Der Signal-Lotse

Es muss nicht gleich ein opulent ausgestattetes Mischpult sein, wenn es um das Routen, Abhören und Testen von Signalen geht. Das Audio Monitor System GMS 2100 von Ghielmetti erledigt das deutlich platzsparender und wartet überdies mit einigen pfiffigen Features auf. 

Von Georg Berger 

Das Schweizer Unternehmen Ghielmetti ist in erster Linie als Hersteller von Signalverteilern und Kreuzschienen für den Audio- und Videobereich bekannt. Komplexe Netzwerke aus Ein- und Ausgängen lassen sich über solch eine Schalt-Matrix bequem miteinander verknüpfen und gestatten beispielsweise das Routen eines Eingangs auf eine Vielzahl von Ausgängen. Kurz und bündig, Kreuzschienen werden überall dort gebraucht, wo es um das Verteilen vieler Signalstränge geht, also etwa im Broadcast-Bereich, in Theatern und Opernhäusern oder in Kongress-Centern. Doch es geht auch ein paar Nummern kleiner, wie das seit 1912 existierende Unternehmen mit dem seit kurzem erhältlichen Audio Monitor System GMS 2100 beweisen will. 

Ganz der Kern-Kompetenz verpflichtet, wartet der Ghielmetti-Neuling mit einer analogen 3×1 und einer digitalen 4×1 Signal-Matrix auf. Das Gerät jedoch als mickrige Light-Variante einer Kreuzschiene abqualifizieren zu wollen, wird dem GMS 2100 dabei überhaupt nicht gerecht. Durch weitere Features wie einen eingebauten Sinuston-Generator, ein skalierbares Pegel- und Phasen-Messgerät, einen regelbaren Kopfhörer-Verstärker und sogar zwei integrierten Abhör-Lautsprechern erweitern sich die Einsatzmöglichkeiten des Controllers im Vergleich zu herkömmlichen Kreuzschienen beträchtlich. Ebenfalls beträchtlich ist auch der mit knapp 3.500 Euro bezifferte Verkaufspreis. Etwa 300 Euro günstiger geht es übrigens bei Kauf des Modells GMS 2110, das bei ansonsten identischer Ausstattung ohne Sinuston-Generator auskommt. Doch der Reihe nach.    Das GMS 2100 verfügt auf analoger Ebene über drei Eingänge und einen Ausgang jeweils in stereo, realisiert über separate XLR- und servosymmetrische Klinken-Buchsen pro Kanal. Digital stehen vier Stereo-Eingänge und ein Ausgang zur Verfügung. Der GMS 2100 sendet und empfängt dabei AES/EBU- oder S/PDIF-Signale, die über XLR- und BNC-Anschlüsse abgegriffen werden. Auffällig: Der dritte Analog- und vierte Digital-Eingang ist über eine vierpolige Buchse auf der Frontplatte zugänglich, die zur Aufnahme sogenannter G3P-Stecker (Ghielmetti 3-Pol) dienen, einem von Ghielmetti entwickelten, proprietären Steckertyp. Drei Patchkabel sowie zwei Adapterkabel von G3P auf XLR werden übrigens mitgeliefert. Die Anschlussmöglichkeiten werden komplettiert durch eine RS485-Schnittstelle auf der Rückseite, zum Anschluss einer kabelgebundenen Fernbedienung, einer frontseitigen Kopfhörer-Buchse sowie drei weiteren G3P-Buchsen, die das Signal des Sinuston-Generators analog und digital aus dem Gerät herausführen.

Der Hingucker schlechthin sind die zwei integrierten Lautsprecher, die ein bequemes Abhören des gerade aktivierten Eingangs, sozusagen „out-of-the-box“, gestatten. Dahinter arbeiten zwei 10-Watt-Digital-Verstärker, was für ein Kontrollhören allemal ausreichend ist. Die Lautsprecher sowie der separate, analoge Kopfhörer-Verstärker sind selbstverständlich per Regler in der Lautstärke justierbar. Die Lautsprecher werden bei Anschluss eines Kopfhörers übrigens stumm geschaltet. Sehr schön: Zieht man den Stecker des Kopfhörers wird das Signal verzögert auf die Lautsprecher eingeblendet. Das schützt nicht nur die Lautsprecher, es vermeidet auch das Ansteigen der Pulsfrequenz bei schreckhaften Zeitgenossen. Genial: Der Kopfhörer-Ausgang lässt sich durch Hinzuschalten eines Zusatz-Verstärkers um 40 Dezibel erhöhen. Sinn und Zweck: Das Abhören sehr leiser Signale, beispielsweise von einem unverstärkten Mikrofon ist dadurch, ausweislich unseres Tests, bequem möglich. Wer jetzt Angst um seine Ohren und Kopfhörer hat, wenn in diesem Modus auf einen Kanal mit anliegendem Line-Pegel umgeschaltet wird, kann beruhigt werden. Der GMS 2100 verfügt über eine Schutzschaltung, die bei Pegeln größer -20 dBu den Zusatzverstärker automatisch deaktiviert. Ghielmetti hat also an alles gedacht. Doch es geht noch weiter.  Nicht alltäglich sind darüber hinaus Panpots zum Einstellen des Stereo-Panoramas sowohl für die Lautsprecher, als auch für den Kopfhörer. Wichtig: Lautstärke- und Panorama-Einstellungen betreffen dabei ausschließlich Kopfhörer-Verstärker und die Lautsprecher. Das über die XLR-/Klinken-/BNC-Ausgänge geführte Ausgangs-Signal ist davon ausgenommen. Wie es sich für einen gut ausgestatteten Monitor-Controller gehört, ist das Signal wahlweise in stereo oder summiert in mono abhörbar, wiederum natürlich nur auf die integrierten Abhörmöglichkeiten bezogen. Zusätzlich lassen sich die einzelnen Stereokanäle separat abhören, wobei sie in mono auf beide Lautsprecher-/Kopfhörer-Kanäle geschickt werden. Ein Druck auf die beigeordneten, hinterleuchteten Taster genügt, hinter denen Relais aktiviert werden. Komplettiert wird das Arsenal an On-Board Monitor-Controller-Funktionen durch eine Mute-Taste zum gemeinsamen stumm Schalten von Kopfhörer und Lautsprecher und eine globale Kill-Funktion (Off-Taste), die sämtlichen Signalverkehr in und aus dem GMS 2100 schlagartig unterbindet. Feedbacks haben damit nur wenig Chancen. Ein anschließender Druck auf einen Input-Taster schaltet den Ghielmetti-Controller wieder auf Durchzug wobei automatisch der soeben gewählte Eingang auf die Ausgänge gegeben wird. Um die drei analogen und vier digitalen Eingangskanäle abhören zu können, muss der jeweils dazu korrespondierende Input-Taster gedrückt werden. Hierbei lässt sich ausschließlich ein Eingang abhören und simultan auf die analogen und digitalen Ausgänge schicken. Das Verknüpfen und Summieren mehrerer Eingänge auf einen wählbaren Ausgang ist jedoch nicht möglich, was die Einsatzmöglichkeiten des Geräts deutlich erhöht hätte. So bleibt es bei einer simplen 1:1-Verknüpfung jeweils eines Eingangs auf einen Ausgang. 

Eine weitere Kontroll-Funktion bietet das sehr präzise arbeitende Stereo-Level-Meter, das die Pegel des gerade aktivierten Eingangs zeigt. Eher versteckt an der rechten Seite der Meter-Ketten findet sich sogar eine Phasen-Anzeige, realisiert über drei LEDs, wobei die obere LED die Monokompatibilität signalisiert und die untere das Gegenteil. Das Aufleuchten der mittleren LED zeigt eine bedingte Monokompatibilität an. Ein waschechtes Phasen-Goniometer kann dieses Feature zwar nicht ersetzen, aber immerhin, zumal solch ein Werkzeug nicht zu den standardmäßigen Ausstattungsmerkmalen solcher Geräte zählen. Der Clou: Über vier DIP-Schalter auf der Geräte-Rückseite ist das Level-Meter auf vier verschiedene Skalen einstellbar (DIN 45406, Nordic N9, BBC British IIa, Digital). Damit nicht genug, lässt sich auch das Verhalten der Anzeige einstellen (Peak, Peak-Hold, RMS, Peak + RMS). Schade ist, dass diese Einstellungen ausschließlich auf der Rückseite erfolgen. Ghielmetti beraubt den Controller und den Anwender durch diese Lösung um weiteren Bedienkomfort und Zusatz-Nutzen. Denn einmal ins Rack eingebaut, wird man kaum noch einmal Hand an die Schalter legen. Wer also mal rasch zwischen digitaler Anzeige und DIN-Norm umschalten will, um verlässliche Werte über die analogen und digital eingespeisten Signale zu erhalten, guckt in die Röhre.   Last but not Least wartet der GMS 2100 mit einem Sinuston-Generator auf, der trotz überschaubarer Ausstattung mit einigen pfiffigen Features ausgestattet ist. Der Generator offeriert Töne von einem Kilohertz (europäische Norm) und 800 Hertz (amerikanische Norm). Sehr schön: Per Taster lässt sich der Testton in stereo oder separat auf nur einen Stereokanal schicken. Wer mag, kann dabei die beiden Tonhöhe in Kombination auf jeweils einen Stereokanal schicken. Die Lautstärke ist in Zehn-Dezibel-Abständen zwischen -50 bis +10 dBu einstellbar. Darüber hinaus ist die Samplerate des digital herausgeführten AES/EBU-Testsignals in den üblichen Werten zwischen 32 bis 192 Kilohertz einstellbar. Bemerkenswert: Der Generator verfügt über einen eigenen DA-Wandler zur Ausgabe des analogen Testtons. 

Die inneren Werte des GMS 2100 können sich ebenfalls sehen lassen und zeugen vom Know-how und Geschick des Chefentwicklers Martin Hollinger. Denn mit einem bloßen internen Verkabeln von Ein- und Ausgängen ist es nicht getan. Unter der Oberfläche werkelt vielmehr ein komplexes Geflecht aus analoger und digitaler Signalverarbeitung. Analoge Eingangssignale werden gleichzeitig direkt an den analogen Ausgang und in einen AD-Wandler geschickt, wobei das Signal wahlweise mit 96 oder 192 Kilohertz gewandelt und anschließend an den Digital-Ausgang weitergeleitet wird. Bemerkenswert: Analog-Signale mit einem Pegel von 0 Dezibel sind per internem Verstärker digital auf -15 dBfs eingestellt. Konsequenz: Analog-Pegel größer 15 dBu werden digital verzerrt ausgegeben, ein Wert, der jedoch in der Praxis wohl eher selten anzutreffen ist, weshalb das in Ordnung geht, wenngleich Pegel von maximal 28 dBu am Analog-Ausgang anliegen können. Digitale Signale werden beim Einspeisen zunächst auf TTL-Pegel (Fünf Volt) verstärkt und gelangen anschließend an den Digital-Ausgang, wobei logischerweise die Samplingrate des eingespeisten Signals an den Digital-Ausgang durchgereicht wird. Der GMS 2100 erkennt dabei automatisch die jeweils existente Samplingrate und gleicht diese beim Umschalten auf einen anderen Digital-Eingang blitzschnell um. Gleichzeitig wird das digitale Signal durch einen DA-Wandler geschickt und auf den analogen Ausgang gegeben. Hierbei gilt wiederum, dass ein Pegel von -15 dBfs mit einem Pegel von 0 dBu ausgegeben wird. Bemerkenswert: Der Lautsprecher-Verstärker arbeitet ausschließlich digital, weshalb er eingespeiste AES- oder S/PDIF-Signale direkt verarbeitet und sich automatisch auf die anliegende Samplingrate einstellt. Analoge Signale werden über einen separaten AD-Wandler mit 192 Kilohertz gewandelt und anschließend auf die Lautsprecher geschickt. Beim analogen Kopfhörer-Verstärker verhält es sich anders herum, wobei die digitalen Eingangssignale am gleichen DA-Wandler auf analog konvertiert werden, der gleichzeitig auch den Analog-Ausgang des GMS 2100 versorgt. Dass dieses Geflecht aus analoger und digitaler Signalführung komplex ist und einen entsprechenden Aufwand beim Schaltungs-Design nach sich zieht, dürfte außer Frage stehen und relativiert somit auch den eingangs erwähnten Verkaufspreis.   

Ein weiteres Argument liefern auch die Ergebnisse aus dem Professional audio-Mess-Labor. Das FFT-Spektrum bei Messung der analogen Anschlüsse zeigt einen Noisefloor unterhalb -120 Dezibel, was schlichtweg exzellent ist. Die kleinen Peaks ab k2 wirken sich definitiv nicht auf den Klang aus. Der höchste Ausschlag bei k3 reicht gerade mal bis -96 Dezibel. Die gleiche Messung mit analoger Speisung und digitaler Ausgabe des Testsignals liefert sogar einen um zehn Dezibel niedrigeren Noisefloor. Auch in Sachen Geräusch- und Fremdspannungen braucht sich der Ghielmetti-Controller nicht zu verstecken, die mit gemessenen 97,7 und 95 Dezibel hervorragend ausfallen. Gleiches gilt auch für die Messung der Gleichtaktunterdrückung, dessen Ergebnisse mit phänomenalen -100 Dezibel im Bass und immer noch glänzenden -75 Dezibel in den Höhen phantastisch ausfällt und Signale selbst durch Kabel länger 30 Meter akkurat überträgt. Die Übersprechdämpfung steht dem in nichts nach. Die Messung zeigt Ergebnisse zwischen -125 und -110 Dezibel. Der Klirrfaktor überzeugt mit hervorragenden 0,0015 Prozent, wobei die Verlaufskurve einen Anstieg auf 0,01 Prozent bei neun Kilohertz besitzt, was aber immer noch mustergültig ist. Last but not Least überzeugt der GMS 2100 schließlich noch bei Messung der Wandlerlinearität, die erst unterhalb -120 Dezibel ins Wanken kommt. Insgesamt besticht das Audio Monitor System von Ghielmetti mit traumhaften Mess-Ergebnissen, die von der exquisiten Ingenieurskunst des Herstellers zeugen. Der Hörtest zeigt schließlich: Wäre der GMS 2100 ein Mikrofon-Vorverstärker, so würde es sich um einen Vertreter der Gattung „Draht mit Verstärkung“ handeln. Ganz gleich ob analoge oder digitale Signale auf den Ausgang geroutet werden, das Ergebnis klingt ausnahmslos transparent, fein aufgelöst und schonungslos ehrlich. Das Umschalten zwischen den Eingängen erfolgt ohne Knackser. Im Blindtest, bei dem wir unseren Fostex CR 500 CD-Player/Recorder gleichzeitig analog und digital via AES an den GMS 2100 anschließen, lässt sich nicht hörbar unterscheiden, welches nun das analoge oder das digitale Signal ist. Die beiden integrierten Lautsprecher machen im Test ebenfalls eine sehr gute Figur. Bei moderaten Lautstärken überraschen die Chassis mit einem feinen und detaillierten Klangbild, die man solch einer Komponente nicht zugetraut hätte. Allerdings wirkt der Klang bei hohen Lautstärken schließlich doch sehr schnell komprimiert und frequenzbeschnitten, was jedoch nicht wundert, angesichts der Chassis-Größe und des Rahmens in den sie eingebaut sind. Zum Zweck des Kontrollhörens sind sie jedenfalls hervorragend geeignet, womit wir bei den Einsatzmöglichkeiten des Ghielmetti GMS 2100 wären.   Als herkömmlicher Tonstudio Monitor-Controller etwa vom Schlage eines Grace Design m904 (Test in Heft 4/2007) oder den Systemen von Dangerous Music (Tests in den Heften 7/2008 und 4/2009) ist der GMS 2100 wenig bis überhaupt nicht geeignet. Er fühlt sich überall dort am wohlsten, wo er Teil eines größeren Signalverteiler-Systems ist und wo es um die Abhör-Kontrolle wichtiger Signalpfade mit einfach zu handhabenden Schaltprozessen geht, also in Geräteräumen des Rundfunks, in Video-Studios, Theatern und anderen Veranstaltungsorten, in denen umfangreiche Mikrofon-Lautsprecher-Installationen eingebaut sind. Mit dem integrierten Sinuston-Generator bietet sich zudem ein Zusatznutzen für Techniker, die jenseits von Profi-Mess-Systemen, wie etwa dem von Professional audio genutzten Mess-Computer Audio Precision AP 2424, auf die Schnelle Tests durchführen müssen. Dank der mitgelieferten Adapter-Kabel beschränkt sich dies nicht nur auf die Anlage, in die der GMS 2100 eingeschleift ist.  

Fazit 

Mit dem Audio Monitor System GMS 2100 offeriert der Signalverteiler-Spezialist Ghielmetti ein multifunktionales Outboard für den Broadcast-, Theater- und Festinstallationsbereich, das kompromisslos auf höchstes technisches Niveau getrimmt ist und sich mit Leichtigkeit einen Platz in der Spitzenklasse sichern kann. 

Erschienen in Ausgabe 05/2010

Preisklasse: Oberklasse
Preis: 3511 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: gut