Frontkämpfer

Aus den USA kommt der Mikrofon-Vorverstärker MP-R20 von JDK AUDIO, der sich als Neuling an der vordersten Recording-Front bewähren möchte. Das Zeug dazu hat er. 

Von Harald Wittig 

Hierzulande ist der Name JDK AUDIO nur absoluten Szene-Insidern bekannt. Strenggenommen handelt es sich auch nicht um einen selbstständigen Hersteller, sondern um eine recht neue Marke eines allerdings bestens bekannten amerikanischen Herstellers: JDK AUDIO ist eine Marke des bereits seit Ende der 1960er-Jahre aktiven amerikanischen Pro-Audio-Herstellers Automated Processes Inc., besser bekannt unter dem Kürzel API.

API-Produkte, namentlich die großen Broadcast-Konsolen und das als Quasi-Standard geltende eigene Rack-System sind nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern längst weltweit etabliert und von professionellen Tonschaffenden hochgeschätzt. Nach Aussage von API finden sich heute über 700 Konsolen weltweit im Einsatz, teilweise handelt es sich dabei sogar um vergleichsweise alte Systeme, die – vermutlich ist das auch der Grund für den Erfolg des Herstellers – nach wie vor zuverlässig ihren Dienst versehen. 
Wie so oft bei etablierten Herstellern, die ihrer Arbeit mit ungebrochenem Enthusiasmus nachgehen, sind die Kreativ-Köpfe bei API nimmermüde Geister, die regelmäßig neue Geräte erdenken. Seit einigen Jahren ginge die API-Ingenieure mit Ideen und Entwürfen für neue Hardware-Geräte schwanger, die allerdings nicht ins bestehende API-Programm passten. Anstatt die Entwürfe einfach in die Schublade zu legen und dort möglicherweise zu vergessen, entschied sich der harte Kern um API-Präsident Larry Droppa zur Gründung einer neuen Marke, um den grundsätzlich für sehr gut befundenen Entwürfen eine Gestalt zu geben und bereits vorhandene Prototypen in Serie herzustellen. So wurde JDK AUDIO aus der Taufe gehoben. Seit 2009 gibt es in den USA eine kleine,  aber – zumindest nach den wenigen veröffentlichten Testberichten und Anwender-Aussagen – feine Auswahl von analogen Geräten, die allesamt von API entwickelt sind und selbstverständlich „Made in USA“ sind.
Hierzulande steht der Durchbruch noch bevor, wobei auch die etwas unklare Vertriebsstruktur hinderlich ist. Auf der JDK AUDIO-Website wird der Hamburger Pro-Audio-Vertrieb Digital Audio Service als offizieller deutscher Vertrieb genannt, was die Hamburger auf unsere Nachfrage allerdings dementieren mussten. Dank des Hinweises eines Lesers, der uns übrigens erst auf JDK AUDIO, genauer auf unseren Testkandidaten, den zweikanaligen Mikrofon-Vorverstärker MP-R20 aufmerksam machte, wurden wir beim Musikhaus Thomann fündig. Thomann importiert den MP-R20 direkt aus den USA und hat ihn auf Lager. Unser Testgerät kam bereits nach zwei Tagen niegelnagelneu und bestens verpackt in der Redaktion an. Thomann bietet den MP-R20 für rund 900 Euro an, was angesichts der Herkunft und des – wie wir sogleich sehen werden – hohen Verarbeitungs-Standards des US-Amerikaners als günstig zu werten ist. 
Der MP-R20 ist Teil der mit vier Geräten sehr überschaubaren Produktpalette von JDK AUDIO. Wie die beiden Equalizer R24 und V14 – der ein Einschubmodul für den bekannten API 500er-Rackrahmen darstellt – und der zweikanalige Kompressor R22 auch ist die Frontplatte in der markanten Schmuckfarbe olivgrün gehalten. Über Geschmack lässt sich trefflich streiten, uns zumindest gefällt dieser Military-Look weniger. Sehen wir es positiv und erkennen in dieser eigenwilligen Lackierung einen subtilen Hinweis auf die Robustheit und Langzeitstabilität der JDK-Geräte. Sie wissen schon: Die vertrauensstiftende Beschreibung „military grade“, die auch im friedlichen Audio-Bereich die überlegene Qualität von Elektronik  bezeichnet, soll womöglich beim Betrachter unterschwellig mitschwingen. Robust gebaut ist der zwei Höheneinheiten große Zweikanaler allerdings tatsächlich: Die dicke Frontplatte aus massivem Aluminium dürfte auch manchen Schlag unbeschadet wegstecken, die Kippschalter zur Aktivierung der einzelnen Funktionen sind ebenfalls grundsolide, so dass sie auch eine rüde Behandlung ohne Funktionseinbußen überstehen werden. Somit erweckt der MP-R20 durchaus den Eindruck, für ein langes Studioleben gebaut zu sein. In Anbetracht der allseits gerühmten Zuverlässigkeit der API-Geräte scheint hier die Firmenphilosophie durchzuscheinen.

Obwohl von den API-Ingenieuren entwickelt, unterscheidet sich der MP-R20 in puncto Klangdesign von den API-Geräten. Speziell die Vorverstärker gelten trotz ihrer Rauscharmut als besonders druck- und charaktervoll. Anders ausgedrückt: Der API-Sound steht in bester, durchaus eigener Vintage-Tradition, dabei weisen die Geräte sehr niedrige Störgeräusche auf, wie auch andere Herstellers setzen die Entwickler auf diskret aufgebaute Class A-Schaltungen. Diese Design- und Klangphilosophie finden wir indes beim MP-R20 nicht. Herzstück des Zweikanalers sind die mit integrierten Schaltkreisen aufgebauten 1512-Preamps des amerikanischen Herstellers THAT Corp., die laut JDK AUDIO/API aber mit vergleichbaren klanglichen Leistungen wie die diskreten Kollegen des Verstärker-Spezialisten aufwarten sollen. Konkret soll der Anwender des MP-R20 einen sehr sauberen, das heißt äußerst verzerrungsarmen und sehr neutralen Klang erwarten dürfen. Folglich täuscht die Vintage-Optik des Vorverstärkers mit seinen beiden traditionellen VU-Metern über die eigentliche Konzeption des Gerätes hinweg. Ob der MP-R20 tatsächlich in die Kategorie der „klanglosen“, ultraneutralen Vorverstärker, gerne auch salopp als „Draht mit Verstärkung“ bezeichnet, werden wir im Praxistest klären. Dass im JDK AUDIO-Preamp nicht gleich die neueren diskreten THAT-Preamps wie beispielsweise in Dave Hills Europa 1 (siehe den Test in Ausgabe 5/2011) zum Einsatz kommen, erklärt sich aller Wahrscheinlichkeit aus Gründen der Kostenersparnis. Denn alle JDK AUDIO-Geräte sollen nach dem Konzept der Entwickler eben auch für eine Vielzahl von potentiellen Anwendern erschwinglich sein.
Der MP-R20 hat zwei identisch aufgebaute Kanäle, die ihrerseits vollkommen unabhängig sind. Es handelt sich also streng genommen um einen Doppel-Monoverstärker, die beiden Kanäle teilen sich lediglich ein und dasselbe Netzteil. Beide Blöcke verfügen über einen rückwärtigen XLR-Mikrofon-Eingang und einen hochohmigen Klinken-Eingang auf der Front. Es lassen sich also auch zwei passive E-Gitarren oder E-Bässe direkt, ohne dass eine DI-Box vonnöten wäre, anschließen. Jeder Kanal verfügt über zwei symmetrische Ausgänge – XLR und Klinke -, die parallel verdrahtet sind: Das Audio-Signal liegt stets an beiden Ausgängen an. Das ist sehr praktisch, denn auf diese Weise lässt sich das Instrumenten- beziehungsweise Mikrofon-Signal sowohl an einen Analog-Digital-Wandler und die DAW-Anwendung, als auch an ein weiteres Hardwaregerät – beispielsweise an einen Kopfhörer-Verstärker fürs latenzfreie Einspielen/Einsingen oder einen Signalprozessor, namentlich einen Kompressor oder Hardware-Equalizer zur Dynamik- beziehungsweise Klangformung – leiten.
Auch die sonstige Ausstattung ist praxisgerecht und damit anwenderfreundlich: Es gibt selbstverständlich für jeden Kanal einen Schalter zur Aktivierung der 48-Volt-Phantomspannung, einen Vordämpfungs-/PAD-Schalter, der ausweislich unserer Messungen bei aktivem Mikrofon-Anschluss um exakt 10,7 Dezibel – laut Handbuch sind es 10 Dezibel -, bei aktivem Instrumenteneingang um 19,8 Dezibel dämpft sowie der bei Mehrkanalern obligatorische Phasenumkehr-Schalter.
Als Aussteuerungs-Instrument dienen zwei hinterleuchtete, speziell für den MP-R20 angefertigte VU-Meter, die sehr schnell ansprechen und erfreulich präzise arbeiten. Zusätzlich hilft die PEAK-LED oberhalb der beiden Lautstärke-Regler mit ihren Knöpfen in Vintage-Optik: Wenn diese Anzeige aufleuchtet, verbleibt ein Headroom von 4 dBu und damit noch genügend Sicherheit vor dem Übersteuern nachgeschalteter Geräte. Zumindest bedeutet das vereinzelte, kurzzeitige Aufleuchten bei Signalspitzen noch keine Gefahr. Dennoch ist der Anwender, gerade im Verbund mit nachgeschalteten Wandlern oder Audio-Interfaces auf der sicheren Seite, wenn die PEAK-LED nie aufleuchtet.

Kommen wir zu den im Professional audio-Messlabor ermittelten Messwerten: Diese sind überwiegend sehr gut bis ausgezeichnet und bestätigen, dass der Hersteller bei Entwicklung und Fertigung keine Kompromisse eingehen wollte. Mit Geräusch- und Fremdspannungsabständen von jeweils 91,4 und 88,9 Dezibel für die Mikrofon- und 91,0 und 88,3 Dezibel für die Instrumenten-Eingänge weist der MP-R20 sehr geringe Störgeräusche auf. Auch die beiden FFT-Spektren, die auf Seite 21 abgedruckt sind, illustrieren, dass der Preamp ein Saubermann ist: Der Noisefloor bleibt unter der -90 Dezibel-Marke, was ein sehr guter, wenngleich nicht überragender Wert ist. Allerdings sind Unterschiede zu anderen Preamps, beispielsweise unserem bewährten Referenz-Vorverstärker, dem Lake People Mic-Amp F355, dessen Noisefloor standhaft unter -100 Dezibel bleibt, eher von akademischem Interesse. Zumal auch der Gesamtklirrfaktor mit hervorragenden 0,003 Prozent für den Mikrofon- und 0,007 Prozent für den Instrumenten-Eingang jeweils exzellent ist. Dank der getrennten Kanäle ist Übersprechen kein Thema und auch die Gleichtaktunterdrückung ist insgesamt sehr gut: Die Messkurve weist die typische Wannencharakteristik auf, wäre nicht die Kanaldifferenz zwischen dem ersten und dem zweiten Kanal, entspräche das Messergebnis dem des Lake People. 
Einen kleinen Schnitzer finden wir aber doch: Die Potis krachen bei Rechtsanschlag, was gar nicht zum ansonsten sehr guten Erscheinungsbild des Vorverstärkers passt. Ob es sich dabei um einen Individualfehler handelt oder ob der Hersteller bei den Potis einfach gespart hat, können wir nicht entscheiden. Außerdem – dabei handelt es sich aber um keinen echten Makel – wünschen wir uns einen höheren Empfindlichkeitsbereich der Vorverstärker: Eine Eingangsempfindlichkeit von -50,8 Dezibel ist heutzutage, wo passive Bändchen-Mikrofone auch mal zur Mikrofonierung von leisen Saiteninstrumenten Verwendung finden, doch etwas schwachbrüstig. Fairerweise ist JDK AUDIO zugute zu halten, dass das Handbuch vor dem Einsatz von dynamischen und passiven Bändchenmikrofonen am MP-R20 für solche Anwendungen indirekt abrät. Dann tun wir das auch – ein Selbstausprobieren bleibt jedem selbstverständlich unbenommen – und empfehlen bei der Mikrofonierung von Instrumenten wie einer Konzertgitarre mit diesem Vorverstärker höherempfindlichere Kondensator-Mikrofone.
Womit wir bei der Praxis angelangt sind. Wir erstellen unter Logic Studio 9 mit dem MP-R20 eine Aufnahme mit einer Ricardo Sanchis Carpio 2AF-Flamencogitarre, als Mikrofon verwenden wir das in dieser Ausgabe auf Seite 28 besprochene Audio-Technica AT2031. Als Analog-Digital-Wandler und damit gleichzeitig als Audio-Interface dient uns der Mytek Digital 8×192 ADDA. Zum Vergleich wiederholen wir die Gitarrenaufnahme mit derselben Ausrüstung, diesmal dient aber der Lake People Mic-Amp F355 als Vorverstärker. Der MP-R20 beweist schon beim ersten Anhören der Aufnahme, dass er zur Gattung der neutralen Preamps gehört. Den gewissen Punch, verbunden mit einer feinen, aber hörbaren Andickung in den unteren Mitten, wie sie zumindest älteren API-Preamps zueigen ist, hören wir beim JDK AUDIO nicht. Die Eigenschaften des Mikrofons, das grundsätzlich einen ausgewogen klaren, tendenziell frischen Gitarrenklang liefert, verfälscht der MP-R20 nicht. Tatsächlich kommt er dem vorbildlich neutralen, im Grunde praktisch unauffälligen Lake People sehr nahe – und das will was heißen. Beim oberflächlichen Vergleichshören gibt es keine oder besser keine konkret benennbaren Unterschiede zwischen den Aufnahmen. Das wollen wir ganz genau wissen und hören uns die Takes noch einmal konzentriert einzeln und dann im direkten Vergleich an: Dabei kristallisieren sich schließlich feine Unterschiede heraus, die vielleicht nicht offenbar ohrenfällig sind, aber für manchen Anwender sicher entscheidend sind. Der Lake People liefert ein insgesamt noch feineres, noch detailreicheres Klangbild mit höherer Kantenschärfe und feineren Farbschattierungen. Damit gewinnt die schlichte Mono-Aufnahme an Plastizität und wirkt griffiger. Außerdem wirkt die Lake People-Aufnahme insgesamt noch ausgewogener, vor allem bei den Bässen. Der JDK AUDIO klingt tendenziell ein Quäntchen heller und schlanker, was angesichts der Nüchternheit unseres Referenzverstärkers, der dem metaphorischen „Draht mit Verstärkung“ sehr nahe kommt, umso bemerkenswerter ist. Nicht, dass der MP-R20  gegenüber dem Lake People deutlich abfiele oder auch nur ansatzweise mittelmäßige Ergebnisse liefern würde. Dieser Preamp ist ein Gerät für den Puristen, der Klangfarben allein bei Mikrofonen schätzt. Es geht noch besser – auch wenn dieser subtile Mehrgewinn an Klang mit dem doppelten Preis zu Buche schlägt. In einem nicht unwesentlichen Punkt schlägt der Amerikaner sogar den Konstanzer: Als Preamp für traditionelle E-Gitarren wie Fender Strat oder Gibson Les Paul ist der MP-R20 mit seinem richtig klasse klingenden HiZ-Eingang dem Mic-Amp F355 überlegen, denn in dessen Falle steht und fällt der Stromgitarren-Wohlklang von der notwendigen DI-Box. Beim MP-R20 gilt Plug and Play – und es klingt klar, rund und angenehm gut für Gitarristenohren.

Fazit

Der JDK AUDIO MP-R20 bewährt sich an vorderster Recording-Front. Als grundsätzlich neutral abgestimmter Mikrofon-Vorverstärker dient er dem Mikrofon-Signal und verfälscht nicht, außerdem klingt er richtig gut mit passiven E-Gitarren traditioneller Bauart. Es geht klanglich zwar noch besser, allerdings kostet dieses Klang-Plus schon mal locker das Doppelte.

Erschienen in Ausgabe 07/2011

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 990 €
Bewertung: gut
Preis/Leistung: sehr gut