Bernsteinfarbenes Klangjuwel
Wer herbstlich warme Klangfarben bevorzugt, verschmäht die nüchtern-neutralen Scharfzeichner und vertraut seine Aufnahmen gerne Mikrofonen mit ausgeprägter Klang-Persönlichkeit an – wie zum Beispiel dem MA-200 von Mojave Audio.
Von Harald Wittig
Hinter Mojave Audio steht einer der renommiertesten Mikrofon-Designer der Vereinigten Staaten: Richard Royer. Obwohl Royer heute in erster Linie wegen seiner edlen aktiven Bändchen-Mikrofone, die von seinem Unternehmen Royer Labs hergestellt und weltweit vertrieben werden, bekannt ist, verdiente er sich seine ersten Meriten mit Röhren-Mikrofonen, die er als Einzelstücke für Toningenieure in Los Angeles entwickelte und herstellte. Der Name seines Ein-Mann-Betriebes: Mojave Audio. Gemeinsam mit zwei alten Mitstreitern von Royer Labs hat Richard Royer seine Mikrofon-Boutique wieder auferstehen lassen und sich zum Ziel gesetzt, jetzt und in der Zukunft seine in den Achtziger Jahren des vorherigen Jahrhunderts heiß begehrten Mikrofone in Serie zu produzieren. Mojave Audio sind erst im Jahre 2004 an den Start gegangen sind und das hier getestete Mikrofon MA-200 stellt das erste und bisher einzige Produkt dar. Die Amerikaner betonen, dass es wie auch alle künftigen Produkte strengstens nach Richard Royers Vorgaben und nur mit den besten Einzelteilen gebaut werden. Das MA-200 ist also das erste Neugeborene und natürlich ein Röhren-Großmembran-Kondensator-Mikrofon, dessen Design ein besonderes Augenmerk verdient.
Es lohnt sich, einmal die Website von Mojave Audio (www.mojaveaudio.com) zu besuchen: Die Amerikaner machen in der FAQ-Rubrik keinerlei Hehl daraus, dass das Design des MA-200 von zwei großen deutschen Mikrofon-Legenden inspiriert ist: Den beiden Neumann-Klassikern U 47 und U 67. Das MA-200 sei gewissermaßen ein Zwitter-Produkt aus der aufwändigen Elektronik des U 47 und der Großmembran-Kapsel KK67 des U 67. Allerdings sei MA-200 ist kein Nachbau, sondern von den beiden großen Berlinern lediglich inspiriert. Deswegen hat das amerikanische Mikrofon auch keine Doppel-membran-Kapsel wie das U 67, weswegen es auch anders als das Vorbild, das drei Richtcharakteristiken hatte, auf die Nieren-Charakteristik beschränkt ist. Das mag dem einen oder anderen vielleicht etwas sauer aufstoßen – immerhin stand das „U“ bei den Neumanns für „Universalmikrofon“ was sich auf die umschaltbare Richtcharakteristik bezog. Regelmäßige Leser der Mikrofon-Tests in Professional audio Magazin wissen, dass auch Großkopferte mit ausschließlich Nieren-Charakteristik universell einsetzbar sind, bei-spielhaft seien das Brauner Phantom und das Neumann TLM-49 (beide in Ausgabe 11/2006 getestet) genannt. Interessanter ist da schon, dass das MA-200 wie auch das U 67 mit einer Pentoden-Röhre, die in Trioden-Schaltung läuft, bestückt ist. Der Grund: Die Pentoden-Röhre ist wegen ihrer drei Gitter (Steuer-, Schirm und Bremsgitter) empfindlicher als die Triode mit nur einem Gitter, der Mikrofonvorverstärker muss daher weniger schuften oder anders ausgedrückt: Das Mikro-fon ist lauter, gleichzeitig wollen sich die Konstrukteure die Eigenschaften der Triode, namentlich deren harmonische Verzerrungen zunutze machen. Allerdings klingt eine als Triode geschaltete Pentode nie wie eine Triode. Dabei geht es weniger um eher diffuse Beschreibungen wie „voller“ oder „besonders warm“ und so weiter. Derlei wird zwar allzu gerne und gleichmachend den Glaskolben nachgesagt, trifft es aber nur in den Fällen, wo das gesamte Schaltkonzept, das einem bestimmten Klangdesign folgt, entsprechend umgesetzt wurde. Daher sollte sich niemand wundern, wenn das wegen der sagenumwobenen Wärme angeschaffte Billig-Röhrenmikrofon in Wahrheit einfach nur schrecklich-schrill klingt.
Dass Röhre nicht gleich Röhre ist, wissen ein Crack wie Richard Royer und sein Team natür-lich. Deswegen verwenden sie im MA-200 eine so genannte „New Old Stock“, soll heißen eine unbenutzte und originalverpackte alte, neue 5840W aus Militärbeständen. Die Röhre ist natürlich handselektiert und wurde vor Auslieferung des Mikrofons sorgfältig eingebrannt. Das wesentliche Merkmal der 5840W ist, wie auch bei ihrer europäischen Schwester, der EF 732 HF, ihre besondere Rauscharmut. Insoweit ist rein theoretisch die 5840W eine sehr gute Wahl, denn Rauschen fürchten ernsthafte Recording-Ingenieure ebenso sehr wie Netzbrummen.
Das MA-200 benötigt einen Übertrager, die Mojave-Ingenieure verlassen sich hier auf einen speziell angefertigten aus dem renommierten Hause Jensen. Natürlich wird ein gutes Anschlusskabel im stabilen Alu-Koffer mitgeliefert. Von ebenso hoher Qualität ist die beiliegende Spinne, die Trittschall wirksam abfedert und die Montage zum zeitsparend leichten Spiel macht. Das MA-200 selbst liegt sanft gebettet in einem eigenen Köfferchen, ist ansonsten vorbildlich verarbeitet, das feinmaschige silberne Gitter behütet die goldbedampfte Membran sicher.
Im Messlabor sorgt das MA-200 für echtes Erstaunen: Neben dem guten Empfindlichkeitswert von 20 mV/PA – hier scheint sich die Pentode auszuzahlen – erreicht es hervorragende 84 Dezibel beim Geräuschspannungsabstand. Ein an und für sich schon ausgezeichneter Wert, für ein Röhrenmikrofon aber geradezu sensationell. Zuletzt verblüffte uns das VM1 von Dirk Brauner mit einem vergleichbar hohen Wert. Wenn es also rauscht auf der Aufnahme, liegt es mit Sicherheit nicht am MA-200.
Bei der Messung des Frequenzgangs fällt neben der für Großmembran-Mikrofone charakteristischen, hier aber kaum ausgeprägten Höhenanhebung im Bereich zwischen zehn und zwanzig Kilohertz, die Anhebung ab etwa 150 Hertz bis hinunter zu 30 Hertz auf. Mojave Audio sagen selbst, dass das MA-200 besonders voll und warm klinge – der Kurvenverlauf lässt auf ein solches Klangbild schließen.
Wir machen mit dem MA-200 verschiedene Testaufnahmen mit Stimmen und akustischen Gitarren (Steel- und Nylonstring). Um den Klang des Mikrofons bestmöglich einzufangen vertrauen wir einmal mehr auf unsere Referenz Verstärker-Wandlerkombination Lake People F355/Lynx Aurora 8 und nehmen die Tracks unter Cubase SX-3 mit 24 Bit/96 Kilohertz auf.
Der erste Höreindruck ist sehr positiv: Die Gi-tarrenspuren klingen, obwohl mono eingespielt, angenehm voll und körperhaft. Das MA-200 zeichnet mit feiner Auflösung über das gesam-te Frequenzspektrum, auffällig ist dabei ein ohrenschmeichelnder Weichzeichnereffekt bei den Transienten: So klingt die mit Plektrum gespielte Stahlsaitengitarre in den hohen La-gen trotz des beinharten Anschlags nicht zu knallig, die knackige Flamenco-Gitarre behält zwar ihre Spritzigkeit, gleichzeitig wird der Ton eher konzertant-weich und erinnert uns – we-nigestens klanglich – an den Supervirtuosen Gerardo Nunez. Das MA-200 ist ein recht schnelles Mikrofon, hat also ein gutes Impuls-verhalten, das sich besonders bei hart gespielten Singlenotes bewährt. Nicht weniger gut gefällt das Röhren-Mikrofon bei Stimmen, wobei es sich sowohl bei hohe Frauen- als auch tiefen Männerstimmen bewährt. Es dickt Stimmen unabhängig von der Stimmlage ange-nehm an, macht sie voller und runder, dank seiner hohen Auflösung, gepaart mit dem guten Impulsverhalten, ist der Klang voll-mundig und warm, ohne undifferenziert oder gar mulmig zu wirken. Tatsächlich hat das MA-200 Persönlichkeit und ist sicherlich kein neut-rales Mikrofon im strengen Sinne. Soll und will es auch gar nicht sein. Stattdessen ist es ein gezielt zur Klanggestaltung einsetzbares Werkzeug, das die Qualität eines guten Musikinstruments hat.
Fazit
Das erste Röhren-Mikrofon von Mojave Audio ist ein Mikrofon mit Persönlichkeit, das wegen seines angenehm warmen Klangs für vielfältige Aufnahmen, besonders aber für akustische Instrumente und Gesangsaufnahmen einsetzbar ist. Es ist allen zu empfehlen, die bei ihren Aufnahmen satte, warme Klangfarben bevorzugen.
Erschienen in Ausgabe 03/2007
Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 1198 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: gut – sehr gut
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