Ein Band für alle Fälle

Millennia stellt ein neues Sahnestückchen für Audio-Feinschmecker vor. Der NSEQ-HF ist ein Equalizer für hohe Frequenzen, der technisch auf dem Millennia Flaggschiff NSEQ-4 basiert. Unser Autor Raphael Tschernuth hat sich diesen Klangveredler für das API 500 System genauer angesehen.

Von Raphael Tschernuth

Die kalifornische Edelmarke Millennia Music & Media Systems, kurz Millennia, ist besonders Profis und Kennern ein Begriff. Aber auch wenn man noch nie etwas von dieser Marke gehört haben sollte, hat man bestimmt schon einmal Millennia-Sound gehört. Schließlich wurden die Preamps, Channel Strips und Effektgeräte auf unzähligen Hits und Audioproduktionen verwendet.

Besonders im angelsächsischen Raum sind Audiogeräte von Millennia weit verbreitet. Im Artist Rooster finden sich viele bekannte Namen unterschiedlichster Stilrichtungen. Angefangen von den Smashing Pumpkins, über Celine Dion und hin zu Bob Dylan und Andrea Bocelli. Was für eine Mischung!

Mixing-Legenden wie Eddie Kramer, Bruce Swedien und Produzenten wie Joe Chiccarelli oder Steve Albini finden sich ebenfalls auf der Liste der Millennia-User.

Durch den hohen technischen und klanglichen Anspruch vertrauen auch viele Mastering-Studios, Opernhäuser und Symphonie-Orchester auf Equipment von Millennia. Unter anderem benutzten auch die englischen Sample Library Macher von Spitfire ausschließlich fernsteuerbare Preamps der HV-Serie für ihre BBC Symphony Orchestra Bibliothek.

Um Millennia-Qualität auch für Normalverbraucher erschwinglich zu machen, hat der Hersteller frühzeitig auf das API 500 System gesetzt. So wurde vor rund zehn Jahren der HV-35 vorgestellt, ein Preamp für glasklare, unverfälschte Übertragung und einem speziellen Modus für Bändchenmikrofone.

Die Schaltung des NSEQ-HF basiert auf dem Topmodell NSEQ-4, der auch für Mastering Zwecke eingesetzt wird.

Die Schaltung des NSEQ-HF basiert auf dem Topmodell NSEQ-4, der auch für Mastering Zwecke eingesetzt wird.

Hohe Frequenzen für höchste Ansprüche

Der NSEQ-HF basiert auf dem NSEQ-4, einem diskret aufgebauten JFET Class-A Equalizer, der für Mastering, Post-Produktion, Mixing und Tracking eingesetzt werden kann. Ähnlich groß ist auch das Einsatzgebiet des NSEQ-HF wobei die 500er-Version auf den Bass Shelving-Filter sowie die beiden Mittenbänder verzichtet. Stattdessen liegt der Focus einzig auf dem, klanglich wohl wichtigsten Bereich: den hohen Frequenzen.

Ich will den Mitten und den Bässen hier gar nicht zu nahetreten, natürlich brauchen wir sie wie die Luft zum Atmen und sie sind von elementarer Bedeutung.

Aber gerade im oberen Frequenzspektrum trennt sich bei Audio-Equipment oft die Spreu vom Weizen. Günstige Mikrofone beispielsweise, bilden in diesem Bereich den Klang überbetont und unnatürlich ab. Gerade wenn man das aufgenommene Material noch weiter bearbeitet und später beim Mixing / Mastering noch viele Höhenanteile hinzukommen, kann der Klang schnell unangenehm werden.

Wer einmal die Chance hatte, mit Mikrofon-Klassikern wie dem C12 oder dem ELAM 251 zu arbeiten, wird wissen, dass die Magie dieser Mikros unter anderem darin besteht, dass sie trotz ihrer prägnanten Präsenzabbildung den Höhenbereich stets angenehm und plastisch abbilden, ohne zur Schärfe zu neigen. Diese Eigenschaft lässt sich auch bei Equalizern wiederfinden. Manchen von ihnen gehen recht nüchtern ans Werk und besitzen einen klar definierten Sweet-Spot. Bei anderen wiederum, lässt sich viel manipulieren, ohne dass die klangliche Integrität verloren geht oder das Resultat unmusikalisch wird.

Einen einbandigen EQ wie den NSEQ-HF zu entwickeln, scheint auf den ersten Blick eine sehr gewagte Idee zu sein. Es gibt kaum vergleichbare Geräte, viele andere am Markt erhältliche EQs bearbeiten das ganze Frequenzspektrum. Laut Millennia kam die Idee zum NSEQ-HF aber aus dem überwältigenden Feedback der eigenen Kundschaft, die am NSEQ-4 besonders das HF-Band schätzte. Wenn die Begeisterung dafür so groß ist und dieser Filter in fast jeder Produktion zum Einsatz kommt, ist es aber nur konsequent, dieses EQ-Band als eigenständiges Gerät anzubieten.

Der NSEQ-HF wird von Hand in Amerika hergestellt, nur beste Bauteile kommen zum Einsatz.

Der NSEQ-HF wird von Hand in Amerika hergestellt, nur beste Bauteile kommen zum Einsatz.

 

Aufbau und Topologie

Wie schon der rund 5000 Euro teure NSEQ-4, ist auch der NSEQ-HF vollständig diskret aufgebaut. Im 100% Class-A Signalweg kommen seltene, speziell selektierte Toshiba J74 und L170 JFETs zum Einsatz. Auf Übertrager wird konsequenterweise verzichtet.

Der in Handarbeit hergestellte EQ besitzt zwei Regler und vier Schalter auf der Frontplatte. Letztere sind hintergrundbeleuchtet und farblich voneinander abgesetzt, um ein schnelles und intuitives Arbeiten zu ermöglichen. Ganz oben findet sich zunächst ein grüner On/Off Switch, gefolgt von einem gesteppten Drehregler der Edelmarke Greyhill, mit dem die Frequenzauswahl erfolgt. Wie beim großen Vorbild stehen hier die Werte 4.8 kHz, 6.8 kHz, 8.0 kHz, 10 kHz, 16 kHz und 21 kHz zur Verfügung. Hat man die Frequenz bestimmt, kann man auswählen, ob das Gerät im Bell- oder Shelf-Modus arbeiten soll. Der Shelf-Filter geht mit +- 6 dB pro Oktave ans Werk, im Bell-Modus ist der Q Wert fest auf 1.0 eingestellt.

Der rote Schalter ermöglicht es, zwischen einem symmetrischen oder unsymmetrischen Eingangssignal auszuwählen. Damit lässt sich der Pegelunterschied von 6 dB bei Verwendung eines unsymmetrischen Signals kompensieren.

Die letzten beiden Bedienelemente des NSEQ-HF bestimmen schließlich gemeinsam, wie stark die Signalveränderung ausfällt. Mit dem orangen Schalter lässt sich die Gain-Skala zwischen +- 9 und +- 18 dB umschalten. Das erste Setting ermöglicht also sehr feine Einstellungen, das zweite lässt recht massive Eingriffe in das Signal zu.

Der NSEQ-HF ist die ideale Ergänzung zum Millennia HV-35, besonders wenn man gerne mit Bändchen- oder Tauchspulenmikrofonen arbeitet.

Der NSEQ-HF ist die ideale Ergänzung zum Millennia HV-35, besonders wenn man gerne mit Bändchen- oder Tauchspulenmikrofonen arbeitet.

Technische Daten des NSEQ-HF

Der Übertragungsbereich des NSEQ-HF liegt zwischen 2 Hz und beeindruckend hohen 300 kHz. Das Eigenrauschen ist mit -106 dB erfreulich gering. Auch die Werte der harmonischen Verzerrungen sind mit 0.003% THD + Noise im Frequenzbereich zwischen 20 und 30 kHz beeindruckend. Der maximale Eingangspegel für symmetrische Signale liegt bei + 20 dBu und bei unsymmetrischen Signalen beträgt der Wert + 14 dBu. Ausgangsseitig liegt der maximale Pegel bei + 21 dBu. Die Eingangsimpedanz liegt bei hohen 25 kOhm. Was den Stromhunger betrifft, so benötigt der NSEQ-HF mit allen aktivierten LEDs rund 210 mA vom 500er Rack.

Versetzt man das Gerät in den Off-Modus, sorgt ein echter Hard-Wire-Bypass übrigens dafür, dass das Signal in keinster Weise beeinträchtigt wird.

 

Haptischer Eindruck

Geliefert wird der NSEQ-HF gut geschützt in einer einfachen Kartonbox, mit einer knappen englischsprachigen Bedienungsanleitung und einem Millennia-Kabelbinder.

Der EQ ist sehr hochwertig verarbeitet, massive Metallplatten schützen das Innenleben von allen Seiten und sorgen für eine sehr gute Abschirmung von unerwünschten Einstreuungen. Es ist offensichtlich, dass hier nirgends gespart wurde, sondern nur hochwertige Bauteile zum Einsatz kommen. Das Gerät ist definitiv auf Langlebigkeit ausgelegt.

Schön, dass Millennia seine Geräte immer noch von Hand in Amerika herstellt. Der Einbau ins Rack ist im Handumdrehen erledigt. Im Laufe der Testperiode konnte ich den EQ übrigens in Racks von Fredenstein, API sowie einem GroupDIY 51x Rack testen. Der Einbau, die Stromversorgung und der Betrieb verliefen in allen Racks einwandfrei.

 

Auch der DI-Eingang des HV-35 kann von der klanglichen Aufwertung des NSEQ-HF profitieren. Angereichert mit etwas “Air” wirken direkt aufgenommene Instrumente deutlich lebendiger.

Auch der DI-Eingang des HV-35 kann von der klanglichen Aufwertung des NSEQ-HF profitieren. Angereichert mit etwas “Air” wirken direkt aufgenommene  Instrumente deutlich lebendiger.

Der NSEQ-HF im Einsatz

Spontan macht der EQ den Eindruck eines “One Trick Ponys”. Damit meine ich ein Gerät, dass nur eine einzige Aufgabe im Signalweg erledigt, diese aber so gut macht, dass man es unter keinen Umständen mehr missen will.

Doch tatsächlich lässt sich der NSEQ-HF sehr vielfältig einsetzen.

Im Verbund mit dem hauseigenen Preamp HV-35 bildet der EQ ein vortreffliches Gespann. Gerade unter dem Gesichtspunkt, dass der HV-35 einen speziellen Modus für Ribbon-Mics besitzt, denen zusätzliche Höhen ja recht gut stehen. Nicht umsonst hat etwa die BBC Mitte des vorigen Jahrhunderts ihre Preamps für Bändchenmikros mit einer fest eingebauten Anhebung von +9 dB bei 10 kHz ausgestattet. Zusammen mit dem HV-35 und dessen eingebautem Hochpassfilter, kann man mit diesem „Doppelpack“ das Signal also schon bei der Aufnahme sehr gut formen.

Für meinen Test mache ich das beispielsweise mit dem Bändchenmikrofon RCA 44 BX, welches als Raummikrofon am Schlagzeug zum Einsatz kommt. Der NSEQ-HF ermöglicht es, die Cymbals hervorzuheben und dem Signal etwas mehr Attack und Punch hinzuzufügen. Dabei sind Ergebnisse in sehr differenzierter Artigkeit möglich. Es ist faszinierend, wie sich die verschiedenen Eckfrequenzen und der Unterschied zwischen Bell und Shelf in der Praxis auswirken. Da tut man sich fast schwer, das in Worte zu fassen, aber mit dem NSEQ angereichertes Top-End kann beispielsweise eine goldig warme oder eine eher silbrige, unauffälligere Note besitzen.

Der kinderleichte Aufbau des NSEQ Layouts sorgt dafür, dass sich in Windeseile ein schneller Workflow einstellt. Der Charakter eines Tracks lässt sich sofort bestimmen. Das ist viel intuitiver und macht deutlich mehr Spaß als am Computer Punkte in einem EQ-Plugin mit einer Maus zu verschieben. Man muss sich auch seine Ohren verlassen, hört das Resultat sofort und kann es passend in einen Mix einbetten.

Dabei ist der EQ im Betrieb wirklich mucksmäuschenstill und addiert keinerlei Nebengeräusche oder Rauschen zum Signal.

Mit einem hochwertigen Alphaton Splitter teile ich das Mikrofonsignal auf mehrere Kanäle auf, schicke es durch den NSEQ-HF und auch direkt in den Wandler, um die beiden Signale zu vergleichen.

Ein Shelf von +9 dB bei 21 kHz steht vielen Aufnahmen ausgezeichnet, bei Bändchen darf es sogar noch etwas mehr sein, schließlich beträgt die tatsächliche Anhebung bei 10 kHz in dieser Einstellung gerade einmal + 3,5 dB. Selbst bei höheren Gain-Werten bleibt stets ein musikalischer Charakter erhalten, das Signal wird nicht kratzig oder flach.

Generell muss man aufpassen, nicht Höhen-süchtig zu werden, denn hat man sich einmal auf das modifizierte Signal eingehört, fällt es schwer wieder zum Ausgangsmaterial zurückzukommen. Das kann im direkten Vergleich geradezu dumpf und leblos klingen.

Mit einem fest eingestellten Q-Wert von 1 hat man im Bell-Modus einen guten Mittelwert zur Hand. Die Kurve ist nicht zu breit und nicht zu eng. Damit sind zwar keine klinischen Korrekturen möglich, aber die Artigkeit unterscheidet sich doch fundamental vom Shelf-Mode, wodurch der EQ sehr flexibel wird.

Interessant finde ich auch, wie lebendig der NSEQ-HF ein DI-Signal werden lässt. Der Precision Bass mit Flatwounds setzt sich damit im Mix noch besser durch, in den hohen Lagen entsteht ein wunderbar perliger Sound. Auch der drahtige Klang einer Telecaster wird durch die angenehmen Höhen des Millennia EQs deutlich plastischer und noch präsenter. Trotz der vielen Höhen bleibt der Gitarresound aber immer angenehm.

Aber nicht nur für Tracking ist der EQ prädestiniert. Stereo-Summensignale lassen sich ebenfalls hervorragend bearbeiten. Klavieraufnahmen beispielsweise erscheinen plötzlich noch einen klein wenig realistischer. Da die Schaltung vom großen NSEQ-4 übernommen wurde, lassen sich mit zwei NSEQ-HF auf der Summe auch komplette Mixes anreichern oder sogar Mastering-Aufgaben erledigen.

Mit ein wenig Fingerspitzengefühl erreicht man exzellente Ergebnisse. Von großem Vorteil ist hier, dass auch der Gain-Regler leicht gerastert ist und damit bei zwei Geräten absolut identische Einstellungen möglich sind.

Zugegeben, auch mit einem hochwertigen Software-EQ lässt sich heutzutage einiges anstellen. Hinter dem NSEQ-HF steckt aber eine andere Philosophie, der ich viel abgewinnen kann. Der Fokus verlagert sich vom Auge auf die Ohren und der Workflow ist extrem befriedigend, weil sich unmittelbar klangliche Verbesserungen einstellen, das Signal den Ohren noch ein wenig mehr schmeichelt fast so, als würde man einen Vorhang vor den Lautsprechern entfernen.