Kreativer Klangformer

 

Maul ist FXpansion´s Beitrag in Sachen Distortion- und Soundshaping-Effekte. Das Plug-in verheißt nicht nur äußerst flexible Klangformungsmöglichkeiten, sondern liefert sie auch. Professional Audio Autor und Dance-Producer Johannes Dicke hat den britischen Boliden im Dauereinsatz.

Von Johannes Dicke

Breite Klangwände und röhriger Charme, charaktervolle Klangfärbungen und gutes Durchsetzungsvermögen –Tugenden wie diese sind maßgebend für anspruchsvolle Produktionen. Doch was tun, wenn gerade einmal keine wertvolle Vintage-Hardware in Form von alten Bandmaschinen, Röhrenpreamps oder Gitarren-Amps zur Verfügung steht? Kein Problem, denn mit Maul hat der britische Software-Hersteller FXpansion, wohlbekannt durch seine erfolgreichen BFD-Drum Libraries, die vielversprechende Antwort parat.

 

Das Funktionsprinzip
Das Funktionsprinzip ist simpel: Drei Distortion-Bänder dienen dazu, die Signale nach Herzenslust in die Mangel zu nehmen. Die Entscheider im Londoner Hauptquartier haben sich aber nicht lumpen und zu diesem Zweck insgesamt 32 verschiedene Verzerrungstypen emulieren lassen. Angefangen bei Nachbildungen diverser Röhren- und Transistorschaltungen, über Op-Amp- und Clipping- Algorithmen, bis hin zu Waveshaper-, Bitcrusher- oder Ringmodulator-Effekten wurde für ordentlich Klangfutter von hart bis zart gesorgt. Damit beim Einsatz dieses Arsenals auch vollste Flexibilität gegeben ist, lassen sich alle Bänder zudem in unterschiedlicher Reihenfolge schalten. Je nach angestrebter Gestaltung der Klangfarbe hat der Anwender die Wahl zwischen Parallelbetrieb (Multi), Reihenschaltung (Serial) oder dem simplen Einzelbetrieb des MID-Bandes (Single). Nochmals erweitert wird das bereits ohnehin große Klangfarbenpotential schließlich durch das hauseigene Modulationssystem TransMod. Schon in den FXpansion-Effekten Etch und Bloom, sowie in der Synthesizer-Suite DCAM-Synth Squad integriert, verhilft es nun auch FXpansion Maul zu Bewegungseffekten. Als Modulationsquellen stehen zwei LFOs, ein Envelope Follower sowie eine Sample&Hold-Funktion und außerdem drei Steuerungsoptionen durch Midi-Noten bereit. Ganz am Schluss der Signalkette ermöglicht eine Ausgangssektion mit Reglern für das Gesamtmischungsverhältnis und den Ausgangspegel, sowie Pegelanzeigen der Distortion-Bänder und des Master-Ausgangs volle Kontrolle. Wer nun meint, dass ein solcher Funktionsumfang mit einem entsprechend hohen Preis zu Buche schlagen würde, irrt. Mit 79,- Euro fällt dieser erfreulicherweise günstig aus und bewegt sich damit in Relation zu ähnlichen Produkten, wie denen von Ohmforce, Soundtoys oder Izotope. Erhältlich ist Maul in Fxpansions hauseigenem Online-Shop www.fxpansion.com.

So entstehen Monster-Bassdrums
Ganz gleich, ob Vocals, Bass, Schlagzeug oder Gitarren – praktisch jeder Instrumentenklang lässt sich durch dezente Sättigungseffekte durchsetzungsfähiger gestalten, oder aber mit satter Verzerrung und bewegenden Modulationen gehörig verfremden. Ein besonders gutes Einstiegsbeispiel, um Maul´s Distortion-Abteilung näher kennenzulernen, liefern uns die ordentlich angezerrten Bassdrums, wie sie das derzeit angesagte EDM-Genre um Star-DJs wie Showtek, David Guetta oder Martin Garrix definieren. Als Ausgangsmaterial dienen Samples der legendären Drumcomputer Roland 909 und 808 oder entsprechende Sounds aus Klangerzeugern, wie Vengeance Metrum, ismism Bazzism oder vergleichbarer Drum-Instrumente. Am besten eignen sich Samples, die einen klar definierten Attack und einen vollen, satten Bassbereich aufweisen, sodass die Frequenzlücke dazwischen über Maul´s MID-Band mit Obertönen aufgefüllt werden kann. Zu diesem Zweck muss – nachdem das Plug-in als Insert-Effekt in den betreffenden Kanal unserer DAW geladen ist – der „Multi“-Modus aktiviert werden. Auf diese Weise arbeiten alle drei Distortion-Bänder parallel und können nun unabhängig voneinander Einfluss nehmen. Da Maul das Signal jedoch nach werkseitigem Standard zunächst stets unbearbeitet belässt, muss man zuallererst eine der 32 Distortion-Emulationen wählen, damit beim Abspielen auch etwas in Sachen Verzerrung zu hören ist. Zu finden ist diese Funktion Reiter über dem Dynamics-Poti. Nach kurzer Suche werden wir dort beim Algorithmus Half rect fündig, der an sich zwar erst einmal hervorragend dick und cremig klingt, jedoch die Bassdrum für unsere Zwecke erst einmal viel zu stark verzerrt. Freunde von Hardcore-Techno alter Schule werden sich zwar schon die Hände reiben, doch wer nach Sounds sucht, wie sie die oben genannte DJ-Prominenz verwendet, muss etwas feiner schrauben. Wie bereits angemerkt: Der Verzerrungsanteil unserer Bassdrum sollte lediglich eine ordentliche Portion Würze beisteuern, anstatt das Klangbild vollständig zu dominieren. Der Schlüsselparameter ist logischerweise das Mischungsverhältnis des verzerrten zum unbearbeiteten Originalsignal, sowie die richtige Frequenzeinstellung des Cutoff-Potis im MID-Band. Letztlich entsteht dort die perfekte Einstellung im Zusammenspiel der Potis für Drive, Mix, Cutoff, sowie über den Mix-Regler in der Master-Sektion.
Zum Start empfiehlt es sich erst einmal die Verzerrungsfarbe per Cutoff-Poti zu bestimmen. Dieses betätigt das Bandpass-Filter am Modul-Eingang, dessen Breite und Flankensteilheit durch die nebenan liegenden Width- und Q-Regler eingestellt werden können. Anschließend wird der Verzerrungsgrad per Drive Regler justiert, um dann mit dem Mix-Poti, sowie dem gleichnamigen Regler in der Mastersektion das gewünschte Mischungsverhältnis einzustellen. Bei Bedarf kann nun noch mithilfe der bandinternen In- und Output-Regler der Signalpegel angeglichen werden. Ein gutes Richtmaß für das ideale Endresultat ist, wenn Attack- und Bassbereich des Originalsignals noch gut durchkommen und der Sound insgesamt nicht an „Punch“ verliert. Lediglich der große Frequenzbereich zwischen Attack und Bassbereich sollte durch knurrige Distortion-Obertöne deutlich aufgefüllt werden, so dass der charakteristische EDM-Bassdrum-Klang dabei herauskommt.

Dezent bis apokalyptisch
Wer sein Klangergebnis noch weiter verfeinern möchte, kann das Aggressionspotential der Verzerrung über ein zweites Filter, welches sich am Band-Ausgang hinter dem Tone-Regler verbirgt zusätzlich feinjustieren. Bei Bedarf lässt sich dieses wahlweise als Low-, High- oder Bandpass schalten. Sozusagen als Tüpfelchen auf dem „i“ gibt’s noch eine Saturate-Funktion obendrauf, die sowohl für jedes einzelne Band, als auch für die Summe am Plug-in Ausgang eine extra Portion Sättigung bereitstellt. Allerdings sind deren klangliche Auswirkungen durchweg eher dezent, scheinen jedoch für eine Prise gewisses Etwas genau das Richtige Werkzeug zu sein. Last but not least kann das Signal am letzten Ende der Signalkette bei Bedarf mit einem Limiter verdichtet werden. Eine praktische Einrichtung, die jedoch mit Vorsicht zu geniessen ist: Da dieses Feature in der Soft-Variante ausgeführt ist, darf es nämlich nicht vollkommen sorglos als Übersteuerungsschutz eingesetzt werden, denn all zu schnelle Transienten dürfen ob der vergleichsweise langen Attack-Zeit trotzdem passieren. Doch damit nicht genug, denn ein weiteres, äußerst sinnvolles Soundshaping-Werkzeug in Form der Dynamics-Funktion für jedes der drei Distortion-Module zur Verfügung. Dahinter verbirgt sich ein spezieller Transienten-Former, ähnlich wie im SPL Transient Designer. Der jedem gutinformierten Leser wohlbekannte Effekt ist, wenn auch nicht ganz so umfangreich steuerbar, wie im Original immer wieder genial praktisch: Entweder kann man durch Drehen in Richtung „Bite“ der Attackbereich von Transienten verstärken, oder aber in die entgegengesetzte Richtung „Body“ das hintere Transientenende besonders hervorheben. Zwar bietet sich, wie bereits angedeutet, aufgrund des gemeinsamen Reglers für beide Funktionen lediglich die Möglichkeit, jeweils nur eine aber nicht beide gleichzeitig zu nutzen. Doch genau das macht die Bedienung widerum intuitiver, bei ohnehin wirkungsvoller Zusatzbereicherung des Signalformungskanons von Maul. Typische Einsatzgebiete finden sich beispielsweise im sogenannten Gating-Hall, wie er in den 1980er Jahren in Mode kam. Bekannt geworden ist dieser Effekt unter anderem durch riesengroß wirkende Snare-Hallfahnen, wie sie Phil Collins seinerzeit in seinen Produktionen einsetzte. Aktuell wird dieser Effekt im Dance-Bereich – und nicht nur dort – wieder erfolgreich eingesetzt, zum Beispiel für auftaktige Snaredrums oder bombastische Bigroom Leadsynths.

Bewegende Klangvariation
Nachdem Maul´s Multiband-Verzerrung und die darin enthaltene Dynamics-Funktion bereits eine hervorragende Figur gemacht haben, tritt nun das TransMod Modulationssystem zur lebhaften Kür an. Wie schon Eingangs erwähnt, bieten sich dort mit zwei LFOs, einem Envelope-Follower, einer Sample & Hold Funktion, drei Modi zur Parametersteuerung durch Midi-Noten, sowie einem Noise-Generator insgesamt acht Modulationsquellen. Damit lässt sich jeglicher Parameter ansteuern, der hinter einem der Drehregler von Multiband-Abteilung, Modulationssystem und Master Sektion steckt. Dabei sind lediglich die Phasensteuerung beider LFOs, sowie sämtliche Buttons und Schalter sinnvollerweise von den Verschaltungsoptionen ausgenommen. All diese Modulationsmöglichkeiten bringen jede Menge Bewegungspotential ins Spiel und bieten sich insbesondere an, statische Klänge lebendiger zu gestalten. Für besonders deutliche Effekte bieten sich vor allem die Filterparameter Cutoff und Tone an. Damit lassen sich zum Beispiel per Sample&Hold-Funktion Padsounds aufregender gestalten, Leadsynths mit dem Envelope-Follower griffiger machen oder aber Rhythmus-Gitarren LFO-gesteuert mit Wah-Wah-Automationen aufpeppen.

Das TransMod-System im Detail
Um uns die Funktionsweise und das klangliche Potential des TransMod Systems én Detail anzuschauen, wollen wir uns zunächst dem Routing eines Modulators auf ein Ziel oder mehrere Ziele widmen. Als Beispiel eignen sich gerade die LFOs hervorragend: Nehmen wir also an, die LFO-Frequenz soll zunächst den Cutoff-Parameter im MID-Band steuern. Zu diesem Zweck muss zuerst über die Buttonleiste in der Mitte des GUI die gewünschte Modulationsquelle ausgewählt werden, die dann beliebig vielen Zielen zuweisbar ist. Wird der Mauszeiger am äußeren Rand des Cutoff-Reglers entlang gefahren, kann man dort ein beliebiger Modulationsbereich einstellen – beispielsweise von 159 Hertz bis 2 Kilohertz. Dieser erscheint bereits während des Einstellvorgangs gelb hinterlegt und wird zusätzlich durch ein sich im Modulationstakt auf- und ab bewegendes Dreieck gekennzeichnet, das die Modulatorbewegung visualisiert. Damit ist der Anwender jederzeit informiert, welche Parameter er bereits dem jeweils angewählten Modulator zugewiesen hat. Wird nun ein Signal, wie beispielsweise ein lang gehaltener Pad-Synth, durch Maul geschickt, wird es im Rhythmus des LFOs per ausgewähltem Cutoff-Filter zerhackt. Wie ergiebig bereits solche einfachen Routings sein können, zeigt eine praktische Anwendung, wie sie unter anderem in der Dance-Produktion zum Standard-Repertoire gehört. Dabei handelt es sich um einen Gating-Effekt im Songtempo, ähnlich dem sogenannten und aus der Radio-Produktion bekannten, sogenannten Ducking-Effekt. Ziel ist, dass sich mit der Bassdrum konkurrierende Instrumente bei jedem ihrer Schläge wirkungsvoll „wegducken“, so dass sich die Bassdrum infolgedessen umso deutlicher im Mix durchsetzt. Zu diesen Zweck müssen zunächst einmal die Signale der betreffenden Instrumente auf eine Gruppenspur geschickt werden, die dann in einem der zu Verfügung stehenden Insert-Effekt Slots mit einer Instanz von Maul versehen wird. Dort machen wir uns abermals die Parameter-Modulation durch einen der beiden LFOs zu Nutze, indem wir dieses Mal den Gain-Regler der Master-Sektion als Ziel auswählen. Dazu markieren wir 50 Prozent des Poti-Regelbereichs, so dass fortan Maul´s Ausgangspegel bei jedem LFO-Impuls entsprechend weit heruntergefahren wird. Werkseitig geht das bereits praktischerweise synchron zum Songtempo vonstatten, weshalb es am Ende lediglich noch der passenden Bereichseinstellung am Master-Gain Poti bedarf. Dessen Größe richtet sich danach, wie stark sich die verwendete Bassdrum gegenüber den mit Maul „geduckten“ Instrumenten durchsetzen soll. Wie stark heruntergeregelt werden sollte, muss immer im Einzelfall erhört werden, wozu sich lediglich einige Richtwerte empfehlen: Bei Pad-Sounds bieten sich volle 100 Prozent Pegelreduktion an, um den Vierviertelrhythmus des Songs stärker in den Vordergrund zu bringen und zudem den Instrumentenklang gattungsgemäß weit in den Hintergrund zu rücken. Anders verhält es sich mit Leadsounds, die in Kombination mit Bassdrum-synchronem Ducking meist besser klingen, wenn ihr Signalpegel zwischen 25 und 75 Prozent weit heruntergeregelt wird. Letzten Endes sollte jedoch immer nach Gehör und Gefühl entschieden werden, denn allzu oft funktioniert genau das, was gefällt.

Fazit
Maul entpuppt sich durch seine Kombination aus Multiband-Verzerrung, Transient-Shaper und Modulationssystem als herrlicher Klangformer mit hervorragendem Sound. Das Plug-In ermöglicht eine außerordentliche Vielzahl an Sättigungs- und Verzerrungsvariationen von dezent bis apokalyptisch und eignet sich daher für alle erdenklichen Maßnahmen zur Signalformung. Summa summarum sind es die fantastischen Soundshaping-Möglichkeiten, die auf den Punkt gebrachte Ausstattung, sowie nicht zuletzt das mit 79,- Euro ausgesprochen gute Preis-Leistungsverhältnis, die dieses Plugin zu einem Hochkaräter machen, der in keiner Plugin-Sammlung fehlen sollte.

Erschienen in Ausgabe 08/2014

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 79 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut