Rogers Referenz
Die Monitore von Roger Quested sind für Kenner Synonym für „britischer Studio-Lautsprecher“. Jetzt hat die Monitor-Manufaktur mit dem V2108 eine verbesserte Neuauflage der eigenen Erfolgsmodelle präsentiert.
Von Harald Wittig
Quested Monitoring Systems entwickelt und fertigt seit rund 30 Jahren Studio-Monitore, die nicht nur in der britischen Heimat der Monitor-Manufaktur allerhöchstes Ansehen genießen, sondern auch außerhalb Großbritanniens zahlreiche überzeugte Anwender und Anhänger haben – beispielsweise den weltberühmten Filmkomponisten Hans Zimmer, um an dieser Stelle nur einen besonders Prominenten zu nennen. Obwohl schon so lange im Geschäft und durchaus erfolgreich, ist Quested Monitoring Systems bis heute ein kleines und unabhängiges Unternehmen geblieben, das getreu der eigenen Philosophie nach wie vor alles daran setzt, bestmögliche Arbeitsgeräte für Toningenieure zu schaffen. Kein Wunder, immerhin ist Unternehmensgründer, Namensgeber und Chefdenker Roger Quested von Haus aus Toningenieur und war als solcher Klangverantwortlicher für etliche essentielle Produktionen des Brit-Pops und –Rocks. Zunächst befasste sich Quested mit der Herstellung und Optimierung von Großmonitoren, doch schon Mitte der 1980er-Jahre verließ – übrigens auf ausdrücklichen Wunsch befreundeter Toningenieure – der erste Kompaktlautsprecher fürs Nahfeld, der passive H108 die Werkshallen. Es dauerte dann allerdings eine Weile, bis der erste Aktiv-Monitor fertig gestellt war und noch länger, bis der aktive VS2108 erschien, der sich binnen kurzer Zeit zu dem Quested-Erfolgsmodell schlechthin entwickelte.
Unser heutiger Testkandidat – der Name V2108 deutet es bereits an – basiert auf dem Erfolgsmodell, soll aber mit besserer Grob- und Feindynamik sowie erhöhter Klarheit im wichtigen Mittenbereich aufwarten können. Supergünstig gibt es den V2108 allerdings nicht: Mit rund 3.700 Euro schlägt ein Pärchen zu Buche und in dieser gehobenen Preisklasse haben die Briten einige ernstzunehmende, hochklassige Mitbewerber, so dass der neue V2108 schon einige überzeugende Argumente ins Nahfeld führen muss. Die wesentliche Neuerung des V2108 sind die brandneuen, von Langzeitpartner MC2 gefertigten beiden Class A/B-Endstufen: Ein fettes Leistungspfund von jeweils 200 Watt treiben den Tiefmittel- und den Hochtöner an, beim Vorgänger waren es noch 90 Watt weniger. Roger Quested verbaut schon immer vergleichsweise leitungsfähige Endstufen in seine Aktiv-Lautsprecher, denn ein erweiterter Headroom sorge erst für die optimale, verzerrungsfreie Wiedergabe eines Lautsprechers – eine Grundüberzeugung Questeds, die aus seiner Praxis als Toningenieur stammt. Die neuen MC2-Endstufen sollen jedenfalls, unabhängig von ihrer höheren Leistung, wartungsfreundlicher und von insgesamt besserer Qualität als die des VS2108 sein: Das neue Schaltungsdesign sei maßgeblich verantwortlich für die klarere Mittenwiedergabe und eine Erweiterung im Bassbereich. Der V2108 reiche nun hinab bis 40 Hertz, der Einsatz eines dezidierten Tiefbass-Lautsprechers sei damit nicht zwingend vonnöten. Sehen wir uns die beiden Chassis, beginnend mit dem Tiefmittel-Töner, an: Dieser stellt eine behutsame Überarbeitung des ursprünglichen, im VS2108 verbauten Chassis dar, hat weiterhin eine 200 Millimeter-Membran, die allerdings jetzt noch verwindungssteifer sei, außerdem wurde die Staubschutzkalotte erneuert. Also keine spektakulären Neuerungen beim Tiefmittel-Töner. Warum auch, wenn sich das System bewährt hat? Das dachte sich der Hersteller sicherlich auch im Falle des Hochtöners, denn der ist ein alter Bekannter, hat er sich doch fünf Jahre lang im VS2108 bestens bewährt. Der Hochtöner hat eine vergleichsweise große 28 Millimeter Gewebe-Kalotte, ist ferrofluidgekühlt und kommt gänzlich ohne einen Wave-Guide oder ein schallführendes Element aus. Dabei handelt es sich um eine bewusste Entscheidung von Roger Quested: Der Quested-Chefdenker lehnt Wave-Guides ab, da diese nach seinen Erfahrungen das Phasenverhalten eines Lautsprechers negativ beeinflussen und mitunter auch erhöhte Verzerrungen provozieren können. Der V2108 ist ein vergleichsweise üppig dimensionierter Lautsprecher, der mit seinem großen, annähernd würfelförmigen Gehäuse und den satten 23 Kilogramm Lebendgewicht, nach einem grundfesten, vibrationsfreien Untergrund oder Stativ verlangt. Entsprechende Investitionen zahlen sich aus, da die Wiedergabepräzision deutlich hinzugewinnt. Denn auch wenn das große Gehäuse grundsätzlich einen verbesserten Tiefbass begünstigt, sollte dieser Vorteil durch einen instabilen Ständer oder einen nachschwingenden Untergrund nicht sabotiert werden. Ansonsten ist der V2108, wie übrigens alle Quested-Monitore, ein eher traditionell orientierter Lautsprecher, bei dem die Entwickler auf ihre Erfahrungswerte und behutsame Verbesserungen und nicht auf Details à la mode setzen.Was unterm Strich auch keine Rolle spielt, solange der V2108 auf hohem Niveau aufspielt. Tatsächlich gehört der Brite zu den Studio-Monitoren, die auch ohne lange Einhörzeit klarmachen: „Hier stehe ich, Dein neuer Abhörchef.“ Der Quested punktet zunächst mit einer ausgezeichneten Raumdarstellung, womit er sich direkt in die Spitzenklasse katapultiert: Bei einer starken Phantom-Mitte überzeugt die Stereowiedergabe sowohl in der Breite, als auch in der Tiefe. Die Beurteilung der Wirkung von Hall-, Delay- oder Richtungsmischer-Effekte im jeweiligen Projekt ist unangestrengt möglich.
Hinzu kommt, dass die mit aufgezeichneten subtilen Rauminformationen bei unseren sehr puristischen Akustik-Aufnahmen, wo nur Raum, Instrument und Mikrofone den Klang prägen, sehr schön hörbar sind. Da spielen einige, kaum günstigere Mitbewerber schon mal großzügig drüber weg. Dabei muss der Abhörpegel nicht mal hoch sein, um das besondere Ambiente einer Aufnahme zu hören. Gleichzeitig bietet der V2108 mit dieser Fähigkeit beste Vorraussetzungen zur gezielten Klangbearbeitung, wenn es angezeigt sein sollte, einen nur mäßig klingenden Raum nachträglich – im Rahmen des Möglichen – aufzuhübschen. Sehr gut, dann hören wir uns mal an, wie der V2108 tonal abgestimmt ist und wie es um die Bass-, Mitten- und Höhen-Wiedergabe bestellt ist. Der Quested gehört zur Gattung der grundehrlichen Lautsprecher und ist zunächst sehr neutral abgestimmt. Die versprochene erhöhte „Klarheit“ bei der Mittenwiedergabe resultiert nämlich nicht in dem von uns ganz und gar nicht geschätzten „analytischen Sound“. Stattdessen ist aufgeräumte, neutrale Sachlichkeit das Hauptthema des V2108 – und das ist goldrichtig so.Der Bass ist tief und sehr präzise, wobei der V2108 in sehr kleinen Räumen Maßnahmen zur akustischen Optimierung einfordert, um etwaige Bass-Probleme von vorneherein auszuschließen. Sehr einnehmend ist das ausgezeichnete Impulsverhalten des Briten, weswegen die Wiedergabepräzision im Allgemeinen, die der tiefen Frequenzen im Besonderen dieses Monitors fraglos Spitzenklasse ist. Sehr schön auch, dass der V2108 rein gar nichts von Effekthascherei hält: Da mag sich manch ein günstiger Bass-Reflexlautsprecher aufs erste Hinhören spektakulärer in Szene setzen und dem Passivisten gefällt´s. Nur: Die Mischfehler sind programmiert, weil der Tonschaffende zwangsläufig irren muss. Den wichtigen Mittenbereich stellt der V2108 mit der Nüchternheit eines Messgerätes dar, ohne dabei auf die immer noch anzutreffende Anhebung im Bereich zwischen einem und fünf Kilohertz angewiesen zu sein. Gerade das richtige Verhältnis im Mix von Gesangsstimmen und den konkurrierenden Lead-Instrumenten – wir denken vor allem an eifrige E-Gitarren-Solisten – lassen sich mit Hilfe des Quested sehr gut festlegen, denn er gibt eine direkte akustische Rückmeldung, die der Mensch an den Reglern entspannt, also ohne überhöhte Konzentration, entgegennehmen und folglich entsprechend reagieren kann. Vom Hochmitten- zum Höhenbereich ist es gerade mal ein Katzensprung und wir dürfen vermelden: Sie wird keinesfalls dünn, die Luft im Höhenbereich. Der Quested-Hochtöner stellt die Höhen unangestrengt und ausgewogen dar, auch bei hochkonzentriertem Hineinhören können wir nicht eine Winzigkeit an Schärfe feststellen, hinzu kommt eine sehr geringe Verzerrungsanfälligkeit. Allerdings kann dieser Hochtöner – damit ist er aber in bester Gesellschaft – in letzter Konsequenz nicht mit dem X-ART-Hochtöner unseres Referenz-Monitors, dem ADAM S3X-H, der in Sachen Impulsverhalten/Transientenwiedergabe und Auflösung einfach noch ein gestrichenes Schippchen draufsetzt. Ist der Quested-Hochtöner damit deutlich abgewertet? Nein, es geht nur eben noch besser. Gewissermaßen streiten wir auf hohem Niveau. Denn eines ist sicher: Ein echter Studio-Monitor der Spitzenklasse ist der Brite auf jedem Fall.
Fazit
Mit dem V2108 hat Quested Modellpflege im besten Sinne betrieben: Der britische Nahfeld-Spezialist überzeugt durch seine neutrale Abstimmung und das vorzügliche Impulsverhalten, die ausgezeichnete Raumdarstellung, die hochpräzise Bass-Wiedergabe, die analytisch-klare Darstellung des wichtigen Mittenbereichs sowie fein aufgelöste, unaufdringliche Höhen. Ein Studio-Profi und kompetenter Produktions-Partner eben.
Erschienen in Ausgabe 04/2012
Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 1895 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut
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