Midas-Touch

Erzbösewicht Auric Goldfinger hatte den todbringenden „Midas Touch“. In heilbringender Form hat den auch der Röhrenkompressor Fredenstein F660.

Von Harald Wittig

Zu dem erlesenen Dutzend der berühmtesten, legendenumrankten Pro Audio-Geräte aller Zeiten gehört zweifellos der Fairchild Model 660 Limiting Amplifier. Sein russischstämmiger Erfinder, der Ingenieur und eingeschworene Liebhaber klassischer Musik, Rein Narma entwickelte das Model 660 und seinen ultrararen zweikanaligen Bruder namens Modell 670 mit dem hehren Ziel, den bestmöglichen, sprich musikalischsten Kompressor überhaupt zu bauen. Vor fast 60 Jahren, Ende der 1950er-Jahre, als Stereo-LPs bei Klassik-Liebhabern immer beliebter wurden, war das und der Rest ist, wie es so schön heißt, Geschichte. Eine Geschichte, die mit zahlreichen Halbwahrheiten gespickt und zusätzlich mit den Erfahrungsberichten derer garniert ist, die eines der wenigen Originale besitzen und nach wie vor bei ihrer Arbeit einsetzen.

Seit Kurzem sind alle Tonschaffenden, die unbedingt einen Fairchild für Aufnahme, Mix und Mastering haben müssen, nicht mehr auf Software-Nachbauten – da gibt es bekanntlich einige – angewiesen. Neben dem mit fast 15.000 Euro auch nicht eben billigen FairComp 670 von Mode Machines (Test in Ausgabe 7/2013) bietet der deutsch-taiwanesische Hersteller Fredenstein mit dem Modell F660 eine interessante und mit einem Preis von rund 4. 000 – für den Stereobetrieb sind allerdings zwei F660 zum dann doppelten Preis vonnöten – deutlich günstigere Alternative an. Im Unterschied zum FairComp, der eine detailgetreue Replik des zweikanaligen Fairchild Model 670 darstellt, handelt es sich beim Fredenstein gewissermaßen um eine zeitgemäße Interpretation von Rein Narmas Model 660. Nach dem Willen von Fredenstein-Gründer und Chef-Entwickler Fred „Fredenstein“ Schuckert soll sein F660 den Fairchild-Klang im bestmöglichen Sinne ins moderne Tonstudio bringen. Das wollen wir doch ganz genau wissen, weswegen wir den güldenen Dynamiker zum Test geladen haben.

Fred Schuckert, der bereits seit den 1970er-Jahren, teilweise in Partnerschaft mit seinem alten Weggefährten und heutigen Vertriebspartner Jürgen „Mühlenstein“ Meyer Studiogeräte entwickelt, gehört zu den wenigen Auserwählten, die Eigentümer und Anwender eines originalen Fairchild waren. In über drei Jahrzehnten lernte er den Röhren-Kompressor kennen. Nicht nur seine Klangkompetenz, sondern auch seine weniger angenehmen Tücken und – aus heutiger Sicht – gewisse Unzulänglichkeiten wie ein nur mäßiger Signal-Rauschabstand oder ein alles andere als weiter Frequenzgang. Das könnte doch besser zu machen sein, dachte sich Schuckert und nahm die Entwicklung des F660, der sich wie schon eingangs erwähnt, am Fairchild Model 660 – dem Einkanaler – orientiert, ohne eine Eins-zu-Eins-Replik zu sein. Bevor wir ins Detail gehen, sei die technische Besonderheit des Fredenstein F660 auch sogleich verraten: In den Röhrengeräten von Fredenstein, wozu auch der in Ausgabe 2/2014 vorgestellte Mikrofon-vorverstärker F676 gehört, überwacht ein eingebauter DSP die Anodenströme der Röhrenverstärkerschaltung und regelt diese mit einer Genauigkeit von 10μA. Der Vorteil dieses, soweit wir es überblicken, für Seriengeräte einzigartigen Systems: Das bei konventionellen Röhrenschaltungen unverzichtbare Einmessen durch einen erfahrenen Techniker ist obsolet, außerdem sei es nicht mehr notwendig, vorselektierte Röhren zu verwenden. Denn die oft auch in unseren Tests erwähnten vorselektierten Röhren sind auch bei Röhrengeräten des 21. Jahrhunderts unerlässlich. Denn auch bei sorgfältiger Herstellung der Glaskolben ist es unvermeidbar, dass neue Röhren aufgrund von hinzunehmenden Fertigungstoleranzen unterscheiden. Das Selektieren mit einem speziellen Prüfgerät kann erst garantieren, dass möglichst ähnliche Röhren für einen optimalen Betrieb der Schaltung sorgen. Im F660 garantiert die digitale Kontrolle eine bestmögliche Schaltungsbalance, was mit der besten und teuersten Analogtechnik zumindest über einen längeren Arbeitseinsatz nicht möglich wäre. Röhren sind Verschleißteile, die einem natürlichen Alterungsprozess unterworfen sind, aber schon nach vergleichsweise kurzer Zeit nicht mehr in Bestform arbeiten können. Um in diesem Zusammenhang mal einen fachfremden Vergleich zu ziehen: Eine mechanische Uhr mit einem hochpräzise und aufwändigst gefertigten Uhrwerk erreicht nicht nur nie die Genauigkeit eines Quartzwerks. Mit zunehmenden Betriebsstunden verliert das Chronometer auch an Sekundengenauigkeit. Das heißt selbstverständlich nicht, dass eine länger dienende Uhr nicht mehr verlässlich genug die Zeit anzeigt. Desgleichen kann ein länger aktiver Röhrenverstärker oder Röhrenkompressor immer noch gut, sogar sehr gut klingen. Er wird nur höchstwahrscheinlich nicht mehr in der ursprünglichen Topform seine Arbeit verrichten. Im Falle des Fredenstein F660 sorgt jedenfalls die Digital-Technik dafür, dass die Röhrenarbeitspunkte stets korrekt justiert sind. Dass etwas im F660 geschieht, kann der Benutzer auch sehen: Ist der Kompressor eingeschaltet und der große Druck-Drehgeber rechts neben dem LCD gedrückt, erfolgt nämlich zunächst eine Kalibrierung, bis die für den erwünschten, sprich optimalen Betrieb benötigten Anodenströme anliegen und stabil sind.

Wir werden noch mal auf den Punkt Kalibrierung zurückkommen. Zuvor wollen wir uns mit dem analogen Schaltungsaufbau befassen. Der orientiert sich nämlich lediglich am Vorbild, geht aber in einigen Punkten sehr eigene Wege.

Dass es überhaupt einen Fredenstein F660 gibt, ist einem glücklichen Zufall zu verdanken. Die Doppel-Triodenröhre des Typs 6386, die gemeinhin und auch nach Auffassung Fred Schuckerts klangentscheidend für die Original Fairchilds waren und sind, gibt es inzwischen als bezahlbaren Nachbau von dem renommierten slowakischen Röhrenherstellers JJ Electronic. Zuvor waren mit viel Glück nur Originale auf dem Gebrauchtmarkt zu bekommen, die wegen ihrer Seltenheit horrende Preise aufriefen. Mit fast 100 Euro ist der Nachbau von JJ Electronic nicht gerade kostengünstig, präsentiert sich dafür mit vergoldeten Anschluss-Pins und soll nach Meinung von Röhren-Fachleuten eben jenen „ungemein offenen und luftigen“ Klang bieten, der mitverantwortlich für den begehrten Fairchild-Sound ist.

