Heißer Draht

Nicht verzagen Forssell fragen, hieß es lange Zeit in eingeschworenen Fachkreisen, wenn es darum ging, das ohnehin schon exzellente analoge Outboard klanglich weiter aufzuwerten. Kein Wunder, dass sich Fred Forssell als Perfektionist bei seinen eigenen Entwicklungen nur mit dem Optimum zufrieden gibt und jetzt sein puristisches Meisterstück, den zweikanaligen Mikrofon-Vorverstärker SMP-2, ins Rennen schickt.

Von Michael Nötges  

Fred Forssell liebt das Detail. Stundenlang brütet er über Blockschaltbildern und Blaupausen, misst Widerstände, Kapazitäten und Induktivitäten, vergleicht FFT-Spektren und Frequenzgänge, macht langwierige Hörtests. Dabei ist er immer auf der Suche nach dem Schwachpunkt einer Schaltung, der Lücke im komplexen System, um dann durch gezielte Modifikationen deren klanglichen Qualitäten zu verbessern. Auf seinem Seziertisch landen genauso Mikrofone von AEA, DPA oder Lectrosonics, wie auch allerhand einschlägiges Highend-Equipment á la Manley (Waves D/A-Wandler) oder Millenia (NSEQ). Aber auch vorm Pimpen analoger Channelstrips in alten Konsolen oder kompletten Spezialanfertigungen nach Maß, macht der unermüdliche Klangwelt-Verbesserer nicht halt.
Gut so, schließlich führte der etwas verrückte Perfektionierungstrieb von Fred Forssell zu ausreichend Aufträgen, weitreichendem technischem Know-how und vor allem zur Gründung seiner Firma Forssell Technologies. Mittlerweile – Servicearbeiten bietet Forssell Technologies eher am Rande an –, bereichert der Hersteller aus Sandpoint, Idaho, in regelmäßigen Abständen die Pro Audio-Fachwelt mit seinem kompromisslosen Outboard. Nach dem Channelstrip CS-1, dem sechskanaligen Mikrofon-Vorverstärker JMP-6 und dem zweikanaligen Bruder FetCode mit Röhren/JFET-Verstärkerstufe, kommt jetzt mit dem JMP-2 ein zweikanaliger Mikrofon-Vorverstärker auf den Markt, der optisch dem JMP-6 wie aus der Frontplatte geschnitten ist, technisch aber – wen wundert’s – nochmals optimiert wurde. Der spartanische Edel-Neuling kostet knapp 2.000 Euro und will eindeutig in der Spitzenklasse mitmischen

Wie schon beim JMP-6 fußt die Entwicklung des SMP-2 auf Forssells diskreten JFET-Class-A-Operationsverstärkern (JFET-992 und JFET993). Zur Erklärung: Sperrschicht-FETs (Junction Fieldeffect Transistors) zeichnen sich als sehr simpel aufgebaute Unipolartransistoren durch ihre geringe Rauschleistung unterhalb einem Kilohertz und ihre Unempfindlichkeit gegenüber hochfrequenten Einstreuungen aus. Allerdings meiden manche Entwickler sie wie die Pest, weil es im Gegensatz zu anderen Transistortypen deutlich aufwändiger ist, gute technische Werte im Schaltungsverbund zu erzielen. Fred Forssel gehört nicht dazu. „Ich verwende JFET-Schaltkreise“, klärt der Entwicklern über seine erste Wahl auf, „weil sie in meinen Augen die musikalischsten Klangeigenschaften unter den Transistor-Bauteilen aufweisen. Ihre Klangcharakteristik ist vergleichbar mit einer Kombination aus einem trafolosen Röhren- und einem Bipolartransistor-Schaltkreis. Entscheidend ist: Durch JFETs erreiche ich eine bessere Basswiedergabe als mit Röhren und die Höhen kommen weniger hart und dafür musikalischer als es mit Bipolartransistoren der Fall ist. Es gibt zwar auch Nachteile, aber die musikalische Darstellung gehört nicht dazu.“ Diese hat für Forssell bei allem technischen Ehrgeiz, einen absolut neutralen Preamp zu entwickeln, immer noch oberste Priorität.

Dem puristischen Gesamtkonzept entsprechend, zeigt sich die spiegelnd-blau eloxierte Frontplatte spartanisch und edel. Beide Kanäle sind identisch aufgebaut und verfügen nur über das Nötigste: je einen Eingangspegelsteller, sowie Mute-, Polarity- und Phantom-Taster. Diesen Tastern ist je eine LED (gelb, grün, rot) zugewiesen, um auch bei schlechtem Licht immer auf dem Laufenden zu sein. Die aufwändig gefrästen Aluminium-Drehregler sind mit der Potiwelle fest verschraubt und laden zum punktgenauen Einpegeln ein. Forssell Technologies verwendet hochwertige Elma-Drehschalter mit 24 festen Positionen und einer Verstärkungs-Range von +6 bis +68 Dezibel. Praxisgerecht ist der Hauptverstärkungsbereich zwischen 28 und 50 Dezibel mit einer Auflösung von zwei Dezibel pro Rasterung versehen. Oberhalb 50 Dezibel und unterhalb 28 Dezibel wird’s mit einer Auflösung von drei Dezibel – zwischen den Positionen sechs und 22 sogar vier Dezibel – etwas gröber. Auf eine zusätzliche Feinjustierung haben die Entwickler Verzichtet, um keine unnötigen Bauelemente in die Schaltung einbauen zu müssen. Bei sehr empfindlichen Mikrofonen (Josephson C617, Test auf Seite 68) oder extrem unempfindlichen Bändchenmikrofonen, wäre eine feine Abstufung an den Bereichsenden mitunter wünschenswerter als der Nachteil eines zusätzlichen Schaltkreises zur Feinjustierung. Eine zuschaltbare Lösung, wie beim F355 von Lake People (Test in Ausgabe 8/2006), ist doch eine prima Sache fürs pingelige Einpegeln.
Eine detaillierte Aussteuerungsanzeige sucht man beim SMP-2 vergeblich. Lediglich eine zweifarbige Status-LED dient zur Pegel-Kontrolle. Bei -5 dBu am Ausgang leuchtet sie grün, ab +22 dBu warnt sie in rot vor Übersteuerung, wobei dann immer noch rund zwei Dezibel Headroom bleiben. Kritiker werden das Arbeiten ohne exakte Aussteuerungsanzeige als Blindflug bezeichnen. Allerdings entpuppt sich die Kalibrierung der LED in der Praxis als durchaus praktikabel. Wer’s allerdings ganz genau wissen will, muss auf ein externes Peakmeter oder die Anzeigen angeschlossener Wandler zurückgreifen.

Die analogen Ein- und Ausgänge des SMP-2 sind elektronisch symmetriert. Forssell Technologies verzichtet also komplett auf Übertrager, um möglichst wenig klangverändernde Bauelemente zu verwenden. Die beiden Eingangsbuchsen pro Kanal sehen zwar zunächst identisch aus, sind es aber schaltungstechnisch nicht. Der gleichspannungsgekoppelte DC-Eingang ist nämlich im ¬Gegensatz zum P48-Eingang kondensatorfrei. Da dynamische und Bändchenmikrofone keine externe Versorgungsspannung benötigen, ist es nur konsequent, auf alles zu verzichten, was nicht zwingend im Signalweg liegen muss. In diesem Fall also auf die Koppelkondensatoren, die notwendig sind, um die Phantomspannung bereitzustellen. Außerdem bieten direktgekoppelte Schaltungen  einen weiteren Vorteil: Die untere Cut-Off-Frequenz liegt bei 0 Hertz, sodass auch tieffrequente Schwingungen weit unterhalb des hörbaren Bereichs übertragen werden.
Die beiden Eingänge stehen nicht gleichzeitig zur Verfügung. Bei Kondensatormikrofonen, die auf die Phantomspannung angewiesen sind, eignet sich nur der P48-Eingang. Für alle Mikrofone, die entweder keine externe Stromversorgung brauchen (dynamische Mikrofone, Bändchenmikrofone) oder aber ihre Versorgungspannung anderweitig beziehen (Elektret- Kondensator- oder Röhrenmikrofone), stehen beide Eingänge zur Wahl, wobei sich hier der puristische DC-Eingang empfiehlt. Da kann es auch bei alten Bändchenmikrofonen nicht passieren, dass durch versehendliches Einschalten der Phantomspannung, die teure Rarität Schaden nimmt.
Verglichen mit den Messwerten des F355 von Lake People liegt der SMP-2 auf ähnlich hohem Niveau. Auch er kommt dem Ideal des Stück Drahts mit Verstärkung sehr nahe. Das fängt beim Frequenzgang an, der zwischen 10 Hertz und 100 Kilohertz, also weit über die Grenzen des Hörbaren hinaus, nicht die kleinste Abweichung vom Idealkurs zeigt. Mit sehr guten THD+N-Werte von maximal 0,007 Prozent braucht sich der SMP-2 keineswegs vor der Spitzenklasse-Konkurrenz wie dem F355 von Lake People (0,005 Prozent) oder dem Precision 8i von True Systems (0,006 Prozent) zu verstecken. Ein kurzer Blick auf das FFT-Spektrum zeigt außerdem, dass weder nennenswerte Störgeräusche und Einstreuungen, noch harmonische oder unharmonische Verzerrungen auftreten. Schließlich liegt der Noise-Floor weit unterhalb von -100 Dezibel. Bei den FFT-Spektren – alle anderen Messkurven sind nahezu kongruent – zeigt sich der einzige messtechnische Unterschied zwischen DC- und P48-Eingang. Im Bassbereiche weisen die Messwerte des direkt gekoppelten Eingangs etwas höhere Störpeaks auf (siehe FFT-Spektren), die das Maximum des Noisefloors um zirka vier Dezibel anheben. Ein Maximalwert von -98 Dezibel ist aber immer noch jeseits von Gut und Böse. Die Kurve der Übersprechdämpfung macht eine wilde Berg- und Talfahrt aber selbst bei der geringsten Bedämpfung (180 Hertz), beträgt sie immer noch exzellente 80 Dezibel. Die Gleichtaktunterdrückung nimmt zu hohen Frequenzen hin ab, so dass sie bei 20 Kilohertz „nur“ noch 70 Dezibel beträgt. Zwischen 20 Hertz und 700 Hertz liegen die Werte aber unterhalb ausgezeichneter -90 Dezibel. Damit spielen Einstreuungen auch bei langen Kabelstrecken absolut keine Rolle. Mit einer herausragenden Eingangsempfindlichkeit von -63,9 Dezibel bietet der SMP-2 wahrlich genügend Verstärkungsreserven, um auch das ausgangsschwächste Bändchenmikrofon optimal in Szene zu setzen. Da muss selbst der ausgewiesene Bändchenspezialist m801 von Grace-Design (Test in Ausgabe 2/2007) mit einer Eingangsempfindlichkeit von -60 Dezibel neidlos den Hut ziehen und auch der F355 kommt da mit -61 Dezibel nicht mehr mit.

Für den Hör- und Praxistest des SMP-2 bietet sich der direkte Vergleich mit dem F355 von Lake People an, weil beide den Anspruch haben, extrem breitbandig und neutral zu sein. Wir wollen sehen, wer am Ende die Nase vorne hat. Allerdings bleibt zu berücksichtigen, dass der F355 mit einer UVP von 1.650 Euro gute 300 Euro günstiger ist als der SMP-2 mit 1.999 Euro.
Wir fertigen unterschiedliche Stereo-Aufnahmen mit den Josephson C617 an, die sich durch ihre hochfeine Auflösung und höchste Signaltreue auszeichnen. Als Wandler dient schließlich der Lynx Aurora 8 und glücklicherweise stehen uns noch die Pärzisions-Monitore MSMc1 von Manger (Test, Seite 76) zur Verfügung, womit wir insgesamt gewährleisten können, dass auch kleinste klangliche Unterschiede zwischen den beiden Puristen-Verstärkern aufgedeckt werden.
Aber zunächst stehen die Aufnahmen an. Die Sorge, dass die Rasterung der Eingangspegelsteller im Bereich bis 22 Dezibel zu grob sei, ist schnell verflogen, denn die außergewöhnlich empfindlichen C617 benötigen nur sehr wenig Verstärkung und trotzdem ist der Pegel schnell auf ein Optimum eingestellt. Zufall oder nicht, aber an dieser Stelle sind feinere Abstufungen absolut nicht notwendig – es passt einfach. Als sehr praktisch erweisen sich die Mute-Taster. Bei Stereo-Aufnahmen können der linke und rechte Kanal problemlos alleine abgehört werden, ohne im Sequenzer herumklicken zu müssen. Für Mobilisten, die beispielsweise mit dem MR-2000S von Korg (Test, S.54) oder einem vergleichbaren Stereo-Aufnahmegerät unterwegs sind und mit dynamischen oder Bändchenmikrofonen hantieren, ist es die einzige Möglichkeit des unabhängigen Kanal-Monitorings. Bei Kondensatormikrofonen gibt es wenigstens noch die Möglichkeit, die Phantomspannung eines Mikrofons abzuschalten. Übrigens gelingt das  Einpegeln auch ohne fein auflösende Aussteuerungsanzeige. Natürlich ist es praktischer – der F355 von Lake People macht es vor – wenn präzise LED-Ketten genaue Auskunft über den Ein- oder Ausgangspegel geben, aber mit ein bisschen Gewöhnung und mit steigender Erfahrung kommt man mit der zweifarbigen LED gut zurecht. Bei unseren Testaufnahmen unterstützt uns außerdem das Software-Meter des Aurora 8, um sicher zu gehen, dass der Wandler nicht übersteuert ist. Da hilft im Übrigen auch eine noch so genaue Anzeige des Preamps nicht, wenn der Arbeitspegel nicht kalibrierbar ist. Denn selbst wenn der Vorverstärker noch im grünen Bereiche arbeitet – beispielsweise +24 dBu –, kann der Eingang des A/D-Wandlers oder eines anderen angeschlossenen Geräts bereits übersteuert sein. Eine wirklich konsequente Lösung bietet übrigens der F355, da seine Aussteuerungsanzeige mit ¬einem Trim-Regler auf den nachfolgenden A/D-Wandler kalibrierbar ist. Beim
SMP-2 heißt es daher, lieber bei der Aufnahme einen Zacken zurückschalten, als spätere Übersteuerungen zu riskieren.
Beim Abhören zeigt sich einmal mehr, wie wichtig  eine analytisch-neutrale Aufnahme- und Abspielkette ist, auch wenn wir zunächst trotz der exzellenten Abhörbedingungen keinerlei nennenswerte Unterschiede zwischen den beiden Preamps heraushören. Das ist schon mal ein großes Kompliment an den SMP-2, gilt der F355 doch als interne Referenz von Professional audio Magazin, wenn es um neutrale und extrem breitbandige Mikrofonverstärkung geht. Bei den Gitarrenaufnahmen überzeugt der SMP-2 durch seinen absolut natürlichen und neutralen Klang. Wobei Klang eigentlich das falsche Wort ist, denn der Preamp macht eigentlich nur eins – er verstärkt, ohne etwas hinzuzufügen oder wegzulassen. Zumindest ist das unser erster Eindruck.

Der SMP-2 verstärkt extrem breitbandig, was besonders durch offene Höhen und den insgesamt transparenten Klang deutlich wird. Feinste Nuancen, wie das Atmen des Gitarristen, Griff- und die akzentuierten Anschlagsgeräusche, wenn die elegant gefeilten Keratin-Platten die Saiten berühren, erscheinen plastisch und hochfein aufgelöst. Gleichzeitig wirkt der Frequenzgang auch nach unten hin weit geöffnet, was zu einem sehr räumlichen Klangbild und außerdem zu einem sehr lebendigen und organischen Eindruck führt.
Bei Sprachaufnahmen, gleiches fällt uns aber auch bei den Gitarrenaufnahmen auf, bringt der SMP-2 eine gehörige Portion Intimität und Nähe ins Spiel. Selbst bei leise gespielten oder gesprochenen Passagen zeigt sich der Preamp als Präzisionskünstler, der nichts verschluckt oder verdeckt, was er von den Mikrofonen geliefert bekommt. Bis ins letzte Detail und mit unerbittlicher Akribie macht der edle Amerikaner seinen Job.
Wir gehen in eine weitere Abhörrunde und widmen uns noch einmal dem direkten Vergleich zum F355. Da ist doch ein kleiner aber reproduzierbarer Unterschied. Wir brauchen ein wenig Zeit, um diesen herauszuarbeiten und in Worte zu fassen. Am besten passt aber wohl die Aussage, dass der SMP-2 etwas weicher und runder klingt, was aber nichts mit der eigentlichen Klangfarbe zu tun hat, denn die ist bei beiden absolut identisch. Vielmehr bekommen die Transienten einen angenehm eigentümlichen Schliff, der zur Aussage Forssells passt, JFET-Schaltungen seien in den Höhen weniger hart und hell als andere Transistor-Verstärker. Ein Besser oder Schlechter gibt es beim Vergleich zum F355 nicht, sondern hier zählt am Ende der persönliche Geschmack über den sich trefflich streiten lässt – hervorragende, neutrale Mikrofon-Vorverstärker sind sie beide.

Fazit

Der SMP-2 von Forssell Technologies ist ein bewusst spartanisch ausgestatteter Purist, der dem Vorverstärker-Ideal eines aktiven Stück Drahts verdammt nahe kommt. Dabei ist seine Verarbeitung genauso erstklassig, wie die Messwerte und der Klang, welcher sich bei aller Neutralität und Breitbandigkeit das gewisse Etwas an Musikalität bewahrt hat. Der SMP-2 kostet knapp 2.000 Euro, was für einen rundum wertigen Preamp dieser Klasse mehr als angemessen ist.

Erschienen in Ausgabe 03/2009

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 1999 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut