KLANG MIT TIEFE
Mit den Epic 55 präsentiert die noch recht junge Firma reProducer Audio Labs ihr zweites Produkt. Die neuen Midfield-Monitore erweitern die mit den kleineren Nahfeld-Lautsprechern Epic 5 initiierte Produktreihe. Die kleinere Version wusste in unserem Test in Ausgabe 5/19 zu überzeugen und – so viel sei vorab verraten – die größeren Geschwister stehen ihren Vorgängern nicht nach.
TEXT: Malte Schmidt, FOTOS: HARALD WITTIG

Das Unternehmen reProducer Audio Labs wurde 2016 gegründet. Laut Selbstauskunft auf der Homepage handelt es sich bei der reProducer-Belegschaft um Toningenieure, Industriedesigner, Künstler und vor allem Musiker, deren Verlangen nach Geräten mit der besten verfügbaren Audioqualität vom bestehenden Angebot nicht befriedigt werden konnte, weshalb sie sich berufen sahen, selbst tätig zu werden, um den eigenen Vorstellungen entsprechende Geräte, konkret Lautsprecher, zu bauen. Das ist ein nachvollziehbarer und durchaus sympathischer Ansatz, nicht auf Besserung zu warten, sondern anzupacken, was einen unzufrieden macht. Andererseits erzeugt das auch – zumindest in meinem Fall – eine gesteigerte Erwartungshaltung, denn ich kann nicht behaupten noch keinen Lautsprecher gehört zu haben, der meinen Anforderungen gerecht wird – „da muss nun aber was kommen“, so mein Gedanke.
Eigens entwickelte Komponenten
Zuversichtlich, dass meine Erwartungen nicht enttäuscht werden, stimmt mich der Aufdruck auf der Rückseite: „Designed & Engineered in Germany by United Minorities“. Die Firma aus Breisach gehört bzw. ist Attila Czirják, der seit 1994 hochwertigste HiFi- und Pro-Audio-Produkte entwirft und herstellt. Ein absoluter Könner also und das nicht nur auf diesem Gebiet. Der gebürtige Ungar ist auch diplomierter Mineraloge, hat ein Marketing-Studium abgeschlossen und noch ein paar Semester Bildhauerei studiert. Seine Dienste hat er neben reProducer Audio Labs unter anderem auch ESI zur Verfügung gestellt und geholfen, die uniK 08+ zu optimieren.
Entworfen und konstruiert wurden die Epic 55 von Attila Czirják/United Minorities, gefertigt werden die Lautsprecher in China.
In den Epic 55 sind je zwei 5,25 Zoll Tiefmitteltöner verbaut, die zur Maximierung der Basswiedergabe von je zwei 6,25 Zoll Passivradiatoren unterstützt werden – einer auf der Ober-, einer auf der Unterseite eines jeden Lautsprechers. Die Tiefmitteltöner sind wie auch der 1 Zoll Hochtöner (eine Metallkalotte mit Rückkammer) Entwicklungen von United Minorities im Auftrag von reProducer. Ein extrem rauscharmer Class-D-Verstärker versorgt die Woofer mit jeweils 120, den Tweeter mit 75 Watt RMS-Leistung. Das Gehäuse ist aus HDF und eloxiertem Aluminium gefertigt. Signale werden von den Epic 55 rein analog verarbeitet, auf jegliche DSPs, dynamische Manipulationen und psychoakustische Tricks wurde verzichtet. Die Fertigungsqualität ist vorbildlich.

Die Epic 55 sind im Grunde zwei an den Oberseiten kombinierte Epic 5, nur ohne den zweiten Hochtöner. Die vertikale Nutzung wird empfohlen, die horizontale ist aber ebenfalls möglich.
2 x 5 = 55
Der Name Epic 55 ist passend und nachvollziehbar gewählt, handelt es sich bei den Midfield-Monitoren im Grunde um zwei an den Oberseiten kombinierte Epic 5, nur dass auf den zweiten Hochtöner verzichtet wird. Daraus resultiert bei den Epic 55 eine D’Appolito-Anordnung. Dieses auf einen US-amerikanischen Physiker zurückgehende Prinzip platziert den Hochtöner in gleichem Abstand zwischen zwei Tiefmitteltönern. Idealerweise ist der Abstand der Membranzentren der beiden Tiefmitteltöner zum Hochtöner kleiner oder maximal gleich zwei Dritteln der Wellenlänge der eingestellten Trennfrequenz, bei einem verwendeten Filter 3. Ordnung, sprich 18 dB/Oktave. Beide Vorgaben werden nicht ganz eingehalten, denn das Filter ist eines der 4. Ordnung und auch der Abstand der Membranzentren entspricht nicht dem Ideal. Die Trennfrequenz ist im konkreten Fall 2500 Hz, die Wellenlänge dementsprechend ca. 14 Zentimeter. Maximal zwei Drittel davon wären ca. 9,3 Zentimeter, die Membranzentren der beiden Woofer haben aber jeweils einen Abstand von ca. 12 Zentimetern zum Mittelpunkt des Hochtöners, also nur etwas weniger als die ganze Wellenlänge der Trennfrequenz. Man kann über „echte und unechte D’Appolitos“ philosophieren, muss es aber nicht. Wichtiger ist, dass dieses Anordnungsprinzip im Endeffekt Decken- und Bodenreflexionen minimieren und insgesamt die Abbildung der Räumlichkeit verbessern soll.

Die praktischen und stabilen Transportboxen gehören zum Lieferumfang der Epic 55, wodurch der Preis nochmals attraktiver wird.
Die mathematisch natürlich inkorrekte Gleichung „2 x 5 = 55“ geht weiterhin auf, wenn man schaut, was ein Epic 55 kostet und wie er geliefert wird. Ein Paar Epic 5 erreicht seine neuen Besitzer in einem hübschen, passgenau mit Schaumstoff ausgekleideten Flightcase, wofür diese 1649,- Euro (UVP, „Straßenpreis“ geringer) zahlen. Exakt die UVP für einen Epic 55, der aufgrund seiner Größe natürlich ein Case für sich allein beansprucht. Die Lautsprecher sind im Case zusätzlich in einen Stoffbeutel gehüllt. Die Schaumstoffabdeckung hat Aussparungen für das mitgelieferte Netzkabel und die vier Aluminiumspikes für die vertikale Aufstellung, damit der untere Passivradiator Abstand zum Untergrund hat und frei schwingen kann. Zum Schutz des oberen Radiators befindet sich noch eine Abdeckung im Case eines Epic 55. Die Epic 55 eignen sich sowohl für die vertikale als auch die horizontale Nutzung, die vertikale wird empfohlen. Das Logo lässt sich in die jeweils richtige Position drehen. Für den Klang ist das natürlich unerheblich, aber ich mag solche smarten Aufmerksamkeiten sehr.
Klang der Epic 55
Die zur Verfügung gestellten Epic 55 brauchten eine recht lange Einspielphase. Mein erster Eindruck war nicht euphorisch. Etwas spitz in den Höhen, dachte ich mir, und vermisste gleichzeitig Bass. Nach einem Tag Einspielen hatte sich der Eindruck spitzer Höhen bereits verflüchtigt. Der Bassbereich entfaltete sich langsamer und schien mir nach etwas mehr als 72 Stunden so zu sein, wie er sein soll. Ab diesem Zeitpunkt gibt es im Grunde nur noch positive Eindrücke zu berichten. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass reProducer Audio Labs halten, was sie mit den Epic 55 versprechen: Gradlinigen Frequenzgang, schnelles Einschwingverhalten, hoher Dynamikbereich, genaueste Zeitausrichtung und ausgezeichnete Richtwirkung.

Die Klangregelung für hohe und tiefe Frequenzen erfolgt in 1-dB-Schritten zwischen -5 und +5, Gain kann um 15 dB angehoben oder abgesenkt werden.
Der Mittenbereich präsentiert sich aufgeräumt und neutral, was sehr wichtig ist, da sich in diesem die Grundtöne nahezu aller Instrumente und Stimmen tummeln. Motörhead waren gewiss nicht für audiophile Produktionen bekannt, ich halte deren Musik dennoch auch zum Testen für geeignet, aufgrund des charakteristischen Bass-Sounds von Lemmy. Der spielte seinen Rickenbacher über voll aufgedrehte und bis Volume 12 gehende Marshall Gitarren-Amps, woraus ein weniger wuchtig-tiefer als vielmehr mittig-zerrender Klang entstand. Je besser der Lautsprecher, desto eher hört man Phil Campbells Gitarre UND Lemmys Bass, anstatt eines verzerrten Breis. Mit den Epic lässt sich sehr gut hören, dass es sich um zwei Instrumente handelt.
Auch im Bass- und Hochtonbereich konnte ich keine Verfärbungen feststellen, die Auflösung über das gesamte hörbare Spektrum empfinde ich als sehr gut. Das Impulsverhalten der Epic 55 ist richtig stark, salopp gesagt: Die Dinger sind sauschnell. Egal, ob es sich um Double-Bass-Drum-Attacken, schnelle Snare-Wirbel (überhaupt rasant gespieltes Schlagwerk), rapide Bläsereinwürfe oder auch Doubletime-Raps handelt, die Lautsprecher geben alles mühelos wieder und klingen stets akkurat. Sehr gut hörbar bei „The Crux“ von Mastodon, Jacksons „They don’t care about us“, Peter Fox‘ „Alles neu“, „Uptown Funk“ von Mark Ronson feat. Bruno Mars oder im Doubletime-Part von Curse‘ „Rap“.

Jeweils vier schraubbare Spikes sorgen dafür, dass der Passivradiator an der Unterseite frei schwingen kann.
Die Spielfreude der Epic 55 zeigt sich ebenfalls bei dynamisch anspruchsvollen Stücken wie Norah Jones‘ äußerst lebhafter Gesangsperformance in „I don’t know why“, wo auch die deutlichen Sibilanten ohne jede Schärfe von den Epics wiedergegeben werden, oder klassischen Stücken wie Tschaikovskys Fantasieouvertüre Romeo & Julia.
Im Bassbereich erschienen mir die Epic 55 zunächst etwas zurückhaltend, bei „Oh Yeah“ von Yello oder Daft Punks „Give life back to music“ fehlten mir etwas Wucht und Druck. Je länger ich aber an eigenen Mixen arbeitete, verfestigte sich der Eindruck, dass die saubere, trockene, nicht ganz so wuchtige Wiedergabe dieses Frequenzbereichs durch die Epic 55 die ehrlichere ist und eher andere Boxen und Kopfhörer dazu neigen, geringfügig „anzudicken“. Ohnehin muss man sich in jeden Lautsprecher „hineinhören“ und die Eigenheiten einzuschätzen lernen.

Diagramm des Frequenzgangs der Epic 55. Eine deutliche Erhebung nur im für Menschen nicht mehr hörbaren Bereich über 20 kHz.
Phänomenal wirkt die Abbildung der Räumlichkeit durch die Epic 55. Liveaufnahmen haben dadurch beim Hören besondere Freude bereitet (bspw. Falcos Donauinsel-Konzert). Ausgehend von einer stabilen Phantommitte öffnet sich das Stereopanorama, Schallquellen lassen sich hervorragend lokalisieren, der Klang löst sich exzellent von den Boxen und es tut sich ein auch in der Tiefe beeindruckend realistischer Raum auf. Hätte man das Wort Tiefenstaffelung noch nie vernommen, es käme einem wohl in den Sinn, wenn man über die Epic 55 hört. Beim Prüfen älterer eigener Produktionen offenbarte die räumliche Qualität der Monitore, dass ich oftmals recht unzusammenhängend wirkende Mixe fabriziert habe. Bei jüngeren Mischungen wirken die Ergebnisse deutlich konsistenter.
Fazit
Die Epic 55 Midfield-Monitore von reProducer Audio Labs sind schlichtweg sehr gute Lautsprecher. Nicht nur das Design ist außergewöhnlich und auffällig, auch der Klang ist auffallend gut. Das Impuls- und Dynamikverhalten wie auch die Abbildung der Räumlichkeit, speziell in der Tiefe, sind die Stärken der tadellos verarbeiteten Lautsprecher. Mit den Epic 55 erhält man ein verlässliches, akkurates Werkzeug zu einem attraktiven Preis. Empfehlenswert!

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