend eingestelltem Output-Regler durchaus für einige interessante Klangvarianten gut ist. Dazu aber mehr im Rahmen des Praxis-/Klangtests.
In puncto Verarbeitung erfüllt das Gerät auch höchste Ansprüche: Der 1073DMP macht mit seinem Gehäuse aus vergleichsweise dickwandigem Stahlblech einen roadtauglichen, langzeitstabilen Eindruck, die bombenfest verschraubten und verchromten DI- und DI-Thru-Buchsen sind von vergleichbar hoher Qualität wie die beiden XLR-Buchsen. Dass sämtliche Anschlüsse und Ausgänge auf der Front angebracht sind, ist sehr zu begrüßen und beweist, dass der Hersteller genau weiß, was der potentielle Anwender von einem Desktop-Gerät erwartet. Der präzise auf die markierten Positionen einrastende Gainregler im weinroten Neve-Look, die sanft dem Fingerdruck widerstehenden Schalter zur Aktivierung der Phantomspannung und der Phasenumkehr sowie der stufenlose, gut bedämpfte Ausgangs-Drehregler rechtfertigen zudem eine hohe Verarbeitungsnote.

Dass BAE keinen Pfusch abliefern, beweisen auch die insgesamt sehr guten, allerdings nicht herausragenden Messwerte: Die Werte für Geräusch- und Fremdspannungsabstand von 81,4 beziehungsweise 76,8 Dezibel für die Mikrofon-Stufe sind auf sehr gutem, wenngleich nicht auf Spitzenniveau. Interessanterweise kann der erheblich günstigere, bereits erwähnte Golden Age-Preamp mit noch besseren Werten aufwarten. Vor allem der Instrumenten-DI-Eingang des kostengünstigen Neve-Klons ist in puncto Geräusch- und Fremdspannungsabstand mit beeindruckenden 93,2 und 88,2 Dezibel dem teureren Amerikaner mit seinen 78,2 und 74,4 Dezibeln überlegen. Damit rauscht der BAE theoretisch mehr als der Schweden-Preamp, was sich indes auf der Aufnahme klanglich nicht notwendig negativ auswirken muss. Wir werden sehen – besser hören. Ein echtes und von Anwendern beklagtes Manko der ersten 1073DMPs waren die vergleichsweise starken Brumm-Einstreuungen. Diesem Problem hat sich der Hersteller angenommen und es auch in den Griff bekommen. Dennoch geben die im tieffrequenten Bereich von ausgezeichneten 0,01 auf immer noch sehr gute 0,08 Prozent ansteigenden Klirrwerte, dass der Preamp im Bassbereich eher lebendig ist. Darauf deutet auch das auf Seite 79 abgedruckte FFT-Spektrum hin: Erkennbar steigt der Noisefloor auf knapp -80 Dezibel an. Das ist eigentlich nichts, nur und zum Vergleich: Der auf Seite XX dieser Ausgabe getestete Lake People Mic-Amp C360 erweist sich mit einem Noisefloor, der standhaft unter -100 Dezibel bleibt, als echter Saubermann mit einer Akkuratesse, die sonst eher Messgeräten zueigen ist.

 

 Der BAE 1073DMP tritt aber nicht als Messgerät, sondern als Preamp mit Eigenklang auf den Spuren einer Soundlegende an. Um dem Klang des 1073DMP auf die Spur zu kommen, nehmen wir einige kurze Takes mit Flamencogitarre, E-Gitarre und E-Bass unter Logic Pro 9 auf. Als Audio-Interface dient uns unsere derzeitige Referenz, der Wandler Mytek Digital 8×192 ADDA, für die Aufnahmen mit unserer bewährten und immer zuverlässigen Ricardo Sanchis Carpio 2F Flamencogitarre kommt noch das herausragend gute, superneutrale und gleichzeitig sehr musikalisch klingende Kleinmembran-Kondensatormikrofon Microtech Gefell M 221 zum Einsatz.
Wir beginnen mit E-Gitarren-Aufnahmen, stöpseln eine Fender Stratocaster in den DI-Eingang des Preamps, drehen die Gitarre voll auf, passen den Eingangspegel mit dem Gain-Regler an und bringen Output-Regler in drei Uhr Stellung. Der Klang ist angenehm vollmundig und sehr warm, was uns gefällt, aber auch überrascht: Die Gitarre klingt nämlich eher perkussiv und sehr gläsern, damit sehr typisch für die Fender USA-Strats der 1990er-Jahre. Das bei unserem Instrument charakteristische Oberton-Flirren, hervorgerufen durch bestimmte Resonanzen, unterdrückt der 1073DMP zugunsten eines Vintage-orientierten Sounds. Wir wollen es genau wissen und drehen Output auf 12.00 Uhr und höre da: Die Resonanzen kehren leise zurück, die Gitarre klingt immer noch warm, aber gleichzeitig ein bisschen crisper. Ist der Regler noch weiter aufgedreht – 9.00 Uhr bis Rechtsanschlag – mischen sich Harmonische ins Klanggeschehen ein, was durchaus gefällig klingt und sogar eher „röhrig“ tönt. Matschig oder indifferent – derlei sagen manche Toningenieure den Original-Neves nach – klingt der Vorverstärker aber nie. Es ist ein eigener, musikalischer DI-Sound, der sich je nach Geschmack oder stilistischer Vorlage formen lässt. Damit Sie sich selbst einen Klangeindruck machen können, gibt es zum kostenlosen Download begleitend zu diesem Test eine Auswahl von Klangbeispielen auf unserer Website, www.professional-audio-magazin.de, zum kostenlosen Download.
Uns gefällt der Klang am Besten, wenn der Output-Regler in 12.00 Uhr-Stellung steht, sodass wir diese Einstellung auch für die E-Bass und Mikrofonaufnahmen verwenden. Wir hegen schon gewisse Erwartungen an den Bass-DI-Sound dieses Preamps, immerhin enthält er die Klangzutaten einer echten Bassisten-Legende. Grundsätzlich ist die gewisse Bauchigkeit im Klang des 1073DMP dem Bass-Sound zuträglich und sorgt für diesen Larger-Than-Life-Sound/überlebensgroßen Klang, der für manche Vintage-Vorverstärker kennzeichnend ist. Dass der Bass gleichwohl nicht alles zudröhnt und immer noch schön griffig und konturiert tönt, ist dem gut dosierten Anteil an Höhenfrische im Klang des BAE zuzuschreiben. Hinzu kommt ein sehr gutes Impulsverhalten des Preamps mit sehr guter Transientenabbildung, was der Funk-Fraktion unter den Bassisten gefallen wird.
Eben diese Klangmerkmale, die sehr gefällige Vintage-Wärme, gepaart mit frischen Höhenanteilen, sind auch bei den Mikrofon-Aufnahmen zu hören. Die fotorealistische Klarheit, die unser Referenz-Vorverstärker, der Lake People Mic-Amp F355 bietet, darf folglich niemand von dem BAE erwarten, die Puristen und Naturklang-Fetischisten lesen ohne nicht mehr mit. Für Klassik(-Gitarren)-Aufnahmen würden wir den 1073DMP selbst nicht nehmen, denn dafür ist er zu sehr Klangmaschine und Klangfärber, zumal wir bei naturbelassenen Aufnahmen einen subtilen Nebengeräuschanteil hören. Für Stilistiken von Jazz, Worldmusic und – selbstverständlich – Pop und Rock, ist dieser Preamp hingegen ein uns hochwillkommener Aufnahme-Partner. Wer beispielsweise auf den Nylonstring-Sound von Mark Knopfler in dem Dire Straits-Stück „Private Investigations“ steht, sollte diesen Klang mit dem 1073DMP nachbauen können – ein Spielvermögen à la Knopfler mal vorausgesetzt.

Fazit

Der BAE 1073 DMP gehört zu den Vorverstärkern mit Charakter, der einen vollmundig warmen Vintage-Sound mit frischen Höhenanteilen liefert – als Mikrofon-Vorverstärker und DI-Verstärker gleichermaßen.

Erschienen in Ausgabe 10/2012

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 1159 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: gut