Play mobil

Nachdem der französische Softwarehersteller Modartt zu Beginn des Jahres sein physikalisch modelliertes Klavier „Pianoteq“ in einer nochmals verbesserten Version präsentierte, folgt nun der nächste Streich: Die Software ist nunmehr nicht nur als VST, sondern auch vollumfänglich auf iOS-Mobilgeräten nutzbar und macht User damit so flexibel wie nie zuvor. 

von Simon Kramer

Kinder, wie die Zeit verfliegt! Es fühlt sich an wie gestern, als wir euch mit einen umfangreichen und sehr ausführlichen Produkttest des neuen Pianoteq 8 aus dem Hause Modartt beglücken konnten. In der Tat ist das nun auch schon wieder weit über ein Vierteljahr her und der französische Hersteller, der für sein modelliertes Piano inzwischen viele Preise einheimsen konnte, hat seine Androhung, die Software auch als iOS-Version auf den Markt bringen zu wollen, mittlerweile wahrgemacht. Wie ihr dem Produkttest aus der Ausgabe 2/2023 entnehmen könnt, haben wir Pianoteq 8 aufgrund seines optimierten Klangs, der erweiterten Funktionen und der Hinzunahme einer Konzertgitarre als Modelling Instrument zurecht abgefeiert und waren daher extrem gespannt, wie sich die iOS-Variante schlagen würde – und vor allem, auf welche Einschränkungen sich User hier gefasst machen müssen. Um es vorweg zu sagen: auf keine! Was? Exakt!

Licence to… „play“
Es mag unterm Strich keine Sensation mehr sein, wenn Hersteller ihre Software auch für mobile Endgeräte wie Handys oder Tablets verfügbar machen, doch im Falle von Pianoteq 8 ist die mobile Variante tatsächlich ein kleines Highlight. Zum einen handelt es sich auch hier nicht um das Sampling eines (E-)Pianos, sondern um Physical Modelling, zum anderen erhält der User hier ein extrem faires Lizenz-Modell. Wer nämlich bereits im Besitz einer Pianoteq 8 Lizenz ist und die Software nutzt, kann die App komplett kostenfrei herunterladen und alle Inhalte dort ohne Zusatzkosten nutzen. Anders formuliert: Pianoteq 8 Kunden können ihre bereits erworbene Lizenz ganz einfach auf den App-Store übertragen, um die Software auf allen iOS-Geräten zu nutzen. Auf allen? Nicht ganz. Mindestanforderung ist iOS Version 15, darunter wird die App nicht laufen.

Feel like home
Hat man es bei vielen Musik- beziehungsweise Musikproduktions-App meist mit abgespeckten Downsizing-Versionen zu tun, die häufig in puncto Leistung und Funktionsumfang Einschränkungen seitens der Hersteller unterliegen, liefert Modartt eine 1:1 Version ihres VST-Instruments. Das heißt im Klartext, dass man – wie oben bereits angedeutet – auf nichts verzichten muss und Zugriff auf alle Pianos, die in Pianoteq 8 eingeführte Konzertgitarre sowie den gesamten Funktionsumfang inklusive Hall, Tuning, (visuelle) Mikrofonierung und Noteneditor hat, sofern man die entsprechenden Zusatz-Instrumentenpacks erworben hat. Wer Pianoteq bereits auf dem Computer nutzt, wird sich in der App-Version schnell zurecht finden, denn das übersichtliche und gut strukturierte User-Interface ist ebenfalls identisch. So benötigt es keine Umstellung und es kann am Mobilgerät direkt musiziert und produziert werden. Wem die Bedienung der virtuellen Tastatur auf dem Mobilgerät etwas zu „fummelig“ ist und eine mehr „realistische“ Performance bevorzugt, kann über einen entsprechenden Adapter oder wireless via Blutooth ein externes MIDI-Keyboard verbinden. Klasse!

Stage, Standard oder PRO?
Die Pianoteq-App lässt dich entweder Stand-alone oder als AUv3-Plug-in nutzen und erscheint, so wie man es von der VST-Variante kennt, in drei Versionen. Alle drei unterscheiden sich lediglich in ihrem Funktionsumfang, während die grundlegenden Einstellungen identisch sind. Pianoteq Stage ist mit 139 Euro die einfachste und kostengünstigste Version, verzichtet aber auf wesentliche Edit-Funktionen. Die Standard-Version (269 Euro) ist deutlich umfangreicher und bietet viele Tuning-Optionen. Die PRO-Version (399 Euro) liefert letztlich Zugriff auf alle Parameter und bietet – wie der Name vermuten lässt – eine sehr detaillierte professionelle Bearbeitung des Klangs. Interessant für alle Neueinsteiger und Unentschlossene: Die Modartt Pianoteq-App für iOS wird grundsätzlich als Test-Version kostenlos angeboten – lediglich einzelne Töne funktionieren dort nicht.

Physical Modelling „to go“
Werfen wir nun noch einen Blick auf die Bedienung in der Praxis. Hierfür standen im Test ein iPad sowie ein iPhone SE (2021) mit iOS 16.5 zur Verfügung. Der Download der App via App Store war – wie vermutet – ein Kinderspiel. Da bereits eine PRO-Lizenz im User-Account zur Verfügung stand, konnte via App und dem Button „Restore Puchases“ die gültige Lizenz in Windeseile über den User Account in die App geladen werden. Wie bereits erwähnt, muss man bei der iOS-Variante auf keine Details der VST-Version verzichten, was vor allem für das Spielen und die damit verbundenen Klangartikulationen ein absoluter Vorteil ist. Die Möglichkeiten sich hier pianistisch ausdrücken zu können, insbesondere dann, wenn ein externes MIDI-Keyboard angeschlossen wird, sind unglaublich und das mit einer Klangqualität, die man einem iPad/iPhone so wohl nicht zutrauen würde. Zwar stehen bei Pianoteq (der Name verrät es) Klavier-Sounds im Vordergrund, trotzdem verblüfft die Software, die mit Modulen erweiterbar ist, auch mit feinen Vinatge Keys wie Rhodes und Wurlitzer, aber auch mit der neuen Konzertgitarre sowie Clavinet-, Marimba- und Harfen-Klängen. Abschließend soll hier noch einmal auf den ausführlichen Testbericht aus Ausgabe 2/2023 verwiesen werden, der alle Funktionen der Software in der Tiefe beleuchtet und – wie hier gelernt – 1:1 auf die iOS Version übertragbar ist.