Der graue Riese

Ein Riese im übertragen Sinne ist der neue TD 150PROII von GJ Acoustics, denn dieser Passiv-Lautsprecher ist ein Wiedergabe-Gigant.

Von Harald Wittig 

In der Ausgabe 1/2013 hatten wir mit dem passiven Nahfeld-Monitor Macro 100 erstmals einen Abhör-Lautsprecher der Hamburger Manufaktur G.J. Acoustics im Test und waren wegen der hervorragenden Wiedergabeeigenschaften des Kompaktlautsprechers nicht direkt aus dem Häuschen, aber jedenfalls begeistert. Entsprechend voll hoher Erwartung waren wir, als uns Stefan Mayer vom G. J. Acoustic-Vertrieb For-Tune ein neues Modell ankündigte, das sich heute dem Test stellt: Der TD 150PROII ist ein passiver Zwei-Wege-Lautsprecher für den Studioeinsatz, für eine mittlere Abhörentfernungen von 2,3 Metern optimiert und zum vergleichsweise hohen Stückpreis von rund 2.800 Euro zu haben. Ein ambitionierter Preis, der sich auch in einer entsprechenden Klangqualität widerspiegeln sollte, weswegen wir uns den Prüfling doch mal gleich näher ansehen und anhören wollen.

Die „II“ im Namen des Lautsprechers lässt erkennen, dass es bereits einen TD 150PRO gab, der bei erfahrenen Praktikern den Ruf eines besonders präzisen Abhörwerkzeugs genoss. G. J. Acoustic Chefdenker Gennaro Javarone gehört aber bestimmt nicht zu den Entwicklern, die sich auf ihrem Lorbeer ausruhen. Stattdessen bleibt der Hamburger mit dem klangvollen italienischen Namen weiterhin ein besessener Überzeugungstäter in Sachen Lautsprecher, der stets bestrebt ist, das bereits Gute zum noch hörbar Besseren weiterzuentwickeln. Der neue TD 150PROII ist auf der gesunden Basis des erfolgreichen Vorgängers entwickelt worden, infolgedessen ist das Gehäuse aus einer 27 Millimeter starken mitteldichten Faserplatte (MDF) unverändert geblieben. Markant sind die beiden dreieckigen Bassreflexöffnungen auf der Frontseite und die elefantenhautgraue Nextel-Beschichtung – beides typische Erkennungsmerkmale der G. J. Acoustic-Lautsprecher. Intern ist das Gehäuse selbstverständlich verstrebt, um verfälschende Resonanzen wirksam zu unterdrücken. Denn alles, was die Wiedergabe verfälschen und damit den hohen Anspruch des Herstellers an eine möglichst signaltreue, also neutrale Wiedergabe sabotieren könnte, ist bei jeder Einzelkomponente so weit wie möglich zu minimieren.Das gilt notwendig auch für die beiden Chassis. Der Tief-Mitteltöner des TD 150PROII stammt aus europäischer Fertigung und ist der augenfälligste Neuzugang beim TD 150PRO-Modell. Die 20 Zentimeter-Membran besteht aus einem Materialmix aus Papier, Kevlar/Aramid und pigmentierten Harzen. Diese Mischung soll Partialschwingungen verringern und verbessere das „Roll-Off-Verhalten“ im obersten Übertragungsbereich des Tief-Mitteltöners. Zudem weise der Lautsprecher dank dieser Membran deutlich geringere Resonanzen im oberen Frequenzbereich auf. Auffällig ist die silberne Spitze, die aus der Membranmitte hervorragt. Dabei handelt es sich um ein sogenanntes Phase-Plug. Es sitzt an der Stelle, wo sich sonst die Staubschutzkalotte findet, ist jedoch fest mit dem Polkern verbunden und bewegt sich folglich nicht. Die Befürworter eines Phase-Plugs bei einem frei strahlenden Konuslautsprecher-Chassis wie dem des TD 150PROII sind davon überzeugt, dass dieses eine Reflexion der vom Konus abgestrahlten Schallwellen am Polkern verhindere oder zumindest mindere. Auch ist die Auffassung verbreitet, dass bei herkömmlichen Systemen Phasenverschiebungen zwischen Direktschall und reflektierten Komponenten zu Auslöschungen führen, die das Phase-Plug verhindere. Schließlich erhöhe sich dank des Phase-Plugs – sofern es wie in diesem Fall aus wärmeleitfähigem Material, genau gesagt aus Aluminium ist – die thermische Belastbarkeit des Lautsprecherchassis wesentlich. Wir wollen aber nicht verschweigen, dass der Einsatz eines solchen Phase-Plug zweiter Art, wie es korrekt bezeichnet sein sollte, umstritten ist. Kritiker sprechen sogar abfällig von einer Modeerscheinung, die zu keinen eindeutigen, messtechnisch belegbaren Verbesserungen führe. Wie dem auch sei: Gennaro Javarone ist überzeugt, dass der neue Tiefmittel-Töner eine noch bessere Sprachverständlichkeit und Klarheit im wichtigen Mittenbereich liefere als der des Vorgänger-Lautsprechers. Wir sind jedenfalls gespannt, wie der TD 150PROII aufspielen wird.

Als erfahrener Entwickler weiß der G. J: Acoustic-Chef selbstverständlich, dass es mit dem Austausch des Lautsprecherchassis nicht getan ist. Deswegen ist der TD 150PROII mit einer völligen neuen Frequenzweiche ausgestattet, die ein optimales Abstrahlverhalten des Gesamtsystems garantiert. Am Besten gelingt das, wenn die beiden Chassis möglichst tief getrennt werden, um nicht in den Bereich zu geraten, wo der Tief-Mitteltöner schon zu bündeln beginnt. Im Fall des TD 150 PROII liegt die Übergangsfrequenz bei auffällig tiefen 1.600 Hertz, was, die Kenner wissen es, einen entsprechenden Hochtöner voraussetzt. Es handelt sich dabei um das Modell 27TB/GB-DXT des renommierten norwegischen Lautsprecherherstellers SEAS-Prestige, der schon im ersten TD 150 für den guten Hochton sorgte. Der auch unter der Bezeichung H1499 bekannte Hochtöner hat eine 25 Millimeter-Kalotte aus einer Aluminium-Magnesium-Legierung. Besondere Beachtung verdient das schallführende Element, der sogenannte Waveguide inmitten dessen der sichtbare Teil des Hochtöners erkennbar ist: Es handelt sich dabei um eine vergleichsweise neue Entwicklung der SEAS-Ingenieure. Hinter dem Kürzel DXT verbirgt sich auch die Funktion dieses Waveguides: Die drei Buchstaben stehen nämlich für „Diffraction eXpansion Technology“. DXT dient dazu, das Abstrahlverhalten zu optimieren und die klangschädigende Beugung – englisch Diffraction – an den Schallwandkanten zu reduzieren. Dieser Hochtöner ist bekannt für sein außergewöhnliches Rundstrahlverhalten. Die Bündelung setzt bereits bei 3,5 kHz ein und ist zwischen vier und elf Kilohertz annähernd konstant, sodass der H1499 einer Schallquelle mit konstanter Richtwirkung in diesem Frequenzbereich sehr nahe kommt. Hinzu kommen ein sehr gutes Klirrverhalten und ein linearer Amplitudenfrequenzgang ohne Einbrüche.Richten wir den Blick auf die Rückseite des TD 150PROII, erblicken wir das Anschluss-Panel mit den vergoldeten Schraubklemmen aus massivem Messing zum Anschluss des Lautsprecherkabels. Gennaro Javarone ist übrigens davon überzeugt, dass Kabelstecker und Klemmen aus dem gleichen Material beschaffen sein sollten. Der kleine Schalter über den Klemmen dient der Anpassung des Lautsprechers bei stark bedämpften Räumen und sorgt für eine sanfte Anhebung des Hochtonbereichs um +2dB. Der Entwickler hält ansonsten nichts von aufwendigen Equalizern zur Raumanpassung und spricht sich ganz klar und damit auch in unserem Sinne für einen akustisch optimierte Abhörumgebung aus.

Genau die stellt das Projektstudio von Professional audio dar und so nimmt das TD 150PROII-Paar auf den Konsolen Platz, ist mit der von Stefan Meyer mitgelieferten Stereo-Endstufe von United Minorities (siehe Test von The Flow in Ausgabe 9/2008) verbunden und somit bereit zur Wiedergabe. Zunächst hören wir das hervorragend produzierte Album „All Your Life“, das Tribut des Gitarrenvirtuosen Al Di Meola an die Beatles. Ein wirklich guter Lautsprecher hat eine Raumdarstellung, die einen vergessen lässt, dass lediglich ein Stereo-System aufspielt, denn der Klang bekommt eine annähernd dreidimensionale Qualität. Genau das liefert der TD 150PROII ganz im Sinne seines Entwicklers: Wir hören nicht etwa links, rechts und mittig – das können fast alle Studio-Monitore. Geschenkt. Dieser Lautsprecher hingegen kennt auch oben und unten, vorne und hinten, jeweils in Feinabstufungen. Beispielsweise bewegt sich beim Titel „I Am The Walrus“ eine dritte Gitarre mittig im Panorama positioniert abhängig von ihrer musikalischen Relevanz näher zum Hörer hin beziehungsweise von ihm weg. Das ist so subtil gemischt, dass dieser tontechnische Kunstgriff von einfacheren Lautsprechern schlichtweg nicht darstellbar ist.Das Impulsverhalten des Monitors ist ausgezeichnet, den typischen knackigen Ton einer mit beinhartem Anschlag und starkem Plektrum gespielten Akustik-Gitarre präsentiert er detailreich und mit der ungeschönten Klarheit eines Messinstruments. Das gilt auch für den Flügel von Pianist und Professional audio-Mitarbeiter Johannes Dicke, zu hören auf dem wunderschönen Titel „Prelude To Death“ unserer DVD-Ausgabe 4/2013: Da gefallen uns neben den fein aufgelösten Höhen vor allem auch die satten Bässe.Apropos: Gennaro Javarone bestätigt auf unsere Nachfrage, dass der TD 150PROII ein Vollbereichslautsprecher sei, der bis 35 Hertz hinabreicht und in den meisten Fällen keines Tieftonlautsprechers bedarf. Die Basswiedergabe ist in der Tat geprägt von einer sehr hohen Impulsfestigkeit, die sich weder vom Double-Bass-Gewitter eines Metal-Drummers, noch von funky Slap-Attacken und knallharten Elektrobässen aus der Ruhe bringen lässt: Bässe bleiben stets trocken, exakt fokussiert und konturiert. Auch der wichtige Mittenbereich ist sehr ausgewogen und klar dargestellt, speziell im Bereich der unteren Mitten erhören wir weder unzulässige Andickungen noch Auslöschungen, während die oberen Mitten, also der Präsenzbereich sehr plastisch erscheint. Dabei enthält sich der Monitor jeder verfälschenden Anhebung und bleibt standhaft bei seiner vorbildlich neutralen Wiedergabe.

Fazit

Wer 2.800 Euro für einen passiven Studio-Monitor ausgibt, erwartet höchste Wiedergabe-Präzision. Genau die bietet der TD 150PROII von G. J. Acoustics, denn er ist ein Spitzenlautsprecher ohne Kompromisse, somit ein Werkzeug für Tonschaffende.

Erschienen in Ausgabe 10/2013

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 2797 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut