Desktop-Wohlklang
Die britische HiFi Lautsprecher-Ikone KEF debütiert mit einem Aktiv-System für den Desktop, das auch für Tonschaffende sehr attraktiv ist.
Von Harald Wittig
Begründet im Jahre 1961 durch den ehemaligen BBC-Angestellten und Elektrotechniker Raymond Cooke hat sich der britische Lautsprecherhersteller KEF als ein Unternehmen etabliert, das für technische Innovationen und bestmöglichen Klang steht. Obwohl die ersten KEF-Lautsprecher auch für professionelle Anwendungen konzipiert waren – unter anderem für den Rundfunk und Beschallungen – ist KEF vor allem als Manufaktur für HiFi-Lautsprecher für Menschen mit besonders feinen Ohren, auch Audiophile genannt, bekannt. Doch KEF, das inzwischen zu GP Acoustics Group gehört, ist stets der Unternehmensphilosophie des 1995 verstorbenen Raymond Cooke treu geblieben. Diese zeichnet sich durch die Kennwerte „Qualität, Ehrlichkeit, Hingabe und Innovation“ aus und vor diesem Hintergrund passt die jüngste KEF-Neuheit, das „Digitale Hi-Fi Speaker System“ X300A bestens ins Grundkonzept der Briten. Wir wiederum fanden das X300A-System schon deswegen attraktiv, weil es sich um ein aktives System handelt, das für die Verwendung mit einem Rechner konzipiert ist. Dank eines integrierten USB-Audio-Interfaces machen das X300A-Paar die Musik auf der Festplatte, aber auch DAW-Projekte hörbar – in KEF-Qualität, so verspricht es der Hersteller.
Für rund 800 Euro ist das X300A-System zu haben – und nur im Paar. Denn dieses System funktioniert nach dem Master-Slave-Prinzip: Der linke Lautsprecher ist der Master, er ist via USB mit dem Rechner verbunden, über ein zweite USB-Schnittstelle wird die Verbindung zum Slave, also dem rechten Lautsprecher hergestellt. Dieser hat interessanterweise aber einen Balanceregler, über den sich bestimmen lässt, wie stark einer der beiden Lautsprecher angesteuert wird. Dieser Regler könnte ganz praktisch sein, um beispielsweise als Musiker zu einer Play Along-CD zu üben, wo die Solostimme bewusst auf einen der beiden Stereokanäle gelegt ist. Auch für den Tonschaffenden ist der Balanceregler praktisch, um rechten und linken Kanal einer Stereomischung solo abzuhören. Praktischer wäre es aber, wenn sich der Balanceregler auf der Front befinden würde. Na ja, wir wollen nicht groß rummeckern, so sieht es jedenfalls gefälliger aus.Grundsätzlich handelt es sich um ein digitales Lautsprecher-System, dergestalt, dass zunächst die über die USB-Verbindung eingehenden Signale von einem DSP bearbeitet werden, danach erfolgt die Digital-Analog-Wandlung separat in jedem der beiden Lautsprecher durch einen PCM1754 von Texas Instruments/Burr Brown, ein anerkannt guter Stereo-DAC. Der Master hat noch zusätzlich einen Analog-Eingang in Form einer 3,5 mm Mini-Stereoklinkenbuchse – ein passendes Kabel gehört zum Lieferumfang des X300A-Systems –, vom Hersteller für den Anschluss eines Smartphones oder eines MP3-Players gedacht. Die Analog-Signale werden ebenfalls digitalisiert, dafür ist der Master/linke Lautsprecher mit einem WM8782 Stereo ADC des Herstellers Wolfson Microelectronics. Das ist ein kostengünstiger, aber gutklassiger Wandler-Chip, der im Falle des KEF-Systems das Analog-Signal mit 24Bit/96 kHz-Auflösung digitalisiert. Da werden bestimmte Angehörige audiophiler Zirkel aufmerken und womöglich bemängeln, dass die Abtastrate auf „nur“ 96 Kilohertz begrenzt ist. Das muss allerdings per se noch kein Nachteil sein, denn echte Könner wie Wandler-Papst Dan Lavry haben sich ganz bewusst gegen höhere Abtastraten als 96 Kilohertz entschieden und können die Richtigkeit ihrer Entscheidung mit Top-Geräten beweisen (siehe Test des AD122-96 MX auf Seite 82 dieser Ausgabe).Hinzu kommt, dass KEF in puncto weiterer Elektronik, namentlich den Endstufen, keineswegs den kostengünstigen Digital-Pfad beschritten hat: In beiden Lautsprechern werkeln jeweils zwei analoge Class A/B-Endstufen für deren Design übrigens der Mutterkonzern GP Acoustics verantwortlich zeichnet. Die Endstufen bieten eine Verstärkerleistung von 50 Watt für den Tiefton- und 20 Watt für den Hochtonkanal. Die Lautstärkeregelung für das Gesamtsystem geschieht ebenfalls rein analog. Wenngleich die Endstufen einen vergleichsweise guten Headroom bieten, sollte der Lautstärkeregler doch nicht weiter als bis zur 12 Uhr-Stellung eingestellt sein, damit das X300A-System entspannt aufspielen kann.
Lautsprecher-Kenner haben sicherlich beim Blick auf die titangraue Front anerkennend mit der Zunge geschnalzt: Das Insider-Auge hat nämlich das KEF Uni-Q-Chassis erkannt, eines der Markenzeichen der Lautsprecher-Manufaktur. Im Unterschied zur konventionellen Zwei-Wege-Anordnung befinden sich Tiefmittel- und Hochtöner an der gleichen Stelle. „So so!“, grummelt ein kritischer Geist und weist darauf hin, dass es solche Koaxialsysteme schon lange gibt und dann am Uni-Q-Chassis – unabhängig von seinem Leistungspotenzial – nicht Besonders ist. Es handelt sich aber nicht um ein Standard-Koaxialsystem. KEF konnte dank eines sehr starken Neodym-Eisen-Bor-Magneten einen kleinen, aber leistungsfähigen Hochtöner konstruieren, der sich innerhalb des Durchmessers der Schwingspule eines typischen Tieftöners platzieren ließ. Damit konnten die Schallquellen an ein und demselben Punkt koinzident, also deckungsgleich zusammengeführt werden. Der Vorteil dieser „Einpunktschallquelle“: Die akustischen Zentren befinden sich am exakt gleichen Punkt, der von Tiefmittel- und Hochtöner abgestrahlte Schall ist in alle Richtungen zeitlich angeglichen, die Chassis können optimal zusammenspielen. Der Vorteil ist eine konventionellen Systemen grundsätzlich überlegene Raumdarstellung, die auch dann erhalten bleibt, wenn sich der Hörer aus dem „Sweet Spot“ herausbewegt. Bei der Vertikalabstrahlung ergibt sich ein gleichmäßigeres Reflexionsmuster des Raumschalls, störende Klangverfärbungen fallen weitaus weniger ins Gewicht. Der Name Uni-Q bezieht sich auf die technische Bezeichnung des Abstrahlverhaltens als Q-Faktor: Die Vereinigung beider Schallquellen in einem Punkt ist dann folgerichtig ein „Uni-Q“. Das Uni-Q-Chassis in den X300A-Lautsprechern entspricht dem des Passiv-Lautsprechers Q100, dem günstigsten KEF mit Uni-Q-Chassis, der bei HiFi-Fans als kompetenter Lautsprecher für kurze Hörabstände geschätzt wird. Da das X300A-System ebenfalls fürs Nahfeld konzipiert ist, mithin eine gute Wahl.
Jeder X300A-Lautsprecher bringt siebeneinhalb Kilo auf die Waage – die Aktiv-Elektronik ist dafür verantwortlich. Diese Lautsprecher verlangen folglich nach einem grundsoliden Aufstellort oder einem unerschütterlichen Stativ. Sollte das System auf einem Arbeitstisch Platz nehmen, empfiehlt sich die EQ-Einstellung „Desktop“, um verfälschende Reflektionen von der Tischplatte zu filtern. Die Alternativ-Einstellung „Stand“ ist die Richtige, sollen die Lautsprecher freistehend im Raum auf Ständern aufgestellt sein. Sollte sich eine wandnahe Aufstellung nicht vermeiden lassen, ist anzuraten, die rückwärtigen Bassreflex-Öffnungen mit den mitgelieferten Schaumstoff-Stöpseln zu verschließen – bei paralleler Positionierung – oder zumindest im Durchmesser zu reduzieren. Das ist einfach erledigt, denn das Zentrum der Schaumstoff-Stöpsel ist herausnehmbar – sehr praktisch.
Wir entscheiden uns für eine Desktop-Aufstellung, verbinden den linken Lautsprecher des X300A-Paares via USB mit dem Mac BookPro, schalten den Master ein und wählen in den Systemeinstellungen „KEF X300A Speaker“ als Tonausgabegerät – eine Treiberinstallation ist im Falle dieses Systems auch unter Windows nicht erforderlich.Dass KEF etwas vom Lautsprecherbau versteht und dass das Uni-Q-Chassis tatsächlich richtig klasse ist, ist sogleich ohrenfällig: Spontan beeindruckt uns die vorzügliche Raumdarstellung, die eine millimetergenaue, dabei völlig unangestrengte Ortung von Schallereignissen in der Breite und der Tiefe ermöglicht. Das macht richtig Freude – wohlgemerkt nicht nur beim Musikhören, sondern auch beim Experimentieren mit den UAD 2-Hall-Plug-ins für unser Logic-Projekt „Universal Audio Apollo 16“ (siehe Test in Ausgabe 9/2013). Das Impulsverhalten der Lautsprecher ist richtig gut: So klingen die perkussiven Gitarren einer kleinen Funk-Studie sehr natürlich und exakt auf den Punkt gebracht. Gerade die Anschlags-Transienten geben die Lautsprecher exakt wieder, was der Naturnähe der Wiedergabe sehr zugute kommt. Die Bässe sind erstaunlich tief und vorbildlich trocken – auch insoweit bekommt das KEF-System von uns gute Zensuren. Die Gesamtabstimmung des Systems ist recht linear, eine erwärmende Andickung im unteren Mittenbereich ist nicht festzustellen, der Präsenzbereich ist nicht herausgestellt, sondern geschmackvoll integriert. In den Höhen erscheint die Wiedergabe ein wenig zurückgenommen, genauer gesagt der Hochtonpegel wirkt im direkten Vergleich mit anderen Lautsprechern wie den Esi Unik 08 etwas reduziert. Nicht missverstehen: Die Auflösung des Hochtöners ist sehr gut, denn bei einem stark verzerrten E-Gitarrensolo können wir immer noch Obertonglanz wahrnehmen. Weniger gute Lautsprecher beschneiden insoweit gerne das Frequenzspektrum. Diese Klanginformationen sind eben zurückgenommen, was den Klang allerdings auch gefälliger macht. Das X300A-System hat also klanglich eine Tendenz zum Schönen, gleichwohl möchten wir nicht von einer – aus unserer Sicht indiskutablen – Schönfärberei sprechen. Im Gegenteil: Aus dem Hörwinkel des professionellen Anwenders ist das KEF-System sogar richtig gut und ganz bestimmt als Abhör-Kontrollinstanz brauchbar.
Fazit
Das KEF X300A-System überzeugt: Damit lässt sich nicht nur ein klangstarkes System mit einem Laptop im Zentrum für verwöhnte HiFi-Ohren errichten, sondern auch als zuverlässige Kontrollinstanz zur Überprüfung von Mischungen eignet sich KEFs erstes digitales Aktiv-System.
Erschienen in Ausgabe 11/2013
Preisklasse: Oberklasse
Preis: 799 € (Paar)
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut
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