Kontroll-Instanz

Drawmer hat mit dem HQ einen Edel-Monitoring-Controller entwickelt, der sowohl bei Studio-Betreibern als auch Audiophilen um Aufmerksamkeit buhlen möchte.

Von Sylvie Frei 

 Eine akustisch optimierte Abhörumgebung und sehr gute Monitore sind an einem Aufnahme-, Mix- und Mastering-Arbeitsplatz unerlässlich. Doch auch das Bindeglied zwischen Klangquelle und Monitoren spielt eine entscheidende Rolle bei der bestmöglichen Beurteilung musikalischer Schöpfungen. Dies dachte sich auch der britische Hersteller Drawmer und entwickelte mit dem neuen HQ einen Monitoring-Controller, Monitor-Vorverstärker und  DA-Wandler, der hohen klanglichen Ansprüchen gerecht werden soll. Zudem besitzt der HQ eine seltene Mehrfachbegabung. Außer als Monitoring-Controller im Studio lässt er sich auch als Phonoverstärker im heimischen Wohn- oder Musikzimmer einsetzen. So möchte Drawmer nicht nur professionelle Tonschaffende, sondern auch Audiophile neugierig machen. Mit einem stolzen Preis von rund 4.000 Euro ist der HQ allerdings auch nur mit einem entsprechend großen Budget erschwinglich.Da der HQ über eine große Vielfalt unterschiedlicher Eingänge verfügt, steht dem Anschluss fast aller denkbaren analogen oder digitalen Signalquellen aus Mischpult, Interface, Stereoanlage, Plattenspieler oder Computer nichts im Wege. Besonderheit: Alle der insgesamt neun Eingänge können wie bei einem Mischpult gleichzeitig genutzt und individuell in der Lautstärke angepasst werden. Anschließend werden sämtliche Quellen zu einem einzelnen Stereo-Signal summiert und ausgegeben. Als Ausgänge stehen dem Nutzer sowohl ein XLR-Paar als auch ein Cinch-Paar zur Verfügung, sodass sich zwei Monitorpaare gleichzeitig anschließen lassen. So können musikalische Ergebnisse auf zwei unterschiedlich klingenden Abhören – beispielsweise Studio-Monitore und PC-Lautsprecher – miteinander verglichen werden.Der Monitoring-Controller lässt sich außerdem mit anderen HQ-Geräten verkoppeln und ist über eine optional erhältliche Fernbedienung steuerbar. Die nochmals rund 900 Euro kostende HQ-r dient nicht nur zum Steuern der bereits beschriebenen Funktionen, sondern gibt dem Anwender überhaupt erst den Zugriff auf den vollen Funktionsumfang des HQ.

Der HQ zeigt sich in einem robust und edel anmutenden schwarzen Metallgehäuse mit einer Hochglanzfront aus Kunststoff. Das Gerät wiegt rund sieben Kilogramm und nimmt im handelsüblichen 19-Zoll-Rack zwei Höheneinheiten ein. Es ist aber auch möglich, den HQ frei stehend zu nutzen. Vier stabile, für den Rack-Betrieb abnehmbare Füße sorgen für einen stabilen Stand.Auf der Hochglanzfront des HQ reihen sich die vier Hauptbedienelemente auf. Ein kleiner, mit der Beschriftung Off/A/B/A+B versehener Drehschalter dient zur Aktivierung der analogen Ausgänge. A steht für das XLR-Paar, B für das Cinch-Paar, A+B für die gleichzeitige Ausgabe über beide Ausgänge und Off ist für das Abhören mit Kopfhörer gedacht. Zwei 6,3 mm-Klinken-Anschlüsse stehen dafür unterhalb des Schalters zur Verfügung. Rechts daneben befindet sich ein großer neunfach gerasteter Drehschalter, über den sich sämtliche Eingangsquellen anwählen lasse; ein ebenso großer Drehregler, welcher der Lautstärkeanpassung des derzeit gewählten Signals dient. Ganz rechts findet sich ein weiterer kleiner Drehschalter, der als Netzschalter fungiert. Darunter sind zwei rote LEDs verortet, die Auskunft über die Aktivität der automatischen Stummschaltfunktion und über Anschluss der Fernbedienung geben – zu beidem an späterer Stelle mehr.Sämtliche Beschriftungen der Bedienelemente auf der Gerätefront sind weiß hinterleuchtet – derzeit ausgewählte und aktive Elemente leuchten rot. So lässt sich auch in einer dunkleren Abhörumgebung arbeiten.Auf der Rückseite finden sich außer dem Netzkabelanschluss und den beiden CAT5-Anschlüssen für die Fernsteuerung und die Verkoppelung mehrerer HQ-Geräte sämtliche analogen und digitalen Ein- und Ausgänge. Ein XLR-Paar und zwei Cinch-Paare (Aux1, Aux2) dienen als Anschluss für analoge Stereosignale. Über ein viertes, RIAA-Standard-konformes Cinch-Paar inklusive Erdungsschraube lässt sich ein Plattenspieler am HQ anschließen. Alternativ kann der Anschluss für Line-Quelle umgeschaltet werden. Der HQ wird beim Einstecken des USB-Kabels am Computer automatisch erkannt. Für den Betrieb bedarf es keiner besonderen Treiber, der HQ läuft mit den Windows und Mac OS X Klassentreibern.Als digitale Eingänge stehen ein XLR-Anschluss im AES/EBU-Format, ein optischer Anschluss im TOSLINK-Format, ein BNC-Anschluss im AES3id-Format und ein Cinch-Anschluss im S/PDIF-Format zur Verfügung, die allesamt Sampleraten von bis zu 192 kHz unterstützen. Für kleinere Datenraten (bis 16 Bit/48 Kilohertz), steht außerdem ein USB-Anschluss bereit. So können auch Signale direkt vom Computer aus eingespeist werden. Mit derart vielfältigen Eingangstypen ist der HQ schon einmal vielen Konkurrenten voraus. Außer den Eingängen finden sich auf der Rückseite das mit dem Buchstaben A gekennzeichnete XLR-Paar und das mit einem B versehene Cinch-Paar. Als digitaler Ausgang steht ein RCA-Anschluss im S/PDIF-Format (Thru) bereit, der sich als S/PDIF-Converter benutzen lässt. So können digitale Signale in anderen Formaten in den HQ eingespeist werden und als S/PDIF-Signal weitergeroutet werden. Außerdem finden sich auf der Rückseite drei Tasten, über die sich die Eingangsempfindlichkeit des momentan ausgewählten Eingangs um plus/minus zehn Dezibel dämpfen oder anheben lässt.

Eine ganze Reihe zusätzlicher praktischer Funktionen sind ausschließlich über die optional erhältliche Fernbedienung HQ-r abrufbar. In Optik und Material ähnelt diese dem HQ und steht mit fast einem Kilo Gewicht und der Größe eines aufgeschlagenen Taschenbuchs sicher auf dem Arbeitsplatz. Als Bedienelemente stehen insgesamt 18 mit LEDs hinterleuchtete Funktionstasten sowie ein großer Drehregler für die Lautstärke-Regelung bereit. Hinzu kommt eine rote nummerische zweistellige Dezibel-Anzeige mit einer Kommastelle, die Auskunft über die absolute Ausgangslautstärke geben soll.Über die Fernsteuerung können nicht nur sämtliche bereits beschriebenen Einstellmöglichkeiten, sondern auch zusätzliche Controller-Features, für die am HQ selbst keine Bedienelemente zur Verfügung stehen, bedient werden. So lässt sich der HQ bei Bedarf stummschalten oder das Ausgabesignal von Stereo auf Mono umschalten, um das Ausgangssignal auf seine Monokompatibilität und etwaige Phasenauslöschungen zu überprüfen. Um beim Abhören schnell auf plötzliche ungewollte Lautstärkespitzen reagieren zu können, steht außerdem eine Dim-Funktion bereit, welche die Ausgangslautstärke um etwa 60 Dezibel herabsenkt. Desweiteren bietet die HQ-r die Möglichkeit, zwei individuelle Referenzpegel P1 und P2 als Presets einzustellen. Dazu dienen zwei winzige Potentiometer auf der Rückseite der Fernbedienung, die sich mit Hilfe eines Schraubendrehers justieren lassen und per Tastendruck jederzeit abrufbar sind. Für den effektiven Einsatz als Monitoring-Controller kommt der HQ-Nutzer also kaum um den Kauf der teuren Fernbedienung herum. Das finden wir bei einem ohnehin sehr hochpreisigen Gerät wie dem HQ unverständlich und vermerken diese Tatsache mit einem Minuspunkt.
Lobende Worte können wir hingegen für die einfache Bedienbarkeit von HQ und HQ-r finden. Aufgrund der wenigen, sich selbst erklärenden Bedienelemente, steht der Inbetriebnahme des HQ ohne langes Handbuchstudium nichts im Wege. Das Einstellen der Lautstärke gelingt über den Drehregler sehr schnell und präzise, sodass sich mühelos der für das Gehör als angenehm empfundene Pegel oder ein absoluter Dezibel-Wert mit Blick auf die Anzeige der HQ-r einstellen lässt.Die einzige unvorhersehbare Hürde stellt die automatische Mute-Funktion des HQ dar. So ist dieser nach dem Einschalten zunächst stumm geschaltet – die Mute-LED leuchtet. Steht der Lautstärke-Drehregler links von 12 Uhr, wird der HQ nach wenigen Sekunden mit einem Fade-in hochgefahren und gibt das eingespeiste Signal wieder. Steht er hingegen rechts von 12 Uhr, bleibt er ohne Zutun des Nutzers stumm. Um das Gerät von seinem Schweigegelübde zu entbinden, ist der Lautstärke-Regler zunächst ganz nach links und dann wieder langsam aufzudrehen. Die automatische Mute-Funktion mag zwar anfangs etwas gewöhnungsbedürftig sein, schützt aber wirksam vor unliebsam lauten Überraschungen, die sowohl das Gehör als auch angeschlossene Geräte in Mitleidenschaft ziehen könnten. Um die Funktion zu umgehen, gewöhnen wir uns im Test allerdings an, den Lautstärke-Regler vor dem Ausschalten nach links zu drehen.Auffällig hingegen: Jedes Betätigen eines Bedienelementes – sei es am HQ selbst oder an der Fernbedienung – zieht eine kurze Folge von Klickgeräuschen nach sich, die aus dem Inneren des HQ-Gehäuses tönen. Dies ist vermutlich den analogen Schaltgliedern des Geräts geschuldet und sorgt anfänglich für Irritationen.

Im Messlabor muss sich der HQ hingegen nicht verstecken, hat jedoch mit unserem Referenzgerät, dem Monitoring-Controller Funk MTX-Monitore.V3a, einen harten Gegner. Im Test (Ausgabe 01/2008) konnte dieser seinerzeit mit ausgezeichneten Messwerten glänzen.Mit einem sehr guten Wert für den Geräuschspannungsabstand von rund 94 Dezibel reicht der Drawmer HQ zwar nicht ganz an die rund 100 Dezibel der Funk-Referenz heran, ist ihr aber dicht auf den Fersen. Deutlicher ist die Abweichung hingegen beim Fremdspannungsabstand. Der Wert des HQ von rund 78 Dezibel geht zwar noch vollkommen in Ordnung, kann jedoch mit dem Funk-Controller, der auch hier mit Hunderterwerten aufwartet, nicht mithalten.Der Frequenzgang des HQ zeigt sich hingegen wie glattgebügelt und sinkt lediglich zwischen zehn und zwölf Kilohertz um maximal ein halbes bis ganzes Dezibel ab. Damit ist er verglichen mit dem ebenen Frequenzgang der Referenz absolut auf Augenhöhe. Bemerkenswert: Der HQ kann noch Werte bis zu 40 Kilohertz bei einer maximalen Abweichung von minus drei Dezibel nach unten wiedergeben, bevor er bei etwa 48 Kilohertz seine Grenzen erreicht hat. Die Eingangsempfindlichkeit des HQ ist hingegen ungleich geringer als des Funk-Controllers, der mit einer extremen Empfindlichkeit von -100 Dezibel glänzen und noch das leiseste Signal um nahezu 130 Dezibel verstärken kann. Mit lediglich -4,4 Dezibel ist der Drawmer-Controller nur für Signale mit angemessener Lautstärke geeignet, die er noch um rund 30 Dezibel verstärken kann.Die FFT-Spektren für DA-Wandler und Line-Eingänge des HQ zeigen im Tiefmitten- und Bassbereich deutliche Anzeichen für ein ausgeprägtes Netzbrummen, das jedoch mit maximalen Werten von -80 Dezibel akustisch nicht in Erscheinung tritt. Ansonsten bewegen sich die Kurven unterhalb eines sehr niedrigen Noisefloors von -100 beziehungsweise -110 Dezibel. An dieser Stelle zeigen die Kurven der Referenz jedoch deutlich bessere Werte. Der Noisefloor von -120 Dezibel wird hier nicht überschritten.Der Klirrfaktor des HQ ist mit Werten von durchgehend unter 0,015 Prozent für den DA-Wandler und 0,01 Prozent für die Line-Eingänge sehr gut, der Funk-Controller kann ihn jedoch mit Werten um 0,001 Prozent überrunden. Bei der Gleichtaktunterdrückung weisen die Kurven des Testkandidaten und der Referenz sehr ebene Kurven auf. Während der HQ Werte um -57 Dezibel für das gesamte Frequenzspektrum aufweist, kann der Funk-Controller ihn mit rund -75 Dezibel deutlich unterbieten. Auch beim Übersprechverhalten beider Kanäle hat die Referenz die Nase vorn. Während der HQ mit sehr guten Werten, die zumeist unterhalb von -95 Dezibel liegen aufwartet und einen Maximalwert von -83 Dezibel erreicht, beträgt der Maximalwert des Funk-Controllers lediglich -93 Dezibel. Insgesamt gehen die Werte des HQ durchaus in Ordnung. Gemessen am Preis des Controllers, der mit einem fast doppelt so hohen Preis wie das Referenzgerät zu Buche schlägt, hätten wir jedoch noch bessere Werte erwartet. Doch weitaus mehr interessieren uns die klanglichen Werte des HQ.

Für unseren Hörtest schließen wir einen CD-Player sowie unsere Referenzmonitore, zwei ADAM S3X-H, am HQ an. Mit dem CD-Player spielen wir mehrere uns gut bekannte Aufnahmen ab, darunter Pink Floyds „Wish you were here“ und Keith Jarretts „The Köln Concert.“ Sämtliche Aufnahmen klingen über den HQ ausgewogen, dynamisch sehr fein aufgelöst und klar. Alle musikalischen Kleinstelemente erscheinen präzise und sauber voneinander separiert, sodass die Musik in all ihren Dimensionen und unverfälscht wahrgenommen werden kann. Das ganze Frequenzspektrum wird so ausgeglichen wiedergegeben, dass wir subjektiv keinerlei charakteristische Verfärbungen ausmachen können. Auch notorische Lauthörer sind mit dem HQ bestens bedient: Die im Test maximal über längere Zeit erträgliche Lautstärke ist schon mit einer Drehreglerstellung auf 12 Uhr erreicht. Zum Vergleich hören wir noch einmal alle Aufnahmen über den Funk MTX-Monitore.V3a und den SPL MTC 2381. Beide Controller leisten uns seit einigen Jahren im Professional audio-Teststudio sehr gute Dienste.Die klanglichen Unterschiede zwischen allen drei Controllern sind im Test so gering, dass nur langes, ausgiebiges Vergleichshören und Wechseln Aufschluss gibt. Nach längerem Hören wirken Drawmer- und Funk-Controller um eine Winzigkeit klarer als das SPL-Gerät. Der HQ übertrifft hingegen beide Kontrahenten mit seiner extrem feinen und akribischen Dynamikauflösung. Ein winziger klanglicher Unterschied zwischen dem Drawmer und den beiden anderen Geräten fällt uns nur bei der Keith Jarrett-Aufnahme auf. Treten die Melodie-Töne zwischen a und a‘ über den SPL- und den Funk-Controller scharf, perkussiv und fast schmerzhaft hervor, wirken diese über den Drawmer-Controller um eine winzige Nuance milder. Der Unterschied ist jedoch so verschwindend gering, dass wir mit Hilfe der anderen Aufnahmen nicht verifizieren können, ob es sich tatsächlich um eine Verfärbung oder lediglich um eine gefühlte Abmilderung handelt, die durch das Mehr an Klarheit und die feinere dynamische Auflösung wahrgenommen wird. Unser positiver Gesamteindruck des HQ-Klangbilds bleibt ungetrübt.

Fazit

Insgesamt gesehen ist der Drawmer HQ in seiner Eigenschaft als Monitoring-Controller, DA-Wandler und Phonovorverstärker ein vielseitig nutzbares Studiogerät, das mit einem feinen Klangbild punkten kann. Ärgerlich ist hingegen, dass alle wichtigen Controller-Features nur durch Zukauf der teuren Fernbedienung zugänglich sind.

Erschienen in Ausgabe 11/2013

Preisklasse: Oberklasse
Preis: 4063 €
Bewertung: gut
Preis/Leistung: befriedigend