Suomi Stolz

Monitorspezialist Genelec will es wissen: Der 8260A ist ein digitaler Vollbereichs-Nahfeldmonitor in aktiver Drei-Wege-Bauweise, der zu Recht der Stolz der Finnen ist.  

Von Harald Wittig

Die Studio-Monitore des finnischen Herstellers  Genelec zählen zu den bekanntesten und verbreitesten Abhör-Lautsprechern der weltumspannenden Pro Audio-Szene. Vor allem die 8000er-Serie hat wegen ihres eigenständigen Gehäusedesigns – von Insidern treffsicher als „Ei-Form“ bezeichnet – bei praktisch allen Tonschaffenden vom Hobbyisten bis zum Profi einen hohen Wiedererkennungsfaktor. Tatsächlich denken die meisten, wenn der Name Genelec fällt,  an die Lautsprecher mit massiven Aluminiumgehäuse und den abgerundeten Kanten. Dass der Hersteller aus dem Land der tausend Seen und der klirrenden Kälte mit der 1000er-Serie auch Lautsprecher in der gängigen Quaderform, vorzugsweise für das Mittelfeld oder als Großmonitor für den Wandeinbau, anbietet, wissen hingegen eher die Profis.

Allerdings war nicht zu erwarten, dass Genelec Drei-Wege-Systeme nur innerhalb der 1000er-Serie anbieten würde, denn die Finnen hatten noch bis vor einigen Jahren auf entsprechenden Nachfrage von Anwendern und Fachpresse mitgeteilt, dass die komplexe Aluminium-Gehäusekonstruktion zwangsläufig nur Zwei-Wege-Lautsprecher erlauben würde. So sah es lange danach aus, als sei die 8000er-Serie mit den Modellen 8050 und 8250 endgültig ausgewachsen. Dass Überzeugungstäter in Sachen Lautsprecherbau wie die Genelec-Entwickler es dabei nicht einfach belassen, zeigte sich Anfang dieses Jahres, als die findigen Finnen den 8260A, unseren Testkandidaten präsentierten: Obwohl auf den ersten Blick ein weiterer aktiver Zwei-Wege-Lautsprecher im typischen Aluminium-Gewand, handelt es bei dem rund 30 Kilogramm schweren Boliden um ein Drei-Wege-System: Allerdings setzt Genelec auf ein Mittel-Hochtonsystem in Koaxial-Bauweise, was im Falle des Herstellers ein absolutes Novum ist. Nach Aussage von Karl-Heinz Schaak, seines Zeichens Genelec-Produktmanager des deutschen Vertriebs Audio Export, ist das Koaxial-System des 8260A das Ergebnis eines gut zwei Jahrzehnte in Anspruch nehmenden Forschungsprozesses. Denn Genelec wollten bei ihrem Koaxial-Chassis nicht einfach altbekannte und durchaus bewährte Konzepte mit eigenen Modifikationen übernehmen. Stattdessen sollte die eigene, übrigens auch bei Genelec gefertigte, Lösung auch gewisse Schwächen dieser Bauweise überwinden  – dazu später mehr – überwinden und in puncto Linearität seines gleichen suchen. Das dritte Chassis wiederum ist, anders als bei den gängigen Zwei-Wege-Systeme eine echter Tieftonlautsprecher, der den Bassbereich bis 26 Hertz ausloten kann und vom Hersteller auch in den Subwoofern für die tieftönende Ergänzung sorgt.
Der 8260A ist, Genelec-Anhänger wissen es längst, Mitglied der digitalen 8200er-Serie,  einem Nebenzweig der 8000er-Familie. Folgerichtig  setzt Genelec beim elektronischen Innenleben auf die hauseigene DSP-Technik, die erstmals vor vier Jahren mit den im Vergleich zu unserem Testkandidaten kleineren Zwei-Wege-Lautsprechern 8240A DSP und 8250A DSP seine Premiere feierte. Der DSP im 8260A übernimmt sämtliche Funktionen einer konventionellen Analog-Elektronik, also unter anderem Frequenzweiche und Entzerrung. Hinzu kommt die Möglichkeit des Lautsprecher-System-Management und der Anpassung an die Abhörumgebung via G(enelec)L(Loudspeaker)M(anagement)-Software – auch dazu gibt es selbstverständlich im weiteren Verlauf detaillierte Informationen. Wer bereits jetzt ahnt, dass der 8260A DSP auch seinen Preis hat, liegt goldrichtig: Mit einem Stückpreis von rund 4.230 Euro ist der graue Riese wirklich kein Angebot für Schnäppchenjäger, wenngleich der Preis angesichts der Leistungsfähigkeit des 8260A durchaus als angemessen zu bezeichnen ist. Nun denn, dann wollen wir mal genau hinsehen und selbstverständlich auch mit gespitzten Ohren hinhören.

Beginnen wir bei unserer Nah-Betrachtung mit dem neuentwickelten Koaxial-Chassis. Grundsätzlich  bringt die koaxiale Bauweise, bei der im Zentrum des Mitteltöners der Hochtöner auf ein und derselben Achse sitzt  oder anders ausgedrückt: Mittel- und Hochtöner teilen sich eine gemeinsame Achse, daher der Name „koaxial“ Vorteile: Diese Konstruktion kommt dem theoretischen Ideal einer Punktschallquelle am nächsten, die neben einem beinahe idealen Impulsverhalten vor allem keine internen Phasenverschiebungen/Phasendifferenzen  kennt und eine äußerst präzise Raumdarstellung und Ortung ermöglicht. In der Tat sind Phasendifferenzen bei Koax-Systemen gegenüber Mehrweg-Systemen deutlich minimiert, allerdings hat ein Lautsprecher-Entwickler dafür mit anderen Problemen zu kämpfen. Da bei koaxialer Anordnung der Chassis der Mitteltöner als schallführendes Element des Hochtöners dient, können ungewollte Modulations-Interferenzen die Hochtonwiedergabe beeinflussen und diese faktisch verschlechtern. Das ist abhängig vom Hub, den die größere Membran ausführt. Als probates Mittel bietet sich an, das Koaxialsystem erst gar keine großen Hübe ausführen zu lassen, sondern die Wiedergabe tiefer Frequenzen einem dezidierten Tieftöner zu überlassen – genau so, wie es Genelec beim 8260A umgesetzt hat und wie es KS Digital im Grundprinzip auch in seinem C55 realisiert hat. Allerdings wäre der Testkandidat beziehungsweise sein Koaxial-Chassis damit alleine noch nicht entsprechend gewürdigt, denn die Finnen haben sich auch eines anderen Problems, unter dem traditionelle Koaxial-Systeme ihrer Auffassung nach kranken angenommen. Diese Systeme sollen aufgrund von Schallbeugungen eine ausgewogene, sprich lineare Hochtonwiedergabe zumindest einschränken, weswegen sich die Genelec-Entwickler für ihr Koaxial-Chassis etwas ganz Eigenes ausgedacht haben: Der sichtbare Teil des Mittelton-Chassis in dessen Zentrum der Hochtöner sitzt strahlt den Schall über eine poröse aussehende Gewebeoberfläche ab, die Teil der eigentlichen Mitteltöner-Membran ist. In Richtung des Hochtöners – also nach innen – schließt die Membran-Aufhängung mit dem Wave-Guide des Hochtöners ab, nach außen – in Richtung Gehäuse-Kanten –- geht die Membran faktisch in die typische ausgeformte Mulde des Aluminium-Gehäuses, die ihrerseits als schallführendes Element oder Waveguide fungiert, über. Die Genelec-Mulde nennt sich im Genelec-Jargon  D(irectivity)C(ontrol)W(aveguide) und soll – wie übrigens inzwischen bei etlichen Mitbewerbern – für eine definierte und homogene Schallabstrahlung sorgen. Auch das neuartige Koaxial-System hat einen hübschen Namen erhalten: M(inimum)D(iffraction)C(oaxial), wobei diese Bezeichnung durchaus instruktiv ist, bezeichnet sie doch Koaxial-System, das sich durch minimalste Schallbeugungen („Diffractions“) auszeichnet. Tatsächlich arbeiten DCW und MDC Hand in Hand, weswegen die Mitteltöner-Membran, die sich im Düsterlicht nach dem allgemeinen Studio-Standrad fast versteckt und somit kaum zu erkennen ist.
Der Hochtöner hat eine Membran aus Aluminium, das sich grundsätzlich als Membranmaterial für Kalottenhochtöner empfiehlt, allerdings muss ein Hersteller dabei die Eigenresonanz des Aluminiums berücksichtigen, indem er diese so weit wie möglich über den Arbeitsbereich des Hochtöners heraufsetzt. Der 8260A-Hochtöner ist zuständig für alle Frequenzen oberhalb drei Kilohertz, dass auch hochwertigste Werkstoffe zum Einsatz kommen, versichert der Hersteller.
Der Tieftöner – er übernimmt alle Frequenzen ab 490 Hertz und reicht in kellertiefe Bassregionen hinunter. Der Freifeld-Frequenzgang habe laut Hersteller einen Bereich von 29 Hertz bis 21 kHz – wohlgemerkt mit einer praktisch vernachlässigbaren Abweichung von ±1 Dezibel –, auch bei 26 Hertz betrage der Abfall gerade mal -3 Dezibel. Ganz klar, wir haben es mit einem echten Tieftonspezialisten zu tun, der, wie bereits erwähnt, sein tieftönendes Werk auch in den Subwoofern 7060 und 7260 verrichtet. In diesem Zusammenhang kommt es mitentscheidend auf das Lautsprechergehäuse an, denn es bedarf eines sehr robusten und verwindungssteifen Gehäuses, das weitgehend resistent gegen Eigen- und Innenresonanzen ist. Die Genelec-eigene Lösung, bestehend aus zwei Schalen aus Aluminiumdruckguss mit aufwändigen inneren Verstrebungen, bietet insoweit sehr gute Voraussetzung in puncto Resonanzarmut. Im Gegensatz zu Holzgehäusen kann der Hersteller damit sogar Gewicht einsparen, wenngleich der 8260A mit seinen rund 27 Kilo Lebendgewicht schon ein schwerer Brocken ist. Nur: Eine vergleichbare Holzkonstruktion brächte noch mehr auf die Waage. Zumal bei einer Holzbox noch der notwendige Kühlkörper der Endstufen für ein fettes Pfund sorgen würde. Im Falle des Genelec wird die von den insgesamt drei Endstufen erzeugte Wärme vom gesamten Gehäuse selbst abgeleitet, weswegen der 8260A dank des speziellen Aluminium-Gehäuses letztlich vergleichweise kompakt geblieben ist. Dennoch empfiehlt sich dringend ein stabiler Untergrund oder ein massives, weitgehend unerschütterliches Stativ wie das vom deutschen Stativ-Spezialisten König & Meyer gefertigte 8260-450B mit seinem ultramassiven Druckguss-Sockel, das Professional audio dank des deutschen Vertriebs Audio Export für den Test des 8260A-Paares zur Verfügung steht. Wer, aus welchen Gründen auch immer, auf das 8260-415B-Stativ verzichten möchte, sollte auf keinen Fall am falschen Ende sparen und stattdessen in eine vergleichbar massive und unerschütterliche Konsole investieren. Denn auch die feinste Digitaltechnik kann gegen Klangverfälschungen, hervorgerufen durch einen ungenügenden Untergrund angehen. Als sehr praktisch erweisen sich einmal mehr die sogenannten IsoPods: Dabei handelt es sich um eine Art vierfüßigen Gummiständer, der allen 8000er-Genelecs und sogar den Zwergen-Monitoren 6010A (Test in Ausgabe 12/2008) beiliegt und zunächst die Lautsprecher vom Untergrund – Konsole oder Stativplatte – abkoppelt und damit klangverfälschende Resonanzen, die auch auf soliden Untergründen auftreten können, minimiert. Schlichtweg genial ist die Möglichkeit, den Neigungswinkel des Lautsprechers einfach durch Verschieben des Monitors auf dem IsoPod zu beeinflussen, um ein Lautsprecherpaar exakt auf den Hörplatz auszurichten. Das funktioniert im Falle des 8260A fast ebenso gut wie mit den kleinen Genelecs, die im Vergleich zu dem Großen gerade mal in der Papiergewichtsklasse antreten.       

Jetzt ist es an der Zeit, dass wir uns mit dem elektronischen High-Tech-Innenleben des 8260A befassen.  Als Drei-Wege-System verfügt der Monitor über drei separate Endstufen, die ein üppiges Leistungspfund von insgesamt 390 Watt – 150 Watt für den Tieftöner und jeweils 120 Watt für Mittel- und Hochtöner – bereitstellen. Da das Gehäuse selbst die von den Endstufen erzeugte Wärme ableitet, sind die Verstärker an das Aluminiumgehäuse angepasst und damit gewissermaßen Teil des Gehäuses, was eine bestmögliche Wärmeableitung auch ohne traditionelle Kühlkörper gewährleistet.
Der DSP im 8260A fungiert, wie auch bei den anderen Genelec-Monitoren der 8200er-Serie, als komplette Steuerzentrale, dass zunächst alle Aufgaben einer Analog-Elektronik übernimmt: Dazu gehören selbstverständlich die Frequenzweichen, wobei die rein digitale Trennung den Einsatz sehr steilflankiger Filter mit hoher Dämpfung erlaubt, was die bekannten Probleme beim Einsatz solcher Filter – die Gefahr von Überschwingern und erhöhte Impulsverzerrungen – nach Aussage des Herstellers in den Griff bekommt. Der DSP übernimmt folgerichtig eine Entzerrung des Systems und  kompensiert Laufzeit- und Phasenfehler.
Der DSP bearbeitet sämtliche Eingangssignale  wobei der 8260A wie seine älteren und kleineren Geschwister sowohl digitale als auch  analoge Signale annimmt. Für Digital-Signale gibt es einen professionellen AES/EBU-Eingang, der Signale mit 16 und 24 Bit Wortbereite und mit Abtastraten von 32 bis 192 Kilohertz akzeptiert, außerdem erkennt der DSP automatisch, ob das AES-Signal im Single- oder Dual-Wire-Modus vorliegt. Digitalsignale haben übrigens stets Priorität, so dass bei Anliegen eines solchen der Analog-Eingang stumm geschaltet wird. Die interne Signalverarbeitung geschieht – unabhängig von der Abtastrate des Eingangssignals – stets mit einer Samplingrate von 96 Kilohertz, danach leitet der DSP die Signale an die drei eingebauten Digital-Analog-Wandler weiter, die nunmehr gewandelten Signale gehen dann an die drei Endstufen und schließlich an die drei Chassis.
Das ist das Grundprinzip, wonach der 8260A immer arbeitet. Davon zu unterscheiden sind die drei Betriebsarten, die der Monitor als Mitglied der Genelec DSP-Familie ermöglicht:
Er kann zunächst wie ein analoger Lautsprecher stand-alone betrieben werden, zur Anpassung an die Abhörumgebung lassen sich über die DIP-Schalter auf der Rückseite vier Filter setzen (siehe hierzu im Detail die finale Tabelle) wie beispielsweise das sogenannte Desktop Control-Filter, das klangverfälschende Reflexionen von der Mischpult- oder der Arbeitstischoberfläche  bei Aufstellung der Monitore auf der Meterbridge beziehungsweise in deren unmittelbarer Nähe kompensieren soll. Die zweite DIP-Schalter-Reihe (siehe das Foto auf Seite 21) dient im Wesentlichen dazu, bei autarkem Betrieb grundlegende Einstellungen vorzunehmen. So lässt sich beispielsweise die Eingangempfindlichkeit um -10 oder -20 Dezibel herabsetzen. Außerdem lässt sich der Monitor mittels der Einstellung „Manual Control“ überhaupt erst auf konventionelle Weise bedienen und stand-alone betreiben.
Dank der ausgefeilten Netzwerktopologie des 8200-Systems lässt sich ein 8260A-Paar vollständig über einen Rechner – Windows PC oder Mac – steuern, wobei die Einstelloptionen die manuellen Korrekturmöglichkeiten am Lautsprecher selbst bei Weitem übertreffen. Für die zentrale Steuerung einer 8200er-Anlage steht die GLM-Software zur Verfügung, die es dem Anwender ermöglicht, bis zu 25 Monitore und fünf Subwoofer über StandardCAT5-/Netzwerkkabel zu kontrollieren. Die Software gehört aber nicht zum Lieferumfang der Lautsprecher, sondern ist Teil des optionalen GLM-Sets 8200-601, das neben der Software noch das GLM Network Interface, das gleichzeitig auch ein USB-Audio-Interface ist, sowie ein kalibriertes Messmikrofon umfasst. Mit einem Preis von immerhin 700 Euro ist das GLM-Set nicht gerade billig und erhöht den Gesamtpreis für ein 8260A-Stereo-Setup auf fast 9.300 Euro. Allerdings relativiert sich der hohe Preis in jedem Fall, wenn es darum geht ein komplexes Mehrkanal-Setup vom Rechner aus zu dirigieren, denn dann fällt der Set-Preis kaum mehr auf und der auf Surround-Mischungen spezialisierte Tonmeister spart Zeit und Nerven bei der Einrichtung seiner Anlage.
Wie dem auch sein: Bei vorhandener GLM-Software und Netzwerkinterface ergeben sich die beiden anderen Betriebsarten: Die Abhöranlage wird über die GLM-Software in Zusammenarbeit mit dem Netzwerkinterface eingerichtet, die vorgenommenen  Einstellungen lassen sich über die DIP-Schalterstellung „Store“ an den Lautsprechern selbst abspeichern. So geschehen, lässt sich die Anlage dann ohne Rechner betreiben, die Netzwerkverkabelung darf der Benutzer hernach gefahrlos entfernen. Die alternative, also dritte Betriebsart ergibt sich praktisch und logisch von selbst: Die Anlage bleibt vernetzt und ist permanent mit dem Rechner verbunden.

Der große Vorteil der Einrichtung und Steuerung eines 8260-Systems via Netzwerk und GLM-Software, liegt an den erweiterten Einstelloptionen, wie zum Beispiel der erweiterten  und stufenlosen digitalen Pegelkontrolle und den besseren Anpassungsmöglichkeiten an die jeweilige Abhörumgebung. Dafür stehen nämlich vier Shelving-/Kuhschwanzfilter und sechs Notchfilter zur Verfügung, die durchaus eine Feinabstimmung nach Gehör ermöglichen und einer nicht optimalen Raumakustik ein Schnippchen schlagen können – zumindest in gewissen Grenzen, einen akustisch völlig ungenügenden Raum kann auch die beste Software nicht in eine Arbeitsumgebung nach Studio-Standards verwandeln.

Apropos Raumanpassung: Richtig komfortabel funktioniert das mit AutoCal, einem automatisierten Kalibrierungsalgorithmus der Teil der GLM-Software und damit des GLM-Sets ist. AutoCal korrigiert anhand von logarithmischen Sinus-Sweeps, die von den Lautsprechern eines Setups abgegeben und von dem beiliegenden, individuell kalibrierten Messmikrofon aufgenommen werden, Pegel, Laufzeit und Frequenzgang, wobei die Software diese Korrekturen – je nach dem wie exakt die Lautsprecher zum Hörplatz ausgerichtet sind – für jeden einzelnen Lautsprecher gesondert vornimmt. Das Besondere an AutoCal, was bei der Erstvorstellung im Genelec-Vorführraum auf der Musikmesse 2006 für Verblüffung sorgte: Neben der sogenannten Single-Point-Messung, mit der die Anlage auf den Hörplatz des – salopp gesagt – Alleintäters, ist eine Einmessung via Multipoint-Messung auch auf Räume mit mehreren Hör- oder Arbeitsplätzen möglich.
Die diesbezüglichen Ergebnisse verblüffen spontan, wenngleich – nachdem sich das kritische Ohr nach der ersten Überraschung wieder zu Wort meldet – die Endergebnisse nicht an einen aufwändig akustisch optimierten Raum, der penibel vom Akustiker eingemessen und speziell an die jeweilige Abhöranlage angepasst ist, heranreichen können. Das ist fairerweise von AutoCal auch nicht zu erwarten, im Rahmen des technisch Möglichen und bei realistischen Erwartungen bleibt aber unterm Strich festzuhalten, dass die im Rahmen dieses Tests versuchsweise vorgenommenen Multi-Point-Messungen für einen ähnlichen Aha-Effekt sorgen, wie seinerzeit auf der Messe.

Weitaus überzeugender sind die Ergebnisse der Single Point-Messung, die wir unter Anleitung von Karl-Heinz Schaak, der uns das 8260A-Testpaar persönlich vorbeigebracht hat. Bevor wir die Genelecs Einzug in unserem Teststudio gehalten haben, präparierten wir zunächst den Abhörraum. Dafür entfernten wir die Bassabsorber, was erwartungsgemäß in einer starken Anhebung der Tief- und Oberbässe resultiert, die ein vernünftiges Arbeiten wenigstens sehr kompromissbehaftet, wenn nicht gar unmöglich machte. So vorbereitet, waren wir gespannt, was AutoCal draufhat und ob die Ergebnisse der automatischen Kalibrierung auch wirklich überzeugen können.
Nach Montage und Aufstellung der Monitore und einer sorgfältigen Ausrichtung auf den Hör- und Arbeitsplatz, justieren wir zunächst das Messmikrofon. Dabei achten wir peinlich genau darauf, dass es möglichst exakt an dem Punkt positioniert ist, wo wir sonst sitzen. Dass das Mikrofonstativ soweit ausgezogen ist, dass die Kapsel des Messmikrofons auf Ohrhöhe am Hörplatz den Einmess-Sweep aufnimmt, versteht sich von selbst. Tatsächlich spürt AudioCal die Bassanhebung auf und setzt dementsprechend ein Notchfilter bei 30, 36  und 50 Hertz, das den Pegel bei diesen Frequenzen  absenkt (siehe näher dazu den Screenshot). Unser erster Höreindruck nach der Kalibrierung: Der Bass erklingt sehr trocken und fokussiert. Damit lässt sich schon mal gut hören, wenngleich wir beim Anhören eigener Projekte und Mischungen feststellen, dass die Auto-Korrekturen im Mittenbereich, vor allem bei 447 und 1492 Hertz für unsere Ohren ein wenig zu drastisch sind. Folgerichtig nehmen wir eine manuelle Feinkorrektur nach Gehör vor, was übrigens zu jeder Zeit möglich ist. Daraus folgt zwingend: AutoCal bewirkt in der Tat eine hörbare Verbesserung des Frequenzgangs, liefert aber nur im Bass- und Tiefmittenbereich überzeugende Ergebnisse. Damit ist das Genelec-System jedoch in allerbester Gesellschaft, denn auch andere automatische Lautsprecher-Kalibrierungssysteme wie von JBL oder Equator liefern ebenfalls nur in den unteren Frequenzbereichen gute Ergebnisse, wobei zu betonen ist, dass nach unserer Erfahrung die Genelec-Lösung in jedem Fall zu den überzeugendsten, sprich besten gehört. Dass kein Kalibrierungssystem aus einem akustisch suboptimalen einen aufwändig optimierten Hörraum zaubern kann, darf niemand erwarten.

Wie klingt er denn – losgelöst von der AutoCal-Optimierung – jetzt, der 8260A? Auf das erste Hinhören gefällt die Darstellung des Stereopanoramas, wobei der Monitor sowohl seinem Preis und dem selbstgesetzten Anspruch auf einen Platz in der schallwandelnden Oberschicht damit legitimiert, dass sich die einzelnen Schallereignisse schön von den Boxen lösen, während die Phantommitte nicht unnatürlich exponiert, sondern sich sauber in die Vertikal-Achse einfügt. Das sorgt insgesamt – eine entsprechende Mischung vorausgesetzt – für eine Weite und Offenheit, die nur Spitzenlautsprecher darstellen können. Zusammen mit der ebenfalls sehr guten Raumabbildung – der Monitor stellt realexistierende Aufnahmeräume oder via Altiverb 6 hinzugefügte virtuelle Räume mit einer eindrucksvollen Tiefenwirkung da, die – dem aktuellen Trend folgend – eine dreidimensionale Qualität oder einen 3-D-Effekt haben. Daraus folgt, dass die Lokalisation einzelner Schallereignisse oder, um mal etwas musikalischer zu werden, die Einzelinstrumente und Stimmen eines Arrangements, sogar für wenig geübte Hörer sehr einfach möglich ist. Sicherlich ist das neu entwickelte Koaxial-Chassis zu einem Gutteil mitverantwortlich für die rundum überzeugende Raumdarstellung.
Das Klangbild selbst ist sehr ausgewogen und wir können bestätigen, dass der 8260A, wie von Genelec versprochen, wirklich die Bezeichnung Vollbereichslautsprecher verdient. Die Basswiedergabe  ist wie bereits angedeutet sehr präzise und es macht richtig Spaß, bei gelungenen Orchesteraufnahmen die Kontrabässe satt, aber nicht übertrieben aufspielen zu hören. Ebenso beeindruckend erklingt eine extrem trocken aufgenommene Kick-Drum, denn nicht nur dabei beweist der Tieftöner sein sehr gutes Impulsverhalten. Außerdem haben wir es hier mit echtem Tiefbass und keinem Showeffekt zu tun, so dass wir durchaus nachvollziehen können, wenn Genelec empfiehlt, bei Mehrkanal-Produktionen mit einer 8260A-Surround-Anlage, die vorhandenen Subwoofer wie eigentlich vorgesehen als LFE-Kanal einzusetzen.
Auch der Mitten- und Höhenbereich ist sehr sauber und ausgewogen, dabei allerdings auch gnadenlos ehrlich und analytisch nüchtern. Darüber freut sich der Praktiker, denn klangverbessernde Maßnahmen gelingen vergleichsweise schneller: So lassen wir es uns nicht nehmen, das mit dem in dieser Ausgabe  getesteten Twin-Mikrofon Josephson C700A aufgenommene Gitarrenstück  einige subtile Korrekturen via Equalizer vorzunehmen, um den für unserem Geschmack ein wenig zu präsenten Klang der Druckempfänger-Kapsel dezent zu entschärfen. Das Ergebnis können Sie sich selbst anhören, denn die Mischung gibt es zum kostenlosen Download als Soundfile in der Soundbank.
Der neue Hochtöner ist nach unseren Testerfahrungen der beste, denn wir bisher in einem Genelec-Monitor gehört haben. Seine Präzision, resultierend aus einem sehr guten Impulsverhalten und vergleichbar hochklassigen Auflösungsvermögen bei hoher Verzerrungsarmut gefällt bei obertonreichen Klängen wie einer mit Trippelzunge hart angestoßner, triolischer Repetition des D3 auf der Trompete oder der Darstellung des Obertonspektrums eines Ride-Beckens. Dabei setzt sich der Hochtöner zu keiner Zeit aufdringlich-vordergründig in Szene, was gerade Genelec-Verächter, die sich gerne über die angeblich so „giftigen“ Hochtöner der Finnen auslassen. Im Falle des 8260A findet diese Kritikerfraktion keinen Ansatzpunkt.
Gleichwohl soll nicht verschwiegen sein, dass dem 8260A eine gewisse Kühle zueigen ist, die nicht jedes Hörer-Ohr, je nach Vorprägung, annimmt. Der Genelec will nicht gefallen und sich dem Hörer gewissermaßen anbiedern. An seine Nüchternheit muss sich ein verzogenes Ohr erst gewöhnen und auch wir machen die Erfahrung, dass ein solcher Monitor – und das ist der 8260A – zur Sorgfalt bei der Arbeit erzieht. Damit lässt sich ein Projekt nicht „husch-husch“ abschließen. Stattdessen verlangt der 8260A nach angemessener, soll heißen: längerer, Arbeitszeit. Wer sich darauf einlässt und vielleicht auch die eine oder andere Mischroutine überdenkt, wird in jedem Fall mit Ergebnissen belohnt, die richtig gut klingen.                                                                                                             

Fazit

Der Genelec 8260A DSP ist der bisher beste Monitor der digitalen 8200er-Serie des finnischen Herstellers. Das brandneue Koax-Chassis erweist sich als klanglich hoch ausgewogen, überzeugt in puncto Auflösung und Impulsverhalten, zusammen mit dem Tieftöner erhält der Praktiker auf Neutralität optimierten Vollbereichsmonitor für fast alle Fälle. Mit dem optionalen GLM-Kit erhält der Anwender nicht nur eine fortschrittliche Software zur komfortablen Fernsteuerung auch aufwändiger Mehrkanal-Anlagen, sondern und kann seine Genelec-Abhöranlage durchaus effektiv an eine akustisch nicht-optimale Abhörumgebung anpassen.  

Erschienen in Ausgabe 11/2010

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 4229 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut