Effekt-Chamaeleon

Ihren Aufnahmen fehlt noch das gewisse Etwas, aber Ihr Arsenal an Effekten liefert nicht das Gewünschte? Dann versuchen Sie es einfach mal mit dem Multieffekt-Plug-in Wolfram. Sie werden überrascht sein.    

Von Georg Berger

Ist Ihnen vielleicht eine insgeheime Konvention bekannt, nach der Multieffekt-Plug-ins ausschließlich nach chemischen Elementen oder Verbindungen zu benennen sind? Dieser Gedanke drängte sich uns – nachdem wir in Heft 3/2011 das nach der chemischen Formel für Lachgas benannte N2O-Plug-in von PSP Audioware im Test hatten – förmlich auf, als wir vor kurzem auf das Multieffekt-Plug-in Wolfram des dänischen Herstellers Subsonic Labs stießen. Aber keine Angst, wir werden jetzt weder einen Vortrag über das Metall halten, noch weiter auf die Hintergründe für diese Namensgebung eingehen. Stattdessen erhalten Sie einen detaillierten Einblick in die Ausstattung und klanglichen Vorzüge dieses 80 US-Dollar kostenden Effekt-Chamaeleons, das sich mal als Filter, ein anderes Mal als Flanger oder Phaser zu erkennen gibt. Damit nicht genug verwandelt es sich urplötzlich in einen bissigen Verzerrer, es wechselt blitzschnell die Rolle und erzeugt anschließend rhythmische Zerhacker-Gate-Effekte oder es verrichtet als reinrassiges Delay seinen Dienst. Mehr noch steht im Zentrum von Wolfram das Erzeugen von vielfältigen Kombinationen der soeben aufgezählten Effekt-Geschmacksrichtungen.

Die Manipulator-Blöcke sind dagegen schon etwas komplexer aufgebaut. Das eingespeiste Signal geht zuerst in die einstellbaren Low- und Highcut-Filter. Das so frequenzbeschnittene Signal geht danach in einen Phaser, der per Regler in der Intensität einstellbar ist. Die Modulationsgeschwindigkeit des Phasers muss dabei über die LFOs der Modulations-Sektion eingestellt werden. Die nächste Station bildet ein Pitch-Shifter, der das Signal um eine Oktave nach oben oder unten transponiert. Von dort geht es in einen Verzerrer, der das Signal in der Lautstärke anhebt und gleichzeitig per Soft-Clip-Limiter zügelt. Von dort aus wird das bis dahin prozessierte Signal parallel geführt: Der erste Signalzweig führt das Signal ohne weitere Bearbeitung weiter fort. Der andere Zweig speist das Signal in zwei seriell verschaltete Delay-Blöcke, deren Verzögerungszeiten individuell einstellbar sind. Via Delay-Mix-Parameter lässt sich schließlich das Verhältnis zwischen Original- und verzögertem Signal einstellen. Wichtig: Die einstellbaren Delayzeiten bewegen sich unterhalb der hörbaren Echo-Grenze. Im Test sind damit Chorus- und Flanger-artige Effekte realisierbar. Am Ende der Signalkette steht ein Mix-Parameter, der zwischen Original- und Effekt-Signal überblendet sowie ein Panpot.

Die Modulations-Sektion setzt sich aus einer Reihe überschaubar einstellbarer Modulatoren sowie der kurz erwähnten Vierfach-Matrix zusammen. Zur Auswahl stehen zwei bipolar arbeitende LFOs, ein Hüllkurvenfolger sowie zwei Ausklapp-Menüs zum Laden von Step-Sequenzer-ähnlichen Pattern. Die LFO-Wellenform ist gemeinsam für beide Modulatoren zwischen Sinus und Dreieck umschaltbar. Die Geschwindigkeit beider LFOs ist jedoch separat regulierbar. Wichtig: Das Synchronisieren auf das Host-Tempo ist allerdings nicht möglich. Der Hüllkurvenfolger wartet mit einem einstellbaren Attack- sowie einem Sensitivity-Regler auf, der ähnlich wie ein Threshold-Parameter arbeitet. Je höher er eingestellt ist, desto eher generiert der Modulator aus dem eingespeisten Audio-Signal ein Steuersignal. Hinter den beiden Pattern-Slots stehen jeweils die gleichen rund 100 wählbare Pattern zur Auswahl, die als weitere Steuersignalquelle dienen. Sie sind zumeist ein- bis zweitaktig ausgelegt und laufen synchron zum Host-Tempo. Besonderheit: Mit Hilfe der „LFO“ bezeichneten Pattern lässt sich das Verhalten tempo-synchronisierter LFOs erzeugen, womit die Scharte in den LFOs wieder ausgewetzt ist. Schade ist, das es keine Möglichkeit gibt, eigene Pattern erstellen und nutzen zu können.  Last but not Least können insgesamt vier Modulationen erzeugt werden. Über separate Ausklapp-Menüs sind dabei bequem die Quellen und Ziele wählbar. Besonderheit: Sowohl reine Steuersignalquellen, als auch Audio-Signale wie der Ein- und Ausgang des Plug-ins und die Ausgänge der einzelnen Effekt-Blöcke stehen als Quelle zur Auswahl. Wird ein Modulator als Quelle gewählt, lässt sich so ziemlich jeder Effekt-Parameter damit modulieren. Wird als Quelle ein Audio-(Ausgangs-)Signal eingesetzt, kann als Ziel lediglich ein Audio-Input-Signal gewählt werden. Somit führt die Modulations-Matrix gleichzeitig auch eine Funktion als Signal-Router/Patchbay aus, wobei der Amount-Parameter in dem Fall nicht die Modulations-Intensität reguliert, sondern als Lautstärkeregler fungiert. Allerdings ist Vorsicht beim Routen der Audio-Signale geboten, denn wer nicht aufpasst, hat unabsichtlich eine Feedbackschleife erzeugt. Sachgemäß eingesetzt, lassen sich die Feedbacks jedoch durchaus kreativ einsetzen.

Im Hör- und Praxistest müssen wir uns anfangs erst einmal im GUI orientieren. Gerade die Manipulator-Sektionen erfordern ein gewisses Maß an Einarbeitung, möchte man souverän und gezielt mit ihnen umgehen. Doch einmal verstanden geht das Realisieren farbenprächtiger Multieffekte flott von der Hand. Das Erzeugen von Flanger-, Chorus- und Phaser-Sounds in Verbindung mit der Modulationssektion ist zwar etwas gewöhnungsbedürftig. Im Umkehrschluss bewahrt der Hersteller den Anwender mit diesem Konzept jedoch vor einem überbordenden Wust an zusätzlichen Parametern. Als Highlight entpuppt sich schließlich die Zufallsfunktion, die stets überraschende und inspirierend wirkende Ergebnisse erzeugt und eindrucksvoll die Mächtigkeit von Wolfram demonstriert. Auch die in Kategorien wie unter anderem Filter, Delay oder Distortion sortierten Werks-Presets wissen auf ganzer Linie zu überzeugen, wobei stets immer weitere Bestandteile anderer Effekte mit dabei sind. Allen Effekten gemeinsam ist ein angenehmer, schmeichelnder Grundsound, der in Richtung Analogsound geht und selbst bissigen Verzerrer-, Filter- oder Flangersounds stets eine gewisse wohlklingende Note verleiht, die ästhetisch gefällt. Seine Stärken spielt Wolfram logischerweise in der Multieffekt-Disziplin aus, wobei gerade die Modulations-Sektion einen nicht unerheblichen Anteil an der Lebendigkeit der Klangverläufe hat. Dabei hat Wolfram keinerlei Berührungsängste vor sämtlichen Signalarten, ganz gleich ob jetzt Drum-Subgruppen, Vocals, Synthesizer-Linien, Gitarren- oder Bass-Spuren veredelt werden sollen. Wolfram hält für jeden Einsatzzweck stets etwas Passendes parat und schafft es locker, belanglos klingende Aufnahmen mit Leben zu füllen und ihnen etwas Besonderes zu verleihen und das sowohl auf subtile wie auch brachiale Art. Fauchende Flanger-Sounds, die mit einem Filter-Sweep plus Echo begleitet werden sind möglich. Brüllende Distortion-Sounds, die per Pattern-Modulation und Filter-Einsatz anliegenden Signalen ein quirliges Eigenleben einhauchen oder wahre Modulations-Effekt-Orgien plus Delay stellen ebenfalls kein Problem dar. Die Möglichkeiten sind schier grenzenlos. Eine detaillierte Beschreibung dessen, was sich alles mit Wolfram anstellen lässt, würde da leicht eine gesamte Ausgabe von Professional audio füllen. Doch stattdessen empfehlen wir dringend das Ausprobieren der Demo-Version.

Fazit

Subsonic Labs legt mit Wolfram ein Multieffekt-Plug-in vor, das bei gleichzeitig übersichtlichen Einstellmöglichkeiten eine überbordende Vielfalt an inspirierenden und sehr gut klingenden Sounds jenseits herkömmlicher Brot-und-Butter-Effekte erzeugt. Zudem spart Wolfram dem Anwender auch noch viel Zeit. Denn Vergleichbares mit Hilfe von Einzel-Plug-ins zu erzeugen ist deutlich aufwändiger und teils sogar unmöglich. Wolfram ist ein klangliches Universal-Gewürz, das wirklich jedem schmecken wird. 

Erschienen in Ausgabe 08/2012

Preisklasse: Oberklasse
Preis: 80 $
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut