Aus einem Guss
Pragmatiker zielen nur auf das gelungene Ergebnis ab, Ästheten genießen zudem den Produktionsprozess und gelangen durch die optimale Interaktion mit dem Equipment zum ersehnten Ziel der perfekten Aufnahme. Der achtkanalige Mikrofon Vorverstärker m801 der Firma Grace Design verspricht kompromisslosen technischen Pragmatismus und ästhetischen Genuss.
Von Michael Nötges
Als Michael Grace 1990 seine ersten Einzelan-fertigungen als Designer für Pro-Audio-Equipment an ausgewählte Toningenieure und Musiker aushändigte, waren die Grundsteine für seine heute in Boulder Colorado ansässige Firma gelegt. Schnell verbreitete sich der Ruf hohen qualitativen Standards und kompromissloser Konzeption, so dass der Designer 1994 aufgrund stetig steigender Anfragen die Firma Grace Design gründete. Man könnte annehmen, dass es sich bei Grace um einen Künstlernamen handelt, da die Übersetzung ins Deutsche – Anmut, Grazie oder Verzierung – vortrefflich zu Design und Konstruktion seiner Produkte passt. Aber es ist wohl einer dieser Zufälle, die sich wunderbar in größere Zusammenhänge integrieren. Als 1995 der achtkanalige Mikrofon-Vorverstärker 801 auf der Bildfläche erscheint, setzt er in punkto Performance, Klangqualität und Verarbeitung Maßstäbe. Dieses Ur-Vorverstärker-Modell ist das Ergebnis des Schaffens eines Ästheten, der durch seine Leidenschaft zur Musik beflügelt, kompromisslose Lösungen konzipiert, um einer optimalen Verstärkung möglichst nahe zu kommen. Gute Elf Jahre später erweist uns das überarbeitete Modell m801 die Ehre, um uns von seinen Qualitäten zu überzeugen. Auch hier handelt es sich um einen Mikrofon-Vorverstärker, der im Gegensatz zu seinem Vorgänger neben den acht analogen Ein- auch über 16 anstatt acht Ausgängen verfügt. Jeder Kanal besitzt die Möglichkeit der Aktivierung einer Phantomspannung, der Phasenumkehr, einer PAD-Funktion und zusätzlich über ein neues Feature für den Gebrauch von Bändchenmikrofonen. Außerdem zeigt sich der m801 in einem neuen Design, das vom ersten Augenblick begeistert. Mit rund 4700 Euro sind die Anschaffungskosten nicht gerade gering, aber Qualität hat eben ihren Preis und Perfektionisten, die neben der Suche nach dem ultimativen Klang auch noch Wert auf ein ästhetisches Gesamtdesign und Bedienkomfort legen, wird der m801 mit Sicherheit nicht enttäuschen.
Der zwei Höheneinheiten einnehmende Edel-Vorverstärker macht einen äußerst robusten Eindruck, ohne dabei an Eleganz einzubüßen. Das Gehäuse besteht aus Edelstahl mit schwarz abgesetzten Applikationen und Beschriftungen. Eine vier Millimeter starke Frontplatte mit den Rackohren zur Montage erhält einen zusätzlichen, an allen Kanten abgeflachten oder abgerundeten Vorbau, auf dem die Bedienelemente angebracht sind.
Damit ragen diese zirka zwei Zentimeter weiter aus dem Rack hervor. Das Gehäuse besteht aus zwei gebogenen Edelstahlblechen, die an den Seiten mit vier akkurat versenkten Schrauben arretiert sind. Das Resultat ist ein massives Design ohne Ecken und Kanten: rundum gelungen. Auf der Rückseite befinden sich die Anschlüsse, die ausschließlich als XLR-Buchsen vorliegen und allesamt vergolde-te Kontakte vorweisen, um optimale Signalübertragung zu gewährleisten.
Acht symmetrischen Eingängen stehen 16 Ausgänge gegenüber, die parallele Signalverarbeitung ermöglichen und damit jeweils zwei identische Signale pro Kanal bereithalten. Direct-To-Tape Aufnahmen sind beispielsweise durch die Integration eines Mischpultes gut zu kontrollieren ohne das Rohmaterial zu beeinflussen. Die parallelen Ausgänge dienen in diesem Fall dazu, während der Aufnahme Effekte einzuschleifen und die Signale zu mischen, um einen ersten Eindruck des Endergebnisses zu bekommen. Außerdem sind einzelne Signale durch Stummschalten aller anderen alleine abhörbar. So kann bei einer Live-Aufnahme der Gesang alleine und im Gesamtkontext abgehört werden und durch eine andere Mirofonwahl – falls nö-tig – angepasst werden. Die Präzision setzt sich im Innern fort – wir haben es uns natürlich nicht nehmen lassen auch in das schmucke Kästchen zu schauen. Auffällig ist die penible Verarbeitung mit der alle acht Kanalzüge aufwarten. Wie ein Ei dem anderen gleichen sich die acht Platinen mit ihren Verbin-dungskabeln und Bauelementen auf denen für jeden Kanal ein eigener Verstärker-Schaltkreis vorhanden ist. Insgesamt beeindruckt der m801 durch seinen aufgeräumten Innenraum, der durch die sterile Edelstahlumgebung an ein futuristisches High-Tech-Labor erinnert.
Jeder Kanalzug ist mit einem zwei Euro Stück großen Gain-Regler versehen. Dieser, einen Zentimeter tiefe, Zylinder ist mit einem schma-len Gummiring ummantelt, was zu einer ver-besserten Griffigkeit auf dem glatten Metall führt. Die eigentliche Besonderheit aber ist, dass hier kein stufenloses Potentiometer, sondern ein auf 24 Positionen rastender Umschalter bedient wird. Mit vergoldeten Kontakten versehen, ist für jede Position ein Widerstand eingelötet, der die Pegelanpassung für die Eingänge von 18 dB bis 64 dB in 2-Dezibel-Schritten bestimmt. Der Vorteil liegt in der verzerrungsfreien Verstärkung auch bei großen Pegelanhebungen. Während ein herkömmli-ches Potentiometer sich durch das anliegende Signal erhitzt und sich damit auch der Widerstand und als Resultat daraus die Lautstärke ändert, weisen einzelne Metallschichtwiderstände diesbezüglich ein deutlich besseres Verhalten auf. Der so genannte Temperaturkoeffizient liegt hier um ein Vielfaches unter dem von Potentiometern und führt damit zu exakterer Pegelanpassung. Unter dem Gain-Regler befinden sich vier beleuchtete Tast-Schalter. Ist die Phantomspannung – mit gemessenen 47 Volt liegt diese im professionellen Standardbereich – aktiviert leuchtet der gedrückte Tast-Schalter rot. Nach erneutem Drücken dauert es zirka zehn Sekunden bis das Signal erlischt. Das liegt daran, dass sich der zugehörige Kondensator langsam entlädt und die Anzeige, um dynamische Mikrofone vor Beschädigung zu schützen, den Eingang erst wieder frei gibt, sobald keine Spannung mehr anliegt.
Die Phasenumkehr-Funktion wird über ein Relais mit vergoldeten Kontakten geregelt, das sich laut Hersteller durch hohe Zuverlässigkeit und minimale Klangveränderung auszeichnet. Der Tast-Schalter leuchtet im aktiven Zustand grün und dreht die Phase um 180 Grad. Der PAD-Tast-Schalter dämpft das Eingangssignal um 20 Dezibel, so dass der Regelbereich anschließend zwischen -2 dB und +44 dB liegt. Um alle erdenklichen Mikrofone optimal nutzen zu können haben sich die Entwickler von Grace Design ein zusätzliches Feature speziell für Bändchenmikrofone einfallen lassen. Da bei Bändchenmikrofonen das Ausgangs-Signal teilweise noch schwächer ist als bei herkömmlichen dynamischen Mikrofonen erhöht sich der Einganspegel um zehn Dezibel. Außerdem wird bei Aktivierung der Funktion automatisch die Phantomspannung deaktiviert, die ansonsten zur Beschädigung der sehr empfindlichen Mikrofone führt. Des Weiteren sind die Entkopplungs-Kondensatoren durch ein Relais aus dem Signalweg ausgeschlossen, so dass möglichst wenige, den Klang beeinflussende Bauelemente integriert sind. Jeder Kanalzug bietet eine zweifarbige LED-Anzeige als Pegelkontrolle. Leuchtet sie grün (-14 dB) liegt ein Signal an, beginnt sie rot zu leuchten ist der Aussteuerungs-Headroom (+16 dB) von 12 Dezibel erreicht: genug Luft für hohe Pegel-spitzen.
Das separate Netzteil versorgt das m801 über einen siebenpoligen XLR-Steckverbinder mit Strom. Die verwendeten Ringkern-Transformatoren sind besonders geräuscharm und so konzipiert, dass Interaktionen zwischen Netzteil, den Leiterplatten und den einzelnen Kanälen des Vorverstärkers untereinander ausgeschlossen sind. Ein Ground-Lift-Kipp-Schalter auf der Rückseite trennt die Masse des Vorverstärker-Signals von der des Gehäu-ses und unterbricht damit die Erdung, falls Brummschleifen bei der Aufnahme auftreten sollten.
Die Messwerte des m801 sind bis auf eine kleine Ausnahme überragend. Nicht nur das der Frequenzgang mit dem des über jeden Zweifel erhabenen HV-3C von Millennia (siehe Heft 06/06) vergleichbar ist, auch Geräusch- und Fremdspannungsabstand liegen bei sa-genhaften 90,3 dBu und 87,6 dBu. Das Übersprechen von Kanal eins auf Kanal zwei findet eigentlich nicht statt. Die Werte liegen deutlich unter -90 Dezibel. Die Messung des Phasengangs zwischen zwei Kanälen zeigt eine glatte Null-Linie: sie weichen nicht um den Bruchteil eines Grads voneinander ab. Die Messung bei aktivierter Phasenumkehr-Funktion ergibt exakt 180 Grad. Der Klirrfaktor liegt bei 0,004 Prozent sogar noch etwas unter dem des neutralen Lake People F355 (siehe Heft 08/06). Außerdem weisen alle acht Kanäle einen deckungsgleichen Kurvenverlauf auf. Das nennen wir Präzisionsarbeit. Die Herstellerangaben für die Eingangsempfindlichkeit, die PAD- oder Rib-bon-Funktion stimmen 100-prozentig mit den von uns ermittelten Messwerten überein. Gleiches gilt für die Pegelsteller. Sie liefern mit der Genauigkeit eines Messgerätes exakt die Werte, die vom Herstelelr versprochen werden. Bis zu diesem Punkt spiegelt sich die exzellen-te Konstruktion des m801 in den Messwerten wieder und korrespondiert mit dem optisch perfekten Gesamteindruck. Der einzige Schön-heitsfehler ist bei der Gleichtaktunterdrückung auszumachen. Hier steigen die Messwerte unterhalb von einem Kilohertz von -75 dBu auf -45 dBu bei 20 Hertz an.
Für den Praxis- und Hörtest kommt uns der große Bändchenmikrofon-Vergleichstest (siehe Seite 26) sehr gelegen und damit der m801 ausgiebig zum Einsatz. Zahlreiche Aufnahmen mit unterschiedlichen Mikrofonen – wir ziehen auch das neutrale Kleinmembranmikrofon MK 2 H/CMC 6ug von Schoeps (siehe Test, Heft 12/06) und das Großmembran Röhrenmikrofon MA-2 von Mojave Audio hinzu um einen umfassenden Eindruck zu bekommen – bringen uns den Klang und die Handhabung nahe. Zum Vergleich fertigen wir identische Aufnahmen mit dem Mikrofon-Vorverstärker F355 von Lake People (siehe Test, Heft 08/06) an. Als A/D-Wandler dient uns der Lynx Aurora 8, um über die PCI-Schnittstelle die Audiosignale in Cubase mit 96 Kilohertz und 24 Bit Wortbreite aufzuzeichnen.
Das Einpegeln mit dem m801 ist eine helle Freude. Obwohl nur eine LED Auskunft über den Pegel des anliegenden Eingangssignals gibt, ist die richtige Position der komfortable bedienbaren Eingangs-Regler schnell gefunden. Im Uhrzeigersinn – das Klicken des Reglers erinnert tatsächlich an ein Präzisionsuhrwerk – tasten wir uns an den optimalen Pegel heran, der erreicht ist, wenn die Peak-LED bei Pegelspitzen rot leuchtet.
Die 12 Dezibel Headroom geben uns ein sicheres Gefühl, dass die Aufnahme nicht übersteuert ist und auch in diesem Punkt enttäuscht uns der m801 nicht. Durch die Zusatz-Funktion für Bändchenmikrofone, brauchen wir uns über die in jeder Hinsicht sensible Gattung keine Gedanken zu machen. Beschädigung durch versehentlich anliegende Phantomspannung ist ausgeschlossen, solange der Ribbon-Tast-Schalter leuchtet. Außerdem ist die optimale Verstärkung der im Ausgangspegel sehr zurückhaltenden Sensibelchen durch die Anhebung des Ein-gangspegels zusätzlich gewährleistet. Kurz: die Bedienung ist sehr komfortabel und führt unkompliziert zu ausgezeichneten Ergebnissen, egal welche Art Mikrofon angeschlossen ist.
Klanglich weiß der m801 zu überzeugen. Er ist damit nicht nur eine Augenweide, sondern bereitet auch den nötigen Ohrenschmaus. Die Charakteristika der einzelnen Mikrofone sind aufgrund der feinen Auflösung und der exakten breitbandigen Verstärkung deutlich auszuma-chen. Das Klangbild ist ausgewogen und das Impulsverhalten bei dynamischen Passagen ausgezeichnet. Die aufgenommene klassische Gitarre klingt natürlich und nuanciert und die Abbildung des Originals gelingt in meisterhafter Perfektion. Die unteren Mitten, die durch die Bändchenmikrofone sehr weich und rund übertragen werden kommen sehr gut zur Geltung, wobei die minimalen Unterschiede der verschiedenen Mikrofone immer deutlich im Vordergrund stehen. Bei der Aufnahme mit dem Mojave Audio MA-2 kommen wir auch in den Genuss präsenter Höhen – die bei den Bändchenmikrofonen eher wenig gefeatured werden. Gerade die Atemgeräusche und das Schnarren der Saiten erscheinen sehr plastisch und natürlich. Von Färbung des Signals seitens des Vorverstärkers kann aber nicht die Rede sein und das Bild des linearen Frequenzganges lässt sich auf den neutralen Klang übertragen: es wird abgebildet, was über das jeweils verwendetet Mikrofon eingefangen wird und das kompromisslos mit allen Einzelheiten. Um ein möglichst unverfälschtes Vergleichssignal zu haben, bemühen wir das Kleinmembran-Mikrofon von Schoeps. Der F355 von Lake People und der m801 liefern beste Qualität. Unterschiede sind so gut wie nicht vorhanden, was für deren Neutralität spricht. Irgendwas ist dennoch anders und nach langem vergleichendem Hören, kommen wir zu dem Schluss, dass der F355 minimal lebendiger klingt, der m801 dafür durch souveräne Ausgeglichenheit glänzt. Sie liegen aber klanglich sehr nah bei einander und zeigen was durch ausgezeichnete Konstruktion machbar ist.
Fazit
Der m801 von Grace Design ist ein ausgezeichneter achtkanaliger Mikrofonvorverstärker, der nicht nur optisch und aufgrund seiner exzellenten Bedienbarkeit zu überzeugen weiß. Die perfektionistische Konstruktion bis ins letzte Detail zahlt sich aus und liefert klangliche Qualität, die sich in erster Linie durch Neutralität, extrem breitbandige Verstärkung und exakte Auflösung bemerkbar macht. Für rund 4700 Euro gibt es acht Mikrofon-Vorverstärker in einem edlen Gehäuse, die als langfristige Anschaffung gesehen ihren Preis wert sind.
Erschienen in Ausgabe 02/2007
Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 4824 €
Bewertung: sehr gut – überragend
Preis/Leistung: sehr gut
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