Newcomer
Xanadu-Lautsprecher sind hierzulande noch weitgehend unbekannt. Das könnte sich bald ändern, denn mit dem Modell HRS11 stellt sich ein Newcomer vor, der den Vergleich mit etablierten Schallwandlern nicht zu scheuen braucht.
Von Harald Wittig
Der Niederländer Age van der Woud ist seit seinen Kindertagen von Lautsprechern fasziniert. Der heute 53-jährige Tüftler aus Leidenschaft hat von Anfang an das Ziel, Schallwandler zu entwickeln, die das Musikhören zu einem Erlebnis machen und jede Nuance von audiophilen Aufnahmen darstellen.
1990 gründete er daher unter dem Namen Xanadu seine eigene Edel-Lautsprecherschmiede und stellte mit dem Modell DS24, einem Zwei-Wege-Standlautsprecher in Hybrid Tube (gefaltetes Rohr)-Bassreflex-Bauweise vor. Trotz des seinerzeit vergleichsweise hohen Preises von umgerechnet 8.000 D-Mark begeisterte der DS24 die niederländische Fachpresse sowie die dortigen High-Ender. Bestückt war der Xanadu-Debütant mit den heute legendäre Dynaudio-Chassis T330D und 24W100 und Dynaudio selbst, war dermaßen vom Klang dieses Lautsprechers beeindruckt, dass die traditionell anspruchsvollen Dänen van der Woud zum Exklusivhändler für die eigenen Chassis in den Niederlanden ernannten.
Allerdings steht die Zusammenarbeit mit Dynaudio ganz am Anfang der Unternehmensgeschichte von Xanadu, denn van der Woud entwickelte direkt nach seinem Einstand mit dem DS24 selbst Chassis. Die Custom-Fertigung überlässt der Xanadu-Chef Lautsprecher-Spezialisten von Weltruf wie Seas, Scan Speak oder Thiel.
Typisch für alle aktuellen Xanadu-Lautsprecher – die Angebotspalette umfasst inzwischen 20 Modelle mit einer Preisspanne von etwa 1.500 bis 30.000 Euro – ist die standardmäßige Bestückung mit Bändchen-Hochtönern. Das ist angesichts der heutigen Dominanz der Kalotten-Hochtöner durchaus außergewöhnlich und hat schon vor etwa zwei Jahren das Interesse der Professional audio-Redaktion geweckt. Allerdings waren Xanadus hierzulande mangels Vertrieb einfach nicht zu bekommen. Inzwischen gibt es aber einen deutschen Vertrieb: Das auch als Hersteller von Röhren-Verstärkern bekannte deutsche Unternehmen Tube Audio Sound GmbH vertreibt die niederländischen Schallwandler seit Dezember 2009 exklusiv für die Bundesrepublik. Für den ersten Test eines Xanadus haben wir uns nach Rücksprache mit Tube Audio-Geschäftsführer Jörg Schumann für das Modell HRS11 entschieden, der innerhalb es Xanadu-Programms den vergleichsweise günstigen Einstieg in die Klangwelt von Age van der Woud darstellt: Je nach Gehäusefinish ist ein HRS11-Paar – beziehungsweise HRS10, wie er seit kurzem, bei absoluter Baugleichheit wohlgemerkt, heißt – für rund 1.400 (Satin-Finish) oder 1.500 (Hochglanz-Finish) zu bekommen. Ein, soviel sei schon verraten, angemessener Preis, denn der Newcomer aus unserem schönen Nachbarland hat einiges zu bieten.
Der HRS11 ist ein passiver Zwei-Wege-Lautsprecher in Bassreflexbauweise. Der mit 40 Zentimeter vergleichsweise hochgewachsene, dabei aber recht schlanke Lautsprecher ist zwar noch als kompakt zu bezeichnen, passt aber nicht ins Regal. Obwohl er mit seinen sechs Kilo kein Schwergewicht ist, sollte er entweder auf einen grundsoliden, vibrationsfreien Untergrund oder ein sehr massives Stativ aufgestellt sein, denn erst dann kann der Niederländer zeigen, was klanglich in ihm steckt. Das Gehäuse ist sehr gut verarbeitet, die Hochglanzlackierung in Rot-Metallic ist makellos aufgetragen. Bei der Bassreflexkonstruktion vertraut van der Woud wie bei seinem Erstling auf die eigene Hybrid Tube-Technik. Die als Querschlitz auf der Rückseite des Gehäuses angebrachte Bassreflexöffnung findet sich interessanterweise oben am Gehäuse des HRS11 angebracht. Aus gutem Grund: Denn der Tief-Mitteltöner des Lautsprechers thront über dem Hochtöner, also genau umgekehrt zur gemeinhin üblichen Chassis-Anordnung. Der Hersteller verspricht sich davon eine deutlich harmonischere oder homogenere Wiedergabe im Mitten- und Höhenbereich.
Sehen wir uns jetzt die Lautsprecher-Chassis näher an, denn diese können mit einigen Besonderheiten aufwarten: Der Tief-Mitteltöner ist eine exklusive Sonderanfertigung von S(candinavian) E(lectro) A(coustic) S(ystems), einem der weltweit führenden Chassis-Herstellern, der ausschließlich über Xanadu beziehbar ist. Beim Membranmaterial vertraut van der Woud auf Aluminium, dass zwar dank seines geringen Gewichts bei hoher Steifigkeit nicht in Teilschwingungen aufbricht, allerdings auch eine sehr ausgeprägte, weit oberhalb des Arbeitsbereiches liegende Eigenresonanz aufweisen kann. Das weiß selbstverständlich auch der Xanadu-Chef, der folgerichtig die Übernahmefrequenz der Bessel-Weiche mit Luftspule und teueren MKP-C–Kondensatoren bei 2,3 Kilohertz gewählt hat, so dass sich das Problem der Eigenresonanz der Aluminium-Membran, die üblicherweise erst bei etwa fünf Kilohertz liegt, gar nicht mehr stellt. Damit könne es das Xanadu/SEAS-Tief-Mittelton-Chassis es in klanglicher Hinsicht mit jedem Basstreiber mit Carbon- oder Multilayer-Membranen (siehe in diesem Zusammenhang auch den Test des ADAM A8X auf Seite 24) aufnehmen.
Wie bereits erwähnt, sind alle Standardmodelle von Xanadu – so auch der HRS11 – mit Bändchen-Hochtönern ausgestattet. Bei diesem Lautsprecher-Typ gibt es, im Gegensatz zu den überwiegend anzutreffenden Kalotten-Hochtönern, keine Membran im eigentlichen Sinne mehr. Stattdessen sind Membran und der stromdurchflossene Leiter, das ist das Bändchen, das im Luftspalt eines Permanent-Magneten eingespannt ist, identisch. In der Theorie hat diese Konstruktion einige Vorteile gegenüber Kalotten-Hochtönern. Durch die sehr geringe schwingende Masse des hauchdünnen Bändchens ist eine hohe obere Grenzfrequenz ohne Resonanzerscheinungen möglich. Allerdings sind Bändchen-Hochtöner in beim Klirrfaktor den Kalotten-Hochtönern potentiell unterlegen. Die Herstellung eines weitgehend verzerrungsresistenten Bändchen-Hochtöners ist aufwändig und vergleichweise teuer. Der Hersteller muss für eine optimale Schallabstrahlung den Luftspalt breit ausführen, wodurch allerdings die Feldstärke gleichzeitig sehr gering wird. Um ein homogenes Magnetfeld in einem so breiten Luftspalt zur Minimierung des Klirrfaktors zu erzeugen, bedarf es eines großen und starken Magneten, was sehr teuer ist. Außerdem verursacht der wegen des geringen Widerstandes des Leiters von etwa 0,1 Ohm unverzichtbaren Transformators, der den Widerstand auf vier bis acht Ohm anhebt, zusätzliche Kosten. Bei allen Lautsprechern aus dem Hause Xanadu kommen in Deutschland eingekaufte Bändchen-Hochtöner zum Einsatz, die nach Aussage des Herstellers immer also streng selektierte und paarweise aufeinander abgestimmt sind. Wer die Bändchen-Hochtöner herstellt, möchte uns Age van der Woud nicht verraten. Er gibt nur zu, dass es sich nicht um „Stangenware“ handelt.
Kommen wir zu den Klangeigenschaften des Niederländers. Wie alle Passiv-Lautsprecher benötigt auch der HRS11 für eine bestmögliche Wiedergabequalität eine standesgemäße Verstärkung. Im Rahmen dieses Test vertrauen wir diese anspruchsvolle Aufgabe den brandneuen Vollverstärker des britischen Herstellers Sugden an (siehe hierzu den Kasten auf Seite 52), an dem unser Referenz-Wandler, der Lynx Aurora 8, via XLR verbunden ist. Als Hörmaterial dienen uns eigene Projekte und Aufnahmen sowie exzellente Produktionen wie die nach wie vor beeindruckende CD „World Symphonia“ von Al Di Meola sowie die hervorragende Klassik-CD „satyagraha“ der deutschen Gitarristin Pia Gazarek Offermann.
Ob es der eigenwilligen Chassis-Anordnung des HRS11 zuzuschreiben ist, lässt sich nicht sagen: Jedenfalls überzeugt der Xanadu schon nach den ersten Takten mit einer detailreichen, in sich geschlossenen, mithin harmonischen Gesamtwiedergabe. Dank seines hohen Auflösungsvermögens bringt der Lautsprecher auch Nuancen ans Hörerohr, die sonst nur mit erhöhter Konzentration erhörbar sind: Beispielsweise ist jede Note in Al Di Meolas rasendem Outro-Solo im genialen „La Catedral“-Arrangement zu identifizieren, was nach unseren Erfahrungen nur Spitzenlautsprecher leisten. Dabei überzeugt der Lautsprecher sowohl in puncto Grob- als auch Feindynamik, was uns bei Pia Gazarek-Offermanns sensibler Interpretation der „Drei Tentos“ von Hans-Werner Henze einen wahren Hörgenuss beschert. Das gilt ebenso für unsere eigenen Aufnahmen und Projekte, wie beispielsweise ein vergleichsweise komplexes Akustikgitarren-Stück, das aus insgesamt sechs, im Overdubverfahren eingespielten Stimmen zusammengesetzt ist. Diese Eigenproduktion klingt über den HRS11 schlichtweg räumlicher und natürlicher, obwohl der Raumanteil bei dieser Komposition vom Altiverb 6 kommt. Außerdem –auch das ist ein Merkmal hochklassiger Lautsprecher – löst sich der Klang zugunsten einer beinahe holographischen Abbildung von den Boxen.
Die Basswiedergabe besticht mit ihrer Präzision – ganz gleich, ob es sich um knallharte, knochentrockene Funkbässe oder nachschwingende Kesselpauken handelt. Auch das Mittenband ist erfreulich ausgewogen, der HRS11 weist keine ohrenfälligen Frequenzanhebungen im Tiefmitten- oder Präsenzbereich auf. Auch die Höhenwiedergabe gefällt: Wer auch immer diesen Bändchen-Hochtöner herstellt, er versteht sein Handwerk, denn diese feinen, sanften Höhen gehen gut ins Ohr. Vor allem etwas schrille Gesangsstimmen erklingen dadurch sehr viel angenehmer und bekommen ein angenehm weich-samtiges Timbre. Allerdings unterschlägt der Xanadu ein wenig Obertöne, weswegen er beispielsweise die Anschlagsgeräusche bei unserem eigenen Gitarren-Arrangement sowie die leichte Präsenz des Aufnahmemikrofons, eines Microtech Gefell M 990 Art glättet. Demgegenüber klingt der ADAM S3X-H schon eine Spur gnadenloser, während der HRS11 bei der Höhenwiedergabe eine kleine Dosis Weichzeichner hinzufügt. Ein wenig fühlen wir uns an den Klang moderner Bändchen-Mikrofone der Spitzenklasse, zum Beispiel von Royer aber auch Audio-Technica erinnert. Damit lässt sich aber gut leben und vor allem auch arbeiten, denn es handelt sich insoweit um einen Farbtupfer und keine Verfärbung, während stundenlanges, stressfreies Hören garantiert ist.
Fazit
Der Xanadu HRS11 ist ein sehr guter Passiv-Lautsprecher, der – eine standesgemäße Verstärkung vorausgesetzt – trotz einer leichten Tendenz zum Schönen bei der Höhenwiedergabe mit einer ausgewogenen, detailreichen Wiedergabe mit weitem Dynamikspektrum überzeugt.
Erschienen in Ausgabe 10/2010
Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 1399 € (Paar)
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut
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