Analog A/De

Focusrites Kleinster ist jetzt serienmäßig mit der zweikanaligen A/D-Wandler-Option ausgestattet. Grund genug den ISA One Digital auf den Zahn zu fühlen und zu prüfen, was das Preamp-Upgrade in puncto Klang und Zusatznutzen taugt.

Von Michael Nötges 

Den ISA-Preamps des englischen Herstellers Focusrite eilt ein exzellenter Ruf voraus. Nicht zuletzt, weil kein geringerer als Rupert Neve höchstpersönlich Mitte der 1980-er Jahre für das Design des ISA110-Vorverstärker-Moduls der legendären analogen Focusrite-Konsolen verantwortlich zeichnet. Im Test glänzten bereits die großen Brüder ISA828 (Test, Ausgabe 2/2008) und ISA428 (Test, Ausgabe 6/2006) mit Bestnoten in der Riege der Spitzenklasse-Preamps. Jetzt nehmen wir uns den kleinsten ISA110-Erben zur Brust, um auch den Einkanaler auf Herz und Nieren zu prüfen. Viel versprechend ist dabei nicht nur das grundsätzlich identische analoge Vorverstärkerdesign inklusive Lundahl-Transformator (L1538). Auch das neuerdings serienmäßige ADC-Modul (maximal 192 Kilohertz und 24 Bit) des einkanaligen Preamps, lässt aufgrund seiner Ausstattung (ADAT, S/PDIF, AES/EBU, Wordclock und zwei Wire-Modi) aufhorchen. Focusrite wäre aber nicht Focusrite, wenn der ISA One Digital nicht auch noch in puncto Usability und Praxistauglichkeit weit mehr böte als bloß das Standardprogramm. Dabei kostet der kleine Preamp gerade einmal rund 790 Euro und richtet sich vor allem an anspruchsvolle Projektstudiobesitzer, die ein einkanaliges und flexibles DAW-Interface benötigen. Im Gegensatz zu den mehrkanaligen Varianten ist der ISA One Digital ein schnuckeliger Desktop-Hocker mit einer Grundfläche in der Größe eines Din-A4-Blattes. Rutschfest, weil gummibefußt, mit leicht abgeschrägter Frontplatte zur komfortablen Bedienung und einem praktischen Lederhenkel an Deck, zeigt der pfiffige Preamp seine Stärken im Detail. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man den Vorverstärker leicht mit einem analogen Messgerät vergangener Tage verwechseln, wofür das zurückhalten glimmende VU-Meter genauso verantwortlich ist, wie die hinterleuchteten Plexiglastaster und die griffigen Drehknöpfe. Ein ausgesprochenes Schmuckstück ist der ISA One Digital nicht, vielmehr strahlt er eine pragmatische Souveränität aus. Das ist aber nicht bloß Schein, schließlich sind die gleichmäßig laufenden Potiwellen qualitativ genauso überzeugend, wie die robusten und satt einrastenden analogen Anschlussbuchsen. Gute Ergonomie ist trotz des relativ wenigen Platzes gewährleistet da die Bedienelemente und Anzeigen weit genug von einander entfernt und insgesamt übersichtlich angeordnet sind. Einzig der Eingangspegelregler des Instrumenteneingangs ist etwas umständlich zu bedienen, wenn ein Klinkenstecker in der Eingangsbuchse steckt, aber damit kann man leben.

Apropos Anschlüsse: Neben dem regelbaren DI-Eingang (+10 bis +40 Dezibel) für E-Gitarre oder E-Bass, mit umschaltbarer Eingangsimpedanz (300 Kiloohm oder ein Megaohm), bietet die Frontplatte einen regelbaren Kopfhörerausgang fürs latenzfreie Monitoring und den zusätzlichen Amp-Output. Dieser führt bei Bedarf das DI-Signal weiter und füttert, beispielsweise parallel zur Aufnahme des trockenen Signals, einen angeschlossenen Gitarren- oder Bass-Verstärker. Nach Belieben kann dieser Amp dann mikrofoniert und zusätzlich aufgenommen werden. „Gute Idee“, werden Sie jetzt denken „aber dafür brauche ich dann ja einen weiteren Preamp.“ Nicht unbedingt, denn die Entwickler haben sich ein ausgefuchstes Konzept ausgedacht: Neben dem Main- gibt es einen zusätzlichen DI-Ausgang, beide im XLR-Format. Ersterer führt immer das per Input-Taster ausgewählte Eingangssignal (Mic, Line, Instrument). Der zweite immer das DI-Signal, egal welcher Eingang aktiviert ist. Ergo, kann ein am trafosymmetrierten Mikrofon-Eingang angeschlossenes Signal am Main-Output, das DI-Instrumentensignal am alternativen DI-Output abgegriffen und parallel aufgenommen werden. Ein zweiter Preamp so ist nicht notwendig. Das Gleiche Routing-Prinzip gilt übrigens für die digitalen Ausgänge: Es gibt zwei Streams: Kanal eins entspricht dem Main-, Kanal zwei dem alternativen DI-Ausgang, der auf digitaler Ebene aber für eine zusätzliche A/D-Wandel-Option sorgt. Ist nun ein Signal an den separaten Ext-Eingang angeschlossen, wird dieses im ADC-Modul gewandelt und auf den zweiten Digital-Stream anstelle des DI-Signals geschickt. Der zusätzliche Ext-Eingang bietet außerdem die Möglichkeit ein Mono-Signal, beispielsweise einen Backingtrack – einzuspeisen. Dieser wird dem Hauptausgangssignal beigemischt und liegt fürs Monitoring am Kopfhörerausgang an. Wem das immer noch nicht reicht, der kann auf zwei weitere Cue-Mix-Eingänge zurückgreifen. Ist der Cue-Mix-Mode aktiviert (Button neben dem Kopfhörerregler), bekommt der Musiker beim Einspielen oder –singen zusätzlich die beiden Signale (Right I/P und Left I/P) auf die Ohren. Bleibt schlussendlich noch zu erwähnen, das Focusrite natürlich auch an einen Line-Eingang im XLR-Format samt Extrabuchse (6,35-mm-Klinke) gedacht hat. Außerdem gibt es einen Insert-Weg (Send, Return) zum Einschleifen von externen Signalprozessoren (beispielsweise Kompressor, Equalizer oder Exciter). Dieser muss bei Bedarf durch den Insert-Button freigegeben werden. Übrigens werkeln nicht nur bei dieser Funktion Relais im Innern des ISA One Digital. Auch bei der Auswahl des Eingangssignals, der Aktivierung der Phantomspannung, Phasenumkehrung, des Hochpassfilters (18 Dezibel pro Oktave bei 75 Hertz) und des Cue-Mix-Modus sowie der Auswahl der Samplingfrequenzen oder Word-Clock-Modi sorgen die kleinen Schalter dafür, dass nicht verwendete Elemente physikalisch aus dem Signalweg ausgeschlossen sind.

Das DAC-Modul bietet für optimale Synchronisation in digitalen Umgebungen einen Wordclock Ein- und Ausgang (BNC-Buchsen). Bei den digitalen Formaten respektive Ausgängen bleibt aber auch kein Wunsch offen: ADAT und S/PDIF gibt es als optische Anschlüsse außerdem führt das mitgelieferte Breakout-Kabel (Sub D auf Cinch) entweder ein AES oder aber koaxiales S/PDIF-Signal, das per Taster – beim ISA828 mussten noch Jumper umgesteckt werden – wählbar ist. ADAT geht natürlich nur bis 96 Kilohertz, ansonsten (AES und S/PDIF) sind Samplingfrequenzen bis zu 192 Kilohertz kein Problem. Für die AES-Schnittstelle stehen zwei Modi zur Verfügung: Der 1-Wire-Modus überträgt, wie heute meist üblich zwei Kanäle der AES-Daten über ein Kabel. Im 2-Wire-Modus werden zwei Kabel verwendet, um Signale mit Samplingfrequenzen größer als 96 Kilohertz zu übertragen, wie es noch vor ein paar Jahren Gang und Gäbe war. Die internen Samplingfrequenzen lassen sich mit dem Clock-Select-Button auf der Frontplatte des ISA One Digital auswählen. Sechs rote Status-LEDs informieren über die jeweilige Taktung. Bei externer Synchronisation informiert die Lock-Anzeige über eine geglückte und sichere Verbindung. Neben dem normalen Word-Clock-Modus bietet der 256x-Modus (Ext-Auswahl-Taster) die Möglichkeit den ISA One Digital auch mit Digidesings Superclock oder anderen Taktgebern zu synchronisieren, die mit 256-facher Samplerate arbeiten. Im Messlabor von Professional audio zeigt der ISA One Digital eindrucksvoll zu welcher Familie er gehört. Geräusch- und Fremdspannungsabstand liegen bei sehr gute 87,6 und 86,0 Dezibel. Die Eingangsempfindlichkeit weist mit -77,2 Dezibel genügend Verstärkungsreserven auf, um auch dynamischen und Bändchenmikrofonen mit geringen Ausgangsspannungen mehr als gerecht zu werden. Die THD+N-Werte liegen im Durchschnitt bei exzellenten 0,008 Prozent und steigen zu tiefen Frequenzen hin bis auf immer noch überzeugende 0,06 Prozent an. Der Noisefloor liegt für den Mikrofoneingang unterhalb -90 Dezibel, Verzerrungen á la k2 oder k3 sind Fehlanzeige (siehe FFT-Spektrum). Der einzige Pferdefuß lässt sich im FFT-Spektrum des Instrumenteneingangs ausmachen: Der Noisefloor ist hier deutlich höher (maximal -68 Dezibel). Besonders die Peaks bei 50 und 150 Hertz deuten auf einstreuendes Netzbrummen und eine nicht ganz so elegante Abschirmung hin. Ansonsten zeigen sich leichte Verzerrungen wie k2, k3, k4, die aber durchaus Teil des Sounddesigns sein können. Die Gleichtaktunterdrückung ist mit über 70 Dezibel ausgezeichnet und der bei den ISA-Preamps gewohnt breitbandige Frequenzgang verspricht Schnelligkeit und Impulstreue. Die Wandlerlinearität kann sich bei einer Umsetzung bis hinab zu -138 Dezibel mehr als sehen lassen.   In der Praxis präsentiert sich der ISA One Digital als durchdachter Tausendsassa: Zunächst überzeugen die die kalibrierbaren Anzeigen (VU-Meter und die beiden 6-Segment LED-Ketten), die den Preamp dem jeweiligen Arbeitspegel anpassen. Beim Aussteuern sind besonders die exakten LED-Anzeigen hilfreich. Mit dem Post-Insert-Modus bietet der ISA One Digital ein zusätzliches Überwachungs-Feature, indem der jeweilige Pegel am Return-Eingang angezeigt wird. Der Eingangspegel- und Trim-Regler bringen bei unseren Aufnahmen die Signale schnell und unkompliziert auf Optimalkurs. Die Gain-Range von über 70 Dezibel ist dabei auf zwei Regelbereiche á vier Stufen (0-30 und 30 bis 60 Dezibel) aufgeteilt. Den Feinschliff besorgt der Trim-Regler (0 bis +10 Dezibel). Per S/PDIF-Ausgang ist der ISA One Digital an unser Interface (M-Audio FW410) angedockt.

Das Impulsverhalten und die Feinzeichnung sind ausgezeichnet und jedes der drei verwendeten Mikrofone – Audio Technica AT4040, Oktava MK-012-01 (Test, 05/2006) und Shure SM58 (9/2007) – bringt seinen eigenen Charakter voll zu Geltung. Auch mit dem unempfindlichen dynamischen SM58 hat der ISA One keineswegs ein Problem und eine glasklare Gesangsaufnahme gelingt auch bei hoher Vorverstärkung sehr souverän. Dabei klingt der ISA One Digital äußerst organisch, setzt die Höhen sehr schön frisch in Scene und wirkt in den unteren Mitten kompakt und kraftvoll, ohne dabei gekünzelt zu wirken. Ein Klangfärber ist er nicht, vielmehr ein dezenter und vielseitiger Charakterkopf, der sowohl bei Gesangs- und Sprachaufnahmen, aber auch Akustikgitarren-Takes einen souveränen Job macht.   Die Eingangsimpedanz des Mikrofon-Input lässt sich in vier Stufen verstellen (Low: 600, ISA110: 1400, Med: 2400 und High: 6800 Ohm). Bei Mikrofonen mit geringem Innenwiderstand (AT4040m: 100 Ohm) wirkt sich die Impedanz Anpassung weniger aus als bei Mikrofonen mit höherer (SM58, MK-012-01: 300 Ohm). Die Tendenz ist aber klar :Im Low-Modus ist der Pegel zunächst etwas geringer und das Signal klingt insgesamt etwas dumpfer. Bei den Gitarrenaufnahmen ist das sehr schön deutlich an den Anschlagsgeräuschen der rechen Hand zu hören. Mit steigender Eingangsimpedanz öffnet sich das Klangbild nach oben hin, bekommt mehr Frische und wirkt reichhaltiger – ähnlich eines Exciters. Umgekehrt kommen Low- und ISA110-Einstellung kräftiger und kompakter. Je nach Mikrofonposition sogar ein bisschen dumpf aber sehr druckvoll. Das bringt uns auf eine Idee: Wir mikrofonieren kurzerhand einen Gitarrenverstärker und spielen ein verzerrtes Gitarrenriff, schleusen das Gitarrensignal aber durch den ISA One Digital – DI-Eingang rein, AMP-Ausgang zum Verstärker. Für ein sattes Rhythmusbrett zeigt sich die satte ISA110-Impedanz-Einstellung genau richtig. Für ein kurzes Solo wählen wir den High-Z-Modus und bekommen einen sehr offenen und durchsetzungsstarken Solo-Sound.  Apropos Hi-Z, natürlich haben wir das DI-Signal parallel über den zweiten digitalen Stream aufgezeichnet. Über den DI-Eingang klingt die verwendete Fender Customshop Telecaster sehr lebendig und detailreich frisch. Der Twang des Instruments kommt sehr knackig und authentisch und das Obertonspektrum des Instruments wird mit allen Einzelheiten abgebildet. Einzig ein leises Netzbrummen und kaum hörbares Rauschen – die einstreuanfälligen Singlecoils sind da allerdings auch nicht förderlich – stört uns bei leisen Parts zunächst ein wenig. Bei der Weiterbearbeitung des Signals spielt es aber kaum eine Rolle. Wir jagen das Signal durch die Amp-Simulation Vandal von Magix und bekommen exzellente Ergebnisse, die sich mit der Mikrofonaufnahme des Engl Squeeze 50-Amps zu einem sehr fetten Gitarrensound ergänzen.

Fazit

Der ISA One Digital ist ein würdiger und mit 790 Euro auch preiswerter Erbe des ISA110-Moduls. Er klingt ausgezeichnet, transparent, frisch und druckvoll und lässt in puncto vielseitiger Praxistauglichkeit keine Wünsche offen. Daran ist auch maßgeblich das flexible ADC-Modul beteiligt, dass man nicht mehr missen möchte.

Erschienen in Ausgabe 06/2010

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 790 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut – überragend