Modern-Vintage

Mit dem Jade Tube präsentiert der australische Hersteller Beesneez ein Röhrenmikrofon im Vintage-Style, das aufhorchen lässt.

Von Johannes Dicke 

Beesnez ist eine hierzulande wenig bekannte australische Mikrofon-Manufaktur, die von ihrem Gründer, dem Schallwandler-Enthusiast Ben Snessby und seiner Familie geleitet wird. Die Australier widmen sich der Entwicklung und dem Bau von Röhrenmikrofonen, die sich an klassischer Technik orientieren, aber auch eigene Wege gehen. Das Produktportfolio besteht zum Einen aus detaillierten Nachbauten von Studioklassikern wie Neumann U47 oder Telefunken ELA M251. Zum Anderen bietet das Familienunternehmen auch eine ganze Reihe eigener Entwicklungen an, die lediglich die Grundcharakteristika der berühmten Klassiker teilen, ansonsten aber klanglich durchaus eigene Wege gehen. Die Eigenentwicklungen ohne direktes Klassiker-Vorbild machen den Großteil des Produktportfolios aus und auch unser heutiger Testkandidat, das Röhren-Großmembranmikrofon Jade Tube gehört hierzu.
Letztes Jahr begegneten mir auf meiner Suche nach einem Röhrenmikrofon im Stile des Klassikers Neumann U47 neben den Herstellern LEA, Horch, Telefunken Elektroakustik und Brauner schließlich auch Beesneez. Auf der Website des deutschen Vertriebs digitalaudioservice.de war ich auf die Australier aufmerksam geworden und etliche positive Feedbacks in einschlägigen Internetforen hatten mich neugierig gemacht. Dabei weckte neben den vergleichsweise günstigen Preisen vor allem das in meinen Augen unwiderstehlich gute Aussehen der Mikrofon-Bodys im farbenfrohen Vintage-Look meine Begeisterung. Für mich war klar, dass diese Mikrofone aus dem Rahmen des Üblichen fallen und vielleicht genau das sein hätten sein können, wonach ich suchte.

Folglich ging kurz nach Weihnachten meine Bestellung an digitalaudioservice nach Hamburg raus. Erst mal war aber Warten angesagt, denn Beesneez, ganz Boutique-Hersteller, produziert nur in kleinen Stückzahlen und das von mir georderte Modell Jade Tube musste erst noch gebaut werden. Nach zwei Monaten war es endlich soweit und der Postbote klingelte und stand mit einem großen Paket vor der Tür.

Beim Öffnen des Paketes kehrte dieses ganz bestimmte Auspack-Gefühl zurück, das so typisch für Weihnachen ist: Ich schälte langsam kanarienvogelgelbe Kunststoff-Case aus dem Karton, das mich nach wie vor vollauf überzeugt. Nicht nur, dass der Koffer auch bei genauester Betrachtung einen ausgesprochen soliden Eindruck macht. Er kann noch zusätzlich punkten: Kondensatormikrofone sind feuchtigkeitsempfindlich sind, was Beesneez offenbar berücksichtigt hat, denn der peppige Transportkoffer schließt mittels einer umfassenden Gummidichtung luftdicht ab und behütet das das Jade Tube somit perfekt vor Staub, Schmutz und Feuchtigkeits-Schäden.

Das Jade Tube selbst ist ein echter Hingucker und erinnert äußerlich deutlich an das Neumann U47: Üppig im Body, mit seinem wundervollen U47-mäßigem Schutzkorb und dem großen Beesneez Logo auf der Vorderseite liegt es in den Koffer gebettet vor mir. Allerdings trügt der Augenschein, denn das Gehäuse ist kürzer als beim Neumann-Orginal oder dem Beeseneez-eigenen Nachbau „Tribute 1“. Neben dem Mikrofon befindet sich das Netzteil, das für die nötige Betriebsspannung sorgt und das Umschalten zwischen neun verschiedenen Richtcharakteristiken bietet. Außerdem mit im Gepäck sind das eigens angefertigte Spezial-Audiokabel vom Mikrofon zum Netzteil, ein Kaltgerätekabel und eine hochwertige Mikrofonspinne, in der auch andere Mikrofone mit vergleichbarem Durchmesser ihren Platz finden können. Alles in allem ein ansprechendes Paket, das schon äußerlich sehr lecker ist und richtig Lust aufs Aufnehmen und den entscheidenden Klangtest macht.

Einmal ans Netzteil und einen bestenfalls hochwertigen Mikrofon-Vorverstärker angeschlossen, gilt es zunächst eine Weile zu warten, bis die Röhre nach dem Einschaltzeitpunkt die richtige Betriebstemperatur erreicht hat. Nach wenigstens einer Viertelstunde, besser etwas länger, ist das Mikrofon dann schließlich in der Lage, den gewünschten Röhren-Grundsound zu liefern und die „Klangprobe“ kann beginnen. Dabei macht das Jade genau das, was man von einem teuren Mikrofon erwartet: Es gibt dem Signal eine angenehme, dezente Röhrenfärbung und verschönert es unaufdringlich mit Obertönen. Tatsächlich stellt sich schon binnen kurzer Zeit einer jener Momente, die wir als Technikfans beim Testen neuer Geräte so lieben, ein: Mit dem Beesneez klingt es einfach besser und räumlicher als mit einem billigen Einsteigermikrofon. Vor allem Stimmen profitieren enorm vom Sound des Jade, wobei das Mikrofon dem Signal in mehrfacher Hinsicht Gutes tut: Zunächst einmal offenbaren meine Testaufnahmen eine sehr gute Auflösung, die vor allem im Präsenz- und im Höhenbereich zum Tragen kommt. Ich erinnere mich noch bestens an meine ersten Vergleichstests in meinem Studio, wo ich das Beesneez mit meinem Brauner Phantom AE verglichen hatte: Wo das hervorragend auflösende und sehr präsente Brauner ungemein präzise und klar agiert, klingt das Beesneez bei fast eben so guter Auflösung angenehm weich, dabei aber stets transparent. Auch soweit es den Rest des Spektrums betrifft würde ich den Sound des Jade als rund und warm bezeichnen, was vermutlich nicht nur der Kapsel sowie der Röhrenschaltung, sondern wohl auch dem Cinemag 2480 Ausgangstransformator zu verdanken ist. Zudem klingen Jade-Aufmahmen, auch wenn es sich um reine Mono-Takes handelt, stets räumlicher als solche, die ich mit besonders günstigen Schallwandlern anfertige. Das unterstreicht das hohe Auflösungsvermögen des australischen Schallwandlers und ist – ganz Allgemein – ein Wesensmerkmal hochwertiger Mikrofone.
So sehr ich das Beesneez für Gesangs- und Sprachaufnahmen auch schätze: Für die Mikrofonierung von Instrumenten setzte ich es nur bedingt ein. Vor allem für Gitarre halte ich es weniger geeignet. Bei einer Produktion mit dem Gitarrenvirtuosen Lulo Reinhardt hatte ich das Jade nämlich neben dem Schalloch seiner Gitarre in Achter-Charakteristik gemeinsam mit einem Rode NT5 in einer MS-Konfiguration eingesetzt, ein zweites Rode NT5 befand sich mit einigem Abstand vor dem Gitarrenhals. Auf diesem Wege standen mir in der Abmischung verschiedene  Klangvarianten zur Verfügung, wobei sich dann im Hörvergleich letztlich die beiden Rode NT5 gegen das Jade durchsetzten. Das Jade lieferte in diesem speziellen Fall zwar einen weichen, runden Gitarrenklang, der sich allerdings im betreffenden Mix nicht so gut durchsetzte. Für diese Produktion passte der mit den NT5 eingefangene Sound mit seinen besonders präsenten Transienten in den oberen Mitten und im Höhenbereich einfach besser. Dennoch zeigt sich meines Erachtens auch in diesem Beispiel, was das Beesneez Jade besonders auszeichnet: Das eigentümlich weiche Klangbild, wofür die in erster Linie die Kapsel verantwortlich zeichnet. Zudem verleiht es dem Signal – vermutlich über die Röhrenschaltung und den Cinemag Ausgangstrafo – eine angenehme, dezente Röhrenfärbung in Form leichter Obertöne. Wenn Sie Wert auf ein besonders röhriges Endergebnis legen, empfehle ich allen Röhrenfans die Kombination mit einem echten Vollröhren-Channelstrip oder Röhren-Vorverstärker. Ich selbst liebe das Beesneez zusammen mit meinem Universal Audio LA-610. Ich habe nämlich bei vielen Aufnahmen festgestellt, dass die vom Jade dezent eingebrachten Obertöne eine schöne Basis zur Erzeugung weiterer Oberwellen sind, die dann umso deutlicher das Klangbild bereichern.

Fazit

Wer sich auf der Suche nach einem geeigneten Röhrenmikrofon im Stile bekannter Klassiker befindet, bekommt mit dem Jade einen ausgesprochen würdigen Vertreter seiner Zunft. Beesneez bietet einen tollen Sound in ansprechendem Vintage-Look zu vergleichsweise günstigen Preisen an. Wer nach dem Jade Lust auf mehr bekommen hat, sollte sich unbedingt auch die anderen Beesneez-Mikrofone anschauen, insbesondere das anmutige Arabella Tube, das besonders preisgünstige Isobell oder aber das neue Judas Tube Bändchenmikrofon. Ich meinerseits bin jedenfalls ein absoluter Beesneez-Fan geworden und werde bei Gelegenheit mein Mikrofon-Arsenal um eine weitere australische Mikrofon-Schönheit erweitern. Schon jetzt schiele ich leicht verliebt in Richtung Arabella und Judas Tube – wir werden sehen, wie diese Liebesgeschichte weitergeht.

Erschienen in Ausgabe 10/2012

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 2097 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut