Vintouch

Einen Hauch von altem Vintage-Geist möchte das Röhren-Großmembran-Mikrofon Telefunken R-F-T AR-51 verbreiten und das für einen vergleichsweise erschwinglichen Preis.

Von Sylvie Frei 

Eigentlich hätte die Geschichte der Röhrenmikrofone mit der Erfindung des Feldeffekt-Transistors in den 1960er Jahren bereits ein Ende haben können. Doch wir alle wissen, dass Totgesagte manchmal länger leben und so sind die alten Großmembran-Kondensatormikrofone mit Röhrenschaltung heute begehrter denn je. Doch die wenigsten Tonschaffenden können und wollen sich eine der teuren Repliken oder gar ein Vintage-Original leisten. Genau an dieser Stelle kommt die R-F-T-Serie von Telefunken/USA ins Spiel und das zu ihr gehörige AR-51.  Das AR-51 ist ein Mikrofon, das in der Tradition der legendären Röhren-Modelle stehen möchte, gleichzeitig aber keine exakte Kopie eines Originals ist und für einen überschaubaren Preises erhältlich ist. Mit etwas mehr als 2.200 Euro bewegt es sich in Sphären, die dem professionellen Anwender schon deutlich eher entgegen kommen, als die teils 10.000 Euro und mehr kostenden Repliken. Das AR-51 ist laut Hersteller mit der gleichen Verstärkerelektronik wie das C 12 und das ELA M 251E ausgestattet, verfügt über eine Doppelmembran-Kapsel mit neunstufig umschaltbarer Richtcharakteristik. Diese kann neben Kugel, Niere und Acht auch auf sechs Zwischenstufen umgeschaltet werden. Der Hersteller empfiehlt das AR-51 für die Aufnahme von Gesang, akustischer Gitarre, Saxofon oder Drums und beschreibt es als vielseitiges, universell einsetzbares Mikrofon. Es wird gemeinsam mit einer Spinne, einem externen Stromversorgungsgerät samt siebenpoligem XLR-Kabel, einem Netzkabel sowie einer Spinne geliefert und in einer Holzschatulle verwahrt. Das Innenleben des AR-51 verbirgt sich in einem robusten Metallzylinder; auch sein Korb besteht wie bei den Vorbildern aus Drahtgeflecht. Im Inneren des AR-51 wurde eine Doppel-Triode vom Typ ECC81 verbaut, eine sogenannte NOS (=New-Old-Stock) Röhre, die noch im Röhrenzeitalter gebaut wurde, unverbaut blieb und aus alten Lagerbeständen stammt.  Wie bei den meisten Großmembran-Kondensatormikrofonen mit umschaltbarer Richtcharakteristik ist das Herzstück des AR-51 eine Kapsel bestehend aus zwei goldbedampften Membranen mit Nierencharakteristik, deren Rückseiten einander zugewandt sind. 

Die verschiedenen Charakteristiken werden durch unterschiedlich hohe Polarisationsspannungen auf beiden Kapseln erzeugt. So entsteht bei identischer Spannung auf beiden Kapseln eine Kugelcharakteristik, bei der Abschaltung der Spannung auf einer der beiden Kapseln eine Nierencharakteristik. Eine Achtercharakteristik hingegen lässt sich durch eine gleiche Polarisationsspannung beider Membranen, jedoch in unterschiedlicher Polarität bezogen auf die Gegenelektrode erzeugen. So ist das Signal, das über die hintere Membran eintritt, phasengedreht zu dem, das über die vordere Membran eintritt. Die Zwischenstufen entstehen durch unterschiedliche Mischverhältnisse zwischen den Spannungsschaltungen von Kugel und Niere, oder Niere und Acht.  Mit etwas mehr als 700 Gramm ist das AR-51 für die heutige Zeit ungewohnt schwer, was den Einsatz eines stabilen Mikrofonständers unabdingbar macht. Mit der solide gebauten, schwarzen Metallspinne, lässt sich das AR-51 mit einem einfachen Handgriff fest und sicher positionieren. Das Mikrofon verfügt über einen siebenpoligen XLR-Stecker, der mit dem mitgelieferten Kabel mit der Stromversorgung verbunden wird. Diese erfolgt wie beim den Urahnen über ein externes Zusatzgerät. Das vergleichsweise kompakte, aber stabile und mehr als zwei Kilogramm schwere Netzteil ist ganz in altem, funktionalem Design gehalten. Auf der Vorderseite verfügt es über einen siebenpoligen XLR-Eingang für das Verbindungskabel zum Mikrofon und einen neunpoligen XLR-Ausgang für die Verbindung zum Mikrofonvorverstärker. Ein neunfach gerasteter schwarzen Kunststoff-Drehschalter dient der Anwahl der Richtcharakteristik. Auf der Rückseite befinden sich der Anschluss für das Netzkabel sowie ein Kippschalter zum Ein- und Ausschalten der Stromzufuhr. Werfen wir noch einen kurzen Blick auf die Messwerte, bevor wir uns ganz den klanglichen Eindrücken widmen. Mit Werten um 14 mv/Pa präsentiert sich unser Testkandidat als durchschnittlich empfindlich. Der gemessene Geräuschpegelabstand von durchschnittlich 75 dB (A) ist für ein Röhrenmikrofon sehr gut, sprich: Das Eigenrauschen des Mikrofons fällt in der Praxis kaum ins Gewicht. Röhrenmikrofon sogar ein hervorragender Wert. Erwartungsgemäß gleichen die Frequenzgänge des AR-51 viel eher der Silhouette eines Alpenpanoramas und haben nichts zu tun mit den Linealstrichen eines Messmikrofons. Schließlich soll das AR-51 unsere Aufnahmen mit dem Geist vergangener Tage färben und uns kein nüchternes Abbild der vermeintlichen Wirklichkeit liefern. Auffällig: Die Frequenzgangkurven der drei Haupt-Charakteristiken weisen deutliche Unterscheide auf. Aus diesem Grund singen wir im Test mit jeder der neun Stufen eine Reihe stilistisch unterschiedlicher Musikstücke von Rock bis Klassik ein, um sie anschließend miteinander zu vergleichen.  In allen Charakteristiken besitzt das AR-51 weiche, fast samtig warme Mitten, die der Stimme einen zarten, geschmeidigen Anstrich verleihen. Die angenehm ausgeglichenen Tiefmitten ergänzen diesen langeindruck im unteren Bereich, sind jedoch je nach Charakteristik unterschiedlich stark ausgeprägt. Während das AR-51 in Nierenstellung sehr ausgewogene Tiefmitten und Bässe besitzt, sind sie in Kugelstellung etwas kräftiger ausgeprägt und treten in der Achtcharakteristik eher in den Hintergrund. Bei einem Blick auf den Frequenzgang der Achtercharakteristik ist bei etwa 300 Hertz eine deutliche Bassabsenkung zu erkennen, die jedoch klanglich – zumindest bezogen auf eine Frauenstimme – kaum ins Gewicht fällt. 

Bei anderen Signalen ließe sich dies über den durchschnittlich ausgeprägten Nahbesprechungseffekt ausgleichen. Der größte Unterschied zwischen den Charakteristiken zeigt sich jedoch in den Höhen. Grundsätzlich von einem sehr offenen und luftigen Klang, besitzen die Obertöne in der Kugelcharakteristik eine geradezu aggressive Penetranz. Trotz Anpassung der Dynamik beim Singen, knallen so Töne ab einer Höhe des zweigestrichenen E regelrecht aus dem Rahmen. Auch der Übergang der weichen, samtartigen Mitten in die extrem offenen Höhen vollzieht sich äußerst abrupt und wenig organisch. Insgesamt habe ich in der Kugeleinstellung den Eindruck, nicht meiner eigenen, sondern einer fremden Stimme zu lauschen.  Auch an dieser Stelle spricht der Frequenzgang der Kugelcharakteristik Bände. Während der Bereich um fünf bis sechs Kilohertz eine kleine Absenkung aufweist und wohl dadurch ein paar meiner stimm-charakteristischen Obertöne verloren gehen, findet sich um zehn Kilohertz ein extrem breiter Peak von fast acht Dezibel, der den Eindruck der knalligen Höhen hinreichend illustriert. Ein ganz anderer Eindruck entsteht hingegen in Nieren- oder Achtstellung und fast sämtlichen Zwischenstufen. Ich erkenne meine Stimme sofort wieder und der Übergang von den Mitten in die Höhen vollzieht sich sehr viel organischer. Am Besten gefallen mir die Aufnahmen in Nierencharakteristik, die einen dynamischen und intimen Klangeindruck hinterlassen und der Stimme eine subtile Weichheit und Wärme hinzufügen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass dieser Klang allen solistischen Instrumenten mit einem körperhaft-mittigen Klang – wie etwa Nylongitarre, Djembe, Cello, Saxofon – äußerst gut zu Gesicht stehen. Als Sprecher- und Gesangsmikrofon empfiehlt es sich hingegen erst zu testen, ob die jeweilige Stimme und der Mikrofonklang tatsächlich harmonieren. Es ist jedoch anzunehmen, dass tiefe und mittlere Stimmen mit dem AR-51 gut zur Geltung kommen und durch die weichen, sanften Mitten einen angenehmen und edlen Anstrich verliehen bekommen. Räumliche Aufnahmen von Mezzosopran- und Sopranstimmen halte ich aufgrund der extremen Höhen in Kugelstellung für eher problematisch.  

Fazit

Das AR-51 ist ein Röhrenmikrofon im Stil der alten Legenden, das mit einem weichen und samtigen Mittenklang, einem ausgewogenen Bassbereich und sehr offenen Höhen punkten kann. Insgesamt besitzt es einen äußerst angenehmen Grundklang, kann jedoch in Kugelstellung bei hohen Signalen mitunter problematisch reagieren. Im Allgemeinen ist es allerdings äußerst vielseitig einsetzbar und kann für den leistbaren Preis von etwa 2.200 Euro durchaus überzeugen.

Erschienen in Ausgabe 05/2013

Preisklasse: Oberklasse
Preis: 2229 €
Bewertung: gut – sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut