Himmlischer Klang mal zwei

Wenn der Name Lexicon fällt, strahlt der Kenner und ehrfurchtsvolles Geraune berichtet vom Klang der High End-Geräte. Doch diesseits der High End Kategorie bietet Lexicon schon länger eine Palette preislich günstiger Geräte an, die es auch Normalsterblichen ermöglicht, in den Genuss dieser Effekte zu gelangen. Jüngstes Produkt dieser Kategorie ist das Effektgerät MX 400 XL. Was es leistet, erfahren Sie im Test. 

Von Georg Berger 

Mit dem MX 400 XL präsentiert die im amerikanischen Bundesstaat Utah ansässige Edelschmiede Lexicon ein vierkanaliges  Multi-Effektgerät im 19-Zoll-Format, das außer 17 Hall-Algorithmen auch noch sieben Delay-, acht Modulations- und zwei Dynamik-Effekte enthält, die sich überdies unterschiedlich miteinander kombinieren lassen. Im Inneren arbeiten zwei Stereo-Effekt-Prozessoren, die sich um die Veredelung eingehender Signale kümmern. Besonderes Feature im Lexicon-Neuling: Ein vierkanaliger Surround-Hall-Algorithmus. Wer angesichts des Namens Lexicon instinktiv einen Preis von zigtausend Euro erwartet, wird angenehm enttäuscht: Für schlappe 870 Euro wandert der 19-Zöller über die Ladentheke. Eine Alternative für knapp 810 Euro offeriert Lexicon noch den MX 400 ohne den Zusatz XL, der statt der XLR-Anschlüsse mit symmetrischen 6,3- Millimeter-Klinkenbuchsen aufwartet. 

Die von uns getestete XL-Variante empfiehlt sich primär für den Studioeinsatz. Summa Summarum erhält der Interessent quasi zwei Stereo-Effektgeräte in einem, die zusammen maximal vier Effekte simultan erzeugen können. Unterschiedliche Prozessor- und Signalfluss-Konfigurationen erweitern das Leistungsspektrum des Gerätes noch einmal.

Außer zwei analogen Stereo-Anschlusspaaren in XLR enthält das Gerät auf digitaler Signalebene zwei Pärchen koaxialer S/PDIF-Anschlüsse, die allerdings nur Abtastraten von 44,1 oder 48 Kilohertz bei einer Wortbreite von 24 Bit übertragen. Wir hätten uns zusätzlich noch die Unterstützung für 96 Kilohertz gewünscht. Als Schmankerl legen die Amerikaner noch eine Software bei, die es ermöglicht, das Hardware-Gerät am Computer zu editieren und erstellte Effekt-Programme zu verwalten. Der Datenaustausch geschieht wahlweise über die integrierte USB- oder MIDI-Schnittstelle. Die Software arbeitet dabei sowohl stand-alone, als auch in Form eines VST-/AU-Plug-ins zur bequemen Integration in eine Sequenzer-Umgebung. 

Die Anzahl der Features und die damit verbundenen Einstellmöglichkeiten am MX 400 XL könnten jetzt den Schluss zulassen, dass es sich um ein komplex zu bedienendes Gerät handelt. Doch dem ist nicht so. Das eine Höheneinheit messende Gerät ist auf der Frontplatte in drei Sektionen geteilt. Die Input-Sektion enthält zwei Potentiometer zur Justierung der Eingangspegel. Zentrales Hilfsmittel zur Editierung am Gerät ist das vierzeilige hintergrundbeleuchtete graphikfähige Display in der Edit-Sektion, das zwar knapp aber dennoch übersichtlich die notwendigen Informationen liefert. Mit dem Page/Select-Knopf – ein Endlos-Drehregler mit Rastung und integrierter Taster-Funktion – lassen sich in Kombination aus Drehbewegung und Tastendruck Menüs aufrufen und auswählen, die ihrerseits ein weiteres Untermenü enthalten können. Die drei ebenfalls rastenden Endlos-Drehregler rechts daneben erlauben pro Menüseite die Änderung von drei Parametern. Enthält ein Effekt mehr als drei einstellbare Parameter, werden diese durch eine Drehbewegung des Select-Knopfes auf einer zweiten Seite aufgerufen. Der Druck auf die Exit-Taste schließt das ausgewählte Menü und man gerät wieder zurück auf die darüber liegende Menüebene. Der Systemtaster in der Programm-Sektion ruft einen Dialog mit weiteren Menüs zur globalen Einstellung des Gerätes auf. Die Tasten des optionalen Fußschalters können dort mit unterschiedlichen Funktionen belegt werden. 

Das Senden und der Empfang von MIDI-Controller-Daten und -Kanälen lassen sich einstellen und auch der Kontrast des Displays ist justierbar. Weiterhin sind die Ein- und Ausgänge von analog auf digital umstellbar, sowie die drei globalen Effekt-Konfigurationen Surround, Stereo und  Dual Stereo. 

Editierungen sind bequem mit dem Store-Taster zu speichern. Isoliert von der Edit-Sektion und damit vorbildlich hinsichtlich Bedienungsführung lassen sich die Presets in der Programm-Sektion bequem mit dem Program/Load-Knopf neben der zweistelligen Siebensegment-Anzeige zur Darstellung der Preset-Nummer aufrufen. Der Speicher des MX 400 XL enthält pro Konfiguration eine Factory-Bank mit jeweils 99 nicht veränderbaren Speicherplätzen für die Werkspresets und noch einmal so viele Plätze in der User-Bank zum Abspeichern von Eigenkreationen. 

Die Bedienelemente auf der Frontplatte sind von hoher Qualität und gewährleisten durch ihre Stabilität wohl lange einen reibungslosen Umgang mit dem Gerät. Die Rückseite zeigt sich in gleichem Maße robust. Sämtliche Anschlüsse sind mit dem Gehäuse verschraubt. Das sorgt auch bei ruppigem Gebrauch für die nötige Stabilität. Insgesamt verteilen sich dort acht XLR-Anschlüsse – je vier für die zwei Stereo Ein- und Ausgänge –, zwei Pärchen koaxialer Cinch-Buchsen für die S/PDIF-Signale, sowie zwei MIDI-Buchsen für In und Thru sowie eine Klinken-Buchse zum Anschluss eines aufpreispflichtigen Fußschalters mit zwei Tasten. Schließlich finden sich noch USB- und Netzkabel-Anschluss auf der Rückseite. Die Programmierung, Bedienung und der Umgang mit dem Gerät werden schon nach kurzer Zeit verstanden. 
 
Die bereits erwähnten drei globalen Konfigurations-Modi Surround, Stereo und Dual Stereo enthalten noch einmal weitere Routing-Möglichkeiten zur Realisation unterschiedlicher Effektverknüpfungen und Signalverschaltungen. Der Surround-Modus gibt dabei insgesamt vier Signale für die Beschickung auf jeweils zwei Front- und Rear-Lautsprecher aus. Die beiden Effekt-Prozessoren arbeiten dabei als eine Einheit. Wahlweise zwei oder vier Mono-Signale lassen sich in das Gerät einspeisen. Der Surround-Modus selbst enthält dabei nur einen einzigen Hall-Algorithmus. 

In der Stereo-Konfiguration ist nur das erste Pärchen Stereo-Ein- und -Ausgänge aktiv. Beide Effektprozessoren arbeiten, genau wie im Surround-Modus, in einer Einheit zusammen. Fünf Routing-Optionen sind überdies einstellbar. Außer beim Stereo-Routing, bei dem nur ein Effekt ladbar ist, lassen sich in den übrigen vier Routing-Möglichkeiten zwei simultan arbeitende Effekte unterschiedlich miteinander verknüpfen. In der Dual Mono-Option werden die zwei Eingangskanäle separat durch zwei unterschiedliche Effekte wieder ausgeleitet. So lässt sich etwa für den rechten Kanal ein Delay definieren und für den linken ein Hall-Effekt. Wer mit Mono-Signalen arbeitet hat somit zwei separate Effekt-Geräte zur Verfügung. 

Der Cascade-Modus schaltet die zwei Effekt-Blöcke seriell hintereinander, wohingegen bei paralleler Verschaltung beide Kanäle durch zwei isoliert stehende Effekt-Blöcke geschickt und beide Signale am Ausgang miteinander gemischt werden. Die fünfte Routing-Möglichkeit Mono Split leitet jeden Kanal durch einen separaten Effekt. Am Ausgang erscheint jedoch wiederum ein gemischtes Stereo-Signal. 

Der dritte Modus, Dual Stereo genannt, bietet dieselben Möglichkeiten wie die zuvor beschriebene Stereo-Konfiguration. Unterschied hier: Beide Stereopaare arbeiten gleichzeitig und machen das MX 400 XL quasi zu einem doppelten Lottchen. Allerdings geht diese doppelte Stereo-Ausführung zu Lasten der Einstellmöglichkeiten. Im Vergleich zur einfachen Stereo-Konfiguration ist der Parametersatz der Algorithmen reduziert. Dem Klang tut dies allerdings keinen Abbruch. Mit diesen Konfigurations- und Routing-Optionen ist das MX 400 XL bestens gerüstet, um im Studio unterschiedlichsten Situationen erfolgreich begegnen zu können. 

Als Hardware-Gerät ausgelegt liegt der Hauptzweck als Peripheriegerät im Verbund mit weiterer Studio-Hardware zunächst klar auf der Hand. Doch Lexicon hat auch an diejenigen gedacht, die vornehmlich den Computer zum Mixen einsetzen und Hardware-Effekte als externes Gerät in eine Sequenzerumgebung einbinden möchten. Die im Lieferumfang enthaltene Software MX-Edit übt dabei zwei Funktonen aus: Einerseits lassen sich unzählig viele Presets erstellen, verwalten und an die Hardware übermitteln. Wem die Programmierung von Effekten über die Bedienmöglichkeiten am Gerät selbst zu eingeschränkt erscheinen, kann andererseits Effekte bequem und übersichtlich am Bildschirm erstellen. Der Aufruf mehrerer Menü-Seiten entfällt, da sämtliche Parameter zum direkten Zugriff im Editor erscheinen. Besonders bequem gerät diese Anwendung, weil sie im Verbund mit einem Sequenzer als separates Plug-in abrufbar ist. Logischerweise lässt sich nur eine Instanz aufrufen. 

Im Test arbeitet MX-Edit in der Stand-alone-Version anstandslos, obwohl es einige Einschränkungen gibt. Das Systemmenü lässt sich nicht über die Software bedienen, was in Konsequenz dazu führt, dass sich bei Bedarf keine neue Konfiguration einstellen lässt und kein Zugriff auf die jeweiligen Presets möglich ist. Durch Schließen der Anwendung, Wechsel der Konfiguration am Gerät und Neuaufruf der Software kann diese Klippe jedoch erfolgreich umgangen werden. Dennoch hätten wir eine Editiermöglichkeit der zentralen Einstellmenüs und den Austausch der Effekt-Presets über die Software vorgezogen.
 
Der Versuch den Editor als Plug-in aufzurufen scheitert im weiteren Verlauf zunächst kläglich. Erst durch Nachfrage beim deutschen Vertrieb Audio Pro in Heilbronn erfahren wir, dass zum erfolgreichen Betrieb der MIDI-Port des MX 400 XL in Cubase SX3 deaktiviert werden muss. Das ansonsten informative Handbuch schweigt sich zu diesem Punkt leider aus. 

Hinsichtlich der Bedienung ist dem blauen Lexicon-Neuling eine sehr gute Note auszustellen. Auch im Klangtest – Adel verpflichtet – fällt macht es eine gute Figur. Der Grundklang ist hochwertig, fast so gut wie in Geräten, die in einer höheren Liga spielen. Eine absolut saubere und rauschfreie Signalübertragung gewährleistet Klangfärbungen nur dort, wo sie auch stattfinden sollen. Gleichzeitig wohnt sämtlichen Effekten etwas Warmes und wohlig angenehmes inne. Spitze und schrille Effekte, die unangenehm klingen, sind nicht zu entdecken. Durch den warmen Grundklang erhalten eingespeiste Signale so etwas wie einen edlen Schleier. 

Highlight im MX 400 XL sind – wie sollte es anders sein? – die Hall-Algorithmen. Zwar enthalten sie nicht den gleichen umfangreichen Parametersatz wie das PCM 91 (siehe Hallschwerpunkt in Heft 9/2006) und sind nicht so wandlungsreich in der Erstellung räumlicher Simulationen. Dennoch klingen sie hochwertig und zeichnen sich durch eine zwar unterschwellige, aber dennoch räumliche Präsenz aus, die eingespeiste Signale mit mannigfaltigen räumlichen Simulationen versieht ohne den Klang etwa durch digitale Rundungsfehler zu beeinträchtigen. Die Simulation großer Räume und Hallen gerät exzellent und eignet sich bestens für jede musikalische Anwendung. 

Bei der Simulation kleiner Räume vermag das MX 400 XL jedoch nicht in gleichem Maße zu glänzen. Zwar sind mit den Room- und Ambience-Algorithmen entsprechend kleine Räume reproduzierbar. Doch empfinden wir das Ergebnis nicht ganz so authentisch und überzeugend. Da ist das große Vorbild PCM 91 eindeutig besser aufgestellt. 

Der Test des Surround-Halls gerät indes zu einem Aha-Erlebnis. Wir speisen eine Stereo-Quelle in das Gerät und finden uns anschließend in einem virtuell reproduzierten Hallraum wieder, der durch die Ausgabe von vier Kanälen äußerst plastisch wirkt. In den fünf Algorithmen, welche die Bezeichnung Hall tragen, erlaubt der Shape- und Spread-Parameter jenseits der Einstellung von Halldauer, Predelay und early Reflections, einen hüllkurvenartigen Eingriff in die Hallfahne. Sie tragen mit bei zur zwar subtilen, aber dennoch bemerkenswert realistischen Simulation von großen Räumen und Hallen. Es ist sogar auch die Simulation eines Federhalls an Bord, die recht ordentlich ausfällt. Mit dem trefflich Boing benannten Parameter lässt sich das schmatzende Geräusch einer schwingenden Hallfeder dynamisch hinzumischen. Im Solo-Einsatz klingt das zwar nicht ganz so überzeugend, aber innerhalb eines Arrangements mit mehreren Instrumenten doch bemerkenswert gefällig. 

Zwar dominieren die Raumsimulationen im MX 400 XL. Doch die Delay-, Modulations- und Dynamik-Effekte zeichnen sich ebenfalls durch Charakter und einen exzellenten Klang aus. Die Delay-Effekte warten mit Stereo- und Mono-Varianten, dem schon bekannten Ping-Pong- und auch Tap-Delay auf. Bemerkenswert ist die Simulation eines Band-Echos, das durch seinen eingeschränkten Frequenzgang auffällt und recht authentisch klingt. Über den Parameter Smear lässt sich der Frequenzgang entsprechend stark einstellen. Nicht alltäglich ist die Integration eines Reverse Delays, das den Lautstärkeverlauf der über Feedback wiedergegebenen Signale umkehrt und sich so anhört, als ob ein analoges Tonband rückwärts abgespielt würde. Der Modulated Delay Algorithmus enthält als besonderes Accessoire noch einen LFO, der die Feedback-Signale in der Tonhöhe subtil beeinflusst und einen lebendigen Klang erzeugt. Last not least enthalten die Algorithmen Studio- und Digital-Delay noch einen Ducker-Effekt, der das Echo nur dann erklingen lässt, wenn kein Signal mehr durch den Effekt geleitet wird. 

Die Modulations-Sektion wartet neben sattsam bekannten Vertretern wie Chorus, Phaser und Flanger auch mit einem erstaunlich gut klingenden Pitch Shifter auf. Im Bereich von plus/minus zwei Oktaven lassen sich Signale transponieren. Eine Einstellung um eine Oktave nach unten lässt beim Anschlag von hohen Saiten einer Gitarre immer noch den Charakter des Instrumentes erkennen. Bemerkenswert ist die glasklare Signalverarbeitung bei Chorus, Phaser und Flanger, die zwar einem angeschlossenen Instrument zu mehr Breite verhelfen, aber im Gegensatz zu manch anderem Vertreter den Originalklang subtil verändern und mit Charakter ausstatten. Schön ist auch der Rotary-Algorithmus, der den Effekt der alten Leslie-Lautsprechersysteme simuliert. Mit den Parametern Stereo Spread, Drive und Doppler lässt sich der Effekt präzise modellieren. Von leichten Schwebungen bis zu verzerrten wabernden Effekten ist alles möglich. Eher unauffällig, aber dennoch kraftvoll arbeiten die beiden Dynamik-Algorithmen Kompressor und De-esser, die eine Technik der Firma DBX simulieren. In Kombination mit einem weiteren Effekt, vermögen beide Algorithmen den Klang in der Dynamik entsprechend zu beeinflussen und neue Facetten zu erzeugen.

Die Werkspresets geben eine erstklassige Visitenkarte von den Möglichkeiten des MX 400 XL ab. Besonders gefallen uns die Simulationen großer Hallräume wie Orchestral, Gothical und Brick House. Die Simulation der vier Plattenhall-Algorithmen fällt angenehm durch eine zwar charakteristische Anhebung in den Höhen auf, die aber angenehm und nicht aggressiv ist. Einige Effektkombinationen, die den Klang alter Geräte simulieren gefallen uns ebenfalls. Darunter fallen Presets wie Retroverb, 60s Delay und Tape Chorus. Viele Effekt-Kombinationen sind zwar sattsam bekannt. Dennoch vermag das Lexicon-Gerät ihnen immer wieder das gewisse Etwas zu verleihen, was die bisherige Hörerwartung positiv enttäuscht. Alles in allem schafft es das MX 400 XL mühelos, hochwertigen Glanz in jedes Studio zu bringen.

Fazit

Mit dem MX 400 XL ist Lexicon ohne Zweifel ein großer Wurf im für ihre Verhältnisse unteren Preissegment gelungen. Die Auslegung als quasi doppeltes Stereo-Effektgerät, aber auch im Surround-Einsatz, wird es für viele Anwender interessant machen. Mit dem erwartungsgemäß hochwertigen Klang der Effekte können Musiker und Produzenten ihren Werken Glanz verleihen. Als Alternative zu den großen und ganz großen Lexicon-Brüdern – nicht zuletzt auch durch die Delay- und Modulations-Effekte – wird sich das MX 400 XL bald auch in vielen professionellen Studios finden.

Erschienen in Ausgabe 13/2006

Preisklasse: Mittelklasse
Preis: 869 €
Bewertung: sehr gut – überragend
Preis/Leistung: sehr gut