Farbige Duos
Auf den ersten Blick könnten die sechs Testkandidaten kaum unterschiedlicher sein. Dennoch haben sie weit mehr gemein, als ihr Äußeres vermuten lässt.
Von Harald Wittig
Kann ein Testfeld willkürlicher und heterogener gemischt sein? Auf den ersten Blick wohl kaum. Aber: Es gibt Gemeinsamkeiten, die förmlich nach Vergleichspaarbildungen rufen. So ähnelt das Røde M 3 in Statur und Bauweise dem altbewährten C 1000SMKII von AKG verblüffend – Eingeweihte sprechen sogar von zweieiigen Zwillingen. Die beiden Vertreter der Bändchen-Riege, das Peluso TR 14 und das GA R 1 Active orientieren sich ihrerseits an großen Vorbildern, denn beim Klangdesign standen die Bändchenlegenden RCA 44 und 77 Pate. Das Großmembranmikrofon Amethyst Vintage und das optisch an die berühmte Neumann-Flasche erinnernde Röhren-Mikrofon Flamingo Standard der lettischen Mikrofonmanufaktur Violet Design bilden auch ein interessantes Duo, haben sie doch neben der gemeinsamen Herkunft auch konstruktive Gemeinsamkeiten, die ihre Verwandtschaft belegen.
ZWEIEIIGE ZWILLINGE
Das AKG C 1000SMKII gehört zu den „Brot und Butter“-Mikrofonen des österreichischen Mikrofonspezialisten und hat in aller Welt, vor allem aber in den USA, eine eingeschworene Fangemeinde. Aus gutem Grund, denn es gilt als kostengünstiger, äußerst anpassungsfähiger Allrounder und empfiehlt sich für Studio, Bühne und mobilen Einsatz gleichermaßen. Das vergleichsweise junge M 3 von Røde lehnt sich an Abmessungen und Gehäusedesign des AKG an und ist wie der Österreicher ein Back-Elektret-Mikrofon, kostet aber mit einem Verkaufspreis von rund 140 Euro fast 70 Euro weniger als das C 1000SMKII, das für etwa 210 Euro angeboten wird. Da merken Preisbewusste sofort auf: Sollte das M 3 am Ende – sofern die klanglichen Leistungen im grünen Bereich sind – gar das ultimative Schnäppchen sein? Wir werden sehen.
Sowohl das AKG als auch das Røde sind moderne Elektret-Mikrofone, bei denen die Gegenelektrode mit dem Elektret-Material beschichtet ist. Daher ist auch die Bezeichnung Back-Elektret-Mikrofon für solcherart konstruierte Mikrofone geläufig: Der Name ist von der englischen Bezeichnung für die Gegenelektrode „back plate“ abgeleitet. Gerade Back-Elektret-Mikrofone von AKG – neben dem Testkandidaten seien noch C 2000, C 3000 und C 4000 genannt – genießen einen sehr guten Ruf und kommen häufig im Studio zum Einsatz. Dank der wesentlich geringeren Wetterfühligkeit von Elektret-Mikrofonen, ist ihre traditionelle Domäne der Außeneinsatz namentlich Beschallung und Reportage. Hierfür sind beide Testkandidaten gut präpariert, denn die Vollmetallgehäuse und die stählernen Schutzkörbe aus Stahl machen einen robusten Eindruck. Das AKG wirkt ein wenig wertiger, das Røde ist ihm aber in Punkto Stabilität und Verarbeitungsgüte dicht auf den Fersen. Beide Mikrofone lassen sich mit jeder externen Phantomspannung von neun bis 52 Volt betreiben und – was gerade Mobilisten im Allgemeinen und rasende Reporter im Besonderen zu schätzen wissen – auch mit Batteriespeisung betreiben. An die Batteriefächer gelangt der Benutzer durch Aufschrauben der Gehäuse, was dank der gut geschnittenen Schraubgewinde spielend einfach gelingt. Einmal aufgeschraubt, offenbaren sich dann aber einige wesentliche Unterschiede zwischen den äußerlich so ähnlichen Schallwandlern. Beim AKG ist das komplette Gehäuseoberteil mitsamt dem Schutzkorb abnehmbar, so dass die elastisch gelagerte Kleinmembran-Kapsel freiliegt. Muss sie auch, denn AKG liefert zwei unscheinbare Kunststoffadapter mit, die einmal auf die Kapsel aufgesetzt, nicht zu unterschätzende Auswirkungen haben sollen. Bei dem Adapter PPC 1000 – PPC steht für Polar Pattern Converter – handelt es sich um einen sogenannten Laufzeitadapter: Hiermit ändert sich die Richtcharakteristik von Niere zur Hyperniere.
Der kleinere PB 1000-Adapter – das PB steht für Presence Boost – bewirke eine Höhenanhebung im Bereich von fünf bis neun Kilohertz. Damit soll sich die Sprachverständlichkeit verbessern, außerdem erklängen Instrumente brillanter. Derlei bietet Røde für sein M 3 nicht. Dafür hat das M 3 ein Schalterchen zur Vordämpfung, das im Gehäuseinneren, oberhalb des Batteriefachs versteckt ist und einen Hochpassfilter, der mit seiner praxisgerechten Einsatzfrequenz von 80 Hertz Trittschall eliminieren soll. Die Aktivierung des Filters erfolgt über den schwarzen Schiebeschalter am Mikrofonschaft, wenn der Schalter ganz nach oben, Richtung Kapsel geschoben ist. In Mittelstellung ist das Filter deaktiviert, während die dritte, untere Stellung das Mikrofon beziehungsweise die Batterie abschaltet. Im Studio, wo in der Regel externe Phantomspannung anliegt, kann diese Schalterstellung schon mal für Verwirrung sorgen, denn das M 3 gibt dann keinen Mucks von sich. Auch im Livebetrieb gehören Mikrofone, die ein experimentierfreudiger Sänger nach Lust und Laune an- und ausknipsen kann, nicht gerade zu den Lieblingen des Saalmischers. Auch das C 1000SMKII muss eingeschaltet sein, der hierfür zuständige Schalter sitzt im Gehäuseunterteil und ist beschriftet. Ansonsten dient er lediglich zum Testen der Batterie-Ladung, auf die weitergehenden Funktionen des M 3-Schalters verzichtet AKG. Beide Mikrofone haben noch eine Batterie-Status-LED – übrigens eine der letzten Neuerungen, die AKG seinem C 1000 spendierte – das war´s dann schon.
Das C 1000SMKII und das M 3 werden im Schutzkoffer geliefert, der mit Schaumstoff ausgeschlagene Alu-Koffer des AKG ist eindeutig hochwertiger als der Kunststoffkoffer des Røde, dessen hakelige Schiebeverschlüsse ein rasches und sicheres Zur-Ruhe-Betten des Mikrofons eher ausschließen. Dafür sind die mitgelieferten Stativklemmen von vergleichbar guter Qualität, der Windschutz aus Schaumstoff des Røde kann sogar besser als der des AKG gefallen, der schon im Neuzustand die Neigung hat, sich zu verformen und immer dann abfallen dürfte, wenn er benötigt wird.Der Frequenzgang des AKG in Nierencharakteristik weist einen steten Abfall ab 200 Hertz bis in den Bassbereich auf. Bei 50 Hertz sind es immerhin etwa neun Dezibel weniger Pegel als bei einem Kilohertz. Am anderen Ende des Frequenzspektrums fällt der kontinuierliche Anstieg beginnend bei drei Kilohertz auf, der im Gipfel zwischen acht und neun Kilohertz etwas mehr als 14 Dezibel beträgt. Mit aufgesetztem PB 1000-Adapter weist der Frequenzgang einen vergleichbaren Abfall ab den unteren Mitten bis zum Bass auf, dafür unterschiedet sich der Höhenanstieg: Jetzt erfolgt er erst bei etwa sechs Kilohertz, dafür steiler, im Gipfel gibt es indes keine Unterschiede zur zuvor beschriebenen Messung. Wesentlich unauffälliger ist demgegenüber der Frequenzgang des Røde: Auch hier ermittelt das Messlabor einen Abfall ab 200 Hertz, allerdings geht die Kurve mit maximal fünf Dezibel im Bassbereich bei weitem nicht so deutlich in den Keller wie beim AKG. Auch beim M 3 ist ein Höhenanstieg erkennbar, der knapp unterhalb sechs Kilohertz beginnt, im Gipfel jedoch nur etwa sechs Dezibel beträgt.Die Empfindlichkeit beider Mikrofone ist – ein Tribut an die Konstruktion – vergleichsweise gering. Beim AKG sind es im Mittel etwa sieben mV/PA, wobei es darauf ankommt, welcher der beiden Adapter aufgesetzt ist. Beim Røde sind es 7,2 mV/PA. Somit verlangen beide Mikrofone nach einem leistungsstarken Vorverstärker, der seinerseits eine Eingangsempfindlichkeit von wenigstens -60 dBu bei einem Geräuschspannungsabstand von mindestens -70 Dezibel aufweisen sollte, um störendes Rauschen auf der Aufnahme auszuschließen.Klanglich ähneln sich die Mikrofone, Unterschiede kristallisieren sich dennoch nach kurzer Zeit heraus: Das AKG klingt sehr viel ausgewogener, als die Frequenzgänge vermuten lassen, wenngleich sein Klang bei ordentlicher bis guter Auflösung unbestritten präsent, leicht nasal ist. Die Auflösung des Røde ist annähernd auf der Höhe des AKG, allerdings klingt es hörbar kerniger, also noch etwas präsenter als das österreichische Mikrofon. Zu mittleren und tiefen Stimmen passen beide Mikrofone recht gut, Gesangslinien bekommen eine gewisse Luftigkeit und setzen sich im Bandkontext gut durch. Für Holzbläser wie beispielsweise Querflöte gefällt das AKG etwas besser, mit dem M 3 klingt auch eine klassisch gespielte Flöte eine Spur zu perkussiv. Für Nylonsaiten-Gitarren erhält das C 1000SMKII den Zuschlag, wobei sich auch das M 3 hier ganz gut macht. Bei beiden Mikrofonen ist erfreulicherweise der Nahbesprechungseffekt nicht zu stark ausgeprägt, so dass eine Nahmikrofonierung im Abstand von zehn bis zwanzig Zentimetern gute Ergebnisse bringt. Für Stahlsaiten-Gitarren mit Powerbass ist das AKG mit augesetztem PB 1000 eine richtig gute Wahl. Es hält jedenfalls im Test die mächtigen Bässe der Lakewood D-18 im Zaum und sorgt für einen klaren, ausgewogenen Ton, der lediglich eine klein bisschen nasal klingt – hier lohnt es sich aber, mit unterschiedlichen Positionierungen zu experimentieren. Das C 1000SMKII empfiehlt sich auch als Overhead-Mikrofon für die Schlagzeugaufnahme, ein Anwendungsbereich, für das sich das M 3 ebenfalls eignet. Rauschen ist sowohl beim Røde als auch beim AKG kein Thema und beiden Mikrofonen ist schließlich auch eine gute interne Dämpfung zu bescheinigen: Auch wenn dies beim AKG insgesamt besser gelöst ist, dämpfen beide Mikrofone Griffgeräusche wirkungsvoll.
Fazit
Obwohl weder das AKG C 1000SMKII noch das Røde M 3 echte Spitzenmikrofone sind, leisten beide in verschiedenen Anwendungsbereichen beachtliches. Das AKG klingt insgesamt feiner und verdient sich die bessere Gesamtnote. Es macht sich gut als Gesangs-, Overhead- und Abnahmemikrofon für Stahlsaitengitarren. Das M 3 steht aber nicht weit zurück, kann mit Gewinn in denselben Bereichen eingesetzt werden und weist unterm Strich das bessere Preisleistungsverhältnis auf.
RÖHRIGE WEICHZEICHNER
Wer Bändchenmikrofon sagt, denkt an einen eigentümlich vollen und weichen Klang, der wieder sehr gefragt ist. Seit dem ersten großen Bändchenmikrofontest in Ausgabe 2/2007 testet Professional audio Magazin immer wieder aktuelle Vertreter dieser inzwischen voll rehabilitierten und wieder populären Mikrofongattung. Das Bändchenpaar für diese Ausgabe, das GA Project R 1 Active und das Peluso TR 14 eint, dass beide Mikrofone nach dem Willen ihrer Schöpfer den Sound der Bändchenlegenden RCA 44 und RCA 77 für jedermann verfügbar machen sollen. Gleichzeitig wollen sie dank fortschrittlicher Technik manche Bändchentypischen Nachteile vergessen machen. Denn beide sind aktive Bändchenmikrofone, verfügen also über einen eingebauten Vorverstärker, was zunächst in einer höheren Empfindlichkeit als beim klassischen Bändchen resultiert. Das ist per se heutzutage nichts Besonderes mehr, aus dem Rahmen fällt allerdings, dass bei beiden Mikrofonen eine Röhre für die Vorverstärkung sorgt. Da wird der Kenner sofort hellhörig, denn er denkt natürlich an Richard Royers vorzügliches Röhren-Bändchen R-122V (Test in Ausgabe 5/2007), dessen klangliche Qualitäten mit einem Preis von fast 3.000 Euro aber teuer zu bezahlen sind. Das Peluso kostet mit rund 1.500 Euro gerade mal halb so viel wie das Royer, das Mikrofon des schwedischen Herstellers Golden Age Project ist noch günstiger und bereits zum Schnäppchenpreis für knapp 300 Euro zu haben – die komplette Fertigung in China macht ´s möglich. Da fragt es sich schon, was diese beiden vergleichsweise erschwinglichen Röhren-Bändchen so drauf haben und ob sie gar eine ernstzunehmende Alternative zum Royer R-122V darstellen.
Das Peluso TR 14 stellt die Röhrenvariante von John Pelusos beliebtem R 14 (Test in Ausgabe 2/2007) dar: Es gleicht dem passiven R 14 folgerichtig äußerlich aufs Haar. Auch wenn Peluso sich beim Klangdesign am altehrwürdigen Vorbild RCA 44 orientierte, so ist die schlanke Form des R 14 und damit auch des TR 14 wesentlich gefälliger als das klobige Original. Mit einem Gewicht von etwa 500 Gramm ist es zudem verhältnismäßig leichtgewichtig – ganz anders als der schwedisch-chinesische Mitbewerber, der optisch eindeutig an das RCA 77 angelehnt ist und mit einem Kampfgewicht von gut einem Kilo kräftig am Stativ zerrt. Wie das RCA 77 auch, dient der Stahlring, der mittels zweier Rändelschrauben an dem Ring unterhalb des Schutzkorbes befestigt ist, der Stativmontage und fungiert gleichzeitig als Schockabsorber. Zum TR 14 liefert Peluso eine Spinne aus Messing mit, die das Mikrofon mit seinem einfachen, aber effektiven Federmechanismus sicher hält. So unterschiedlich die Schockabsorber-Konstruktionen der beiden Mikrofone auch sind, in der Praxis überzeugen beide – sofern dem Anwender stets bewusst ist, dass gerade Bändchenmikrofone äußerst empfindlich auf Trittschall und Vibrationen reagieren. Erhöhte Disziplin des Musikers gehört bei der Arbeit mit diesem Mikrofontyp eben dazu. Spielen und Singen mit vollem Körpereinsatz mögen diese Sensibelchen nun mal nicht.
Herzstück beider Mikrofone ist natürlich das Aluminium-Bändchen in der Kapsel, jeweils 2 Mikron – ein Mikron ist ein Tausendstel Millimeter – dünn und wie es sich gehört aus reinem Aluminium. Eingespannt sind die Alu-Bändchen zwischen Permanent-Magneten, beim Peluso sind diese aus Neodymium, über das Magnet-Material beim R 1 Tube Active schweigen sich der Hersteller vornehm aus. Die Vorverstärkung besorgen bei den Testkandidaten glimmende Glaskolben, beim Peluso kommt eine handselektierte EF 732 HF, also eine Pentode zum Einsatz, beim Golden Age Project ist es eine Doppeltriode des Typs 12AX7, die am häufigsten als Vorstufenröhre in Gitarrenverstärkern Verwendung findet. Die Miniaturröhre EF 732 HF ist grundsätzlich eine gute Wahl, zeichnet sie sich doch durch eine beträchtliche Verstärkung bei gleichzeitiger Rauscharmut aus. Interessanterweise setzt auch Richard Royer bei seinem R-122V auf den Röhrenwinzling. Die 12AX7 ist weniger häufig in Röhren-Mikrofonen zu finden, AKG beispielsweise verwendet diesen Typ jedoch für sein Röhren-Großmembranmikrofon Solid Tube. Grundsätzlich ist auch die 12AX7 – beziehungsweise das europäische Pendant, die ECC83 – hoch verstärkend und rauscharm. Wobei auch hier der Klang stark vom Hersteller abhängt und von warm und seidig bis hart und analytisch reichen kann.
Als Röhren-Mikrofone benötigen beide Mikrofone einen Übertrager an der Ausgangsstufe. Die Netzgeräte gehören natürlich zur Ausstattung und sind speziell auf die Mikrofone abgestimmt, die mitgelieferten Anschlusskabel sorgen für die passgenaue Verbindung. Das textilummantelte Kabel des Peluso gibt sich hübsch vintagemäßig, erfreut allerdings den Praktiker weniger, da sich das Kabel wegen seiner Steifheit unbequem aufwickeln lässt. Da gefällt das zehn Meter lange Kabel des Konkurrenten besser. Da Bändchenmikrofone zu den mechanisch empfindlichsten Mikrofontypen überhaupt gehören, ist es erfreulich, dass John Peluso sein TR 14 mit einem maßgeschneiderten Holzetui ausliefert, worin es nach Gebrauch sichere Aufbewahrung findet. Für das R 1 Tube Active gibt es neben dem Aufbewahrungskoffer als Zusatzschutz von Golden Age Project nur noch einen Stoffbeutel, die so genannte Mikrofon-Socke. Auch erreicht das R 1 Tube Active bei weitem nicht die Verarbeitungsgüte des Peluso, das allein schon mit seinem seidenmatten Metallgehäuse glänzt: Die Verarbeitung des R 1 Tube Active wirkt hausbacken-schlichter, ist aber unterm Strich zufriedenstellend.
Obwohl es sich um aktive Bändchenmikrofone handelt, sind die im Messlabor von Professional audio Magazin ermittelten Empfindlichkeiten nicht gerade als sensationell zu bezeichnen: Das R 1 Tube Active bringt es gerade mal auf 5,2 mV/PA, das TR 15 ist mit 5,7 mV/PA kaum lauter. Der Vorverstärker sollte also schon über eine gewisse Power, sprich Verstärkung, und einen überdurchschnittlichen Geräuschpegelabstand verfügen. Apropos Geräuschpegelabstand: Weder das Peluso noch das Golden Age Project erweisen sich mit Messwerten von 68,2 Dezibel beziehungsweise 67,6 Dezibel insoweit als vorbildlich, vor allem das schwedisch-chinesische Mikrofon rauscht hörbar. Ob dieses Eigenrauschen noch tolerabel ist, zeigt sich im abschließenden Praxistest.
Der Frequenzgang des TR 14 weist – typisch für ein Bändchenmikrofon – einen charakteristischen Höhenabfall oberhalb fünf Kilohertz auf. Zwischen 200 Hertz und drei Kilohertz verläuft die Kurve recht gleichmäßig, die Abweichungen betragen in diesem Bereich gerade mal zwei Dezibel. Auffällig ist der Anstieg unterhalb 200 Hertz der ab 100 Hertz bis hinunter in den Bassbereich immerhin vier Dezibel beträgt und sich durchaus hörbar auswirken kann. Beim R 1 Tube Active hingegen fällt die Kurve unterhalb 150 Hertz hingegen gleichmäßig, aber deutlich ab. Auch erfolgt bei diesem Mikrofon die Höhenabsenkung schon früher, nämlich bereits knapp über drei Kilohertz, ansonsten ist der Frequenzgang im Bereich von 200 Hertz bis drei Kilohertz dem des Peluso sehr ähnlich.Beide Mikrofone liefern einen klassischen Bändchensound, der geprägt ist von der sprichwörtlichen Wärme dieses Mikrofontyps, die angenehm ins Ohr geht und gerade Stimmen ein Timbre gibt, das den Ohren schmeichelt. „Siruphaft“ nennen es die Amerikaner und beschreiben es damit angemessen. Die Auflösung ist bei beiden Mikrofonen gut, wobei das Peluso bei der Feindarstellung eindeutig die Nase vorne hat. Beim Impulsverhalten, eine der traditionellen Domänen von Bändchenmikrofonen, sind beide auf vergleichbarem Niveau: Sowohl das schwedisch-chinesische als auch das amerikanische Mikrofon haben keinerlei Mühe, Transienten, wie hart angeschlagene Flageoletts, auf der Jazzgitarre sauber und ohne hörbares, klangverfälschendes Nachschwingen abzubilden. Vorsicht ist allerdings bei Nahmikrofonierung geboten: Vor allem beim R 1 Tube Active ist der Nahbesprechungseffekt sehr stark ausgeprägt. So stark, dass auch die gar nicht besonders bassstarke Flamenco-Gitarre mit einem Male viel dunkler und tiefer klingt – auf Kosten von oberen Mitten und Höhen. Das Peluso ist hier deutlich zurückhaltender, doch auch dieses Mikrofon eignet sich weniger für Nahmikrofonierung ohne zugeschaltetes Hochpassfilter. Wegen der recht geringen Empfindlichkeit beider Mikrofone, ist es auch nicht damit getan, den Abstand Schallquelle/Mikrofon einfach zu vergrößern. Für einen praktikablen Pegel muss der Referenz-Vorverstärker, der Mic-Amp F355 von Lake People bis zum Anschlag aufgedreht werden, was jedenfalls beim Golden Age Project problematisch ist: Denn jetzt ist das Eigenrauschen des Mikrofons unüberhörbar, was gerade bei solistischen Instrumentalaufnahmen unangenehm stört. Hier sollte der Hersteller nachbessern. Das Peluso ist zwar auch nicht völlig rauscharm, sein Eigenrauschen bleibt aber noch in tolerablen Grenzen und fällt erst beim Abhören mit Kopfhörer auf. Unterm Strich übertrumpft es deswegen und wegen der besseren Auflösung sowie dem geringeren Nahbesprechungseffekt das sehr kostengünstige Mitbewerber-Mikrofon. Es fragt sich zum Schluss noch, ob das TR 14 am Ende gar eine kostengünstige Alternative zum Royer R-122V sei? Die Frage ist zu verneinen – nicht weil das TR 14 in einer deutlich niedrigeren Klasse spielt, sondern weil das Röhren-Bändchen von Royer eine andere, modernere Klangsprache spricht. Das Peluso klingt klassisch, wie aus vergangenen Zeiten und wer gerade für Gesang und Instrumente diesen Klang haben will, bekommt hier einen reellen Gegenwert.
Fazit
Beide Bändchenmikrofone liefern den begehrten klassischen Bändchensound, wobei das Peluso TR 14 nicht nur edler klingt, sondern beim Eigenrauschen das insoweit nicht zufriedenstellende Golden Age Project R 1 Tube Active klar abhängt. Letzteres ist – sofern der Hersteller das Rauschen in den Griff bekommt – zumindest eine sehr kostengünstige Alternative für alle, die ein echtes Röhren-Bändchenmikrofon für kleines Geld suchen.
LETTISCHE EDELSTEINE
Vater der Mikrofone Amethyst und Flamingo ist der lettische Mikrofonguru Juri Zarins, der in den frühen 90er-Jahren des vorigen Jahrhunderts sein erstes eigenes Studio-Mikrofon entwickelte. Schon bei seinem ersten Eigengewächs konnte Zarins aus seinem langjährigen Erfahrungsschatz schöpfen, immerhin hat der Mann zwanzig Jahre lang Vintage-Mikrofone gewartet und repariert. Insofern weist die Biographie Parallelen zu der von Richard Royer und John Peluso auf. Seit 1998 existiert Zarins´ Unternehmen Violet Design, 2000 präsentierte das junge Unternehmen den ersten Sproß der inzwischen über zwölf verschiedene Mikrofone umfassenden Produktpalette. Die beiden hier getesteten Großmembranmikrofone haben die Richtcharakteristik Niere gemeinsam, unterscheiden sich ansonsten preislich und konstruktiv erheblich: Das Transistor-Kondensatormikrofon Amethyst gibt es in der Standardausführung für knapp 850, in der hier getesteten Vintage-Variante ist es für immer noch erschwingliche 1.100 Euro zu haben. Das Flamingo Standard hingegen, ein reinrassiges Röhrenmikrofon in markanter Vintage-Optik, ist das Flaggschiff von Violet-Design, wird im eigenen Custom-Shop in kleinen Stückzahlen gefertigt und kostet sage und schreibe 4.840 Euro; in der Spezialausführung ME und ausgestattet mit einer speziellen, ohrförmigen Kapsel reißt es mit über 6.000 Euro ein noch tieferes Loch in den Geldbeutel. Solche Preise mögen manchem einen Schrecken einjagen, allerdings ist hierbei immer zu bedenken, dass es noch weitaus teuerer geht: So kostet beispielsweise die amerikanische Neuauflage des Telefunken Ela M 251 etwa 10.000 Dollar – ein Preis, den manch Profi, sofern er nicht gleich 20.000 für ein gut erhaltenes Original investiert gerne bezahlt. Außerdem hat Handarbeit und penible Qualitätssicherung ihren Preis, immerhin verspricht Violet Design selbstbewusst: „Sie werden es in ihrem Studio festketten!“
Das Amethyst gehört zu den Universalmikrofonen des Herstellers und soll immer dann, wo detailreiche, transparente Aufnahmen von Stimmen und Instrumenten verlangt sind, beste Ergebnisse liefern. Das Amethyst Vintage ist mit der eigens entwickelten VD67-Doppelmembrankapsel ausgestattet, die anders als die im günstigeren Amethyst Standard verwendete VD26-Einzelmembrankapsel für einen klassisch-warmen Klang mit einem Quäntchen Präsenz sorgen soll. Die Kapseln aller Amethyst-Ausführungen sitzen in ihrem eigenen Gehäuse, sind also von der Verstärkereinheit getrennt. Das bringt zumindest in der Theorie nur Vorteile, da sich auf diese Weise Reflexionen reduzieren und die eigentliche Kapsel schocksicher gelagert werden kann. Die auffällige Formgebung des Amethyst-Kapselgehäuses habe laut Hersteller klangliche Gründe: Das Rechteckdesign soll einem klareren Klang gerade bei Nahmikrofonierung entgegenkommen. Bei Violet Design zeichnen sich alle Großmembrankapseln durch folgende gemeinsame, mithin preisunabhängige Merkmale aus: Die Gegenelektrode ist immer aus solidem Messing gefertigt, die Membran besteht jeweils aus einer sechs Mikron dünnen Folie aus Mylar [[G]], die mit einer speziellen Goldmischung mittels Sputtern [[G]] beschichtet ist. Juris Zarins verspricht sich hiervon ein verbessertes Impulsverhalten und eine klare Transientenwiedergabe ohne Verfärbungen.
Der Vorverstärker in Class-A-Schaltung ist ebenfalls schocksicher im soliden, graublauen Metall-Gehäuse gelagert. Obwohl das Mikrofon stolz das „Vintage“ als Namenszusatz führt, vertraut Violet Design auf die modernere elektronische Symmetrierung im Gegensatz zur älteren, sogenannten Trafo-Symmetrierung, was zunächst vor allem Vorteile bei der Baugröße mit sich bringt: So ist das Amethyst ein recht kleinwüchsiger Vertreter der Gattung Großmembranmikrofon und lässt sich sogar in der Hand verstecken. Unterhalb des Verstärkergehäuses sind die vergoldete XLR-Anschlussbuchse und ein Gewinde zur Stativmontage angebracht. Sehr empfehlenswert ist die als optionales Zubehör erhältliche Spezialhalterung ASM: Ist das Amethyst in diese eingespannt, ist die Feinjustage am Stativ kinderleicht und Trittschall federt die sehr gut konstruierte Halterung wirksam ab. Dabei ist die ASM mit rund 120 Euro auch noch erschwinglich.
Beim Flamingo gehört eine Spinne im Vintage-Design zum Lieferumfang. Das muss auch so sein, denn mit einer Gesamtlänge von gut 30 Zentimetern und einem Gewicht von über einem Kilo ist das Mikrofon nicht gerade handlich. Es wirkt aber nicht plump, sondern trotz seiner üppigen Dimensionen elegant und verströmt neben viel Vintage-Flair – kein Wunder bei der Flaschenform – vor allem auch Wertigkeit. Wie beim Amethyst sind auch beim Flamingo Kapsel und Verstärkerelektronik in separaten Gehäusen untergebracht. Hinter dem runden Schutzkorb aus mehrlagigem Messing, der auch als Popp- und Windschutz dient, verbirgt sich übrigens einmal mehr die V67-Kapsel. Wie beim Amethyst soll sie gerade bei Nahmikrofonierung einen warmen, ausgewogenen Klang mit dem passenden Schuss Präsenz liefern. In der violetten Flasche ist die Verstärkerelektronik in diskret aufgebauter Class-A-Schaltung untergebracht. Violet Design versichert, dass für die Flamingo-Serie nur allerbeste Komponenten verbaut sind. Herzstück ist eine handselektierte und sorgfältig eingebrannte 6267/EF 86 Pentoden-Röhre, die wegen ihrer sprichwörtlichen Kling- und Brummarmut von Röhrenkennern hoch geschätzt wird und sich besonders für Eingangstufen eignet. Von welchem Hersteller die 6267 stammt, konnten wir leider nicht feststellen, da das Gehäuse des Test-Flamingos fest verplombt und versiegelt ist. Sowohl die Kapsel als auch die komplette Verstärkerelektronik sind mehrfach gesichert und erschütterungsfrei gelagert, um jegliche unerwünschten Störgeräusche, so auch Mikrofonie der Röhre auszuschließen. Das mitgelieferte Netzteil ist eine Schau für sich: Es hat ein LCD-Display, das den Benutzer über die aktuelle Spannung informiert. Ist die für den Betrieb des Mikrofons nötige Betriebsspannung erreicht – diese beträgt ausweislich der Anzeige 120,8 Volt – leuchtet die Kontroll-LED in sattem Grün. Davor wechselt diese von Rot beim Einschalten nach Gelb beim Hochfahren. Erst wenn die korrekte Betriebsspannung erreicht ist, ist das Mikrofon selbst bereit, davor bleibt es stumm. Für die optimale Verbindung Mikrofon/Netzteil liefert Violet Design ein hochwertiges Kabel von Sommercable mit. Beim Test vertrauen wir, wie auch bei den vier anderen Testmikrofonen, die Signalübertragung zum Preamp Klangleitern von Vovox und dem Carbokab von Sommercable an.Im Messlabor zeigen sich beide Mikrofone messtechnisch von der besten Seite: Das Amethyst erweist sich mit einem Messwert von 22 mV/Pa als durchschnittlich empfindlich, was aber angesichts seines hervorragenden Geräuschpegelabstands von 82 Dezibel keinerlei Probleme aufwirft: Störendes Rauschen auf der Aufnahme kann alle möglichen Ursachen haben, vom Amethyst kommt es mit Sicherheit nicht. Das Flamingo erreicht diese Spitzenwerte nicht: Mit 11,2 mV/Pa ist es verhältnismäßig leise, der Geräuschpegelabstand beträgt 72,8 Dezibel, was aber kein Grund zur Sorge ist, denn es handelt sich in jedem Fall um einen sehr guten Wert für ein Röhrenmikrofon und die 83 Dezibel eines Brauner VM1 (Test Ausgabe 11/2006) scheinen ohnehin nicht von dieser Welt zu sein. Die Frequenzgänge von Amethyst und Flamingo sind erstaunlich ähnlich – hier macht sich anscheinend die beides Mal verwendete V67-Kapsel bemerkbar. Abgesehen von leichten Welligkeiten, die beim Flamingo auf Reflexionen des großen Gehäuses beruhen, verlaufen die Messkurven ausgesprochen gleichmäßig bis fünf Kilohertz. Ab da kommt es beim Amethyst zu einem Höhenanstieg, der im Gipfel bei sieben Kilohertz aber gerade mal fünf Dezibel. Diese Höhenanhebung ist hörbar und sorgt für einen dezenten Hauch Präsenz im Klangbild. Auch das Flamingo weist eine Höhenanhebung von vergleichbarer Intensität auf, der Gipfel liegt hier bei acht Kilohertz.Bei den Testaufnahmen zeigt sich schnell, dass es sich bei beiden Mikrofonen um Spitzenschallwandler handelt. Doch der Reihe nach: Das Amethyst löst sehr fein auf und erinnert insoweit an das in dieser Disziplin ausgezeichnete Brauner Phanthera. Das lettische Mikrofon erfasst auch winzige Details und zeichnet die Klangquelle – ganz gleich ob es sich um Stimmen, Gitarren oder Flöte handelt – mit präzisen Pinselstrichen nach. Hinzu kommt ein sehr gutes Impulsverhalten – das Mikrofon folgt auch kurzen, schnellen Schallereignissen ohne Mühe. Aufgrund des auffällig gering ausgeprägten Nahbesprechungseffekts ist das Amethyst hervorragend für Nahmikrofonierung geeignet, den nichtvorhandenen Hochpassfilter wird hier niemand vermissen. So ist es ohne weiteres möglich, die bassstarke Konzertgitarre mit einem Abstand von 15 Zentimetern zur Decke abzunehmen. Der Klang des Amethysts ist grundsätzlich ausgewogen, tendenziell neutral, wobei eine leichte Höhenpräsenz immer mitschwingt. Dennoch legt das Mikrofon Wert auf Signaltreue, kleine Farbtupfer in den unteren Mitten und Höhen schmeicheln eher den Ohren. Dass das Amethyst letztlich kein vollkommen neutrales Mikrofon ist – und sein soll – wird schließlich erst im direkten Vergleich mit dem M 930 von Microtech Gefell, der Referenz in punkto Neutralität, klar. Ein sehr gutes, durchaus inspirierendes Mikrofon ist dieser Halbedelstein aus Lettland aber in jedem Fall.Das Flamingo toppt das Amethyst, wobei sich die Unterscheide weniger auf schnöde Dinge wie Auflösung, Impulsverhalten und so weiter beziehen. Das Flaggschiff von Violet Design besitzt eine ganz eigentümliche Weichheit in den Höhen und bei Transienten, die sich schwer beschreiben lässt. Obwohl das Mikrofon die gleiche Kapsel wie sein Geschwister hat, klingt es insgesamt runder und samtiger – wie aus einem Guss. Wie das Amethyst auch, ist es grundsätzlich der Signaltreue verpflichtet, bekennt sich gleichwohl zu einem eigenen Klang, ohne dabei zu verfärben. Daher behalten Stimmen und Instrumente ihre eigene klangliche Persönlichkeit. Das Flamingo belohnt einen Sänger oder Instrumentalisten bereits mit Mono-Aufnahmen, die vollmundig, dreidimensional und in vielen Klangfarben schillern können. Mit diesem Mikrofon machen wir tatsächlich über zwanzig Takes eines einzigen Gitarrenstückes, einfach weil es Spaß macht, vor diesem tollen Mikrofon zu sitzen und Klangfarben auszuprobieren und an interpretatorischen Feinheiten zu arbeiten. Violet Design hat Recht, das Flamingo würde jeder in der Redaktion gerne festketten und weidlich für eigene Projekte einsetzen – es ist Spitze, von der Kapsel bis zur Anschlussbuchse.
Fazit
Violet Design beweist mit dem Amethyst und seinem Flaggschiff Flamingo, das mit der lettischen Mikrofonmanufaktur zu rechnen ist. Wer ein erschwingliches, vielseitiges und klanglich absolut überzeugendes Kondensatormikrofon sucht, ist mit dem Amethyst Vintage bestens bedient. Wer es sich leisten kann, findet mit dem Flamingo ein Röhrenmikrofon der absoluten Spitzenklasse, das für audiophile Gesang- und Instrumentalaufnahmen bestens geeignet ist.
Erschienen in Ausgabe 12/2007
Preisklasse: Oberklasse
Preis: 1159 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: gut
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