Britisches Vollblut

Bei HiFi-Enthusiasten genießen QUAD-Elektrostaten einen hervorragenden Ruf, jetzt wollen die Briten auch die Studio-Szene knacken. Mit dem 12 L Studio Active schicken sie einen rassigen Vollblüter mit dynamischen Systemen ins Rennen.

Von Harald Wittig

QUAD (Quality Unit Amplified Domestic) baut seit gut 70 Jahren Wiedergabesysteme und gehört damit zu den langlebigsten Traditionsunternehmen des britischen Königreichs. Gegründet im Jahre 1936 von Peter Walker, damals noch unter dem Namen Acoustical Manufacturing Company, stellte das Unternehmen zunächst Beschallungssysteme und – für die damalige Zeit – kompakte Verstärker her. 1949 entwickelte Walker den sogenannten Corner-Ribbon-Lautsprecher und setzte damit einen ersten Meilenstein: Dieser Lautsprecher gilt unter Kennern als eines der ersten Systeme überhaupt, das in der Lage war, auch hohe Frequenzen in exzellenter Qualität wiederzugeben. Im selben Jahr erschien auch das erste Produkt unter dem Namen QUAD, der QUAD 12/P, entsprechend dem Firmen-Akronym handelte es sich hierbei um einen Verstärker. Diesem folgte wenig später der inzwischen legendäre QUAD II, eine Regeleinheit mit zwei Monoblock-Röhrenverstärkern.
Für Aufhorchen in der alten und der neuen Welt sorgten Peter Walker und sein Bruder im Geiste, Wharfedale-Gründer Gilbert Briggs, als sie in der alterwürdigen Royal Festival Hall in London und später in der New Yorker Carnegie Hall einem mehrtausendköpfigen und staunenden Publikum die Wiedergabe-Fähigkeit ihrer neu entwickelten HiFi-Komponenten demonstrierten. Dabei war Wharfedale für die Lautsprecher, QUAD für die Verstärker zuständig.

Ab Mitte der 50er Jahre des vorherigen Jahrhunderts entwickelte QUAD mit dem legendären ESL63 selbst elektrostatische Lautsprecher, die nicht nur in England Maßstäbe in puncto Transparenz und Klarheit setzten.
Seitdem gab es stets neue Innovationen wie das erstmals in dem Vollverstärker QUAD 405 umgesetzte Prinzip des sogenannten Current Dumping. Ohne hier näher ins Detail zu gehen: Mit dem QUAD 405 erwarb sich Walkers Unternehmen den Ruf, „Audiokabel mit Lautstärkeregler“ herzustellen. Anerkennung bekam QUAD 1978 von höchster Stelle: Der QUAD 405 wurde mit dem Queen´ s Award for Technical Achievement ausgezeichnet. Bis heute das erste und einzige HiFi-Gerät das diese Innovationsauszeichnung bekommen hat.
Heute gehört QUAD – und übrigens auch Wharfedale  – zur International Audio Group (IAG), das einem chinesischen Konsortium gehört, und residiert in Huntington. Nach wie vor liegt der Produkt-Schwerpunkt auf dem HiFi-Sektor – nicht umsonst heißt die URL www.quad-hihi.co.uk. Allerdings trennen HiFi- und Studio-Bereich nur scheinbar Welten und manch renommierter Lautsprecher-Hersteller hat hier wie dort ein festes Standbein. Beispielhaft seien nur Dynaudio oder Geithain genannt. Insoweit – auch eingedenk des Unternehmenscredos von QUAD, stets die optimale Musik-Wiedergabe zu gewährleisten – ist es nicht überraschend, dass die Briten mit unserem heutigen Testkandidaten, dem QUAD 12L Studio Active einen Nahfeld-Monior fürs Studio vorgestellt haben. Dabei ist der 12L mit rund 1.100 Euro zumindest nach HiFi-Maßstäben noch vergleichsweise günstig zu haben, zumal die Fertigung komplett in Huntington erfolgt.

Der QUAD 12L Studio Active basiert auf dem passiven 12L mit dem er Gehäuse und Lautsprecher-Chassis gemein hat. Tatsächlich unterschieden sich der aktive Zwilling äußerlich nur durch die beiden LEDs auf der Frontseite: Eine hellblau strahlende Bereitschafts-LED und eine gelbe, die Überlastung signalisiert. Es handelt sich bei dem recht elegant wirkenden Briten also um einen aktiven Zwei-Wege-Lautsprecher, der zudem nach dem Bass-Reflex-Prinzip konstruiert ist. Zwei Endstufen treiben Tief-Mittel- und Hochtöner an, immerhin 60 Watt Endstufenleistung stehen für den Tieftonkanal, 40 Watt für den Hochtonkanal zur Verfügung. Die Öffnungen der beiden Bass-Reflex-Rohre sind auf der Gehäuse-Rückseite angebracht, was allerdings gewisse Nachteile in sich birgt: Von einer wandnahen Aufstellung eines 12L-Pärchens ist eher abzuraten, da die rückseitigen Bassreflexports in diesem Fall zu einer unvermeidlichen Bass-Überhöhung führen. Im Gegensatz zu anderen Monitoren, die für diese Notstände mit einer Tiefenabsenkung, meist in Form eines Shelving-/Kuhschwanz-Filters ausgestattet sind, hat der QUAD derlei nicht zu bieten. Der sogenannte Bass-Cut-Regler dient nämlich, auch wenn es schon anders zu lesen war, der Anpassung an einen Subwoofer. Tatsächlich ist der Lautsprecher in diesem Punkt vergleichsweise karg ausgestattet, jedenfalls spendierten ihm die Entwickler keinerlei Filter zur Raumanpassung. Daher: Am Besten fahren Sie, wenn Sie den 12L Studio Active auf eine stabile Konsole stellen, so dass seine Chassis den Schall ungehindert in Richtung ihres Hörplatzes abstrahlen können.

Das Gehäuse des QUAD ist wahlweise wie der Testlautsprecher mit Klavierlack oder verschiedenen Edel- beziehungsweise Echtholzfurnieren erhältlich. Im Angebot sind Palisander, Vogelaugenahorn und ganz klassisch Kirsche. Hier zeigt sich in gewisser Weise die Zugehörigkeit des Herstellers zum HiFi-Lager, wo gerne auch mit den Augen gehört wird. Klanglich hat diese Kosmetik bekanntlich keinerlei Relevanz, weswegen der professionelle Anwender sie allenfalls nebenbei zur Kenntnis nimmt. Allerdings ist dem Hersteller zu attestieren, dass die Lackierung sehr sauber ausgeführt ist und der Lautsprecher in seiner Gesamtheit einen wertigen Eindruck hinterlässt.
Im Gehäuse-Inneren, vor dem Auge des Betrachters verborgen, finden sich ein weitaus interessanteres Konstruktionsdetail: Um schädliche Einstreuungen von Gehäuse-Vibrationen in die Endstufen-Elektronik auszuschließen, hat QUAD beim 12L Studio Active die Elektronik in eine luftdicht verschlossenes Kämmerchen eingesperrt: Hier finden, tatsächlich auf kleinstem Raum, neben dem Netztrafo die aktive Frequenzweiche und die beiden Endstufen Platz. Die Aktivweiche arbeitet mit einer Trennfrequenz von 1,8 Kilohertz, was zumindest in der Theorie dem Abstrahlverhalten zugute kommt. Denn mit der verhältnismäßig tief angesetzten Trennfrequenz wird der Tieftöner ausgeblendet, bevor er aufgrund seiner Membrangröße – immerhin 165 Millimeter – eine allzu starke Eigenbündelung entwickeln kann. Ob der QUAD 12L Studio Active aufgrund dessen tatsächlich ein besonders gleichmäßiges Abstrahlverhalten aufweist, klärt der Hörtest.

Die beiden Chassis, vor neugierigen Blicken hinter einer Art gazebespannten Schutzschirm, der ein wenig an einen Poppschutz erinnert, verborgen, weisen ihrerseits keine herausragenden Besonderheiten auf. Die Membran des Tief-Mitteltöners ist aus verwindungsfestem Kevlar, dereinst ein Aufsehen erregendes Ausstattungsmerkmal, heutzutage bereits bei sehr günstigen Monitoren wie beispielsweise dem ESI nEar05 (Test in Ausgabe 7/2006) zu haben. Was natürlich nichts an der guten Eignung des Werkstoffes für Bassmembranen ändert. Der Ein-Zoll-Hochtöner mit seiner Gewebe-Kalotte sitzt in einer Mulde, einem sogenannten Wave Guide, der als Führungselement für den abgestrahlten Schall dient. Ansonsten hält sich QUAD vornehm britisch zurück und verrät keine weiteren Konstruktionsdetails zu den Chassis.
Anschlussseitig akzeptiert die Combo-Buchse neben den sauber entgrateten Rippen des Kühlkörpers sowohl XLR- als auch Klinken-Stecker. Daneben besteht noch die Möglichkeit, Consumer-Geräte wie beispielsweise CD-Player via Cinch-/RCA-Stecker mit dem 12L zu verbinden. Fürs Einpegeln gibt es einen griffigen Lautstärkeregler mit gut erfühlbarer Mittenrastung und problemlos ablesbarer Skalierung. Die Bedienung des Monitors stellt also niemand vor Probleme, da es kaum etwas einzustellen gibt.

Die obligatorische Frequenzgangmessung des QUAD 12L meistert der Brite mit souveräner Gelassenheit: Sein Frequenzgang hält sich strikt auf linearem Erfolgskurs, auffällige Abweichung vom Ideal sind nicht festzustellen.

Bevor wir uns en detail den Wiedergabeeigenschaften des Lautsprechers widmen, zuvor eine nachdrückliche Empfehlung: Spielen Sie Ihre neuen Lautsprecher ein. Das gilt nicht nur für den Testkandidaten, sondern für jeden Lautsprecher. Auch wenn die Bedienungsanleitungen, von rühmlichen Ausnahmen abgesehen, diesbezüglich keinerlei Hinweise geben: Nach unserer Erfahrung gewinnt jeder Lautsprecher dadurch. Nicht nur das anfängliche Harschheit oder Verschnupftheit ist danach in der Regel kuriert. Oft gewinnt ein Lautsprecher auch mit zunehmender Einsatzdauer an Harmonie und Feingeist und einige Kandidaten zeigen tatsächlich erst nach längerer Betriebsdauer ihr wahres Klangpotenzial. Nicht anders die Erfahrung mit dem QUAD: Zu Anfang wirkte der 12L Studio Active noch etwas belegt und zurückhaltend, nach zweitägiger Einrauschprozedur spielt er deutlich selbstbewusster und souveräner auf.
Spontan fällt die sehr gute Trennschärfe des Briten auf, was für eine hohe tonale Ausgewogenheit spricht und beim Mischen goldwert ist, da so Frequenzüberschneidungen und Verdeckungseffekte gnadenlos aufgespürt werden. Die Raumdarstellung des Monitors ist geprägt von einer starken Phantommitte und guter Stereo-Basisbreite. Im Vergleich zu dem Emes Black tv HR active (Test in Ausgabe 6/2008), der allerdings über ein Koaxial-System verfügt, tritt er einen kleinen Schritt zurück: So ist es zwar durchaus möglich, die eigentümliche Wanderschaft einer mit einem Vintage-Phaser versehenen Harmonie-Gitarre innerhalb eines Arrangements mit den Ohren zu verfolgen. Der erstrebte Aufhorcheffekt, den der Emes mühelos darstellt, bleibt aus. Dennoch, vor allem eingedenk der unterschiedlichen Bauprinzipien: Auf Oberklasse-Niveau spielt der 12L allemal und hat gegenüber einem Aeon APS (Test in Ausgabe 6/2008) in dieser Disziplin eindeutig die Nase vorn. Bei der Tiefenstaffelung wirkt der Brite ein wenig flach. Insoweit übertrifft ihn der immerhin rund 250 Euro günstigere KRK VXT-8 (Test in Ausgabe 6/2008). Dessen fast dreidimensionale Tiefenauslotung erreicht der 12L nicht ganz.
Bei den Bässen ist der Lautsprecher sauber und präzise, das Impulsverhalten, beispielsweise bei knallharten Slap-Attacken, ist sehr gut. Allzu tief sind die Bässe des Monitors jedoch nicht, insoweit bedienen der Emes und der KRK die Tieftonabteilung besser: So erscheint ein Shelving-Filter bei 75 Hertz in der E-Bassspur einer unserer Aufnahmen schon fast wie ein Bass-Cut-Filter. Vergleichshören mit den genannten Lautsprechern, aber auch mit dem Yamaha MSP7 Studio (Test in dieser Ausgabe, Seite XX) stellt klar, dass dem nicht so ist. Dafür ist dem QUAD aber jede billige Effekthascherei bei den Bässen fremd. Steht der Lautsprecher optimal – also nicht in Wandnähe – hütet er sich vor übermächtigen Wummerbässen, die zwar Eindruck schinden können, aber von dem Ideal einer neutralen Wiedergabe weit entfernt sind. Dennoch empfehlen wir zur Optimierung die tieftönende Ergänzung mittels eines guten Subwoofers wie dem KS digital ADM B2 (ausführlicher Test in einer der nächsten Ausgaben), der während des Testes zusammen mit dem 12L ein gutes Gespann abgibt.
Sehr schön, weil vorbildlich ausgewogen, ist das Mittenband des Monitors. Der 12 L Studio Active gehört zu den neutralen Vertretern der Monitor-Zunft und hält gar nichts von dem – gleichwohl vielerorts geschätzten –analytischen Klangbild anderer Kollegen. Auch wenn sich darüber trefflich streiten lässt: Unseres Erachtens ist beispielsweise die klangliche Auswirkung verschiedener Mikrofone und Mikrofon-Positionen bei einer neutralen Mittenwiedergabe sehr viel besser nachzuhören. Schließlich gefällt auch der Hochtöner des britischen Lautsprechers, der in puncto Auflösung und Feindynamik wahrlich nicht von schlechten Eltern ist. Gerade bei Transienten oder Obertönen, beispielsweise von Becken, ist die Hochtonwiedergabe stets klar und sehr sauber. Eine HiFi-mäßige Weichheit, sprich Schönfärberei, ist dem L 12 ganz bestimmt nicht zueigen. Einmal mehr ist hier die tonale Ausgewogenheit im darstellbaren Gesamt-Frequenzbereich zu loben: Die Abstimmung ist QUAD wirklich gut gelungen, der Lautsprecher bleibt stets sachlich, hat keine Vorlieben für bestimmte Bereiche und ist somit ein echtes Arbeitsgerät.

Fazit

Mit dem 12 L Studio Active hat QUAD ein insgesamt überzeugendes Studio-Debüt auf die Konsolen gestellt. Als spartanisch ausgestatteter Nahfeld-Monitor überzeugt der Brite mit hoher tonaler Ausgewogenheit und sehr guter Trennschärfe. Trotz kleinerer Schwächen bei der Basswiedergabe und der Raumdarstellung ist er ein verlässlicher Partner bei der Musikproduktion.

Erschienen in Ausgabe 08/2008

Preisklasse: Oberklasse
Preis: 1098 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: gut – sehr gut