Der Aufrechte
Ganz neu im Sortiment des Schweizer Monitorspezialisten PSI Audio ist der Standlautsprecher A 215-M, der sich auch im übertragenen Sinne als aufrechter Schallwandler bewähren möchte.
Von Harald Wittig
Es ist ein gutes Jahr her, dass Professional audio erstmals einen Monitor aus dem Hause PSI Audio getestet hat: Der Nahfeldmonitor A 17-M erwies sich als echtes Arbeitsgerät von Profis für Profis, denn er spielte mit der sprichwörtlichen Schweizer Präzision auf (siehe den Test in Ausgabe 1/2009). Auch der kompakte Desktop-Monitor A 14-M, dem wir in Ausgabe 4/2009 unter die Lupe nahmen, konnte absolut überzeugen. Kein Wunder, denn hinter PSI Audio steht mit Unternehmensgründer und Inhaber Alain Roux ein Experte, der auf 35 Jahre Erfahrung im Design und Bau von hochwertigen Lautsprechern zurückblicken kann: Die ersten von ihm unter dem Namen PSI Audio entwickelten Lautsprecher erblickten 1975 das Licht der Welt. Mit dem 1988 gegründeten Unternehmen Relec SA mit Sitz in Yverdon in der französischen Schweiz entwickelte Roux gemeinsam mit einem kleinen Kompetenzteam Lautsprecher für HiFi, Beschallung- und Studio-Anwendungen. Dabei handelt es sich bis heute vorzugsweise um OEM-Produkte für andere Hersteller. Für die eigene Marke PSI Audio hat Relec SA schon immer Studio-Monitore entwickelt und gefertigt, die inzwischen den Geheimtipp-Status abgelegt haben und sich, nicht zuletzt dank zahlreicher durchweg sehr guter Testurteile in der internationalen Fachpresse, eines sehr guten Rufs erfreuen. Der hier getestete Standlautsprecher A-215-M ist, gemeinsam mit dem gleichzeitig vorgestellten A-214-M die neueste Entwicklung aus dem Hause PSI Audio. Mit beiden Modellen beschreiten die Schweizer neue Wege, denn bei der Chassis-Bestückung vertrauen die Entwickler auf eine D´Appolito-Anordnung – dazu später mehr. Mit einem Stückpreis von rund 2.200 Euro rangiert der hochgewachsene Schweizer in der preislichen Oberklasse und trifft auf namhafte Konkurrenz. Ob er gegen die Mitbewerber standhaft bleibt, werden wir im Rahmen dieses Tests herausfinden.
Die nach eigenen Spezifikationen gefertigten Chassis – zwei Tief-Mitteltöner und ein Hochtöner – sind wie gesagt nach dem D´Appolito-Prinzip angeordnet. Diese Anordnung ist nach dem amerikanischen Physiker Joseph D´Appolito benannt und hat grundsätzlich den Vorteil, dass die vertikale Abstrahlung einen engen Winkel hat. Dadurch vermindern sich Schallreflexionen an Decke und Fußboden, verbunden mit einer systembedingt engeren vertikalen Bündelung verbessert sich theoretisch die räumliche Auflösung. Hinzu kommt eine Verbreiterung des „Sweet Spot“: Bewegt sich der Hörer in der maßvoll in der Vertikalen führt das zu keinen klanglichen Einbußen bei einer gleichzeitig breiten horizontalen Abstrahlung. Allerdings sollten die Vorgaben von D´Appolito möglichst genau eingehalten werden: Beim D´Appolito-Prinzip befindet sich ein Hochtöner exakt zwischen zwei Tief-Mitteltönern, die in einer senkrechten Linie im exakt gleichen Abstand zum Hochtöner angeordnet sein müssen. Die optimale Abstrahlung erreicht diese Anordnung nur dann, wenn der Abstand der Membranmittelpunkte der beiden Tief-Mitteltöner kleiner als zwei Drittel der Schall-Wellenlänge der Grenzfrequenz zwischen Hochtöner und Tief-Mitteltönern ist. Im Falle des PSI Audio beträgt die Trennfrequenz der Frequenzweiche 1,8 Kilohertz, dann ergibt sich bei einer Schallgeschwindigkeit von 343 m/s bei 20 Grad Celsius in Luft eine Wellenlänge von rund 19 Zentimetern. Das bedeutet, dass der Abstand zwischen dem Hochtöner- und den beiden Tief-/Mitteltöner-Mittelpunkten 13 Zentimter nicht überschreiten sollte. Wir haben nachgemessen und tatsächlich beträgt der Abstand gerundet 11 Zentimeter: Der A 215-M hat also – im Gegensatz zu vielen Billig-Boxen für den Heimkino-Bereich – eine echte D´Appolito-Anordnung und kann damit die beschriebenen Vorteile dieses Prinzips wirklich nutzen. Wer selbst nachrechnen möchte und den Umgang mit Formeln scheut, dem sei der Online-Tontechnik-Rechner von Eberhard Sengpiel, zu finden auf www.sengpielaudio.com/Rechner-wellenlaenge.htm, empfohlen, der verlässliche Ergebnisse liefert.
Wie es sich für einen PSI Audio-Monitor gehört, ist auch der A 215-M mit den denselben technischen Besonderheiten ausgestattet, die das Markenzeichen der Schweizer Schallwandler sind und laut Hersteller bei allen PSI Audio-Monitoren für eine hohe Wiedergabe-Präzision sorgen: An erster Stelle ist das patentierte „Compensated Phase Response“-System, kurz CPR genannt, zu nennen. Dabei handelt es sich um ein System aus mehreren analogen All-Pass-Filtern, welche die Phasenlage in bestimmten Frequenzbereichen korrigieren. Der Grund für den hohen Schaltungsaufwand: In jedem Mehrwege-Lautsprecher-System entstehen durch die Interaktion der einzelnen Chassis und der Frequenzweiche frequenzabhängige Laufzeit-Verschiebungen der Signale. Im Extrem-Fall führt dies zu einem undifferenzierten, schwammigen Klangbild. Die CFR soll nach Aussage des Herstellers ein phasen-korrigiertes System mit einem äußerst präzisen und konturierten Klangbild garantieren. Im Unterschied zu anderen Lautsprecher-Spezialisten, zu nennen wäre beispielhaft der deutsche Hersteller KS Digital, setzt PSI Audio auf rein analoge Filter.
Ebenfalls rein analog arbeitet die zweite PSI Audio-Spezialität: Die „Adaptive Output Impedance“ (AOI) soll bei allen Monitoren der Schweizer ein definiertes Ein- und Ausschwingverhalten der Lautsprechermembranen gewährleisten. Dabei kommt es auf das optimale Zusammenspiel von der Quellimpedanz der Endstufe und des Lautsprecher-Chassis an. Bei ungenügender Anpassung kann es nämlich zu Überschwingen und unkontrollierten, die Wiedergabe verfälschenden Membranbewegungen kommen. Die AOI überwacht die Membranbewegungen der Chassis, analysiert das Feedback und passt den Dämpfungsfaktor dynamisch an die Frequenz an. Damit erreiche jeder PSI Audio-Monitor eine sehr hohe – um mit den Worten des Herstellers zu sprechen „extreme“ Impulsgenauigkeit.
Der A 215-M ist ein Standlautsprecher und als solcher ein Exot unter den Studio-Monitoren, allerdings bringt er damit gewisse Vorteile mit sich, denn er ist recht genügsam in puncto Aufstellungsplatz und kann auch hinter dem Arbeitstisch Aufstellung finden. Dank der abgeschrägten Front des 1,10 Meter hohen Gehäuses strahlen die drei Chassis leicht schräg nach oben ab, so dass bei einem Hörabstand von zwei Metern der Direktschall direkt die Ohren des Misch-/Arbeitsplatz sitzenden Toningenieurs trifft. Darüber hinaus sollen aber – begünstigt durch die Bauhöhe, die abgeschrägte Gehäusefront, sowie die präzise Abstrahlung von 90 Grad in der Waagrechten und die Bündelung von 60 Grad in der Senkrechten – auch hinter dem Toningenieur stehende Personen, beispielsweise Künstler und Produzent bei entsprechend vergrößertem Hörabstand in den Genuss aller Klanginformationen kommen. Wir machen die Probe aufs Exempel und können nach unseren Hörerfahrungen bestätigen, dass der Hersteller nicht zu viel verspricht: Tatsächlich unterscheidet sich der Höreindruck allenfalls, wenn überhaupt, sehr geringfügig. Laut PSI Audio sorgen die Abmessungen des auffällig schlanken Gehäuses in Kombination mit einem speziell angepassten Bass-Reflex-System für eine sehr tiefe Grenzfrequenz von 36 Hertz. Der Vorteil liegt auf der Hand: Wer sich ein Pärchen A 215-M ins Studio stellt, kann meist auf einen zusätzlichen Subwoofer verzichten. Damit ist selbstverständlich noch nichts über die Qualität der Basswiedergabe ausgesagt. Das klären wir im finalen Hörtest. Das MDF-Gehäuse im PSI Audio-typsichen Metallic-Rot wurde wie immer von einer kleinen Manufaktur in St.-Croix im Schweizer Jura Gebirge gefertigt, die Verarbeitung ist wie bei den kleinen Brüdern A 14-M und A 17-M einmal mehr tadellos. Pfiffig sind die vier stählernen Standfüße an der Gehäuse-Unterseite: Sie lassen sich ausklappen und mit dem mitgelieferten Imbus-Schlüssel flugs fixieren – schon steht der Schweizer sicher. Anschlussseitig beschränkt sich der hochgewachsene Schweizer aufs Notwendigste und hat lediglich einen professionellen XLR-Eingang zu bieten. Auch bei den Regelmöglichkeiten ist das Angebot übersichtlich: „LEVEL“ dient der Anpassung der Eingangsempfindlichkeit des A 215-M, wobei in Stellung „CAL“ der Referenz-Eingangspegel von 0 dBu aktiv ist. Beim Studio-Einsatz, wo die Gesamtlautstärke in der Regel dem Monitoring-System oder dem Control Room-Ausgang des Mischpultes oder Audio-Interface obliegt, ist das die richtige Einstellung. Wer den A 215-M hingegen direkt mit Wiedergabe-Geräten mit festem Ausgangspegel, beispielsweise CD-Playern verbinden möchte, kann die Eingangsempfindlichkeit um maximal -20 Dezibel reduzieren. Sollte der Pegel des Eingangssignals einmal zu hoch sein, warnt die LED-Anzeige im Gefahren-Rot: So lange sie blinkt, ist der eingebaute Limiter aktiv, leuchtet sie allerdings kontinuierlich, sind die Endstufen überlastet und der A 215-M schaltet in den Stand By-Betrieb. Sollte der A 215-M wandnah Aufstellung finden, kann der Anwender mit dem zweiten Regler „ROLL OFF“ in gewissen Grenzen einer Überhöhung der tiefen Frequenzen entgegenwirken. Zumindest in akustisch nicht optimierten Räumen empfiehlt sich eine Einstellung von etwa -4 Dezibel bei Wandaufstellung. Steht der A 215-M in der Ecke des Raumes passt eine Absenkung um -7 dB. Bei freier Aufstellung im akustisch optimierten Raum empfiehlt der Hersteller die Stellung „CAL“. Die beiden Endstufen treiben die Chassis mit einmal 120 Watt für die Tief-Mitteltöner und 40 Watt für den Hochtöner an. Die Endstufen aller PSI-Audio-Monitore, also auch des A 215M werden traditionell vor Ort in Yverdon in Handarbeit zusammengebaut, einzelne Komponenten fertigen die Schweizer nach wie vor im Hause an. Mit den beiden Endstufen ergibt sich laut Hersteller ein dauerhafter, verzerrungsfreier Schalldruck von 106 dB, was auch für notorische Lauthörer mehr als genug ist.
Soweit zu den Spezifikationen des A 215-M. Kommen wir jetzt zur entscheidenden Frage: Wie klingt er, der aufrechte Eidgenosse? Unsere Erwartungen sind angesichts der Klang-Kompetenz der kleinen Brüder A 14-M und A 17-M hoch – und werden nicht enttäuscht. Der A 215-M besticht schon nach wenigen Sekunden mit einer lebendigen, sehr dynamischen und impulsfesten Wiedergabe. Er gehört zur Gruppe der auf höchste Neutralität und Signaltreue abgestimmten Monitore. Bereits frisch ausgepackt und verkabelt beeindruckt der rote Lulatsch mit einem sehr detaillierten Klangbild in dem alle Frequenzbereiche von den Bässen bis zu den Höhen gleichberechtigt berücksichtig sind. Die Raumdarstellung des Monitors ist exzellent: Einzelne Schallereignisse lassen sich millimetergenau lokalisieren, die Tiefenstaffelung ist ausgezeichnet und lässt vor allem puristische Aufnahmen von Solisten oder Ensembles mit zwei Mikrofonen in Naturräumen aufblühen – sofern der Toningenieur alles richtig gemacht hat. Aber auch bei der Arbeit mit virtuellen Hallräumen aus der Retorte, beispielsweise unserem Referenzfaltungshall Altiverb 6 ist der A 215-M ein verlässlicher Partner bei der Auswahl der passenden Impulsantwort sowie der Feinjustage von Hallfahne, Erstreflektionen und Send-Pegel. Ungewöhnlich – auch für Lautsprecher in dieser Preisklasse – ist, dass die Musik sich von den Lautsprechern löst. Damit verbreitert sich die Hörbühne, vor allem gute Aufnahmen klingen damit lebendiger und geben dem Hörer das Gefühl, mit im Konzertsaal zu sitzen. Bei der Basswiedergabe übertrifft der Schweizer in der Tat viele Mitbewerber: Nicht nur, dass die Bässe erstaunlich tief sind – der Vergleichs-Monitor ADAM S3X-H muss sich insoweit eindeutig geschlagen geben –, sie erklingen mit einer Präzision die nur wenige Bass-Reflex-Systeme erreichen. Beispielsweise kommen entsprechend exponierte Bass-Drum-Impulse vorbildlich trocken und punktgenau fokussiert. Wir meinen, dass jeder, der sich für den A 215-M entscheidet, die Mehrkosten für einen zusätzlichen Basslautsprecher/Subwoofer tatsächlich sparen kann. Die tonale Ausgewogenheit – übrigens eine der Stärken von PSI Audio – sorgt dafür, dass der Monitor den wichtigen Mittenbereich von den Tief- bis zu den Hochmitten ohne Vorlieben für bestimmte Frequenzbereiche vollumfänglich dargstellt. Sollte es hier kratzen oder unrund klingen, dann liegt es einzig und allein an der Aufnahme und der Tonmeister kann daran gehen, mittels gezielten Equalizer-Einsatzes retten, was zu retten ist. Umgekehrt belohnt der Monitor auch den Kreativen für eine gelungene Aufnahme, was, seien wir mal ehrlich, den Spaß beim Recording deutlich erhöht. Auch die Höhenwiedergabe gefällt, denn der Hochtöner des A 215-M mit seiner Kalotte aus Seidengewebe und einem speziellen, A(coustic) L(oad) G(uide) genannten, Hornansatz ist ein vornehmer Geselle, der sehr fein auflöst und nichts von der gerne als „analytisch“ bezeichneten Härte manch anderer Hochtöner hat. Das heißt jetzt nicht, dass der Hochtöner beschönigt und Transienten oder Obertöne glättet und entschärft. Im Gegenteil: Eine in der dritten Oktave gespielte Trompete behält die volle Strahlkraft, Schlagzeug- Becken lassen bei Insidern sogar das jeweilige Material und die Verarbeitung erahnen und auch die scharfen Obertöne eines schamlos mit beinhartem Plektrum-Anschlag abrasenden E-Gitarren-Solisten sind präzise abgebildet. Mit dem A 215-M lässt sich folglich sehr gut arbeiten, zumal der Lautsprecher zu keiner Zeit nervt. Sogar das passive Musikhören in Arbeitspausen ist ein Genuss – sofern das Programm-Material audiophilen Standards genügt, denn der hochgewachsene Schweizer ist ein aufrechter, grundehrlicher Vertreter der Monitorzunft.
Fazit
Der Standlautsprecher A 215-M von PSI Audio ist ein Studio-Monitor der Spitzenklasse, der mit seiner neutralen Abstimmung gepaart mit einer sehr guten Feindynamik und überdurchschnittlichem Impulsverhalten bei einer exzellenten Raumdarstellung und tiefen, präzisen Bässen auch anspruchsvolle Ohren überzeugt. Sowohl zum Mischen als auch fürs Mastering ist der Schweizer eine nachhaltige Empfehlung wert.
Erschienen in Ausgabe 03/2010
Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 2213 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: gut – sehr gut
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