Klassiker Remake

Ein neues Mikrofon? Jein, denn hier präsentiert sich ein bezahlbarer Nachbau einer siedend heiß begehrten Vintage-Legende: Vorbild des Peluso 22 251 ist das Telefunken Ela M251. 

Von Harald Wittig 

John Peluso, Gründer und Chef der amerikanischen Mikrofon-Manufaktur Peluso Microphone Lab hat sich ein hehres Ziel gesetzt: Er will bezahlbare Nachbauten von Vintage-Mikrofonen anbieten, die eine echte Alternative zu den teilweise sündhaft teueren und extrem seltenen Originalen darstellen sollen. Die mit sieben Modellen noch überschaubare Produktpalette umfasst unter anderem Replikas von Neumann (U 47), AKG (C 12) und Schoeps (CMC-Reihe). Erste Bekanntschaft mit Peluso-Mikrofonen konnten die Leser von Professional audio Magazin beim Test des Bändchen-Mikrofons R 14 in Ausgabe 2/2007 machen: Das vom berühmten RCA 44 inspirierte passive Bändchen-Mikrofon hinterließ mit seinem klassischen Vintage-Sound im zeitgemäßen Gehäuse einen sehr guten Eindruck. Daher waren die Tester nicht wenig gespannt, als das Peluso 22 251 in den Redaktionsräumen ankam, denn dieses Mikrofon ist der Nachbau eines der meist gesuchten Vintage-Mikrofone überhaupt: des Telefunken Ela M251. Während die Originale dieses Röhren-Klassikers so rar wie Mondstaub und ebenso teuer sind – gut erhaltene Exemplare kosten um die 20.000 Euro – ist das Peluso 22 251 schon für rund 1.500 Euro zu haben. So gesehen ist das schon fast ein Schnäppchen-Angebot – sofern das Remake hält, was Peluso verspricht.

Alle Peluso-Mikrofone werden in Handarbeit gefertigt, so auch das 22 251. John Peluso macht keinen Hehl daraus, dass er im Hinblick auf den Endpreis nicht alle Komponenten in seinem kleinen Betrieb anfertigt. So kommen das Messing-Gehäuse und die Elektronik aus China, die goldbedampften Membranen lässt er sowohl in den USA als auch in Deutschland fertigen. Der Zusammenbau liegt jedoch in Händen des vierköpfigen Peluso-Teams und nach Aussage des Chefs durchlaufen alle Komponenten sorgfältige Qualitäts-Tests, bevor daraus ein Mikrofon entsteht.

Das Fine-Tuning, also die Abstimmung von Kapsel und Elektronik nach klanglichen Kriterien, erledigt John Peluso höchst selbst. Das überrascht nicht, denn er hat über einen Zeitraum von gut dreißig Jahren hinreichende Erfahrung beim Warten, Tunen und Überarbeiten von Mikrofon-Klassikern gesammelt. Unter anderem war er in jungen Jahren als Techniker in namhaften Studios wie den Sonart, Streetville und Paragon-Studios mit der Wartung der Mikrofone betraut und hat im Laufe der drei Jahrzehnte eine beeindruckende Mikrofon-Sammlung zusammengetragen.

Diese umfasst neben einigen anderen, teilweise unbezahlbaren Schätzchen allein fünf Telefunken Ela M251, 13 AKG C12 und vier Neumann U 47. Nach wie vor bietet das Peluso Microphone Lab übrigens einen Reparatur- und Wartungsservice für Vintage-Mikrofone an und wer möchte kann auch originale, handselektierte Telefunken-Röhren erwerben. Bei der Feinabstimmung werde jedes Mikrofon gegen das Original gehört und es käme im Einzelfall schon mal vor, dass sich für ein 22 251 fünf verschiedene Kapseln bewähren müssen, so der Hersteller. Mithin ein recht hoher Aufwand , so dass es schon wieder erstaunt, dass das 22 251 nicht noch teurer geriet.

Peluso hat das Mikrofon mit einer Doppeltrioden-Röhre des Typs 6072A ausgestattet. Dieser Typ ist auch unter der Bezeichung 12AY7 bekannt und war übrigens als Vorstufenröhre Leo Fenders erste Wahl für die Vintage-Tweed-Amps. Der 12AY7 wird ein etwas höhenbetonterer Klang bei geringerer Verstärkung als der 12AT7/6072 zugesprochen, die zumindest in den USA im originalen Telefunken Ela M251 Verwendung fand. Natürlich ist es jederzeit möglich, die Röhre gegen eine andere Doppeltriode auszutauschen, was bei Röhrengräten im Allgemeinen und bei Röhren-Mikrofonen im Besonderen eine der einfachsten Tuning-Möglichkeiten darstellt.

Als Röhren-Mikrofon benötigt das 22 251 einen Übertrager an der Ausgangsstufe. Den fertigt nach Pelusos Vorgaben Tom Reichenbach von CineMag Transformers in den USA. Dieser Übertrager ist einem hammerschlaglakierten Gehäuse untergebracht und erinnert mit der hellgrauen Betriebs-Leuchte mit Facetten-Schliff deutlich an den des AKG C 12 – was vermutlich kein Zufall ist, denn das C 12 war wiederum das Vorbild des M251. Das Peluso-Mikrofon ist damit auch „fernsteuerbar“, soll heißen: Über den Übertrager lassen sich die Grundcharakteristiken Niere, Kugel und Acht vorwählen, über die neun Raststufen sind nach zusätzlich Varianten, beispielsweise drei Hypernieren-Charakteristiken möglich. Für gute Verbindung sorgt das mitgelieferte, doppelt geschirmte Multicore-Kabel.

Die Verarbeitung des Mikrofons ist sehr gut, sowohl das polierte Nickelfinish des Gehäuses als auch das elektronische Innenleben gefallen auf den ersten Blick. Die mit einem Durchmesser von 34 Millimeter recht große Kapsel ist sorgfältig eingepasst und sitzt gut geschützt hinter dem Drahtkorb, alles ist sauber verdrahtet und verlötet. Die mitgelieferte Spinne besteht aus Messing und wird mittels Überwurf-Rändelschraube am Ende des Mikrofonkörpers fest verschraubt. Sie hält das vergleichsweise schlanke und nur rund 600 Gramm schwere Mikrofon sicher und bewahrt es im Verlauf des Tests sicher vor tieffrequenten Erschütterungen und koppelt Vibrationen wirksam ab.

Im Messlabor gibt sich das 22 251 keine Blöße und erweist sich als souveräner Vertreter der Gattung Großmembranmikrofon in Röhrentechnik. Bei Nierencharakteristik ist der gemessene Frequenzgang weitgehend unauffällig, die für Großmembran-Mikrofone typische Höhenanhebung oberhalb fünf Kilohertz fällt mit lediglich vier Dezibeln recht dezent aus. Das gilt auch für die leichte und sanfte Bassanhebung ab etwa 60 Hertz, die nicht über drei Dezibel hinausgeht. Etwas stärker ausgeprägt sind Bass- und Höhenanhebung bei Kugelcharakteristik. Der ebenfalls gleichmäßige Anstieg im Bassbereich beträgt allerdings auch nur fünf Dezibel, während die Höhenhebung im Gipfel fast acht Dezibel beträgt. Außerdem erfolgt die Anhebung bereits knapp oberhalb zwei Kilohertz, verläuft insgesamt aber recht gleichmäßig. Aufgrund dieses Frequenzgangs auf einen eher crispen Klang mit kräftigem Bassfundament zu schließen, wäre indes verfrüht, zumal es sich um ein Röhrenmikrofon handelt und der Miniatur-Glaskolben auch noch sein klangentscheidendes Wörtchen mitredet.

Mit gemessenen 18 mV/Pa ist das 22 251 kein lautes Mikrofon und verlangt dem Mikrofonvorverstärker in Bezug auf dessen Rauscharmut einiges ab: Der sollte nach Möglichkeit gute Werte für Fremd- und Geräuschspannungsabstand im Bereich von jeweils -80 Dezibeln oder besser aufweisen. Heutzutage können hiermit schon sehr kostengünstige Stand-alone-Mikrofonverstärker oder die Mic-Preamps von guten Einsteigerpulten wie beispielsweise das Phonic Helix-Boards 24 Firewire MK II (Test Ausgabe 7/2007) glänzen, daher muss sich jetzt niemand unbegründete Sorgen machen. Das Peluso-Mikrofon selbst weist gerade für ein Röhrenmikrofon hervorragende Werte für den Geräuschspannungsabstand auf: Diese betragen nämlich im Mittel annähernd 80 Dezibel, was auch Topvertreter der Gattung wie beispielsweise das VMX von Brauner nicht übertreffen. Hier zeigt sich übrigens auch, dass Peluso bei seinem Remake des M251 nicht sklavisch den Vorgaben des großen Vorbilds gefolgt ist: Zu den Schwächen des M251 gehörte nämlich sein hörbares Rauschen.

Bei erfreulich hoher Auflösung und Trennschärfe ist der Klang des Peluso 22 251 bei allen Charakteristiken geprägt von auffällig crispen Höhen, die für einen offenen, luftigen Klang sorgen. Im direkten Vergleich mit dem Røde Classic II (Test in Ausgabe 7/2007) wirkt es weniger kernig und dickt den Klang von Stimmen und Instrumenten nicht so deutlich an wie der australische Röhrenbolide. Der Grundklang ist also schlanker. Da dieser auf einem gesunden Tiefmitten- und Bassfundament steht, klingt das Mikrofon zwar nicht sehr weich, aber auch nicht unangenehm präsent. Damit eignet es sich gut, wenn Gesangsstimmen eine gewisse rauchige, atmende Qualität bekommen sollen. Auch Holzbläsern, namentlich Tenor- und Baritonsaxofon steht das Peluso gut und dürfte von Saxophonisten, die gerne Balladeskes intonieren, ins Herz geschlossen werden. Bei hohen, mit Zischlauten überreich gesegneten Stimmen klingt das Mikrofon dagegen fast etwas aufdringlich. Hier ist der Einsatz eines De-essers praktisch unverzichtbar, hilfreich ist auch ein dezent eingesetztes Shelving-Filter im Höhenbereich bei sechs Kilohertz – eine Absenkung um zwei Dezibel bringt schon gute Ergebnisse.
Auch bei eher perkussiven Saiteninstrumenten wie einer Flamencogitarre, die zudem mit höhenreichen Carbon-Saiten bespannt ist, wird der Klang eine Spur zu scharf. Hier lässt sich aber durch eine Positionierung des Mikrofons Richtung Schalloch nachbessern, was das Mikrofon dank des nicht übermäßig stark ausgeprägten Nahbesprechungseffekts gutmütig mitmacht. Gerade bei harten, schnellen Picados zeigt das Mikrofon ein mehr als ordentliches Impulsverhalten, wenngleich es sicher kein schnelles Mirkofon ist, was angesichts seiner großen 34-Millimeter-Menbran nicht verwundert. Bei Transienten hat das 22 251 eine leichte Tendenz zu verzerren, ist hier also nicht ganz sauber. Allerdings halten sich die Verzerrungen in sehr engen Grenzen und fallen nur bei sorgfältigem Hineinhören über einen guten Kopfhörer auf.
Notorische Nörgler könnten jetzt sagen, dass das Peluso-Mikrofon nicht wirklich auf der klanglichen Höhe seines großen Vorbilds sei. Grund: Dem Telefunken Ela M251 wird gemeinhin ein besonders weicher und warmer, dabei insgesamt ausgewogener Klang nachgesagt. Allerdings sind derlei Pauschalaussagen wie so oft mit Vorsicht zu genießen, zumal manche Experten im selben Atemzug hinzufügen, dass kein M251 wie das andere klänge. Im Falle des 22 251 sind dessen crispe Höhen vermutlich auf die verwendete 6072A-Röhre zurückzuführen. Wie bereits eingangs erwähnt, zeichnet sich diese Röhre durch ihren höhenfreundlichen Klang aus. Allen, denen das zuviel ist, sei daher empfohlen, einfach mal einen anderen Glaskolben auszuprobieren. So ein Röhren-Wechsel hat oft verblüffende klangliche Auswirkungen. Außerdem ist nicht zu vergessen, dass Röhrengeräte im Allgemeinen und Röhrenmikrofone im Besonderen nicht nur eine gewisse Betriebstemperatur sondern auch eine längere Einspielzeit brauchen. Die sollte daher jeder Benutzer dem 22 251 gönnen, denn die Basis stimmt bei diesem wirklich guten Mikrofon, absolut gesehen, in jedem Fall.

Fazit

Das Peluso 22 251 ist ein sehr gut verarbeitetes Röhren-Mikrofon mit eigenem Klangcharakter, der von crispen Höhen und einem soliden Tiefmitten- und Bassfundament geprägt ist. Vor allem für luftige, atmende Gesangsaufnahmen von tiefen und mittleren Stimmen und für Holzbläser ist es eine sehr gute Wahl. 

Erschienen in Ausgabe 08/2007

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 1498 €
Bewertung: gut
Preis/Leistung: gut