Klassenziel erreicht

M-Audio will es wohl wissen: Der neue Aktiv-Monitor EX66 hat viele technische Schmankerl zu bieten und soll klanglich auch Anspruchsvolle voll überzeugen.

Von Harald Wittig

In den EX66 hat M-Audio nach eigenen Angaben viel Zeit und Geld investiert, denn der neue Monitor soll innerhalb der Produktpalette die Spitzenposition markieren – nicht umsonst bezeichnet der Hersteller seinen Neuen als Referenzmonitor. Folgerichtig ist der EX66 nicht etwa ein weiterer kostengünstiger und leistungsfähiger Studiomonitor für Ein- und Aufsteiger im M-Audio-Katalog. Vielmehr hat M-Audio den Ehrgeiz, mit seinem neuesten Baby auch die etablierten Oberklasse-Lautsprecher der Konkurrenz in Verlegenheit zu bringen. Das spiegelt sich zunächst im Preis wieder: Mit einem Stückpreis von knapp 700 Euro ist der EX66 der bisher teuerste M-Audio-Lautsprecher. Das weckt Erwartungen, zumal in dieser Preisklasse einige gute Lautsprecher zu finden sind, wie der Vergleichstest „Studiomonitore der Oberklasse“ Ausgabe 8/2006 von Professional audio Magazin belegt hat.  Der EX66 ist ein aktiver Zwei-Wege-Bassreflexlautsprecher und bereits ein Blick auf die Front offenbart dem Kenner eine erste Besonderheit: Die Anordnung der drei Chassis – zwei Tief-Mitteltöner und ein Hochtöner – folgt dem D´Appolito-Prinzip, benannt nach ihrem Erfinder, dem US-Amerikaner Joseph D´Appolito. Hierbei sind zwei Tiefmittel- beziehungsweise Mitteltöner symmetrisch über und unter dem Hochtöner angeordnet und werden parallel betrieben. Im Falle des EX66 strahlen also beide Tief-Mitteltöner den Frequenzbereich bis zur Einsatzfrequenz des Hochtöners ab. 

Dadurch vermindern sich Schallreflexionen an Decke und Fußboden, verbunden mit einer systembedingten engeren, vertikalen Bündelung wird theoretisch die räumliche Auflösung und damit die Ortung der Schallquellen begünstigt, was natürlich dem Arbeitsgerät Studiomonitor bestens zu Gesicht steht. Ein nicht zu gering zu schätzender Nebeneffekt dieser Anordnung: Eine maßvolle Änderung der Hörposition in der Vertikalen führt zu keinen klanglichen Einbußen bei einer gleichzeitig breiten horizontalen Abstrahlung. Für den Menschen hinterm Mischpult bedeutet das: Der sogenannte Sweet Spot fällt bedeutend größer als bei herkömmlichen Monitoren aus. Ganz wichtig: Auch wenn die D´Appolito-Anordung beim EX66 den Anwender dazu verführen sollte, die Monitore liegend aufzustellen, so wäre genau das die falsche Aufstellung. Auf diese Weise würden die Vorteile der speziellen Chassis-Anordnung konterkariert, da die Lautsprecher dann horizontal zu stark und ungleichmäßig bündeln würden, was zu einem unsauberen, bass- und höhenlastigen Klang führt. M-Audio weist im gut abgefassten und informativen Handbuch eigens darauf hin. Die Lautsprechersysteme selbst haben auch einiges zu bieten: Für die Membranen der Tief-Mitteltöner entwickelte M-Audio in Zusammenarbeit mit der Abteilung für Materialforschung der University of California, Los Angeles, einen neuen Verbundwerkstoff, der sich gleichzeitig durch Leichtigkeit und hohe Festigkeit auszeichnen soll. Dieses leichte aber steife Membran-Material soll zusammen mit dem ebenfalls neu entwickelten, sehr lineareren Kolbenantrieb ein besonders gutes Impulsverhalten mit geringen Trägheitseffekten besitzen. Vorteil laut Hersteller: eine sehr klare und präzise Widergabe der tiefen und mittleren Frequenzen. Der Hochtöner hat eine Titan-Membran. Das sogenannte Übergangsmetall Titan ist äußerst leicht und dabei sehr formstabil. Titan ist demnach der ideale Werkstoff für Hochtonkalotten und wird in seinen spezifischen Eigenschaften nur noch von Beryllium übertroffen.