Vier JJ 6386 LGP Gold kommen in der Verstärkerschaltung, ausgeführt im Class A Push-Pull Design zum Einsatz. Die Röhrenschaltung verstärkt fest um elf Dezibel, die Signalabschwächung am Eingang erfolgt relaisgesteuert in 0,5 dB-Schritten, was einen Regelumfang von -18,5 bis +13 dB ergibt. Der F660 hat auch einen Side-Chain, der allerdings, obschon komplett analog aufgebaut, in Halbleitertechnik ausgeführt ist. Da mag der Purist zwar vor Empörung überkochen, der Hersteller sieht es indes ganz pragmatisch und vertritt die Auffassung, dass es alles andere als kosteneffizient und damit sinnvoll ist, an der überkommenen Röhrentechnik festzuhalten. Zumal der F660 dem Fairchild überlegen ist, als dass der Ausgangswiderstand des Side Chain-Verstärkers variabel gestaltet ist. Im Unterschied zum großen Vorbild offeriert der F660 seinem Benutzer die Möglichkeit, die ohnehin schon schnellen Ansprechzeiten der Fairchilds mit den Einstellungen „Fast“ und „Ultra“ noch zweimal deutlich zu verkürzen. Dabei ist zu beachten, dass auch der F660 wie das Original nicht die von anderen Kompressoren bekannte manuelle Eingabe der Ansprechzeit in Millisekunden bietet. Stattdessen gibt es nur die sogenannten Time Constant-Voreinstellungen. Dabei handelt es sich gewissermaßen um Werkspresets mit festen Ansprech-/Attack- und Abfall-/Release-Zeiten. Einstellbar sind die Zeitkonstanten 1 bis 6, Grundsätzlich gilt dabei, dass Nummer 1 die schnellstmögliche, Nummer 6 demgegenüber die langsamste Kombination aus Ansprech- und Abfallzeit ist. Im Falle des F660 – und nur bei ihm – ist es nunmehr möglich, die Ansprechzeit auch im Langsam-Modus 6 besonders kurz zu halten, während die Abfall-/Release-Zeit vergleichsweise länger ausfällt. Das wirkt sich selbstverständlich hörbar aus und schafft eine erweiterte Flexibilität im praktischen Einsatz. Dass der Hersteller keinerlei Werte angibt – weder das ansonsten sehr detailerliebte LCD, noch das Handbuch liefert konkrete Angaben – ist durchaus ungewöhnlich, aber unseres Erachtens verzeihbar. Erstens schweigen auch Fairchild Repliken wie der FairComp 670 von Mode Machines zu diesem Punkt beharrlich, zweitens schadet es nie, sich über das Gehör an die Bedienung und das Regelverhalten des F660 heranzutasten und zu gewöhnen. Nach und nach, was ausweislich unserer eigenen Praxiserfahrung mit dem FairComp 670, aber aktuell auch mit dem F660 vergleichsweise wenig Zeit beansprucht, finden sich gut klingende Standardeinstellungen auf diese Weise problemlos.

Mancher Praktiker mag auch bemängeln, dass der F660 nur ein nochmaliges Verkürzen, nicht aber ein Verlängern der Ansprechzeiten gestattet. Das ist aber nur konsequent, denn auch wenn der Fredenstein keine Replik darstellt, soll er doch eine zeitgemäße Ausführung der Kompressor-/Limiter-Legende sein.

Apropos: Der F660 lässt sich, wie das Original, sowohl als Kompressor als auch als Limiter einsetzen. Mit der passenden Zeitkonstanten/Time Constant-Vorwahl ist es tatsächlich möglich, auch ein eher starkes Limiting praktisch unauffällig zu machen. Mit einiger Hörerfahrung lässt sich die passende Einstellung ohne Weiteres finden. Der Fairchild-Erfinder Rein Narma wollte vor allem einen natürlichen Klang, was der Grund für die Aussparung langer Attackzeiten ist. Narams Time Constant-Presets waren vom Erfinder nach rein musikalischen Kriterien gewählt worden und auf die häufigsten musikalischen Situationen, wie sie vorzugsweise in der Klassik, aber auch im Jazz vorkommen. An Heavy Metal dachte Narma definitiv nicht, vermutlich konnte er sich aber auch kaum den Lärm, denn die Bands der sogenannten „British Invasion“ in den USA populär machen sollten, vorstellen. Dass sein Kompressor auch gewinnbringend bei Pop- und Rockproduktionen eingesetzt wurde, steht dazu nicht in Widerspruch. Leo Fender, der Erfinder der populärsten E-Gitarre überhaupt, der Stratocaster konnte mit der Musik von Jimi Hendrix, einem der berühmtesten Strat-Spieler, schließlich auch rein gar nichts anfangen.
Wir würden uns allerdings auch wünschen, dass das ohnehin sehr kryptische Handbuch wenigstens die Attack- und Abfallzeiten für die Time Constant-Einstellungen 1 bis 6 angeben würde. Möglich sollte das schon sein, denn das Original-Handbuch spart diese keineswegs aus. Unter www.historyofrecording.com/fairchild670.html findet sich das Original-Handbuch zum Herunterladen und einige praktische Tipps und Hinweise zur Arbeit mit dem Fairchild – oder seinen Nachbauten auf Hard- oder Softwarebasis. Jedenfalls kann der Fredenstein als Kompressor oder Limiter arbeiten. Das ist reine Einstellungssache: Soll er komprimieren, empfiehlt sich eine Ratio von 2 : 1 und ein Threshold-Einstellung von -5 dBu. Als Peak Limiter arbeitet der F660 in der Extremeinstellung mit einer Ratio von 20 : 1 bei einem Schwellenwert von +10 dBu. Abweichende Feineinstellungen sind selbstverständlich jederzeit möglich.

Inzwischen sogar sehr viel komfortabler als noch bei der allerersten F660-Generation: Anstatt der Ein-Knopf-Bedienung der ersten Inkarnation des Fredenstein-Kompressors hat der Hersteller die Kritik der Anwender ernst genommen und bietet den F660 jetzt mit drei zusätzlichen Reglern für den geschwinden Zugriff auf „Gain“, „Threshold“ und „Relase“, genauer „Time Constant“. Auch diese Regler sind gleichzeitig als Druckgeber ausgeführt, weswegen sich das Gerät über den Gainregler auch auf Bypass schalten lässt, über den Schwellwert-Regler ist auch der Side Chain-Eingang aktivierbar, über „Relase“ lässt sich mit einem Fingerdruck die beispielsweise im Stereo-Betrieb praktische Link-Funktion aktivieren. Gerade wenn mehrere F660 zum Einsatz kommen, sind die neuen Regler Gold wert und wirken dem vormals unvermeidbaren Einstellumstand, wenn beispielsweise jedes einzelne Gerät über den Zentralregler und das Display auf Bypass geschaltet werden musste, entgegen. Ein wenig muss gleichwohl immer noch mit dem Hauptregler gefummelt werden, es ist aber letztlich eine Sache der Eingewöhnung, damit klar zu kommen. Nach wie vor kommt der F660, insoweit dem Vorbild folgend, ohne Make-Up Gain aus, was das Vergleichen von naturbelassenem und komprimiertem Signal via Bypass schwierig macht. Geht wohl nicht anders, denn der F660 folgt dem Fairchild-Design, das auf die Verwendung von Ausgangsstufen verzichtet.

Neben dem LC Display als zentralem Anzeige-Instrument finden sich auf der goldfarbenen Frontplatte aus gebürstetem Aluminium auch die LED-Anzeigen für den Ausgangspegel und die Gain Reduktion. Die Ausgangspegel-Anzeige ist auf +4 dBu kalibriert und zeigt in der Werkseinstellung Spitzenpegel/Peak und RMS-Werte gleichzeitig an, es ist aber möglich über das „Meter Menu“ die Ausgangspegelanzeige auf Dreh und Druck des Hauptreglers als reinen Spitzenwertmesser (PPM) einzurichten. Zur Wahl über das Meter Menu stehen zwei Darstellungsmodi: entweder als 60dB-Anzeige, wo eine LED pro Dezibel aufklimmt, oder als 30dB-Anzeige – dann stellte eine LED stets 0,5 Dezibel dar. Auch bei Vollausschlag der Ausgangspegelanzeige bleibt ein Headroom von sechs Dezibel. Die Peak Haltezeit lässt sich praktischerweise einstellen: 0s, 2,5 s oder „indefinitely“/unbegrenzt. Ist „indefinitely“ gewählt, ist der Spitzenpegel durch eine rot leuchtende LED solange markiert, bis der Fredenstein-Anwender die Anzeige manuell zurücksetzt. Die Pegelreduktions-Anzeige löst in 0,5dB/LED-Schritten auf, liefert allerdings systembedingt keine exakten Werte. Tatsächlich kann die Pegelreduktion über dem angezeigten Wert liegen, was aus praktischen Gründen aber nicht sinnvoll ist. Wir haben es im Falle des F660 mit einem „Variable Mu“ bei dem das Verhältnis zwischen Anodenströmen und Kompression fast quadratisch ist. Deswegen sind die Anodenströme nur noch sehr klein bei sehr starker Kompression, was starke Artefakte, sprich Verzerrungen entstehen lässt. Folglich empfiehlt der Hersteller, keine Pegelreduktion von mehr als maximal -10 dB zuzulassen. Am Besten arbeite der F660 bei Werten um fünf Dezibel Pegelreduktion. Das hat der Fredenstein übrigens mit dem Fairchild gemeinsam. Dank der Digital-Steuerung des F660 ist diese konstruktionsbedingte Eigenart sogar sichtbar: Im sogennanten Utility-Menü sind die aktuellen Anodenströme, welche der DSP während des Betriebs misst und ohne Zeitversatz anzeigt, ablesbar. Komprimiert der F660 besonders stark – also um mehr als zehn Dezibel – fallen die Anodenströme von den ursprünglichen und optimalen 24 mA auf unter 0,1 mA. Effekt: Es zerrt heftig.

Wie bereits erwähnt, hat der F660 keine Ausgangsstufe, via „Gain“ steuert der Anwender deswegen den Eingangspegel in die Röhren-Schaltung. „AC Threshold“ und „Ratio“ regeln Schwellwert und Kompressionsverhältnis, die Fairchild-Besonderheit der „Time Constants„ haben wir schon ausführlich behandelt. Anders als beim Fairchild – und auch beim FairComp 670 – wo über THRESHOLD AC der Kompressionsgrad, also die Ratio bestimmt wird, geht Fredenstein einen anderen Weg. Mit Threshold DC, im Falle des FairComp 670 der eigentliche Schwellenwertregler, lässt sich die Verstärkung variieren: Beim Vorbild ist diese auf zwei Volt festgelegt, im Falle des F660 sind Abweichungen von diesem fixen Wert in 0,5 Volt-Schritten in einem Bereich von 0,5 bis fünf Volt möglich. Der Clou dabei: Damit ist die Kompressor-Kennlinie direkt beeinflussbar, die Fairchild-typische S-Kurve, die eine besonders weiche Kompression repräsentiert, wird bei steigendem DC Threshold eckiger, der Kompressor geht aggressiver zu Werke, während er bei niedrigen Werten noch weicher komprimiert. Die Bezeichung „DC Threshold“ kommt auch insoweit nicht von ungefähr, da sich mit derlei Manipulationen gleichzeitig auch der über AC Threshold eingestellte Schwellenwert verschiebt. Folglich muss manuell und unter Zuhilfenahme des Gehörs für entsprechenden Ausgleich gesorgt werden.

Alles in allem ist der F660 ein mit gehörigem Raffinement konzipierter und konstruierter Röhren-Kompressor. Allein die Tatsache, dass der Fredenstein dank der präzisen digitalen Kalibrierung nicht warm laufen muss, weist in als Röhrengerät des 21. Jahrhunderts aus. Die Verarbeitung ist dem Preis angemessen, also sehr gut. Von außen gibt es nicht zu bemängeln, aber auch im Geräteinneren herrscht eitel Sauberkeit. Die zu erkennenden Klebereste wollen wir anders als noch im Rahmen des Fredenstein F676 Tests in Ausgabe 2/2014 nicht beklagen. Jürgen Meyer vom deutschen Vertrieb Millstone Sound erklärt: „Die Bauteile müssen bombenfest sitzen, da darf sich nichts lösen. Das ist so gewährleistet. Es mag nicht immer schön aussehen, aber ein defektes Gerät ist weitaus unschöner.“ Der nahezu geräuschfrei arbeitende Lüfter ist unseres Erachtens ein feines Ausstattungsdetail, immerhin ist eine Class A-Schaltung alles andere als ökologisch unbedenklich – es wird heiß im Inneren des Güldenen. Dank des Lüfters ist einem Hitzekollaps des Geräts vorgebeugt.
Kommen wir zur Praxis: Wir haben das Glück, dass Jürgen Meyer von Millstone Sound gleich zwei der aktuellen Fredenstein F660 Modelle zur Verfügung hatte und auch gleich persönlich in der Redaktion abgegeben hat. So haben wir die Möglichkeit, mit zwei Kompressoren die Summensignale einiger aktueller Aufnahmen/Produktionen zu bearbeiten. Wir wählen das Gitarrenduo-Arrangement von Egberto Gismontis berühmtem „Água e Vinho“, das im Rahmen des Tests des Schoeps V4 U für die Ausgabe 3/2014 entstanden ist, die Live-Studioaufnahme des Stückes „Sternenbahn“, das wir mit der fantastischen Sängerin, Flötistin, Gitarristin und Performance Künstlerin Akampita Steiner (www.akampitasteiner.de) produziert haben und ein kleines Akustik-/E-Gitarren-Instrumental namens „Andacht“. „Sternenbahn“ und „Andacht“ sind interessanterweise mit Röhren-Equipment aufgenommen worden, weswegen die Bearbeitung mit einem Röhrenkompressor sich besonders anzubieten scheint. „Röhre wem Röhre gebührt“ sozusagen.

Der Fredenstein F660 gehört zu den Kompressoren, die auch, wenn sie keine Pegelreduktion vornehmen, also gerade nicht komprimieren, den Klang anreichern. Es ist das typisch röhrige Element, allerdings in seiner vornehmen Ausprägung, die auch der Goldene dem Originalsignal beigibt. Es ist sehr schwer, diesen Klang zu beschreiben, denn röhrenähnliche Artefakte können heute auch die Software-Architekten der vielen Röhren-Emulationen erstaunlich lebensnah nachbauen. Wir wollen mal einen sehr subjektiven Vergleich wagen, um das Hörbare mit dem Fühlbaren zu beschreiben: Sie wissen bestimmt, wie es sich anfühlt, wenn Sie mit dem befeuchteten Finger ein edles Kristallglas zum Schwingen bringen? Versuchen Sie mal, dieses Gefühl auf den Klang zu übertragen und Sie bekommen eine Ahnung, was der Fredenstein aktiv tut. Der zuvor glatte, vielleicht ein wenig langweilige Klang bekommt eine neue Dimension, wird konturierter, „fühlt“ sich für die Ohren mit einem Male strukturierter und dreidimensionaler an.
Damit ist die allgemeine Wirkung des Fredenstein beschrieben und es gibt sicherlich einige Tonschaffende, die den Kompressor wegen dieser Klangschönfärbung beispielsweise fürs analoge Summieren verwenden werden. Aber auch als Kompressor kann der F660 überzeugen, da er dank seiner Schnelligkeit und Musikalität dem Material in erster Linie dient. Wir haben die Stereo-Summe der drei Beispielstücke bei gleicher AC Threshold-Einstellung von -4.0 dBu jeweils unterschiedlich komprimiert. Für „Sternenbahn“ wählen wir eine Ratio von 2:1, Time Constant 3, DC Threshold steht –ganz Fairchild – auf 2 Volt. Da ist sie dann zu hören, diese angenehm weiche, dem Original dienende Kompression. Tatsächlich ist dem F660 der „Midas Touch“, mit dem der Kompressor die Musik mit einem feinen Goldüberzug versieht zu eigen. Steht hingeben DC Threshold auf 4 Volt und steht Time Constant auf 4 – das ist die „langsamste“ Attackzeit – geht der Kompressor etwas aggressiver zu Werke, die Aufnahmen wirken kerniger. Das probieren wir bei der „Água e Vinho“-Aufnahme und tatsächlich bekommt der Sound mehr Biss, wird aber auch etwas kantiger und rauer, was nicht ganz nach unserem Geschmack ist. Das liegt aber keineswegs am Fredenstein. Wir mögen eben die kompressorfreie Aufnahme lieber, da diese den fantastischen Klang des Schoeps V4 U in reiner Form repräsentiert. Toll dagegen das Ergebnis beim dritten Stück: Hier sorgt der „Midas Touch“ des F660 für den passenden Goldschimmer, die Musik bekommt mehr Glanz, dem rein gar nichts Plastikhaft-Ordinäres anhaftet.
Alle drei Beispiele haben wir mit 24Bit/96 kHz-Auflösung mit dem Tascam DA-3000 Master-Recorder (ausführlicher Test in der kommenden Ausgabe) aufgezeichnet. Die Ergebnisse können sie sich auszugsweise online auf unserer Website unter https://www.professional-audio.de/klangbeispiele-2/ anhören. Da sich auf unserer Klangbeispielseite auch die ursprünglichen Mischungen finden, können Sie sehr gut vergleichen – und danach den Fredenstein F660 vielleicht mal selbst antesten.

Fazit
Der Fredenstein F660 ist ein feiner Röhrenkompressor auf den Spuren des legendären Fairchild Model 660. Ob er wie das Original klingt, sei mal dahin gestellt. Er klingt absolut gesehen richtig klasse, überzieht die Signale immer mit einer fein röhrigen Goldauflage, klingt als Kompressor mal weich und sehr angenehm, kann aber auch zupacken, ohne jemals grobschlächtig das Ausgangsmaterial zu zerfetzen. Das ist, summa summarum, Spitze.

 

Erschienen in Ausgabe 05/2014

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 3999 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut