Avanti Avantone
Die echten Mikrofon-Klassiker sind für viele Hersteller die Blaupause für eigene Modelle, die mit günstigen Preisen locken. Ein besonders attraktives Mikrofon auf den Spuren eines Klassikers ist das Avantone CV-12.
Von Harald Wittig
Das noch junge, 2006 gegründete amerikanische Unternehmen Avant Electronics hat sich darauf spezialisiert, mit seinen Produkten – namentlich Studio-Monitore und Mikrofone – gewisse Lücken im Marktangebot zu schließen: So bieten die Amerikaner eigene Varianten bekannter und teilweise legendärer Studio-Klassiker an, die zudem zu äußerst günstigen Preisen zu haben sind. Das wohl derzeit bekannteste Produkt von Avant Electronics ist der Avantone Mixcube, ein Nahfeld-Monitor, der den in den 1980er-Jahren sehr beliebten und längst nicht mehr produzierten Auratone 5C wiederauferstehen ließ. Dafür ernteten Sue und Ken Avant, die Gründer und Geschäftsführer von Avant Electronics nicht nur großes Lob seitens der internationalen Fachpresse. Auch Tonprofis, vor allem in den USA, beeilten sich, ein Pärchen Mixcubes zu erwerben und fest in ihren Studios zu installieren.
Einen ähnlichen Erfolg wünscht sich Avant Electronics auch mit seinem Mikrofon-Sortiment, das Röhren-, Bändchen und FET-Mikrofone umfasst. Alle Schallwandler haben gemeinsam, dass sie sich an Vintage-Vorbildern namhafter Hersteller wie AKG und RCA orientieren und durch die Bank in China gefertigt werden. Entgegen einiger Gerüchte in der virtuellen Parallelwelt, erfolgen Entwicklung und Qualitätssicherung aber in USA, was sowohl Avant Electronics als auch Michael Bönninghoff vom deutschen Vertrieb S.E.A. versichern. Qualitativ wollen die Avantone-Mikrofone eine durchaus bezahlbare Alternativen zu den erheblich teureren Originalen sein – sofern diese überhaupt noch zu bekommen sind. Das gilt auch für unser Testmikrofon, das CV-12, ein Röhren-Großmembran-Mikrofon, für das unschwer erkennbar der AKG-Klassiker schlechthin, das C 12, Modell stand. Das C 12 hat als C 12 VR, also als sogenannte Vintage Reissue (Wiederauflage) wieder einen festen Platz im AKG-Sortiment und ist, das hat auch unser Test in Ausgabe 12/2008 bewiesen, ein wahres Schmuckstück mit ganz eigenem Klang. Allerdings reißt es mit einem empfohlenen Verkaufspreis Preis von rund 4.500 Euro ein tiefes Loch in den Geldbeutel und ist damit nur für einen überschaubaren Kreis von möglichen Anwendern erschwinglich. Da kommen kostengünstige Alternativen wie das Avantone CV-12, das schon für schlappe 630 Euro zu haben ist, gerade recht. Richtig ist selbstverständlich, dass das CV-12 nicht allein auf weiter Flur ist. Bekanntlich bieten beispielsweise große Musikhäuser mit ihren Hausmarken ebenfalls Klassiker-Nachbauten an, die auch noch mal günstiger als das Avantone sind. Allerdings beansprucht Avant Electronics insoweit einen der vordersten Startplätze. Na, dann wollen wir doch mal sehen beziehungsweise hören, was das CV-12 so zu bieten hat und ob es sich getreu dem Motto „Avanti Avantone“ in die erste Reihe der kostengünstigen Vintage-Nachbauten schieben kann.
Offiziell steht das Kürzel „CV“ übrigens für Cabernet Sauvignon, eine rote Rebsorte, die Weinkenner als Edelrebe bezeichnen. Der daraus gewonnene Wein zeichnet sich durch seinen charakteristischen Traubengeruch von schwarzen Johannisbeeren und lseine tiefdunkle Farbe aus. Avant Electronics wollen damit unterstreichen, dass es sich beim CV-12 um ein hochwertiges Stück der Schallwandlertechnik handelt und dem Mikrofon-Gehäuse dementsprechend ein metallic-rotes Finish spendiert. Wir können zwar beim Betrachten des Mikrofons beim allerbesten Willen die Verbindung zu Rotwein finden, dafür sind wir sehr angetan von der sauberen, tatsächlich auch bei penibelster Betrachtung makellosen Lackierung. Da erscheint der Lack so einiger Billig-Mikrofone aus dem Reich der Mitte, die nebenbei erwähnt nicht mal viel günstiger sind als das Avantone, sehr viel schlampiger aufgetragen und außerdem fleckig. Bei unserem Testkandidaten haben wir äußerlich gar nichts zu meckern: Der vernickelte, feinmaschige Messing-Schutzkorb macht einen sehr robusten Eindruck und dürfte auch eine grobmotorische Behandlung unbeschadet überstehen. Die darunterliegenden Schalter für den Hochpassfilter und die -10-dB-Vordämpfung – die es übrigens in dieser Form beim originalen AKG C 12 und auch beim aktuellen C 12 VR nicht gab beziehungsweise gibt – wackeln nicht und rasten sauber ein. Außerdem lässt sich das Mikrofon einfach aufschrauben und wieder zusammensetzen, denn das Schraubgewinde an der Gehäuseunterseite hat auch ein häufiges Aufschrauben im Rahmen des Tests arglos hingenommen.
Wieso überhaupt aufschrauben? Ganz einfach: Das CV-12 ist, wie das berühmte Vorbild C 12, ein Röhrenmikrofon. Das Austauschen der Röhre – ab Werk arbeitet eine selektierte russische Doppeltriode des Typs 6072A als aktives Element im CV-12 – ist eine einfache Möglichkeit des Klangtunings. In der ersten Serie lagen dem CV-12 übrigens noch zwei Austauschröhren, eine ECC81 sowie eine ECC83 bei. Die entsprechenden Aussparungen für die Alternativ-Glaskolben sind im Aluminium-Koffer noch zu sehen, auf die Röhren selbst verzichtet der Hersteller inzwischen. Das rechtfertigt aber keinen Punktabzug, zumal gute Röhren, abgesehen von ultra raren Klassikern wie einer AC701, dank der anhaltenden Röhren-Renaissance recht günstig zu bekommen sind.
Niemand sollte allzu große Hoffnungen in das Klagtuning via Röhrentausch legen: Aus einem Billig-Mikrofon wird dadurch noch lange kein Gourmet-Schallwandler à la Brauner, Horch oder AKG. Denn nach wie vor ist das klingende Herzstück eines jeden Mikrofons die Kapsel, während die Röhre in einem Mikrofon üblicherweise optimal betrieben wird und deswegen die typischen Röhren-Artefakte vergleichsweise wenig entstehen. Demgegenüber redet der unverzichtbare Ausgangsübertrager häufig ein weitaus klangentscheidenderes Wörtchen mit. Ebenfalls nicht zu unterschätzen sind auch Kondensatoren, denn hier kann es schon mal wegen minderwertiger Bauteile im Argen liegen und manch ein Mikrofon mit an und für sich sehr guten Anlagen verkauft sich klanglich unter Wert. Sicher, auch beim Thema Kondensatoren im Signalweg wird es auch mal esoterisch. Da halten wir uns mal raus und teilen schlicht mit, dass Avant Electronics herausstellt, dass für die CV-12-Mikrofone nur hochwertige Polypropylen-Kondensatoren zum Einsatz kommen.
Jetzt aber doch mal endlich die Kapsel angeschaut: Das CV-12 hat eine Doppelmembran-Kapsel mit goldbedampften Mylar-Membranen mit großen 32-Millimeter Durchmesser, die dem Anwender die Wahl zwischen den Richtcharakteristiken Niere, Kugel und Acht ermöglicht. Das Umschalten geschieht über das Netzteil, der Drehschalter im klassischen Chickenhead-/Hühnerkopf-Design ist griffig und rastet mit einem satten Klacken bei den insgesamt neun Raststufen ein. Das entspricht ganz dem AKG C 12 im Gegensatz zur Neumann-Lösung mit stufenlosen Charakteristik-Reglern, bietet dem Praktiker gleichwohl genügend klangästhetische Varianten, um auf die jeweilige Aufnahmesituation zu reagieren. Die Wahl über das PSU-12 Netzteil geschieht ohne hörbares Umschaltknacken, was gerade den Netzteilen billiger Röhrenmikrofone selten der Fall ist. Dafür gibt es einen Pulspunkt. Das mitgelieferte, sieben Meter lange Anschlusskabel, das die Verbindung zwischen Mikrofon und Netzteil herstellt, macht einen stabilen Eindruck, ist aber etwas steif und nicht geruchsneutral. Wie bitte? Ja, das klingt jetzt vielleicht etwas untechnisch, dennoch haben gute Kabel im Allgemeinen keinen Eigengeruch.
Dafür ist die mitgelieferte Spinne von guter Qualität. Sie gestattet eine zeitsparende Stativ-Montage und Ausrichtung des Mikrofons und federt Trittschall wirkungsvoll ab. Wem die Aufhängung zu weich ist, kann die elastische Aufhängung dank der beiliegenden Ersatz-Gummibänder noch straffen. Ein schönes Ausstattungsdetail ist auch das mit schwarzem Samt ausgeschlagene Echtholzetui mit auf dem Deckel eingebranntem Avanton-Logo, in dem sich das CV-12 in der produktionsfreien Zeit gut geschützt bis zur nächsten Aufnahmesitzung erholen kann.
Fazit
Das Avantone CV-12 ist ein sehr gut verarbeitetes Röhren-Mikrofon auf den Spuren des AKG C 12 (VR), ohne dessen eigenwilligen Klang eins zu eins zu kopieren. Wenn Avant Electronics Empfindlichkeit und Rauschverhalten noch etwas verbessert, wird dieses Mikrofon auch für Spitzenklasse-Schallwandler eine Gefahr. So verdient es sich einen soliden Platz in der Oberklasse und ist es wegen seines günstigen Preises für Einsteiger und Fortgeschrittene mit gehobenen Ansprüchen eine Empfehlung wert.
Erschienen in Ausgabe 08/2010
Preisklasse: Oberklasse
Preis: 637 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut – überragend
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