Back in Black

Das Röhren-Großmembran-Mikrofon Audio-Technica AT4060a ist wieder da und möchte nicht nur mit seinem edlen mattschwarzen Äußeren, sondern vielmehr mit exquisitem Klang von sich reden machen.

Von Sylvie Frei

„Was früher schon gut war, könnte heute noch besser sein“, dachte sich der japanische Hersteller Audio-Technica und feierte jüngst mit seinem Röhren-Großmembran-Mikrofon AT4060a keine Premiere, sondern vielmehr ein Comeback. Denn eigentlich wurde das Mikrofon schon einmal in den ausgehenden 1990er-Jahren veröffentlicht, verschwand aber leise wieder vom Markt. Nun kehrte es in überarbeiteter Form zurück in das Produktportfolio des japanischen Herstellers und möchte sich klanglich von seiner Schokoladenseite zeigen.

Das AT4060a soll nicht nur über einen warmen Vintage-Klang verfügen, sondern auch die feinsten Nuancen von Stimmen und Instrumenten mit Präzision einfangen. Darüber hinaus soll es einen größeren Dynamikumfang als die meisten anderen Röhren-Mikrofone besitzen. In der Neuauflage wartet das AT4060a außerdem mit optimierter Leistung, einem noch niedrigeren Eigenrauschen sowie einem technisch verbesserten Netzteil auf. Mit rund 1.900 Euro bewegt sich das Röhren-Mikrofon auf gehobenem Preis-Niveau.

Das AT4060a besitzt eine feste Nieren-Charakteristik und empfiehlt sich laut Hersteller für die Mikrofonierung von Stimmen oder akustischen Instrumenten im Studio. Bei der Auswahl und Fertigung der Bauteile die Japaner einiges an Aufwand betrieben. So ist die Kapsel des Mikrofons mit einer zwei Mikrometer dünnen, in mehreren Stufen künstlich gealterten goldbedampften Membran ausgestattet. Ein spezielles Behandlungs- und Prägeverfahren sorgt außerdem dafür, dass die Membran in ihren akustischen Eigenschaften optimiert wird. Der künstliche Alterungsprozess soll der Membran Langlebigkeit und Leistungskonstanz bringen – doch dazu an späterer Stelle mehr.

Im Inneren des Mikrofons werkelt übrigens eine handselektierte, separat geprüfte und ebenfalls künstlich gealterte 6922-Röhre – eine Miniatur-Doppeltriode des russischen Röhrenherstellers Sovtek. Die Sovtek 6922 lässt sich als Edel-Version der beliebten E88CC-Röhre beschreiben, die besonders für ihre Langlebigkeit und Widerstandsfähigkeit bekannt ist. Das künstliche Altern der Röhre will ebenfalls für eine von Anfang an konstante Leistung sorgen, da sich der Klang einer neuen Röhre im Laufe der Zeit noch merklich verändern könnte. Das ist bei einem Mikrofon, das im besten Fall immer gleich gut klingen soll, natürlich nicht erwünscht. Made in Russia ist für Röhren übrigens ein Qualitätskriterium. Schließlich wurde die Röhrentechnik in der ehemaligen Sowjetunion sehr viel länger gepflegt, verfolgt und weiterentwickelt als beispielsweise in Deutschland, wo die sie schon bald nach der Erfindung des Feldeffekttransistors in Vergessenheit geriet.

Da das AT4060a wie die allermeisten Röhren-Mikrofone nicht mit Phantomspannung auskommt, ist es zur höheren Spannungsversorgung auf ein im Lieferumfang enthaltenes, externes Netzteil angewiesen. Außer diesem enthält das AT4060a-Packerl ein zehn Meter langes 6-Pol-XLR-Kabel für die Verbindung zwischen Mikrofon und Netzteil, eine metallene Spinne, eine KunststoffSchatulle zur Aufbewahrung des Mikrofons sowie zwei kleine gelöcherte Adapter-Bleche, welche die Montage des Netzteils in ein Studio-Rack ermöglichen.

Das Innenleben des AT4060a-Mikrofons ist in einem solide verarbeiteten Metallzylinder von edel wirkender, mattschwarzer Farbe untergebracht. Seine Kapsel verbirgt sich in einem ebenfalls mattschwarzen, stabilen und engmaschigen Drahtgeflecht-Korb. Als Ausgang verfügt das Mikrofon über einen männlichen sechs-Pin-XLR-Anschluss, der mit Hilfe des beiliegenden Verbindungskabels mit dem ebenfalls sechspoligen XLR-Eingang des Netzgeräts verbunden wird. Das Netzteil besitzt selbstverständlich auch einen gewöhnlichen dreipoligen XLR-Ausgang für die Verbindung zum Mikrofon-Vorverstärker. Außerdem lässt sich das Netzgerät mit Hilfe des sogenannten Ground Lift-Schalters bei Bedarf von der Erdung entkoppeln, um eventuell auftretenden unliebsamen Brummgeräuschen den Garaus zu machen – im Fall der Fälle ein wertvolles Feature.

Mikrofon, Netzteil und Zubehör machen insgesamt einen rundum wertigen und sauber verarbeiteten Eindruck. Als besonders positiv ist die äußerst stabile und unkompliziert zu justierende mattschwarze Metall-Spinne hervorzuheben, die dem AT4060a mit wenigen Handgriffen zu einem soliden Halt auf dem Mikrofon-Stativ verhilft. Im Test sorgt die Schwinghalterung der Spinne für eine wirksame Entkopplung des Signals von Tritt- und Körperschall. Das Stativ selbst sollte natürlich ebenfalls nicht allzu klapprig sein, da das AT4060a mit seinen 650 Gramm wie die meisten Röhren-Mikrofone kein Leichtgewicht ist.

Doch werfen wir als nächstes – wie angekündigt – einen genaueren Blick auf die Eigenschaften der speziellen, künstlich gealterten AT4060a-Membran.

In der Produktbeschreibung gab Audio-Technica zunächst an, dass die Kapsel des AT4060a mit einer Doppel-Membran ausgestattet sei. Allerdings ergibt dies – abgesehen von seltenen Ausnahmen – bei einem Mikrofon mit einseitiger Einsprechrichtung und fester Richtcharakteristik keinen Sinn. Auf unsere Nachfrage hin antwortet uns Audio-Technica-Mitarbeiter Alexander Lepges, dass sich in der Beschreibung wohl ein Übersetzungsfehler aus dem Japanischen eingeschlichen habe. Das AT4060a besäße keine Doppel-Membran, sondern eine einzelne sogenannte „Double Wave“-Membran.

Dieser Membrantyp werde im Rohstadium mit einem speziellen, von Audio-Technica entwickelten Prägeverfahren behandelt, das seit einigen Jahren bei der Membran-Herstellung nahezu aller Kondensator-Modelle des Herstellers Anwendung finde. Dabei werde in zwei Stufen ein Muster in die Membran geprägt – ein kleinzelliges Wellen-Muster und ein gröberes Waben-Muster. Durch die Doppel-Prägung vergrößere sich die Membran-Oberfläche, was sich günstig auf den Geräuschpegelabstand des Mikrofons auswirke. Außerdem würden dadurch höhere Schwingungsmodi am Ausbrechen gehindert.

Da wir das ziemlich interessant fanden, wollten wir natürlich auch noch etwas über den in der Produktbeschreibung aufgeführten mehrstufigen künstlichen Alterungsprozess der Membran erfahren. Daraufhin berichtete uns Alexander Lepges von der gesamten Prozedur, die eine AT4060a-Membran von der Entstehung bis zum fertigen Mikrofon durchlaufen muss.

Zusammenfassend lässt sich der Herstellungsprozess folgendermaßen beschreiben: In einem ersten Schritt wird die goldbedampfte Folie, die als Ausgangsmaterial für die Membranen dient, 13 Stunden lang hoher Temperatur und Luftfeuchtigkeit ausgesetzt. Anschließend werden aus der Folie die Membranen ausgestanzt und mit der Double Wave-Prägung versehen. Daraufhin werden die Membranen in Ringe gespannt und müssen noch einmal 13 Stunden lang bei hoher Temperatur und Luftfeuchtigkeit ausharren. Anschließend findet die Montage der Membranen in die eigentlichen Kapsel-Elemente statt, bevor sie ein drittes Mal 13 Stunden lang hoher Temperatur und Luftfeuchtigkeit ausgesetzt werden. Die Kapseln, die erfolgreich dieses Martyrium durchlaufen, werden daraufhin in die Mikrofon-Gehäuse eingebaut, für einige Zeit tiefgekühlt und dann danach zurück auf Normaltemperatur gebracht. Abschließend durchlaufen sie einen Rauschtest einen Gesamt-Check.

Mit Verlaub, insgesamt durchläuft eine AT4060a-Membran schon einen ziemlich verrückten Produktionsprozess – besonders die exakten 13 Stunden-Abschnitte der Alterungsstufen muten ziemlich esoterisch an. Ob sich diese Spezialbehandlung klanglich auswirkt, sei mal dahingestellt. Welche Klangeigenschaften das AT4060a aufweist, interessiert uns selbstverständlich wie bei jedem anderen Mikrofon brennend.

Um diese zu ergründen, muss sich das AT4060a im Praxistest bei der Abbildung der menschlichen Gesangsstimme bewähren. Wir nehmen mit Hilfe des Lakepeople F355-Preamps und des Mytek Digital 8X192 ADDA-Wandlers insgesamt zwölf unterschiedliche Gesangsstücke aus allen denkbaren Musikgenres von Rock, Pop, Blues, Folk bis hin zu Klassik mit einer mittleren Frauenstimme auf.

Schon beim ersten Anhören der Aufnahmen sind wir vom exquisiten Klang des AT4060a geradezu verzaubert. Das Mikrofon besitzt runde, tragende Mitten- und Tiefmitten sowie offene, farbige Hochmitten und Höhen. Die Frauen-Stimme klingt über das Röhren-Mikrofon samtig, warm, rund und schmelzend, aber gleichzeitig auch frisch und lebendig. Während viele Röhrenmikrofone gern als etwas klangkomprimierend beschrieben werden, besitzt das AT4060a ein fein differenziertes dynamisches Spektrum. Außerdem gibt es feinste Stimmnuancen wieder, ohne Unregelmäßigkeiten zu überzeichnen oder übermäßig zu kaschieren. Ein Eigenrauschen des Mikrofons fällt beim Abhören zu keiner Zeit ins Ohr, was tatsächlich auf einen überdurchschnittlich guten Geräuschpegelabstand hindeutet, der übrigens vom Hersteller mit sehr guten 75 Dezibel gemessen wurde.

Bei der Sängerin stellt sich außerdem ein deutlicher Ich-Effekt ein, da das Mikrofon die individuelle Obertonstruktur der Gesangsstimme hervorragend wiedergibt. Trotz der großen Stimmtreue klingt das aufgenommene Signal dennoch eigentümlich „fertig“, als wäre es bereits mit subtilsten Effekten aufpoliert worden.

Typbedingt besitzt das AT4060a einen recht deutlichen Nahbesprechungseffekt, den die Sängerin im Test als Klang-Gestaltungsmöglichkeit zu schätzen weiß. Außerdem vermittelt die deutlich gerichtete Nierencharakteristik des AT4060a Nähe und Intimität, ohne dabei zu präsent zu wirken. Stattdessen wird auch ein dezent räumlicher Eindruck von der Niere eingefangen. Für Plosive oder Mundgeräusche ist die Großmembran des AT4060a vergleichsweise wenig anfällig. Mit einem soliden Pop-Schutz lassen sich im Test problematische Artikulationslaute wirksam abmildern, sodass es zu keinerlei Störgeräuschen auf den Aufnahmen kommt.

Insgesamt kann das AT4060a als Gesangsmikrofon auf ganzer Linie überzeugen. Es verleiht der Stimme einen edlen, farbigen und tragenden Klang, der sich unabhängig vom musikalischen Material ausnahmslos als in sich stimmig und schmückend beschreiben lässt.

Fazit
Esoterischer Produktionsprozess hin oder her – abschließend bleibt uns nur, Audio-Technica zum rundum gelungenen Comeback des AT4060a zu gratulieren. Denn im Test bewährte sich das Röhren-Modell als klangvolles Gesangsmikrofon, das ambitionierten Musikern und Recording-Profis zu edlen, farbigen und rundum stimmigen Vocal-Aufnahmen verhelfen kann.

 

Erschienen in Ausgabe 05/2014

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 1903 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut