Vorsicht Suchtgefahr
Die Analogtechnik-Experten von SPL legen einen Phono-Vorverstärker vor, der mit Hochspannung auch feinste Tonabnehmersignale glanzvoll in Szene zu setzen vermag.
Von Freda Ressel und Michael Vorbau
Die Schallplatte erlebt nachhaltig ein Comeback, mit jährlichen Wachstumszahlen, die selbst die größten Optimisten kaum zu proklamieren trauten. In Großbritannien sind jüngst die Vinylverkäufe auf den höchsten Stand seit 1991 gestiegen. Hierzulande wuchs der Marktanteil von Vinyl im letzten Jahr um beachtliche 41 Prozent auf 4,5 Prozent am Gesamtmarkt. Das wirkt zwar (noch) wenig angesichts rasant steigenden Streaming- und Downloadzahlen, muss aber als klares Signal gesehen werden, dass es einen Widerstand gegen digitales „Wegwerf-Musikhören“ via iPhone und Co. gibt.
Entsprechend steigt natürlich auch die Nachfrage nach hochqualitativen Plattenspielern und Phonoverstärkern. Es überrascht also nicht, dass zur Professional Fidelity Serie von Sound Performance Lab (SPL) mit dem Phonos (UVP: 1.760 Euro) auch ein Phono-Vorverstärker gehört. Dieser verarbeitet Signale von Moving Coil- und Moving Magnet-Systemen und liefert feine abgestufte Impedanz- (Moving Coil) und Kapazitätseinstellmöglichkeiten (Moving Magnet), um das bestmögliche Ergebnis aus dem jeweiligen Tonabnehmer herauszuholen.
Als typisches Mitglied der Professional Fidelity-Familie arbeitet die Elektronik des Phonos mit SPLs hauseigener Voltair-Technik, die mit einer Gleichspannung von 120 Volt in der Stromversorgung arbeitet. Die Hochvolt-Technik feierte schon vor Jahren, beispielsweise in der berühmten Mastering Console MMC1 Premiere und ist heute wie auch alle anderen High-End-Studiogeräte von SPL, die ebenfalls ausnahmslos mit dieser Technik ausgestattet sind, weltweit in den besten Recording- und Mastering-Studios zu finden. Die für die Professional Fidelity-Serie griffig in Voltair umbenannte 120-Volt-Technik arbeitet mit einer Gleichspannung von ± 60 Volt, was annähernd das doppelte der ansonsten in High End-Geräten üblichen Betriebsspannung entspricht.
Die Voltair-Technik erlaubt, so SPL, außergewöhnliche technische Spezifikationen und klangliche Vorteile: Messtechnisch profitieren Dynamikumfang, Rauschabstand und Übersteuerungsfestigkeit davon, klanglich vor allem das Detailreichtum, für ein laut Hersteller, absolut entspanntes Hörvergnügen. Von den klanglichen Meriten dieser Technik, deren 120 Volt-Operationsverstärker beim legendären Kopfhörerverstärker Phonitor 2 inzwischen in die vierte Generation geht, konnte wir uns zuletzt auch beim SPL Director, der DA-Wandler und Vorverstärker-Einheit aus der Pro-Fi-Reihe (Test in Professional audio 8/2016) überzeugen. Bei Phonovorverstärkern, die ja prinzipbedingt einen besonders hohen Verstärkungsfaktor bieten, könnte sie im wahrsten Sinne des Wortes extrem spannend sein.
Verarbeitung und Bedienelemente
Der Phonos kommt mit dem gleichen schlicht-funktionellen Äußeren daher wie die anderen Geräte der Professional Fidelity-Reihe. Mit 278 x 57 x 330 Millimetern (mitsamt der vier Füße) sind seine Maße mit denen des Directors identisch. Das getestete Exemplar präsentiert sich in einem schlichten, mattschwarzen Gehäuse aus gepulvertem Stahlblech mit schwarz eloxierter Aluminiumfrontplatte. Für farbliche Akzente im Studio oder heimischen Hörraum bietet SPL auch Ausführungen mit roter beziehungsweise silberner Frontplatte an.
Die Verarbeitung des Gehäuses ist tadellos, so wie wir es von SPL gewohnt sind, orientiert sich allerdings eher an den schlichteren Studiogeräten, andere High-End-Hersteller treiben hier einen wesentlich größeren Aufwand, was sich allerdings auch in gepfefferten Preisen niederschlägt. Aber gerade hier hält sich der Phonos mit seinem UVP von knapp 1.800 Euro deutlich zurück. Das gilt nicht für den Bedienkomfort Denn hier bietet der Phonos genau das, was ein anspruchsvoller Musikhörer, der womöglich mit mehreren Tonabnehmern agiert, von einem professionellen Gerät erwartet.
Für den Betrieb mit Moving Magnet-Tonabnehmern, stellt der Phonos auf der Frontplatte einen vierfach gerasteten Drehschalter zur Anpassung der Abschlusskapazität bereit. Dabei stehen die Werte 150 pF, 220 pF und 330 pF zur Verfügung. Moving Coil-Abtaster können mittels eigenen Drehschalters mit Abschlusswiderständen von 100, 20, 470, 2.200, 4.700 und 10.000 Ohm angepasst werden. Diese Widerstandsreihe ist eher etwas ungewöhnlich gewählt, fehlt doch zwischen 470 und 2.200 Ohm der Zwischenwert 1kOhm, der insbesondere für die Liebhaber eines Denon DL103 und aller Derivate interessant sein dürfte. Via Kippschalter schaltet man zwischen den Betriebsarten MM und MC zwar um, einen jeweils eigenen Eingang besitzt der Phonos allerdings nicht.
Dafür bietet er eine dreistufige Gain-Anpassung. In Stellung „Norm“ verstärkt der Phonos MM-Signale um 46 Dezibel und MC-Signale um 67 Dezibel. In Stellung -10 reduzieren sich diese auf 36/57 Dezibel und in Stellung +4 beträgt die Verstärkung 50/71 Dezibel. Damit sind sowohl leise wie auch sehr laute Abtaster so zu betreiben, dass für die Lautstärkeregelung am nachgeschalteten Vorverstärker oder SPL-Director immer ein optimaler Einstellbereich zur Verfügung steht. Für die Eingangsverstärker des Phonos stellen übrigens selbst lauteste Abtaster keine Herausforderung dar, denn die Übersteuerungsfestigkeit liegt jenseits von Gut und Böse – schon mal ein Vorteil der Voltair-Technik.
Der zuschaltbare Rumpelfilter setzt erst bei 15 Hertz ein, und das mit nur 3dB pro Oktave. Das ist einerseits sehr tief und andererseits sehr sanft, um selbst bei aktiviertem Subsonicfilter die exzellente Tiefbasswiedergabe des Phonos, soviel sei schon vorweg genommen, nicht zu beeinträchtigen. Das setzt allerdings ein exzellentes Laufwerk voraus.
Innere Werte
Phonos-Entwickler Bastian Neu setzt für die Umsetzung der Voltair-Technik ausschließlich auf die SPL-exklusiven Hochvolt-Operationsverstärkermodule, die mit diskreten Bauelementen in SMD-Technik aufgebaut sind und teilweise in Kaskade arbeiten, um die notwendige Gesamtverstärkung in bestmöglicher Qualität sicher zu stellen. Grundsätzlich werden die Tonabnehmersignale zuerst verstärkt und dann in einem RC-Netzwerk einer RIAA-Entzerrung nach Douglas Self unterzogen. In diesem Entzerrer-Netzwerk verbaut Bastian Neu ausschließlich selektierte Widerstände und Styroflex-Kondensatoren mit sehr engen Toleranzwerten. Und da bei dieser Bauweise, bei der zuerst verstärkt, dann entzerren wird, mitunter sehr hohe Kapazitätswerte anfallen, werden dort wo notwendig viele kleine Styroflex-Kondensatoren parallel geschaltet, was übrigens dank verringerter Ladezeiten auch der Schnelligkeit der Signalverarbeitung zugutekommt.
Messwerte
Im Messlabor zeigte sich der Phonos von seiner besten Seite. Der entzerrte Überalles-Frequenzgang verläuft wie mit dem Lineal gezogen, ab 120 Hertz setzt eine minimale Absenkung ein, die bei 20 Hertz gerade mal 0,4 Dezibel erreicht, was klanglich überhaupt keinen Einfluss hat. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass die Frequenzgänge beider Kanäle absolut deckungsgleich sind.
Die Geräuschspannungsabstände von 86 dB (MM) und 64 (MC) sind hervorragend. Die Empfindlichkeit für 1 Volt Ausgangsspannung beträgt 2,04 mV (MM) beziehungsweise 0,2 mV (MC) – das sind praxisgerechte Werte. Ausschließlich theoretischer Natur ist Betrachtung der maximalen Ausgangsspannung, beträgt sie doch bei MM beachtliche 43,8 Volt (bei 1% THD-N) bei einer Eingangsspannung von enorm hohen 89 mV und im MC-Betrieb 43,5 V bei einer Eingangsspannung von 9,5 mV, was allerdings eindrucksvoll Zeugnis über die enormen Dynamikreserven dieses Phonovorverstärkers ablegt.
Klang
Für unseren intensiven Hörtest stellten wir mehrere Setups zusammen, denen sich der Phonos sowohl im MM- als auch im MC-Betrieb über mehrere Wochen stellen musste.
In diesen Setups fand sich sowohl das deutlich unterschätzte Shure V15 Type V, montiert auf einem modifizierten und ebenfalls deutlich unterschätzten Dual 731Q Plattenspieler, als auch MC-Tonabnehmer vom Schlage eines van den Hul Colibri, montiert auf einem Schröder Referenz Tonarm. Als Laufwerk diente bei diesem Setup ein Bauer Audio DPS 3. Ferner hörten wir über einen komplett revidierten Technics SP10 MkII plus Dynavector-Tonarm DV-505 mit diversen Lyra-Systemen. Abgehört wurde unter anderem über die Aktivboxen Accent 3 von Dynaudio, die durch die Firma Horch modifiziert wurden. Als Vorverstärker wählten wir unter anderem den Horch Balance und den Octave HP 300SE.
Grundsätzlich lässt sich festhalten: Der Phonos kam mit allen Tonabnehmern nicht nur bestens zurecht, sondern nahm die Hörer nach eigenem Bekunden klanglich von der ersten Sekunde an gefangen. Und das umso mehr zu, je länger wir hörten. Vielleicht lässt sich die Art und Weise, wie der Phonos Musik in Szene setzt, mit einer gehörigen Portion Relaxtheit gepaart mit ungebremster Spielfreude und enormer Dynamikentfaltung beschreiben. Auch gefiel seine souveräne Darstellung von Aufnahmeräumen. Er gab eine klar definierte Bühne mit eindeutig nachvollziehbaren Abständen zwischen Instrumenten oder Stimmen wieder – auch bei komplexem, vielschichtigem Tonmaterial ließ er immer eine eindeutige räumliche Differenzierung der einzelnen Instrumente zu. Dabei „musizierte“ er nicht, sondern reproduzierte flüssig und rhythmisch das, was die Schallplatte vorgab und der Tonabnehmer anbot. Trotz der klanglichen Neutralität wurde er zu keiner Zeit langweilig, im Gegenteil.
Das Stück „Pent-up House“ von Thomas Stabenow und Lothar Schmitz kam mit sattem, präzisem und tiefreichendem Bass. Der Kontrabass zeichnete sich derart körperhaft ab, dass man fast glaubte, ihn im Raum zu sehen. Die Gitarre besaß ein sehr schönes, nicht übertriebenes, farbenfrohes Klangspektrum. Das Duo – Gitarre und Kontrabass – bekam genau den Raum, den es brauchte.
Auf Eva Cassidy’s Live Album „Nightbird“ erlebten wir mit „Ain’t no Sunshine“, wie der Phonos das Sehnsüchtige in dieser weiblichen Stimme herausarbeiten konnte. Die Stimme überflügelte durchaus alle anderen Instrumente, ohne das es störend im Raum ankam. Grundsätzlich klingt der Phonos eher Grundtonorientiert, ohne dabei Klangfarben zu unterdrücken.
Vor allem bei den Moving Magnet-Systemen konnte der Phonos absolut punkten. Aber auch das van den Hul Colibi oder die Lyra-Systeme zeigten mit dem Phonos ihr ganzes Potential. Die beiden MM-Abtaster Shure V15 Type V und DMS 242 stiegen klanglich auf ein Niveau, wie wir das zuvor mit keinem anderen Phono-Vorverstärker erlebt hatten.
Fazit
Der SPL Phonos ist ein außerordentlich gut klingender Phonovorverstärker, der ein erhebliches Suchtpotential hat. Seine Spielfreude, die enorme Dynamik und die Akkuratesse, mit der er feinste Klangstrukturen herausarbeitet, begeistern immer wieder. Das Preis-Leistungsverhältnis ist vorzüglich.
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