Zur Optimierung des Abstrahlverhaltens sitzt die Hochtönermembran in einer besonderen, asymmetrisch ausgeformten Mulde, dem sogenannten OptImage II-Wave-Guide. Die Erfahrung zeigt, dass Titan-Hochtöner eine gewisse, häufig sogar sehr lange Einspielzeit benötigen. So kann ein frisch ausgepackter Lautsprecher auf den ersten Höreindruck hin unangenehm hart und kalt klingen. Das weiß auch M-Audio, dementsprechend liegt dem EX66 eine CD bei, auf der sich Testssignale fürs „Weichklopfen“ befinden. Zum Einspielen des EX66 gehen Sie am Besten wie folgt vor: Importieren Sie Titel 3 der CD (weißes Rauschen) in ihren Host-Sequenzer und spielen das Rauschsignal einen Tag lang in Endlosschleife beziehungsweise als Loop ab. Danach tun Sie sich deutlich leichter bei der Arbeit, denn die Lautsprecher werden ausweislich unserer eigenen Erfahrungen erst jetzt ihr Klangpotential entfalten. Angetrieben werden die beiden Tiefmittel- und der Hochtöner von zwei digitalen PWM-(Pulsweitenmodulations-)-Leistungsverstärkern die mit jeweils 100 Watt Leistung genug Headroom auch für hohe Abhörpegel bereithalten.  Apropos digital: Werfen wir einen Blick ins Innere des EX66, denn zur Optimierung des Wiedergabeverhaltens setzt M-Audio auf digitale Signalprozessoren (DSPs). Diese erledigen mit 32-Bit-Fließkomma-Verarbeitung ihr Rechenwerk. Obwohl das MDF-Gehäuse des EX66 eine Innenverstärkung besitzt, die Vibrationen minimiert, soll der DSP insoweit für das letzte Quäntchen sorgen. Er verwendet zur Unterdrückung letzter Gehäuseresonanzen allerdings keine FIR-Filter mit endlicher Impulsantwort, sondern IIR-(Infinite Impuls Response)-Filter, also solche mit unendlich langer Impulsantwort. Im Gegensatz zu FIR-Filtern, die prinzipbedingt eine hohe Latenz erzeugen, deren Ausgleich wiederum einen sehr hohen technischen Aufwand erfordert, arbeiten IRR-Filter praktisch in Echtzeit. Allerdings müssen diese Filter besonders akribisch definiert sein, sonst schwingen sie, einmal angeregt, zeitlich unbegrenzt über den gesamten Frequenzbereich. Vor dem DSP sitzt ein A/D-Wandler, der analoge Eingangssignale mit 24-Bit/96-Kilohertz-Auflösung digitalisiert. Damit hat es der DSP leichter, gezielt Einfluss auf die ermittelten Störfrequenzen zu nehmen, um das Musiksignal gewissermaßen zu reinigen. Dennoch muss der Hersteller bei der Gesamtabstimmung des Systems die Eigenschaft der IIRs berücksichtigen. Ob dies M-Audio gelungen ist, zeigt sich im Praxis- und Hörtest. Schließlich berechnet der DSP – sehr wichtig für die echte D´Appolito-Anordnung – die Frequenzweiche mit Linkwitz-Riley-Filtern vierter Ordnung.   

 

Der EX66 ist eingangseitig auf analogen Empfang, wahlweise XLR oder Klinke, eingestellt, verfügt aber auch über digitale Eingänge. Dafür hat der Lautsprecher auf der Rückseite Anschlüsse für Signale im AES/EBU- und im S/PDIF-Format. Die Digitaleingänge unterstützen eine maximale Auflösung von 24 Bit. Der integrierte phasengekoppelte Regelkreis verarbeitet Samplingfrequenzen bis maximal 192 Kilohertz, was zumindest bei Lautsprechern nicht alltäglich ist. Ein zusätzlicher S/PDIF-Out-Ausgang dient praktischerweise dazu, ein eingehendes Digitalsignal von der einen zur anderen Box durchzuschleifen. Verwendet der Benutzer den AES/EBU-Eingang, muss er zuvor über die Eingangswahlschalter S/PDIF L beziehungsweise S/PDIF R neben dem großen Lautstärkeregler auswählen, welcher Lautsprecher eines Paars die linke oder rechte Hälfte des Datenstroms wiedergeben soll.  Ebenfalls auf der Rückseite ist die große Bassreflexöffnung angebracht. Die speziell geformte Öffnung mit doppeltem Flansch soll das Strömungsgeräusch reduzieren. Bei der Aufstellung des EX66 ist unbedingt darauf zu achten, einen Abstand zur Wand von wenigstens 15 Zentimetern einzuhalten, um den Luftstrom nicht zu beeinträchtigen.   Womit wir beim Stichwort wären: Aufstellung. Wie bereits erwähnt, darf der EX66 nicht gelegt werden, sondern muss aufrecht stehen. Üblicherweise winkelt der erfahrene Anwender seine Monitore leicht an, um die Chassis auf den Sweet Spot im magischen Stereo-Dreieck – in der Regel ist das der Hör- und Arbeitsplatz des Toningenieurs – auszurichten. Wegen der dank der D´Appolito-Anordnung breiten horizontalen Abstrahlung des EX66, ist dies hier nicht vonnöten. Die Lautsprecher dürfen also ohne weiteres auch gerade ausgerichtet stehen. Im Handbuch rät M-Audio sogar ausdrücklich von der gewinkelten, schrägen Aufstellung ab. Damit ist es verhältnismäßig einfach, die Monitore beispielsweise auf der Meterbridge des Mischpults zu positionieren – oder bei akuter Platznot auch mal auf den Arbeitstisch.   Je nach Aufstellort, vor allem in Wandnähe oder in der Ecke, kann das Klangbild sehr basslastig sein. Zur Kompensation bietet der sogenannte Acoustic Space-Schalter die Einstellungen Full-Space (der EX66 steht dann frei im Raum auf einer Konsole), sowie Half- und Quarter-Space, wenn die Monitore in Wandnähe beziehungsweise in der Ecke stehen. Die Schalterstellung „Half“ bewirkt eine Dämpfung des Basspegels um -2 Dezibel, „QTR“ kompensiert eine etwaige Basslastigkeit mit Pegelabsenkung von vier Dezibel. Schließlich gibt es noch einen sogenannten MID-Range-Schalter, der den Bereich der oberen Mitten von einem bis zwei Kilohertz um zwei Dezibel an- und damit hervorhebt. Zugunsten einer möglichst neutralen Wiedergabe sollte dieser Schalter auf „Flat“ stehen. Das gilt auch für den High Freq-Schalter, der eine Höhenanhebung beziehungsweise Absenkung bei 2,56 Kilohertz um zwei Dezibel bewirkt, was ausweislich unserer Messungen ziemlich genau der Fall ist.

Nach eintägiger Einspielprozedur mit einem breitbandigen Rauschen, darf der EX66 zeigen, was klanglich in ihm steckt. Wie empfohlen steht das EX66-Paar gerade ausgerichtet auf dem Arbeitstisch neben den Rechner-Monitoren im Studio von Professional audio Magazin. Der Acoustic Space-Schalter steht zunächst auf „Full“, alle anderen Schalter sind neutral gestellt. Spontan überzeugt der Monitor mit einer sehr präzisen Raumdarstellung, die geprägt ist von einer starken Phantommitte. Interessanterweise entsteht auch dann kein Mittenloch, wenn wir uns am Hörplatz nach links oder rechts bewegen. Insoweit bewahrheitet sich, was M-Audio sich und den EX66-Anwendern von der anscheinend gelungenen D´Appolito-Anordnung versprochen haben. Die Stereobreite ist sehr gut, wichtiger, weil auch bei Monitoren der gehobenen Preisklasse keineswegs alltäglich: Die ebenfalls sehr gute Tiefenstaffelung. Gerade beim Mischen erweist sich der EX66 als verlässlicher Partner, wenn es darum geht, Solostimmen oder -instrumente in den Vordergrund zu bringen beziehungsweise dem Gesamtmix Tiefe zu geben. Das fällt bei der Arbeit an einem neoklassischen Trio in der Besetzung Harfe, Cembalo und Solovioline besonders auf. Dabei geht es nämlich darum, mit Hilfe des Altiverb 6 als Send-Effekt dem Arrangement mehr räumliche Tiefe zu geben. Um es kurz zu machen: Die Einstellung der Intensität des Send-Halls und die klanglichen Auswirkungen – im Positiven wie im Negativen – zeigt der EX66 präzise auf. Somit ist es ein Leichtes, im Ergebnis den gewünschten Mix zu erstellen.  Auch bei der Trennung einzelner Ereignisse beweist der Monitor Klasse. In Flat-Einstellung des Mid Range- und des Höhenreglers zeigt der EX66 trennscharf die Schallereignisse und ihre Frequenzverteilung in der Mischung auf. Die Basswiedergabe des Monitors steht auf einer guten Grundlage: Er hat auch breite, wenig fokussierte Bässe wie den betont weich gespielten E-Bass in einer halbakustischen Komposition gut im Griff. Allerdings ist der Basspegel zu hoch, was den Bass zu überbetont und dominant erscheinen lässt. Abhilfe schafft hier, unter Berücksichtigung des für den Test gewählten Aufstellortes des EX66, der Acoustic Space-Schalter. Die Stellung „QTR“ verbessert die Basswiedergabe deutlich, so dass sich beim genannten Stück der Bass wieder an die vorgesehene Stelle im Arrangement einreiht. Beim vergleichenden Gegenhören mit den ADAM S3A und den KRK Exposé E8B zeigt sich, dass der EX66 in dieser Disziplin nach der kleinen Korrektur mit den beiden erheblich teueren Lautsprechern mithalten kann. Wenngleich er die Souveränität des KRKs im Umgang mit den Bässen nicht erreicht. Acoustic Space ist somit ein besonders wichtiges Einstellelement und es empfiehlt sich unbedingt, die Angaben und Einstellvorschläge im Handbuch zu beherzigen. Die Regler Mid-Range und High Freq verbleiben nach unserer Erfahrung am Besten in neutraler Schalterstellung. Der Mid Range-Schalter verhilft dem EX66 zu einem sehr analytischen Klang auf Kosten der linearen Ausgewogenheit. Wer aber gerade darauf besonderen Wert legt, für den hat der EX66 auch diese Option im Angebot. Der Hochtöner punktet einerseits mit einer guten Auflösung und erweist sich souverän im Umgang mit Transienten, setzt sich andererseits aber etwas vordergründig in Szene. Deswegen leidet die insgesamt erfreuliche Ausgewogenheit des Klangbilds bei einer Pegel-Anhebung über den High Freq-Schalter hörbar. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass sich gerade der Titan-Hochtöner noch entwickeln wird. Gewähren Sie ihm also auch nach dem Einrauschen noch eine gewisse Einspielzeit, denn insoweit verhalten sich Lautsprecher nicht viel anders als Musikinstrumente, die erst nach einiger Zeit zu voller klanglicher Größe auflaufen.

Fazit 

M-Audio haben mit dem EX66 einen ernstzunehmenden Studio-Monitor der Oberklasse geschaffen, der mit sehr guter Ausstattung und vor allem einem Klang, der auch gehobenen Ansprüchen genügt, überzeugt. Angesichts des hohen konstruktiven Aufwands und seiner klanglichen Leistungen ist er ausgesprochen kostengünstig.

Erschienen in Ausgabe 01/2008

Preisklasse: Oberklasse
Preis: 699 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut