Das virtuelle Tonstudio Reason erfreut sich seit Jahren großer Beliebtheit. Obwohl bereits zahlreiche gute Klänge im Grundpaket enthalten sind, bieten sich verschiedene Erweiterungen mit hochwertigen Spezialsounds an. Wie sich Reason Electric Bass dabei schlägt, zeigt unser Test.

Von Dr. Andreas Polk

Die als „Refills“ bezeichneten Erweiterungen sind eine Symbiose aus einer reinen Sample-Bibliothek und einem virtuellen Instrument. Diese Technik bezeichnet Propellerheads als „Hypersampling“. Refills beinhalten aufwändige Sample-Bibliotheken, die als vorgefertigte Presets mit fest verkabelten Instrumentenracks direkt in Reason geladen werden. Es handelt sich um Combinator-Patches, die man ähnlich einem virtuellen Instrument laden und direkt spielen kann. Wer mit Reason Refill Electric Bass gute Ergebnisse erzielen will, muss sich nicht mit der zugrunde liegenden Samplingtechnologie auseinandersetzen oder Samples in einen Sampler laden. Tiefer in die Materie einzusteigen lohnt aber auf jeden Fall, denn per Mausklick lassen sich Combinator-Patches aufklappen und in verschiedenen Detailstufen bis hinunter zur Sampleebene nachbearbeiten. Auch Klangschrauber kommen so auf ihre Kosten.

Die Installation der Software geht schnell von der Hand. Hierzu sind die auf der DVD enthaltenen Dateien einfach nur auf die Festplatte zu kopieren – das war´s.  Alle Samples stehen in 16 oder 24 Bit Auflösung bei einer Samplingrate von 44,1 kHz zur Verfügung. Der Anwender muss sich vorab entscheiden, mit welcher Auflösung er arbeiten möchte und die jeweilige Refill-Datei in den entsprechenden Ordner kopieren.

Im Kern besteht Reason Electric Bass aus acht gesampelten elektrischen Bässen, die über zwei verschiedene Verstärker eingespielt und über neun verschiedene Mikrofon- und Vorverstärker-Kombinationen aufgenommen wurden. Mit den Fingern eingespielt wurden ein Fender Precision Bass aus dem Jahre 1965, ein Gibson EB-0 (1972), eine Gibson Les Paul (1969) und ein Music Man StingRay 5 (2001) und mit dem Plektrum ein Fender Precision (1978) sowie ein Kay Hollowbody (1963). Alle genannten Bässe verfügen über einen einzelnen Tonabnehmer, der Klang der Instrumente wurde parallel über einen Ampeg B-15 S Portaflex Bass Combo und einen Fender Showman „Black face“-64 abgespielt und mithilfe verschiedene Mikrofontypen – unter anderem auch einem Yamaha Subkick – abgenommen.

Mit einem per Plektrum angeschlagenen Rickenbacker 4001 (1974) und einem mit den Fingern bearbeiteten Fender Jazz Bass (1968) stehen auch Kandidaten mit zwei Tonabnehmern zur Verfügung. Hier wurde der Signalweg allerdings leicht verändert: Das Steg-Signal läuft über den Fender Showman, das Hals-Signal über die Ampeg Combo. Für jedes einzelne Instrument stehen damit verschiedene Signal-Varianten zur Verfügung, die sich aus der Kombination verschiedener Verstärker und Mikrofontypen ergeben.

Von all diesem merkt der Anwender nichts, sofern er es nicht möchte. Das Refill enthält zahlreiche Combinator-Patches mit fertig vorkonfigurierten Soundbeispielen. Diese sind im Wesentlichen durch den verwendeten Bass und zwei oder drei Mikrofonsignale zur Abnahme charakterisiert, die in einem bestimmten Mischverhältnis zueinander stehen und so den Gesamtklang ergeben. Wir probieren die verschiedenen Bässe aus, indem wir die Patches nacheinander laden und anspielen. Der Ladevorgang für ein Patch dauert einige Sekunden, eine Preview-Funktion gibt es leider nicht. Damit nimmt die Einarbeitung recht viel Zeit in Anspruch, eine schnell arbeitende Vorhörfunktion würde die Arbeit erleichtern. Dank der sinnvollen und gut nachvollziehbaren Vergabe der Patchnamen ist es aber möglich, die Sounds nach einer gewissen Einarbeitungszeit zuzuordnen und gezielt auszuwählen.

Ein Bass lässt sich über verschiedene Spiel- und Anschlagstechniken spielen. Die Nachbildung dieser Techniken ist das A und O für eine realistische Abbildung des Instruments. So klingt eine mit den Fingern gezupfte Basssaite weicher als eine mit dem Spektrum gespielte, und ein geslappter Bass hat eine vollkommen andere Klangcharakteristik als ein gezupfter Bass. Auch für verschiedene Musikstile sind unterschiedliche Anschlagtechniken maßgeblich, beispielsweise spielen Slap-Bässe im Funk eine große Rolle. Darüber hinaus machen erst die verschiedene Nebengeräusche einen authentischen Klang aus, beispielsweise indem der Musiker über das Griffbrett fährt, Saiten abdämpft oder sie nur kurz anschlägt.

Reason Electric Bass Refill bildet einen Teil dieser Spieltechniken nach. Jedes Instrument verfügt über drei vollständige und unterschiedliche Samplesets, welche die jeweiligen Spieltechniken repräsentieren. Die als Sustained Notes bezeichnete Spielweise entspricht dem Standardklang, der entsteht, wenn der Musiker eine Saite zupft und mit der Hand am Griffbrett die Tonhöhe bestimmt. Mit Hilfe zweier Tasten auf der Klaviatur, die als Umschalter dienen, lassen sich zusätzlich zwei alternative Spielweisen aktivieren. Hammer-On-Noten klingen ähnlich wie Sustained-Notes, sind jedoch perkussiver und weniger dickbäuchig. Sie entstehen, wenn die Saite direkt auf dem Steg gezupft wird. Die Glissando-Sets bestehen aus Klängen, die daraus resultieren, dass der Musiker den Zielton am Griffbrett jeweils einen Ganzton tiefer ansetzt und mit der Hand zum Zielsteg rutscht. In einfacheren Instrumentennachbildungen würde man diesen Effekt per Pitchbend nachahmen, Electric Bass Refill bietet aber eigenständige Samplesets, was die Klangqualität erhöht.

Die Qualität und der Detailreichtum der virtuellen Nachbildung sind insgesamt gut. Pro Spielweise stehen zwei alternative Samplesets zur Verfügung, die sich über D1 bis C4 bzw. D4 bis C7 spielen lassen. Möchte man einzelne Töne mehrmals hintereinander spielen, sollte man abwechselnd die Töne aus beiden Tastaturzonen verwenden, der Sound klingt dann lebhafter und abwechslungsreicher. Zudem verfügen alle Samples über eigene Release-Sounds, die das Geräusch nachbilden, wenn der Musiker eine Saite am Griffbrett loslässt.

Pro Sample gibt es drei Velocity-Zonen, die Einzelsamples werden in der Regel über drei Halbtöne verteilt. Dies ist gemessen am heutigen Standard eher wenig. Dank der alternativen Samplesets fällt diese Einschränkung jedoch nur ins Gewicht, wenn man höchsten Wert auf absoluten Detailreichtum setzt. Andere virtuelle Instrumente bieten hier aber in Sachen Detailtreue und Dateihandling mehr.

Zusätzlich zu den drei grundlegenden Spieltechniken gibt es noch einige Spezialtöne, die bestimmte basstypische Geräusche nachbilden. So verfügen die Instrumente über drei verschiedene Fretnoises, vier unterschiedliche Ghostnotes und zahlreiche Slides. Fretnoise entsteht, wenn der Musiker mit der linken Hand über das Griffbrett rutscht ohne einen Ton zu spielen. Fretnoise entsteht zwischen den Noten und führt – richtig eingesetzt – zu einem luftigeren Zusammenhalt der einzelnen Klänge, die Basslinie klingt natürlicher. Slides entstehen, wenn der Musiker bei klingender Saite auf dem Griffbrett auf und ab fährt. Es stehen verschiedenartige Slides zur Verfügung, die sich jeweils durch ihre Prägnanz, Richtung und Geschwindigkeit unterscheiden.

Ghostnotes entstehen, wenn der Musiker eine Saite dezent am Korpus anschlägt und sofort wieder abdämpft. Dieses Stilmittel ist geeignet, leichte rhythmische Akzente zwischen Tönen zu setzen und den Groove zu unterstützen. Komplexere Interaktionen lassen sich aber nicht nachbilden. So klingen die Ghostnotes immer gleich, unabhängig davon, welche Saite bereits erklingt. In der Realität ergibt sich der Klang aber aus der Interaktion der bereits schwingenden Saite, ihrer Tonhöhe und dem Dämpfungsverhalten das der Musiker bewirkt. Wir haben diese Einschränkung als kleines Manko empfunden, aber auch mit den vorhandenen Ausdrucksweisen lassen sich sehr realistische Basslinien programmieren.

Reason Electric Bass Refill wird mit zahlreichen Presets ausgeliefert, die ohne weitere Nachbearbeitungen direkt und gewinnbringend eingesetzt werden können. Unter der Rubrik „Preset Basses“ finden sich Instrumente, die sich als Kombinationen aus mehreren unterschiedlichen Mikrofonsignalen zusammensetzen, über die der jeweilige Bass abgenommen wurde. Die Namensgebung ist informativ, nach kurzem Blick ins Handbuch findet man sich sofort zurecht.

Zudem enthält der Lieferumfang über sechzig sogenannte „Style Basses“. Diese Presets zeichnen sich durch eine Namensgebung aus, die unmittelbar auf den jeweiligen Musikstil verweist, in dem der Sound Einsatz findet. Beispielsweise steht das Preset „Sergeant 2 [P Bass Finger]“ für einen Klang, der auf dem Fender Precision Bass aufbaut und an den Sound der Beatles erinnert, „Anthem Rock [Rickenbacker]“ steht für einen Rickerbacker Sound im Stile Radioheads „National Anthem“ und so weiter. Das ohnehin sehr vorbildliche gedruckte Handbuch gibt zu den einzelnen Presets jeweils kurze Erläuterungen, die Identifizierung der gewünschten Sounds geht schnell von der Hand. Leider gilt aber auch hier, dass ein Patch immer erst vollständig geladen werden muss, bevor wir es vorhören können. Das kostet leider viel Zeit.

Der Klang der Instrumente und Presets überzeugt, das Paket deckt viele unterschiedliche Sounds und Genretypen ab. Aufdringliche, rau und verzerrt klingende Presets der eher brachialen Art („Clawfinger“, „Chili Magic“, „Hollow Punk“) finden sich ebenso wie solche für den Einsatz in Rocknummern („American Standard 80“, „Ampeg Flip-Top Mush“) oder psychodelisch angehauchtes („Anthem Rock“). Auch die Sparten HipHop, Funk und Electronica sind vertreten. „Kay Mouth Bass“ erinnert sofort in die funky und etwas verquere Art Jamiroquais, „4pusher“ erinnert an den Stil von Squarepusher, und mit „Bootsy’s Luv Wav“ stehen Sounds mit eindeutigen Reminiszenzen an die P-Funk Ära Bootsy Collins‘ zur Verfügung.

Offenbar nur als Zugabe versteht der Hersteller die im Lieferumfang enthaltenen Effektpresets, zumindest haben wir ihre Erwähnung im Handbuch vermisst. Es handelt sich um Combinator-Patches, die verschiedene Effekte zusammenschalten und speziell auf die Bassinstrumente abgestimmt sind. Die Verkabelung geht auch ohne Handbuch schnell von der Hand: Wir laden dazu die gewünschten Bass- und Effektpresets, aktivieren über <Tab> die Rückansicht des Racks und verbinden den Ausgang des Bassinstruments mit dem Eingang des Effektpresets. Aus unserer Sicht sind die Effektpresets mehr als eine bloße Beigabe. Sie klingen gut und potenzieren das kreative Potential.

Alle Presets in Reason Electric Bass bestehen aus Combinator-Patches. Dies sind Kombinationen aus Reason-Instrumenten, ähnlich einem voll verkabelten Instrumentenrack. Sie lassen sich vollständig editieren und bis hinunter zur einzelnen Sample-Ebene editieren.

Jedes Bass-Preset besteht im Wesentlichen aus mehreren Instanzen des Reason Samplers NN-XT und einigen Linemixern, die die Signale zusammenzuführen. Da es pro Preset mit Sustain, Hammer-On und Glissando drei verschiedene Spielweisen gibt, setzt sich ein Preset auch aus mindestens drei Samplerinstrumenten zusammen. Das ganze multipliziert sich mit der Anzahl der abgenommenen Signale, die den Klang des Presets formen. Sind dies beispielsweise das direkte Signal einer DI-Box, das Signal der Yamaha Subkick und ein oder zwei weitere Mikrofone, beinhaltet ein Patch zwölf Samplerinstanzen. Alles dies lässt sich nach Belieben editieren. Sind etwa mehr Tiefen gefragt, betonen wir das Signal der Subkick, wünschen wir ein cleaneres und direktes Signal, erhöhen Sie den Anteil des Direktsignals und so weiter.

Auch weitergehende Eingriffe bis hin zu neuen Verkabelungen sind möglich. Sollen beispielsweise die Release-Samples deutlicher in den Vordergrund treten, ist es notwendig, die Lautstärke an verschiedenen Stellen im Combinator-Patch anzupassen. Dies ist mitunter umständlich, ein zentraler Regler würde die Arbeit komfortabler gestalten. Da die gesamte Verkabelung offen liegt und die Struktur der Patches schnell durchschaut ist, stellt uns dies aber vor kein großes Problem: Wir ziehen in der Rückansicht des Racks ein paar Kabel neu, schon lässt sich die Lautstärke der Release-Sounds zentral über einen eigenen Mischpultkanal editieren. Ähnliches gilt für die Verkabelung der Instrumente mit den im Lieferumfang enthaltenen Effektpresets.

Wer neue Sounds von Grund auf neu zusammensetzen möchte, findet in den „Template Patches“ einen guten Startpunkt. Hierbei handelt es sich um vorgefertigte leere Patches, die nur noch mit den gewünschten Samplesets aufzufüllen sind. So stehen beispielsweise für jeden Bass vorgefertigte Presets für die neun verschiedenen Mikrofonsignale zur Verfügung. Wie bei einem Baukasten wählen wir die Signale aus und kreieren auf Wunsch bauchige, raue oder vordergründigere Grundsounds, die sich allein durch das Mischverhältnis der einzelnen Mikrofon-, Vorverstärker und Verstärkersignale charakterisieren.

Eine hohe Bedeutung kommt der Spielbarkeit eines virtuellen Instruments zu und die Frage, wie sich die vorhandenen Ausdrucksmöglichkeiten umsetzen lassen. Reason Electric Bass hat uns in diesem Aspekt auf voller Linie überzeugt. Mit Hilfe der Tasten C1 und C#1, die als Schalter fungieren, schalten wir während des Spiels zwischen den drei grundlegenden Ausdrucksweisen Sustained, Hammer-On und Glissando um. Die Oktave darunter ist mit den Effektsounds belegt, wir spielen sie bei Bedarf dazu. Über das Modulationsrad verkürzen wir die Ausklingphasen einzelner Töne und variieren die Spielweise subtil.

Wir folgen im Test dem Vorschlag des Handbuchs, zunächst die Basslinie grundlegend einzuspielen und auf die unterschiedlichen Ausdrucksmöglichkeiten zu verzichten. Mit Hilfe einer eigenen Effektspur im Sequenzer fügen wir dann punktuell Effektsounds hinzu, schalten zwischen den Artikulationen um und programmieren die Automation für das Modulationsrad. Dabei geht es immer um subtile und teils nur unbewusst wahrnehmbare Details der Spieltechnik. Genau dies ist es aber, was eine realistisch klingende Basssequenz von einem eher synthetisch und programmiert klingenden Groove unterscheidet.

Bei der Einarbeitung in die Programmiertechnik unterstützen uns die im Lieferumfang enthaltenen Demosequenzen, die die Spieltechniken und ihre Umsetzung mithilfe des Reason eigenen Sequenzers demonstrieren. Die Lernkurve steigt steil an, wir sind schnell in der Lage, realistisch klingende Basslinien zu programmieren. Bis wir das auch ohne Sequenzer live und direkt hinkriegen – das unterhaltsame Reason Electric Bass Demovideo auf YouTube sei in diesem Zusammenhang empfohlen – müssen wir aber noch ein wenig üben.

Fazit

Reason Electric Bass überzeugt. Es stehen acht hochwertige elektrische Bässe zur Verfügung, die sich hervorragend in die Arbeitsumgebung des virtuellen Studios integrieren. Die Presets klingen durchgehend gut und machen Freude beim Spielen. Eigene Sounds sind dank der umfangreichen Editiermöglichkeiten und den mitgelieferten Effektpresets rasch programmiert. Die Zugeständnisse im Detailreichtum sehen wir als Kompromiss an das einfache Handling und die gute Integration ins virtuelle Studio an. Wer auch akustische Bässe oder Slap-Spieltechniken benötigt, wird mit Reason Electric Bass aber nicht glücklich. Der Hammer ist jedoch der ausgerufene Preis: Für etwas mehr als einen Hunderter Straßenpreis ist dieses Refill in punkto Preis/Leistung unverschämt gut. Schade, dass nur Reason-Nutzer davon profitieren.

 

Erschienen in Ausgabe 08/2008

Preisklasse: Oberklasse
Preis: 120 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: überragend