Stimmgewaltig

Der Genelec M030 ist zwar nicht hochgewachsen, dafür umso besser bei Stimme.

Von Harald Wittig 

Mit der im Vergleich zu den Modellen der bekannten 8000er-Serie kostengünstigen M-Serie will der finnische Lautsprecher-Spezialist Genelec vor allem den preisbewussten Aufsteiger von einer Mitgliedschaft in der weltumspannenden Familie der Genelec-Anwender überzeugen. Außerdem tun die Finnen mit den M-Monitoren auch etwas für die Umwelt, denn die Gehäuse der beiden M-Modelle M030 und M040 bestehen aus komplett recyclebaren Materialien. Mit einem Stückpreis von 445 Euro für den M030, unseren Testkandidaten, und 670 Euro für den M040 sind die Lautsprecher absolut gesehen keine Schnäppchen, gleichwohl deutlich günstiger zu haben als die 8000er-Modelle. Mit diesen haben die Neuen auch Einiges gemein:So setzen die Entwickler auch bei den M-Monitoren auf Bewährtes wie das schallführende Element oder Waveguide für den Hochtöner. Diese computerberechnete, ausgeformte Mulde in deren Zentrum der sichtbare Teil des Hochtöners sitzt, nennt sich Directivity Control Waveguide. Für die M-Gehäuse wurde er selbstverständlich neu berechnet, das Grundprinzip ist aber gleich geblieben.Trotz der elefantenhautgrauen Oberfläche ist das Gehäuse nicht wie bei den 8000ern aus Aluminium-Druckguss, sondern aus einem speziellen Verbundgranulat im Druckgussverfahren gefertigt. Genelec nennt den neuen Werkstoff Natural Composite Enclosure, was sich daraus erklärt, das es zu gleichen Teilen aus dem Naturstoff Holz und aus synthetischen Fasern besteht. Davon abgesehen, dass der Werkstoff wie gesagt recyclebar ist, übertrifft er wegen seiner großen Dichte – Stichwort Resonanzeigenschaften – reinen Kunststoff und eignet sich hervorragend für Lautsprechergehäuse. Außerdem ist die Fertigung ausgesprochen ökonomisch, denn ein nachträgliches Lackieren entfällt: Die Farbe wird direkt im Rahmen des Druckgussverfahrens verarbeitet, die Gehäuse können somit in einem Arbeitsschritt fertig gestellt werden. Desweiteren erleichtert der Herstellungsprozess die Verrundung des Gehäuses zur Vermeidung von Kantenreflexionen beträchtlich, selbstverständlich ist auch die exakte Ausformung des Waveguides auf diesem Wege einfach – und kostengünstig – realisierbar.

Wir haben es mit einer Bassreflex-Konstruktion zu tun, die Ports für die beiden Kanäle finden sich rechts und links an den Standfüßen des Gehäuses, die Bassreflexkanäle laufen am Tieftöner vorbei. Diese spezielle Konstruktion und die Formgebung der Kanäle dienen der präzisen Führung der Luft, diese strömt wunschgemäß mit sehr wenigen Turbulenzen. Genelec hat sich diese Bassreflex-Bauweise, die sich praktisch nur dank des Druckgussverfahrens verwirklichen lässt, patentieren lassen. Die Kanäle selbst nennen die findigen Finnen „Laminar Integrated Ports“, kurz LIP. Jedenfalls soll die Konstruktion auch unserem Testkandidaten zu einem sauberen, tief reichenden Bass verhelfen – wir werden hören.
Der Magnet des Tief-Mittelton-Chassis ist mit einer dünnen Stahlplatte verstrebt, was einerseits den Tief-Mitteltöner selbst stabilisiert und gleichzeitig als Dichtung für die Bassreflex-Kanäle dient. Mit seiner 127 Zentimeter-Membran ist der Tief-Mitteltöner zuständig für alle Frequenzen von 58 Hertz bis drei Kilohertz, danach übernimmt der Hochtöner mit seiner 19 Millimeter durchmessenden Metallkalotte. Dieser Hochtöner ist ebenfalls ein altbewährter Bekannter und besorgt beispielsweise auch beim Modell 8030B für den guten Hochton.Die beiden diskret aufgebauten Class D-Endstufen für den Tiefton- und den Hochtonkanal – wir haben es also mit echtem Bi Amping zu tun – bieten eine vergleichsweise hohe Leistung von 50 beziehungsweise 30 Watt. Es handelt sich, wie bei Genelec üblich, um Eigenentwicklungen, die sich durch einen besonders hohen Wirkungsgrad – die Energie verpufft nicht größtenteils als Wärme –auszeichnen soll. Der Kenner weiß, dass es üblich ist, Klasse D-Verstärker mit einem Wirkungsgrad „bis zu 90 Prozent“ zu bewerben. Das wäre aber das Maximum, was jedoch nur bei Vollaussteuerung erreicht werden würde. Im Alltagsbetrieb dürfte der praktische Wirkungsgrad sehr viel niedriger liegen, gleichwohl arbeiten die digitalen Endstufen in jedem Fall wirtschaftlicher-effizienter als analoge Class A oder Class AB-Verstärker. Was einmal mehr für die grüne Aura, die den M030 umgibt, spricht. Das gilt ebenfalls für die sogenannte I(intelligent)S(ignal)S(ensing)-Funktion: Ist der Lautsprecher eingeschaltet, verharrt er im stromsparenden Stand by-Modus. Liegt ein Signal an, erkennt es ISS und schaltet den M030 ein. Das geschieht vergleichsweise schnell, unter zwei Sekunden. Erkennt ISS länger als 30 Minuten kein Signal mehr, schaltet sie den Monitor auf einen besonders stromsparenden Stand By-Modus herunter: Die Leistungsaufnahme liegt dann unter 0,5 Watt.

Auf der Rückseite des M030 finden sich neben den Eingängen – symmetrisch XLR-Klinke und unsymmetrisch RCA/Cinch – ein Wahlschalter für die Wiedergabe-Lautstärke, ein Bass Level-Lautstärkeschalter sowie der Equalizer zur Anpassung an den Aufstellort. Der instruktiv als „Tabletop EQ“ bezeichnete Filter sollte nach Hersteller-Angabe bei der Aufstellung auf den Arbeitstisch aktiviert sein. Im Rahmen des Testes hat der M030 in der Tat auf unserem Arbeitstisch Platz genommen, für unsere Ohren bedarf es aber in unserem Raum nach konzentriertem Vergleichshören des Tabletop EQs nicht. Der M030 darf also in „Flat-Einstellung“ aller Filter zeigen, was klanglich in ihm steckt:Frisch ausgepackt, gibt sich der M030 zunächst noch dezent verhangen, nach zwei Tagen Betrieb lüftet sich aber der Schleier und der Graue läuft zu richtig guter Form auf. Zunächst ist der Finne ein erfreulich impulsfreudiger Geselle. Ob es sich um einen trockenen Bass Drum-Schlag, rasend schnelle, mit beinhartem Plektrumanschlag gespielte Kaskaden auf der Akustik-Gitarre oder Stakkati auf der Bach-Trompete handelt – der M030 ist nicht aus der Ruhe zu bringen. Das gilt für den gesamten darstellbaren Frequenzbereich, hervorheben wollen wir aber insbesondere das Bassverhalten des Genelec. Der kleine Tiefmittel-Töner bekommt beste Unterstützung durch die Bassreflex-Konstruktion, ist damit verhältnismäßig tief, dabei auch vorbildlich klar. Die berüchtigte Effekthascherei, mit der weniger kompetente Lautsprecher gerne täuschen wollen, ist nicht Sache des Genelec. Wenn beispielsweise in einem unserer eigenen Arrangements die tiefen Streicher im Refrain ganz im Basskeller angelangt sind, behalten sie ihre Kontur, nichts wummert und dröhnt – exakt so, wie wir es kennen und erwarten.Der Mittenbereich ist detailliert und ebenfalls pieksauber aufgelöst, seine Ausgewogenheit entspricht nach unseren Erfahrungen dem Genelec-Standard. So bedarf es keiner erhöhten Konzentration beim Mischen und dem Aufspüren etwaiger Probleme. Das damit auch eine bisweilen ernüchternde Ehrlichkeit einhergeht, versteht sich von selbst, wird aber gerade auch dem Aufsteiger zu noch besseren Mischungen verhelfen. Gutes haben wir auch über die Höhenwiedergabe zu vermelden, gestehen aber offen, dass uns in dieser Disziplin der Focal CMS 40 (Test in Ausgabe 10/2012) oder auch ein ADAM A8X (Test in Ausgabe 10/2010) wegen der noch feineren Höhen-Auflösung beziehungsweise Transienten-Sicherheit noch etwas besser gefällt. Zumindest am Focal ist der Genelec aber insgesamt ganz nah dran, was als großes Kompliment zu verstehen ist.Ein solches verdient sich der M030 auch für seine Raumdarstellung, die nur noch von Spitzenklasse-Lautsprechern wie beispielsweise dem Nubert nuPro A-200 (Test in Ausgabe 12/2013) übertroffen wird. Ein korrekte Aufstellung im Stereo-Dreieck und die optimale Sitzhöhe – Hochtöner in Ohrhöhe – vorausgesetzt, überzeugt der M030 mit einer starken Phantommitte, grundsolider Stereo-Breite und einer weit in den Raum hinein reichenden Tiefenauslotung. Damit ist die Arbeit mit Hall-, aber auch Verzögerungseffekten ein Leichtes und zudem ein Riesenspaß.Abschließend sei noch bemerkt, dass der M030 auch bei höheren Abhörlautstärken noch sehr stabil aufspielt, wo andere Desktop-Lautsprecher längst den Dienst quittiert haben – also in der Tat und unterm Strich ein im besten Sinne stimmgewaltiger Abhörlautsprecher.

Fazit

Der Genelec M030 unterstreicht mit seiner ausgewogenen und sehr impulstreuen, verhältnismäßig pegelfesten Wiedergabe sowie der sehr guten Raumdarstellung die Kompetenz des Herstellers. Als Monitor fürs echte Nahfeld weist er praktisch keine Schwächen auf.

Erschienen in Ausgabe 02/2014

Preisklasse: Oberklasse
Preis: 445 €
Bewertung: gut – sehr gut
Preis/Leistung: gut – sehr gut