Ganz groß: Virtuelle Vermählung zweier Analog-Klassiker
Softube hat es wieder getan und die virtuelle Nachbildung zweier Analog-Klassiker in Form eines Channelstrips miteinander vermählt. Dieses Mal sind es ein Kompressor und ein Equalizer des amerikanischen Herstellers Summit Audio, die unter der Bezeichnung Grand Channel künftig für edlen Klang in der DAW sorgen sollen.
Von Sylvie Frei
Im weiten Rund der analogen Studio-Peripherie schlummert noch so manch ein Schatz, der bisher noch nicht gehoben wurde, will heißen in Form eines Plug-ins auf den Markt gekommen ist. Anfang dieses Jahres hat sich die schwedische Plug-in-Schmiede Softube quasi als moderner Archäologe betätigt und mit der Emulation des Summit Audio TLA-100A Kompressors einen bislang noch nicht virtuell nachgebildeten modernen Analog-Klassiker auf den Markt gebracht (siehe Test in Heft 1/2012). Unter Kennern zählt der vor rund 25 Jahren auf den Markt gebrachte und immer noch erhältliche Kompressor als moderne Studio-Legende, die sich durch einen edlen Sound auszeichnet und seitdem bei vielen namhaften Produktionen und auch im Mastering eingesetzt wurde und wird. Vor kurzem hat das im schwedischen Linköping ansässige Unternehmen in Sachen Summit Audio noch einmal nachgelegt und einen zweiten, nicht minder edel klingenden Studio-Prozessor des amerikanischen Unternehmens nachgebildet: Den Vierbandigen Passiv-Equalizer EQF-100. Dabei hat Softube den Release des EQ-Plug-ins zum Anlass genommen und einmal mehr gleich Nägel mit Köpfen gemacht: Ebenso wie seinerzeit bei den Emulationen der Tube-Tech Geräte offeriert der Hersteller jetzt beide Plug-ins – Kompressor und Equalizer – zusammen als Bundle unter der Bezeichnung „Summit Audio Grand Channel“. Hier wie dort sind die Prozessoren dabei als einzelnes Plug-in einsetzbar und als Besonderheit in einem dritten Plug-in gemeinsam in einen Rahmen zusammengefasst, eben jenem Channelstrip. Kostenpunkt: Die einzeln erhältlichen Plug-ins gehen für knapp 160 Euro über die Ladentheke. Das Bundle kostet rund 230 Euro und Besitzer des TLA-100A-Plug-ins können für circa 120 Euro auf den Grand Channel upgraden. Das Bundle soll sich dabei besonders für den Einsatz bei Gesangsstimmen, Percussion, sowie Bass-, Gitarren- und Blechbläser-Signalen eignen. Was die virtuelle Vermählung beider Summit Audio-Prozessoren wirklich leistet, hat sich im Test erst noch zu zeigen. Doch zuvor schauen wir kurz auf die Ausstattung beider Prozessoren und des Grand Channels. Die fotorealistische graphische Umsetzung der analogen Originalfronten mit ihren Leuchtbuttons, Drehreglern, Kippschaltern und VU-Meter-Anzeigen versprechen eine akustische Reise zurück ins analoge Zeitalter.
Das ansprechende User-Interface des Grand Channel gliedert sich in vier Abschnitte: EQ, Kompressor, Zusatzmodul des Kompressors und globale Einstellungen für beide Plug-Ins am Fuß des GUI. Per Kippschalter lassen sich dabei beide Prozessoren auf Bypass schalten sowie im Routing vertauschen, also wahlweise EQ vor den Kompressor oder umgekehrt. Der EQF-100 simuliert einen Röhren-Entzerrer mit Vier-Band-Regelung. Das analoge Vorbild des Plug-Ins wirkt dabei als passiver Equalizer, der ohne zusätzliche Energiezufuhr über Spulen gezielt Gegenfrequenzen erzeugt und so – anders als seine aktiven Verwandten – über eine Signalabschwächung wirkt. Dies verspricht einen besonders weichen und warmen Klang. Jedes der vier Bänder besitzt sieben festgelegte, per Drehschalter wählbare Frequenzen, für die sich separat Bandbreite und Gain einstellen lassen. Die Center-Frequenzen direkt benachbarter Bänder überlappen sich übrigens, was die Möglichkeit bietet, bei Bedarf entsprechend dramatische Filterverläufe realisieren zu können. Besonderheit: Per Dreifach-Kippschalter lässt sich das Gain wahlweise auf Boost oder Cut stellen sowie bei Bedarf auf Bypass schalten. Außerdem ist es an den Außenbändern möglich, die Filtercharakteristik zwischen Gausscher Glockenkurve und Shelfkurve umschalten zu können. Nächste Besonderheit: Mit einem übermäßigen Boost einzelner oder mehrerer Frequenzen oder einem starken Aufdrehen des Output-Reglers lässt sich mit dem EQF-100 wohldosiert sogar die typisch angenehm klingende Röhren-Verzerrung erzeugen. Last but not Least verfügt das Plug-in, ebenso wie das Original, über separat einstellbare Low- und High-Cut-Filter. Beide Filter verfügen über je drei per Drehschalter aufrufbare Festfrequenzen, von denen ausgehend sich alle darüber beziehungsweise darunter liegenden eventuell vorhandenen Störfrequenzen sanft, aber effizient ausblenden lassen. Anders als das analoge Vorbild wartet die virtuelle Oberfläche des EQF-100 mit einem zusätzlichen Output-Volume-Regler und sogar zwei VU-Metern zur Anzeige des Ein- und Ausgangspegels auf. Im Test ist der Umgang mit dem EQF-100 rasch verstanden und das Einstellen der Frequenzbänder geht flott über die Bühne. Im Vergleich dazu wartet der TLA-100A-Kompressor mit einer erklecklichen Zahl an Features auf, die es in der Original-Hardware nicht gibt. Das TLA-100A-Plug-In emuliert dabei ein ganz spezielles Kompressor-Konzept. Das Dynamik-Reduktions-Element basiert auf einer eigenen, proprietären Schaltung in diskreter Bauweise. Eine Röhre in der Verstärker-Schaltung sorgt schließlich für den hochgeschätzten edlen Röhren-Klang. Dadurch besitzt die Hardware eine sehr weiche Klangcharakteristik, wobei das Regelverhalten sehr stark an einen Opto-Kompressor erinnert.
Das Plug-in verfügt über Attack- und Releaseschalter über die zwischen drei fest eingestellten Werte für die Pegelabsenkung und die Pegelanhebung vor und nach dem Eingreifen des Kompressors gewählt werden kann. Die Kompressionsstärke wird – ebenso wie im Teletronix LA-2A – über einen einzigen Regler eingestellt, der quasi in Personalunion Input, Threshold und Ratio definiert. Die Aufholverstärkung wird schließlich über den gleichnamigen Gain-Regler realisiert. Ein Meter-Auswahlschalter erlaubt das Umschalten der VU-Meter-Anzeige zwischen Ausgangspegel und Gain-Reduction. An Zusatz-Features verfügt der Kompressor über eine zwischen intern und extern umschaltbare Sidechain-Funktion. In Stellung extern, kann über den Sidechain-Eingang somit ein Doch damit fängt der Reigen an Zusatz-Features erst an. Im Unterschied zur analogen Vorlage hat Softube dem virtuellen Kompressor ein zusätzliches Modul mit drei weiteren Features zur Seite gestellt. Den Anfang macht ein stufenlos bis in die Mitten einstellbarer Low-Cut-Filter, mit dem sehr gezielt tiefe bis mittlere Frequenzen ausgeblendet werden können. Zudem lässt sich über den Input/Detector-Schalter auswählen, ob sich das Hochpassfilter vor den Eingang (Input) schaltet oder nur auf das Sidechain-Signal (Detector) einwirkt, um tiefe Frequenzen aus dem Steuersignal auszufiltern, die ursächlich für das berüchtigte Pumpen verantwortlich zeichnen können. Nicht alltäglich ist der Saturation-Regler, über den sich der Sättigungsgrad der Röhren-Ausgangsstufe und gleichzeitig der Headroom beeinflussen lässt. Dies birgt den Vorteil, dass beim Verändern der Sättigung kein separates Nachregeln des Gains mehr nötig ist (siehe Test in Heft 1/2012). Auffällig: Die Saturation-Funktion erzeugt je nach Zeitparametereinstellung recht individuelle Ergebnisse. Während sie bei moderaten Einstellungen sehr kraftvoll wirkt, verliert sie bei höheren Kompressionsraten deutlich an Intensität. Bei einer hohen Kompression mit Attack-Schalter in Slow-Stellung werden Transienten ausgeklammert und gedämpft. Befinden sich Attack und Release in Fast-Stellung macht sich – je nach Signal-Beschaffenheit und Kompressionsstärke – ein leichtes, durchaus musikalisch anmutendes Pumpen bemerkbar. Schnelle Attack-Zeit und langsame Release-Zeit führen in Kombination zu deutlich hörbaren Dynamikschwankungen, die mitunter ein Nachjustieren des Gains erforderlich machen. Wie andere moderne Plug-Ins verfügt der TLA-100A zu guter Letzt auch über einen „Parallel Inject“-Regler, mit dem sich bei Bedarf im Plug-in eine Parallel- Im Hör- und Praxistest habe ich beide Prozessoren zunächst einzeln auf die Probe gestellt. Das Ergebnis weiß ohne Abstriche zu überzeugen. Im Test wirkt der TLA-100A so subtil, dass ein uneingeweihter Hörer nicht mit Sicherheit sagen könnte, ob tatsächlich ein komprimiertes Signal vorliegt oder es sich lediglich um angenehm ausgewogenes, quasi naturbelassenes Material handelt. Der TLA-100A verleiht der Gesangsstimme bei moderaten Einstellungen einen sehr natürlichen, geschmeidigen und tendenziell warmen Klang. Dabei wirkt der Kompressor sehr sanft, fast unmerklich auf die Dynamik ein. Die Stimme wirkt dadurch dezent tragender und stabiler. Die dynamische Flexibilität und Transparenz des Originalsignals bleibt stets erhalten.
Während andere Plug-Ins bei vergleichbaren Einstellungen gern etwas druckvoller, aber auch vordergründiger und zweidimensionaler klingen, komprimiert der TLA-100A auf eine eigene, subtile Weise. Zudem fällt positiv auf, dass der Kompressor kleine Rauheiten oder unschöne Schwingungen auf meiner beim Test leicht belegten Gesangsstimme dezent zu glätten weiß. Auch bei der Kompression von Percussion-Sounds macht der TLA-100A einen sehr guten Eindruck. Das Ergebnis klingt knackig, transparent und subtil wärmer. Zudem bleibt der natürliche, körperhafte Klangcharakter der im Test eingesetzten Djembe erhalten. Der TLA-100A verleiht dem Drumsignal auf angenehme Weise den nötigen Druck, ohne dabei die Binnendynamik zu nivellieren. Wie schon beim Test mit dem Gesangssignal fällt auch bei der Percussion ein transparenter Grundsound auf, der das Signal jedoch gleichzeitig etwas geschmeidiger schleift und ihm einen edlen Anstrich verpasst. In die gleiche Kerbe schlägt auch das EQF-100 Plug-in, das sich durch seine variable und flexible Handhabung auszeichnet. So lassen sich beim Djembe-Drumloop gezielt plastische Effekte erzielen, indem im hohen mittleren Band der 2,7 kHz-Bereich mit geringer Bandbreite angehoben und im tiefen Band der Frequenzbereich um 220 Hz mit größerer Bandbreite abgesenkt wird. Auf diese Weise fällt es leicht, die höhere Frequenz präsent und markant in den Vordergrund zu stellen. Eine dumpfe, übermäßig präsente Bassfrequenz um 100 Hz, die in der Percussion-Aufnahme etwas zu penetrant wirkt, blende ich mit einer gezielten, stärkeren Absenkung dezent aus, ohne dabei den charakteristischen Klang der Djembe zu verfälschen. Frequenzanteile, die dem Djembe-Klang schmeicheln, lassen sich hingegen satt und präsent herausarbeiten. Der EQF-100 verleiht den angehobenen Bereichen dadurch eine satte Wärme, ohne dabei zu dick aufzutragen. Auch der Gesangsaufnahme kann der EQ mit wenigen Handgriffen zu einer dezenten Luftigkeit und mehr Ausgewogenheit verhelfen. Bei meiner Mezzosopranstimme geschieht dies am Besten über das gezielte Anheben zweier höherer Frequenzen mit mittlerer Bandbreite bei 2,7 und 8,2 kHz. Eine gleichzeitige Absenkung bei 820 Hz verstärkt den Effekt. Als willkommener Ausgangspunkt für die eigene Arbeit entpuppen sich im Test auch die zahlreichen mitgelieferten Presets, die sich rasch individuell anpassen lassen und so auch in kürzester Zeit ein angenehm konturiert klingendes Ergebnis liefern. Ähnlich wie das Kompressor-Plug-In besitzt auch der Grundklang des EQ eine subtile Sanftheit, die bei moderaten Einstellungen unaufdringlich, aber wirkungsvoll zum gewünschten Klangergebnis verhilft. So richtig mächtig spielen beide Plug-ins unter dem Dach des Grand Channel Plug-ins auf, wobei sich die positiven Eigenschaften beider Prozessoren hervorragend miteinander verbinden. Da sich EQ und Kompressor in ihren klanglichen Eigenschaften ähneln und ergänzen, wirken sie wie füreinander geschaffen und werfen sich im Test quasi die Bälle gegenseitig zu. Anliegende Signale werden von beiden Prozessoren stets auf eine organische und musikalische Art bearbeitet. Dabei gehen sie stets subtil, aber dennoch nachhaltig ans Werk. Diese unterschwellige Wirkmächtigkeit zeigt sich im Test nicht zuletzt auch anschaulich durch die Möglichkeit, beide Prozessoren auf unkomplizierte Art in der Signalreihenfolge vertauschen zu können. Je nach Art des Signals kann die Entscheidung EQ vor Kompressor oder umgekehrt zu entsprechend unterschiedlichen Ergebnissen führen, wobei der praktische Kippschalter es möglich macht, zu jeder Zeit die jeweils andere Reihenfolge gegen zu hören und sich am Ende für das gefälligere Ergebnis zu entscheiden. So viel Flexibilität weiß zu gefallen.
Fazit
Wer bislang die mitgelieferten On-Board-Plug-Ins der gängigen DAWs gewöhnt ist, wird beim Test des Summit Audio Grand Channels von Softube eine wahre Klang-Offenbarung erleben. War ich zuvor der Meinung, dass selbst eine leichte Kompression stets ein bisschen aufträgt und gerade die Singstimme allzu vordergründig herausarbeitet und dabei ihrer Plastizität und Luftigkeit beraubt, wurde ich vom Grand Channel eines Besseren belehrt. Gleiches gilt auch für den Equalizer, der anliegende Signale wie von Zauberhand von Störfrequenzen befreit und durch Anheben und Absenken spektraler Anteile auf gefühlvolle und vor allem unterschwellige Art veredelt. Niemals hätte ich geahnt, dass Kompression und Equalizing auf solch subtile Weise möglich ist.
Erschienen in Ausgabe 09/2012
Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 233 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut
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