Futuristischer Highend-Hybrid
Josephson sind bekannt für außergewöhnliche High-End-Mikrofone mit innovativen Konzepten. Ihr neustes Mitglied C725 verspricht mit seiner Kombination von ausgefallener FET-Röhren-Hybridschaltung und einer umschaltbaren Doppelmembrankapsel jede Menge Klangpotential.
Von Johannes Dicke
Wenn es um Top-Mikrofonie der besonderen Art geht, spielen die Josephson-Fabrikate ganz weit oben mit in der Highend-Liga. Seines Zeichens erfahrener Mikrofon-Guru, führt Firmengründer und AES-Mitglied David Josephson nicht nur den Vorsitz der AES-Gruppe „Subcommittee On Acoustics“. Auch zeichnete er bereits für die Kapseln zahlreicher Mics anderer Firmen verantwortlich, so unter anderem auch für Manleys Reference Gold Mic. Kein Wunder also, dass die First Class Schallwandler aus dem sonnigen Santa Cruz nicht nur in ihrem Heimatland USA schon lange Kultstatus haben und Josephson Engineering zu den weltweit führenden Topmarken zählt. Dementsprechend bietet das hauseigene Portfolio vielseitig einsetzbare Mics, die mit innovativen Features aufwarten und damit die Grenze des Machbaren ein kleines Stückchen nach oben verschieben möchten. Genau, wie seine beiden Vorreitermodelle C715 und C716 (siehe auch Test in Professional Audio Ausgabe 12/2012) arbeitet das C725 mit dem abgefahrenen, im Korpus integrierten Mikrofonkorb – ein wahrhaftiger Blickfang. Im Unterschied zu seinen beiden Geschwistern handelt es sich dieses allerdings Mal um ein Röhrenmikrofon, und zwar eines der besonderen Art, mit innovativer Hybrid-Kaskoden-Schaltung in FET-Röhren-Design. Was es damit genau auf sich hat, werden wir später noch erfahren. Die Schallwandlung unter dem ausgefallenen Schutzkorb übernimmt eine eigens entwickelte Doppelmembrankapsel, die am Netzteil zwischen fünf verschiedenen Richtcharakteristiken umschaltbar ist. Dem nicht genug, besteht als besonderes Extra-Schmankerl außerdem die Möglichkeit, zwischen zwei verschiedenen Signalflussvarianten innerhalb der Verstärkerschaltung zu wählen, was zusätzliche Klangformungsmöglichkeiten verheißt. Dass sich am Ende bei all solchen Highend Features auch der Preis in dementsprechend hohen Regionen bewegt, erklärt sich selbstverständlich von allein. 8.318Euro schlagen zu Buche, wenn ein C725-Exemplar über die Ladentheke gehen soll. Dafür verspricht man sich allerdings absolut kompromisslose Qualität und vielseitige Klangmöglichkeiten, gepaart mit einem aufsehenerregendem Äußeren.

Spektakulär: Der innovative Mikrofonkorb besteht aus einer speziellen Aluminiumlegierung und besitzt durch die Oberflächenstruktur von offenporigem Schaumstoff herausragende akustische Eigenschaften.
Grüße aus dem NASA-Labor
Das Erste, was sofort unsere Aufmerksamkeit erregt, ist das futuristische Mikrofonkorb-Design. Was es damit auf sich hat, verriet uns freundlicherweise Entwickler David Josephson höchstpersönlich. Bei dem luftigen Spezialkorb handelt es sich um einen Aluminiumguss nach dem Vorbild offenporigen Schaumstoffs. Dessen Struktur in Metallgussform ist gegenüber einer herkömmlichen Drahtgitterbauweise akustisch effektiver. Dazu werden die Zwischenräume eines Stücks besagten Schaumstoffes mit Keramik ausgefüllt, aus der anschließend die Schaumstoffvorlage heraus gebrannt wird, um eine Gussform zu erhalten. Diese wird dann mit einer Speziallegierung aus Aluminium, Magnesium und Silizium ausgegossen. Nachdem anschließend auch die Keramik wieder entfernt wurde, bleibt als Endprodukt ein Block mit derselben Oberflächenstruktur des verwendeten Schaumstoffs übrig, der die Korbbasis darstellt. Dann wird der vorerst noch grobe Alu-Block mit dem restlichen Body verschweißt und danach das Ganze innen und außen auf seine Endform zurechtgeschliffen, sodass am Ende der Mikrofonkorpus wie aus einem Guss wirkt. Zum Schluss wird alles vernickelt und fertig ist die nicht nur Aufsehen erregende, sondern auch akustisch äußerst wirkungsvolle äußere Hülle des C725. Wie bereits angedeutet, ist eine derartige Oberflächengestaltung effektiver gegenüber einer herkömmlichen Bauweise. Aufgrund der chaotischen, ungeordneten und offenporigen Struktur fallen Reflexionen erstens geringer aus, als bei Körben mit Drahtgitter und Verstrebungen. Zweitens vergrößert sich somit auch der Einsprechbereich, da der Schall bei vergleichsweise hohem Schutz ungehinderter zur Kapsel durchdringt.
Apropos: Bei der Kapsel handelt es sich um dieselbe 26 Millimeter Doppelmembran, die Josephson bereits in allen Vorgängermodellen aus der C-Serie, so auch im von uns seinerzeit getesteten C716 verwendet. Durch entsprechende Verschaltung der beiden Membranen nach klassischem Siemens-Vorbild werden insgesamt fünf Richtcharakteristiken realisiert, wobei sich am Netzteil neben Kugel, Acht und Niere auch zwei Zwischenstufen in Gestalt von Hyperniere und Breitniere einstellen lassen. Dank interner schockabsorbierender Kapselaufhängung ist praktischerweise keine extra Mikrofonspinne vonnöten.
Superhybrid
Der wahre Clou unseres Testkandidaten kommt jedoch in Form einer Sonderfunktion daher, die uns so bislang noch an keinem anderen Mikrofon untergekommen ist. Am Netzgerät kann nämlich nicht nur die Richtcharakteristik, sondern auch zwischen zwei unterschiedlichen Signalpfaden und damit zwischen verschiedenen Klangcharakteren ausgewählt werden. Wer auf die volle Dosis Obertöne steht, wählt die obere, mit einer Sonne beschriftete Reglerstellung. Soll´s hingegen blitzsauber zugehen, verhilft die untere, mit einem Mond-Symbol versehen Poti-Position zu diesem Ideal. Bevor wir auf etwaige Klangformungsmöglichkeiten zu sprechen kommen, wollen wir erst einmal auf die Schaltungstechnik eingehen. Das Besondere am C725 ist die bereits eingangs erwähnte Hybrid-Kaskodenschaltung, die für die interne Verstärkung und Impedanzanpassung des Kapselsignals zuständig ist. In ihr arbeiten zwei Verstärker hintereinander, wobei einer als FET-Transistor, der andere als Röhre ausgeführt ist. Laut David Josephson lässt sich so je nach Verschaltung das Beste beider Welten vereinen, nämlich die Rauscharmut und Präzision eines FETs auf der einen Seite und das Dynamik-, beziehungsweise das Limitierungsverhalten sowie die Obertönigkeit einer Röhre. Um beides in Einklang zu bringen, respektive die je nach Geschmack erwünschten Klangeigenschaften der Schaltung zu betonen oder die nicht erwünschten im Zaum zu halten, wird ein kleiner Anteil des Ausgangssignals mit gedrehter Phase an den Eingang zurückgeführt. Dieses Verfahren wird „Negative Feedback“ genannt, was im Ergebnis je nach Feedback-Anteil nicht nur den Pegel, sondern auch Verzerrungen (= Obertonanteile) verringert. Ergo klingt die Schaltung je nach eingestelltem negativen Feedback entweder sauberer oder agiert klangfärbender. Dementsprechend heiß her geht’s zunächst im Sun-Setting. Der negative Feedback-Anteil ist bei dieser Verschaltungsvariante relativ gering und die Elektronik arbeitet mit voller Empfindlichkeit von 40 mv/Pa, sodass ob stärkerer Röhreneinbindung verhältnismäßig stark ausgeprägte Obertonanteile generiert werden. Im Moon-Setting hingegen ist eine gute Portion mehr an Negativ-Feedback durch den FET im Spiel, wodurch das Mikrofon ein ungemein saubereres und zahmeres Signal liefert. So arbeitet die Halbmond-Schaltung gegenüber ihrer Sonnen-Schwester mit um 12 dB reduziertem Gain und einer lediglich bei 10 mv/Pa liegenden Empfindlichkeit.

Am großen Netzteil lassen sich nicht nur die fünf Richtcharakteristiken, sondern auch zwischen zwei unterschiedlichen Klangfarben umschalten.
Ein Quantum mehr
Nach all solchen Innovations-Details sind wir selbstverständlich heiß darauf, uns nun endlich unseren Testkandidaten anzuhören. Als erstes nehmen wir männliche Sprache und Gesang in Hypernierencharakteristik und Moon-Einstellung auf, wobei uns ein Fredenstein HD MicPre als vergleichsweise neutraler Preamp dient. Ein erster Pegel-Check macht sogleich den Griff zum Pad-Schalter nötig, denn selbst nur im Moon-Modus liefert das Josephson bereits einen schön hohen, für den Fredenstein allerdings in den Spitzen allzu hohen Pegel. Außerdem stellen wir fest: Ein Popschutz ist unbedingtes Vocal-Pflichtzubehör beim C725, denn ob der exzellenten Durchlässigkeit des Innovationskorbs schlagen – logischerweise – auch Plosivlaute nochmals härter durch. Soweit, so gut. Klanglicherseits weiß uns das C725 aufs Erste mit einem glasklaren, natürlichen und direkten Signal zu begeistern. Nicht nur all solche Qualitäten exzellenter Mikrofone, wie gefühlte Stereobreite und Signalfülle sind vorhanden, sondern, wie wir nach genauerem Hinhören finden, noch ein gewisses Quäntchen mehr. Vor allem in puncto Direktheit und Transparenz scheint uns das Josephson nochmals ein Stückchen weiter vorne zu liegen als andere Mikrofonen in seiner Klasse. Dieser Umstand dürfte dem innovativen Mikrofonkorb zu verdanken sein, durch den wie gesagt weniger reflexionsbedingte Klangverfälschungen entstehen. Darüber hinaus wirkt, wie ebenfalls schon in der Theorie angemerkt, der Einsprechbereich auch in der Praxis gefühlt größer als bei anderen Mics. Das verschafft dem Vokalisten ein wenig mehr Bewegungsspielraum und sorgt am Ende für ein entsprechend konsistenteres Signal. Dem nicht genug, entpuppt sich darüber hinaus als weiterer die Klangqualität begünstigender Faktor ein sehr moderat ausfallender Nahbesprechungseffekt, was ebenfalls zu einem vollends runden Endsignal beiträgt. Kurzum: Besser geht’s für´s Erste wahrlich nicht, meinen wir.
Sonne-, Mond- und Sterneklang
Nachdem uns das C725 bereits mit dem ersten Klangeindruck schwer zu begeistern wusste, schalten wir nun ins klangfärbende Sun-Setting, bei dem wir den HD MicPre zwecks Verzerrungsvorbeugung erst einmal von 55 auf 46 dB zurückdrehen müssen. Mit „Sonne im Gepäck“ klingt unser Stimmsignal sogleich noch griffiger und mit mehr Obertönen versehen. Vor allem bei lauten Tönen, die wir an der Verzerrungsgrenze und darüber hinaus produzieren, wird das unter anderem „obenherum“ deutlich. Insgesamt klingt auch die Sprechstimme im Sun-Setting gefühlt noch etwas besser, als mit Moon-Schaltung – dank der nun vorhandenen Obertonanreicherung nebst Dynamikverhalten durch den verstärkten Röhreneinfluss.
Auch bei unserem zweiten Testsignal in Gestalt einer Akustikgitarre verhält es sich derartig. Die ersten im Sun-Modus und mit Nierencharakteristik aufgenommenen Takes fühlen sich etwas besser an als die im anschließenden Moon-Mode – wobei das mit Sonne aufgenommene Signal dichter, leicht fülliger und schlichtweg irgendwie besser klingt. Was zudem ebenso wie schon bei der Stimme überragend daherkommt, ist die Tiefe und Klarheit des Signals.
Nachdem uns Stimme und Gitarre bereits einiges über die vorzüglichen Klangeigenschaften verraten haben, widmen wir uns nun noch einem dritten und letzten Signallieferanten, einem Steinway B211-Flügel. Dazu positionieren wir das C725 in der Mitte der Klaviatur über den Hämmern, wobei der Flügel für uns genauso aufgenommen wird, wie er mit eigenen Ohren in der Realität zu hören ist – ohne Verfälschungen sowie lebendig und mit besagter, großartiger Transparenz. Die nachfolgende Umschaltung auf den Moon-Signalpfad beweist uns allerdings an dieser Stelle, dass sich die zweite Klangvariante an Bord bezahlt macht. An dieser Stelle wirkt nämlich beim Flügel, der naturgemäß gerade in den unteren Mitten und auch im Bass von Natur aus bereits viel Klangfülle mit sich bringt, die Mond-Variante als ausgewogenere der beiden. Im Gegensatz dazu wird’s nach unseren Ohren mit Sun-Mode genau in diesen Frequenzbereichen dann doch zu füllig und in diesem Fall etwas zu viel des Guten.
Fazit
Das C725 entpuppt sich als wahrhaft genialer Schallwandler mit transparentem, perfektem Klangbild – zuzüglich eines gewissen Etwas mehr an Präsenz und Detail-Nähe. Auch wenn der Kaufpreis von mehr als 8.000 Euro schmerzlich hoch ist: Gepaart mit den beiden außergewöhnlichen Sun- und Moon-Klangfarbenoptionen, den fünf Richtcharakteristiken und nicht zu vergessen einem tollen Äußeren, hat David Josephson ein vielseitiges wie spektakuläres Highend-Mikro vorgelegt, das die Sound-Messlatte nochmal ein kleines Stückchen höher zu legen vermag.
Erschienen in Professional audio 11/2017