Klang-Kompetenz

Das MKL-2500 des Kultherstellers Oktava ist erst mal kostengünstig, aber das sind viele Röhrenmikrofone. Dieses Mikrofon ist aber nicht eines von vielen, sondern überzeugt mit Klang-Kompetenz.

Von Harald Wittig 

 Der russische Mikrofonhersteller Oktava blickt auf eine lange und wechselhafte Geschichte zurück. Von den bescheidenen Anfängen im Jahr 1927 in der noch jungen UdSSR, wo ein Häuflein Ingenieure und Monteure in erster Linie Übertragungsgeräte fertigten bis hin zu einem der führenden Mikrofonhersteller im seinerzeitigen Ostblock, war es ein sehr weiter und steiniger Weg. Oktava ist immer noch im russischen Tula beheimatet, als solche eine 200 Kilometer südlich von Moskau gelegene Industriestadt, die neben seinem 300 Jahre alten Waffenwerk auch von zahlreichen Fertigungsstätten für elektronische Geräte geprägt ist. Oktava ist zwar außerhalb Russlands nur als Mikrofonhersteller bekannt, tatsächlich werden in der imposanten Oktava Fabrik auch Audio-Geräte, die nach eigenen Aussagen Weltniveau haben, entwickelt und hergestellt. Ein wenig erinnert das an den ehemaligen US-amerikanischen Hersteller RCA – mit dem entscheidenden Unterschied, dass Oktava weiterhin Mikrofone entwickelt und fertigt, die zurzeit wieder sehr angesagt sind. Das gründet sich selbstverständlich ein Stück weit auf die günstigen Anschaffungspreise, ganz sicher aber auch auf die vergleichsweise gute Qualität der russischen Schallwandler. Insoweit sei auf unsere zurückliegenden Oktava-Tests wie die der Modelle MK-102 und MK-105 verwiesen, die uns beide vor allem auch klanglich überzeugten. Diese beiden Modelle gehören zu den Bestsellern der Russen, die dank der in Stuttgart und von Denis Kuzmenko vertretenen Oktava GmbH einen kompetenten und sehr zuverlässigen Vertrieb für Europa haben. Vor allem hat es der deutsche Vertrieb geschafft, den Qualitätsstandard der Oktava-Produkte wieder auf ein konkurrenzfähiges Niveau zu hieven. Das gilt konkret für das in früheren Ausführungen etwas in Misskredit geratene Röhrenmikrofon MKL-2500, unseren heutigen Oktava-Testkandidaten. Das MKL-2500 ist schon seit Jahren im Programm, allerdings gibt es seit Neuestem ein neues Netzteil, das die alten Ärgernisse, nämlich Störgeräusche und intolerables Rauschen, eliminiert habe. Grund genug, das MKL-2500 einmal einem unvoreingenommenen Praxistest zu unterziehen, soll es doch „klassischen Röhrensound zum günstigen Preis“ liefern.

Mit einem Preis von knapp 390 Euro steht des MKL-2500 im direkten Wettbewerb mit den unzähligen Fernost-Mikrofonen, die längst die Projektstudios erobert haben. Es handelt sich bei diesem Mikrofon um ein Großmembran-Kondensatormikrofon, dessen interner Vorverstärker in Röhrentechnik aufgebaut ist. Bevor wir uns näher mit dem Impedanzwandler beschäftigen, wollen wir uns an erster Stelle dem klingenden Herzstück eines jeden Mikrofons, seiner Kapsel widmen. Die des MKL-2500 nennt sich MK 319 und fällt zunächst wegen ihres im Vergleich zu den gängigen 1-Zoll-Membranen übergroßen Membran-Durchmessers von 3,3 Zentimeters auf und aus dem Rahmen. Laut Oktava soll diese Großmembran – im wahrsten Sinne des Wortes – nicht etwa „mehr aufnehmen“, sondern sorge für den speziell bei Vokalisten so beliebten Extraschuss Präsenz. Zumindest der beiliegende Individualmessschrieb zeigt in der Tat für die 0-Grad-Einsprechrichtung eine vergleichsweise sanfte und gleichmäßige Anhebung oberhalb fünf Kilohertz, die ihren Gipfel bei acht Kilohertz hat. Unsere Messungen im Professional audio-Messlabor bestätigen dies. Ob der Frequenzgang sich auch klanglich widerspiegelt, werden wir im Rahmen des Praxistests, dem letzten Abschnitt dieses Artikels klären. Die Membran ist im Wege des Sputterns, ein mitunter auch als Kathodenzerstäubung bezeichnetes spezielles Verfahren zur Bearbeitung hochreiner Oberflächen, mit Gold beschichtet. Die Fertigung der Kapsel ist einwandfrei, die Kapsel selbst steht exakt zentriert im Gehäuse des MKL-2500, Schutz erfährt sie durch ein solides feinmaschiges Schutzgitter.
Werden die drei Schlitzschrauben am unteren Gehäuse-Tubus gelöst, lässt sich das Innenleben, sprich die Einheit aus Kapsel und Röhren-Vorverstärker herausziehen. Das gelingt auch handwerklich weniger kompetenten Menschen, denen es möglich sein sollte, die Röhre, so es denn mal erforderlich sein wird, auszutauschen. Es handelt sich dabei – in lateinischen Buchstaben – um eine 6Sh1P, die russische Ausführung der europäischen Hochfrequenzpentode EF95, ihres Zeichens eine herausragend gute NF-Röhre mit hoher Stabilität und sehr niedriger Mikrofonie, die unter anderem Telefunken für Ihre Rundfunkgeräte einsetzte. Auch die Mini-Pentoden mit den Bezeichnungen 6AK5W und M8100 sind baugleich. Wir erwähnen das, da es in Bezug auf den im MKL-2500 verbauten Röhrentyp einige Verwirrung gibt und einige ansonsten zufriedene MKL-2500-Anwender nach alternativen Röhren zum russischen Original, das selbstverständlich jederzeit über Oktava in Stuttgart zu beziehen ist. Die 6Sh1P im Oktava erfüllt ebenfalls die hohen Anforderungen des Militärs, ist mit einem Durchmesser von 18 Millimetern und einer Gesamtlänge von 35 Millimetern ein richtig putziger Glaskolben, beinhaltet wie gesagt ein Pentodensystem und einen – klar – Miniatursockel mit sieben Pins.
Die Verstärker-Elektronik ist sauber gefertigt, entkleidet vom Gehäuse zeigt sich dem Auge des Betrachters auch eine rote Leuchtdiode: Diese glimmt bei eingeschaltetem Netzteil ein dunklem Rot, genau unter der Typenbezeichnung des Mikrofons in kyrillischer Schrift und signalisiert damit sowohl die Betriebsbereitschaft als auch die Einsprechrichtung. Das ist wichtig, handelt es sich doch beim MKL-2500 um einen Druckgradientenempfänger mit fester Nieren-Charakteristik. Ein Besprechen der Rückseite würde also entsprechend unverhoffte, allenfalls interessante Klangergebnisse bringen.

Apropos Netzteil: Es handelt sich gegenüber früheren Modellen um eine Neukonstruktion. Das schlichte, anthrazitfarbene Brikett ist instruktiv mit den Worten „Linear“, das ist der XLR-Standardausgang zur Verbindung mit dem Mikrofon-Preamp, und „Mikrofon“, der zum Anschluss des MKL-2500 über das mitgelieferte Spezialkabel dient. Über das Netzteil gibt es nichts weiter zu sagen. Außer, dass es seine Funktion erfüllt, in der Bedienung selbst erklärend ist und Oktava anscheinend alles richtig gemacht hat. Denn ausweislich unserer Messungen ist dieses neue Netzteil sehr nebengeräuscharm, sodass unser Testmodell keine unerwünschten Störungen aufweist. Nach unseren jüngeren Erfahrungen mit Oktava-Mikrofonen ist zu vermuten, dass auch andere Exemplare keine der alten Schwächen zeigen. Immerhin scheint nach unseren Erfahrungen, aber auch nach Berichten von erfahrenen Anwendern und Händlern wie Andreas „Igl“ Schönwitz von testyourmic.com (siehe www.testyourmic.com) die hohe Serienstreuung früherer Jahre überwunden.
Das MKL-2005 wird im etwas rustikal anmutenden Holzkoffer mit gewissermaßen auf Taille geschnittener Schaumstoff-Einlage geliefert. Der Koffer macht einen stabilen Eindruck, die ziemlich kleinen Schließen sind etwas hakelig, ansonsten wollen wir aber nicht unnötig rumnörgeln. Das Mikrofon bekam gleich zwei Halterungen spendiert: Ein starre, die jedoch so klein ist, dass eine Positionierung des selbst – für ein Röhrenmikrofon – vergleichsweise kleinwüchsige Mikrofon auch in beengter Umgebung ermöglicht. Die zweite Halterung ist eine Schwinghalterung in die das MKL-2005 mittels einer Überwurfmutter festgeschraubt wird. Die Gummibänder, welche dem Abfedern von Erschütterungen dienen sollen, sind vergleichsweise straff, was wir anstatt einer sehr weichen Aufhängung, die das Mikrofon kaum hält, bevorzugen.
Bevor wir uns dem Klang des MKL-2500 widmen, noch ein Wort zu den Messwerten, konkret Empfindlichkeit und Geräuschpegelabstand: Mit gemessenen 23,3 mV/Pa ist  das Oktava eine eher lautes Mikrofon, das zudem einen gerade für ein Röhrenmikrofon hervorragenden Geräuschpegelabstand von 79,9 Dezibel hat. Das sind Top-Werte, die auch so manchem sündhaft teueren Boutique-Schallwandler gut stünden. Dann wollen doch mal hören, wie es klingt, das MKL-2500
Für den Praxistest fertigten wir einige Sprach- sowie Solo-Gesangsaufnahmen an, verwendeten das MKL-2500 aber auch für die Aufnahme eines im Overdub-Verfahren eingespielten Akustikgitarren-Duos, bei dem eine Flamencogitarre für die Begleitung, eine mit Plektrum gespielte Stahlsaitengitarre für die Solostimme zuständig ist. Wie üblich dient uns die bewährte Referenz-Preamp/-Wandler-Kombination aus Lake People Mic-Amp F355 und Mytek Digital 8x192ADDA zur unverfälschten Verstärkung und exakten Digitalisierung der Signale des Oktavas. Die Akustikgitarren-Aufnahme finden sie in Auszügen zum Nachhören im Download-Bereich unserer Website, www.professional-audio-magazin.de.

Oktava-Mikrofone haben immer noch den Ruf, besonders kernig zu klingen. Auf einige Modelle, namentlich die Kleinmembranen, trifft das auch immer noch zu, beim MKL-2500 liegt der Fall jedoch anders. Dieses Mikrofon liefert in der Tat den klassischen Röhrenklang, da sein Grundtimbre angenehm füllig und warm ist, ohne dass im die leicht dumpfe Dicklichkeit eines Billig-Röhrenmikrofons zu eigen wäre. Der tatsächliche hörbare, aber gut dosierte Schuss Höhenpräsenz gibt dem Klang eine gewisse Luftigkeit und Griffigkeit, die allen Stimmen sehr gut steht – ganz gleich ob es sich um die männliche Bariton-Sprecherstimme oder die weibliche Mezzosopran-Gesangsstimme handelt. Der Nahheitseffekt des Druckgradienten ist durchschnittlich ausgeprägt, der Sänger oder Sprecher kann mit einer guten Mikrofontechnik die Tiefenandickung gezielt ausnutzen. Der Toningenieur sollte aber vorsichtig sein und bei Gesangsaufanahmen gegebenenfalls die Vordämpfung am Vorverstärker aktivieren, denn das MKL-2500 ist eben ein vergleichsweise lautes Mikrofon, das den Eingang des Preamps bei kraftvoll auftretenden Sängern leicht übersteuern kann.
Für die Aufnahme von eher leisen Instrumenten wie den Akustikgitarren ist eine hohe Empfindlichkeit wiederum Gold wert, denn so muss der Preamp nicht weit allzu weit aufgedreht sein, was die unerwünschte (Mit)-Verstärkung von Nebengeräuschen wie Rauschen, das im Falle des Oktava ohnehin nur gering ausgeprägt und außerdem tonal sehr angenehm ist, in Grenzen hält. Das MKL-2005 gefällt uns ausgesprochen gut für Akustikgitarren, ganz gleich, ob es sich um eine Konzert-/Flamencogitarre oder eine Stahlsaitengitarre handelt. Beide Instrumente haben auf der Aufnahme Körper, behalten ihr natürliches Timbre, das durch die eigene Klangfarbe des Oktava passend, aber nicht aufdringlich Ergänzung findet. Der subtile Anteil von Harmonischen – das erwartet der Röhrenmikrofon-Fan – vor allem bei Transienten gefällt uns ausnehmend gut. Das MKL-2500 klingt im besten Sinne altmodisch, was im Falle eines Röhrenmikrofons ein Kompliment ist. Erstaunlich gut ist das Impulsverhalten des MKL-2500. Trotz der übergroßen Membran bleibt das Oktava impulshaften Schallereignissen – wir beziehen uns konkret auf die Plektrum-Anschläge auf der Steelstring – auf der Spur.

Fazit

Das Oktava MKL-2500 ist ein richtig gutes Röhrenmikrofon. Als vergleichsweise lautes, nebengeräuscharmes Mikrofon liefert es einen klassischen Röhrensound und empfiehlt sich besonders als Gesangsmikrofon für alle Stimmen, für Holzbläser und dank des guten Impulsverhaltens auch für akustische Gitarren.

Erschienen in Ausgabe 07/2013

Preisklasse: Oberklasse
Preis: 389 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut – überragend