Hinhörer

Mit den verführerisch hinter Plexiglas leuchtenden Glaskolben sind die Lewitt-Mikrofone LCT 840 und LCT 940 Hingucker, tatsächlich  aber Hinhörer.   

Von Harald Wittig 

In der Ausgabe 7/2012 hatten wir erstmals Mikrofone von Lewitt, eines noch jungen österreichischen Mikrofonherstellers mit eigenem Werk in China, getestet und waren recht angetan von den vergleichsweise günstigen Schallwandlern. Schon seit der Musikmesse 2012 wollen wir aber auch die Topmodelle des Herstellers, die Röhrenmikrofone LCT 840 und LCT 940 testen, denn schon allein mit dem auffälligen Röhren-Schaufenster im Gehäuse wecken die komplett im schönen Wien entwickelten Mikrofone Begehrlichkeiten. Allerdings mussten wir bis jetzt auf Testmikrofone warten, da es zwischenzeitlich keinen deutschen Vertrieb gab. Seit Ende 2013 kümmert sich mit Musik & Technik ein topprofessioneller Vertrieb um die Lewitts. Folgerichtig war es für uns ein Leichtes ein LCT 840 und ein LCT 940 zu Testzwecken zu organisieren.Mit Listenpreisen von rund 1.200 Euro für das LCT 840 und knapp 1.800 fürs LCT 940 rangieren die Schallwandler im gehobenen preislichen Mittelfeld und dort recht nahe am äußerlich sehr ähnlichen AKG-Klassiker C414. Wir erwähnen das, da die optische Ähnlichkeit zu dem berühmten Schallwandler aus Austria für jeden augenfällig ist und nicht ganz zufällig sein dürfte: Immerhin war Lewitt Mitbegründer und Mitgeschäftsführer Roman Perschon lange für AKG als strategischer Einkäufer und Projektleiter tätig. gleichwohl sollte niemand vorschnell die Lewitt-Großmembranen als AKG C414-Kopien abtun, hat doch schon unser Test des LCT 640 ergeben, dass die Lewitts ihren eigen klanglichen Fingerabdruck haben, der sich ohrenfällig von dem AKG unterscheidet (siehe näher Ausgabe 7/2012). Im Falle von LCT 840 und LCT 940 kommt hinzu, dass es wie gesagt um Röhrenmikrofone handelt, während das C414 schon immer ein Transistor-Mikrofon gewesen ist. Obwohl: So ganz richtig ist das auch nicht. Denn das Topmodell LCT 940 vereinigt in seinem Gehäuse zwei Verstärker: Einer ist in Röhren-, der andere in FET-Technik ausgeführt. Beide Verstärker sind jeweils als eigenständiger Pfad ausgeführt und arbeiten deswegen unabhängig voneinander. Damit verfügt das LCT 940 zumindest in der Theorie über ein ungewöhnlich großes Klangpotenzial, da es dem Anwender die spezifischen Klangeigenschaften des Röhren- und des Transistor-Verstärkers bietet. Hinzu kommt, dass sich über das Netzteil beide Anteile stufenlos mischen lassen, was viele zusätzliche Klangnuancen verspricht. Nach unserer Kenntnis gibt es derzeit kein vergleichbares Mikrofon – zumindest keines, das problemlos erhältlich wäre und dazu noch erschwinglich ist.

Das LCT 840 ist technisch weniger spektakulär als sein großes Geschwister, dem es dennoch in vielen (klang-)entscheidenden Zutaten gleicht. Das beginnt bei der Ein-Zoll Doppelmembran-Kapsel, setzt sich beim Röhrenverstärker mit seiner Doppeltriode fort und auch der markant ausgeformte Druckgusskorpus mit dem auffälligen Plexiglas-Schaufenster lässt die Mikrofone wie eineiige Zwillinge erscheinen.  Bedenken wir, dass in der Kapsel der Klang eines Mikrofons steckt, das außerdem die Röhren-Verstärkerschaltung bei beiden Mikrofonen die Gleiche ist, sollten sich LCT 840 und LCT 940 grundsätzlich auch klanglich ähneln. Das wäre, im monetären Sinne des Wortes, sehr günstig: Wer lediglich sein Mikrofon-Sortiment um ein umschaltbares Röhren-Großmembranmikrofon ergänzen möchte, könnte schon mit dem LCT 840 bedient sein. Vorausgesetzt, dass der Klang in sich stimmig ist. Das klären wir wie üblich im finalen Klang-/Praxistest.Es ist gerade angeklungen: Beide Modelle verfügen über dieselbe Doppelmembran-Kapsel,  also um zwei Druckgradientenempfänger-Kapseln mit Nieren-Charakteristik, die Rücken an Rücken stehen. Durch Aufschalten unterschiedlich hoher Polarisationsspannungen werden bei der Summierung der Ausgangssignale beider Kapseln unterschiedliche Richtcharakteristiken erzeugt. Wir haben es also beidesmal mit dem gängigen Typus des umschaltbaren Großmembranmikrofons zu tun. Für das LCT 840 stehen fünf, für das LCT 940 sogar neun Richtcharakteristiken zur Verfügung. Die Einstellung erfolgt jeweils am Netzteil, ein kurzer Rechts- oder Linksdreh genügt, die ausgewählte Richtcharakteristik wird durch gut erkennbare, weiß hinterleuchtete Symbole angezeigt. Überhaupt bieten beide Netzteile einigen, nicht alltäglichen Bedienkomfort von erhöhtem Praxiswert: Die Drucktasten für die Vordämpfungs-/PAD-Funktion und die integrierten Hochpassfilter (siehe für Details die abschließende Tabelle) arbeiten absolut geräuschlos, als innovativ ist die „Automatische Dämpffunktion“ zu bezeichnen: Ist diese aktiviert, stellen sich die Mikrofone automatisch auf die nächst höhere Dämpfungsstufe ein, wenn es wegen zu hoher Schalldruckpegel zu Clipping kommt. Das funktioniert tatsächlich, allerdings geht das Umschalten – wenig verwunderlich – eher gemächlich vonstatten. Es vergeht eine lange Sekunde, bis die nächst höhere PAD-Stufe aktiv ist und Clipping zu vermeiden hilft.Ebenfalls praktisch ist die sogenannte Clipping-Historie-Anzeige. Damit lässt sich ermitteln, ob das Mikrofon  zu hohe Schalldruckpegel empfing und es zu Übersteuerungen kam. Dementsprechend kann der Tonschaffende reagieren, indem er das Mikrofon neu positioniert oder eine andere Vordämpfungsstufe aktiviert. Ob diese Funktion wirklich vonnöten ist, lassen wir mal dahinstehen. Erwähnenswert ist dieses Ausstattungsmerkmal auf jeden Fall.

Beim mitgelieferten Zubehör hat sich der Hersteller nicht lumpen lassen: Einen sehr guten Eindruck hinterlässt bei uns die sehr stabile Schwinghalterung LCT 40 Wxx, die beiden Mikrofonen in den ebenfalls sehr ansprechenden Kunststoff-Koffer beigelegt ist. Die Montagearbeiten sind flugs erledigt, die Spinnne hält die Mikrofone sicher und federt Trittschall wirksam ab. Es ist ohne Weiteres möglich, die Mikrofone stehend oder hängend am Stativ zu befestigen und wunschgemäß zu justieren. Das ist nicht immer der Fall, weswegen wir dafür einen Bonuspunkt vergeben.
Rein messtechnisch sind beide Lewitts überzeugende Vertreter der Gattung Röhren-Großmembranmikrofon, denn sowohl das LCT 840 als auch das LCT 940 überzeugen mit guten bis sehr guten Messwerten. Die ermittelten Geräuschpegelabstände von durchschnittlich von 74,5 Dezibel für das LCT 840 und 72, 5 Dezibel im Falle des LCT 940 sind absolut zufriedenstellend für Röhrenmikrofone. Dass es Modelle gibt, deren Eigenrauschen praktisch nicht vorhanden ist, sei gleichwohl am Rande bemerkt. Bei der Empfindlichkeit hat der Hersteller jedoch übertrieben: Das LCT 840 ist mit gemittelten 12,9 mV/Pa in der Tat nur wenig über dem durchschnittlichen Feldübertragungsfaktor eines Kondensatormikrofons von 10 mV/Pa. Der Hersteller nennt mehr als doppelt so hohe Empfindlichkeiten. Das LCT 940 bringt es sogar im Mittel nur auf 8,5 mV/Pa, wenn der FET-Impedanzwandler aktiv ist.   In Vollröhren-Betrieb ist das Mikrofon aber mit durchschnittlichen 10,8 mV/Pa empfindlicher. Interessanterweise gilt Entsprechendes auch für den Geräuschpegelabstand. Das ist zunächst alles kein Grund, sich Sorgen zu machen. Ob die Lewitts störend rauschen, klären wir in der Praxis. Die ermittelten Frequenzgänge entsprechen, abgesehen von den Einbrüchen zwischen fünf und zehn Kilohertz, die aufgrund der Skalierung weitaus dramatischer aussehen als sie sind, dem gehobenen Großmembranstandard und sagen erst mal wenig über den Klang beider Schallwandler aus.

 

Womit wir beim Thema wären, gar keine Zeit verlieren wollen und die beiden Testkandidaten Klangfarbe bekennen lassen. Lewitt empfiehlt beide Modelle besonders für die Aufnahme von akustischen Instrumenten und Gesangsstimmen. Da trifft es sich gut, dass wir auch diesmal mit der Sängerin, Gitarristin, Flötistin und Performance-Künstlerin Akampita Steiner (siehe näher www.akampitasteiner.de) eine vielseitige und sehr ausdrucksstarke Musikerin  zu Gast hatten, die uns und die Mikrofone mit Singstimme, Sopranino-Blockflöte und Gitarre beglückte. Wir haben selbstverständlich unsere Sessions mit Akampita Steiner wie üblich mit unserer bewährten Referenz Wandler/Preamp-Kombination bestehend aus Lake People Mic-Amp F533 und Mytek Digital ADDA 8×192 in 24Bit/96kHz-Auflösung aufgenommen. Alternative Takes mit Akampita Steiner sowie ein kurzes Gitarren-Instrumental haben wir zudem mit dem in dieser Ausgabe auf Seite 54 besprochenen Röhren-Vorverstärker Fredenstein F676 angefertigt. Exzerpte können Sie auf unserer Website, www.professional-audio-magazin.de, zum Selbstnachhören herunterladen.Beide Mikrofone klingen sehr ähnlich – sofern im Falle des LCT 940 der Röhren-Impedanzwandler aktiv ist. Der Grundklang der Lewitts ist groß und rund, ohne übertriebene Tiefmittenandickung. Hinzu kommt eine angenehme, filigrane Rauchigkeit, die ganz typisch für gute Röhrenmikrofone ist. Es gibt sicherlich auch besonders „warm“  klingende  Exemplare, aber es ist eher diese eigentümliche Luftigkeit, die je nach Abstimmung auch ins Zerbrechliche gehen kann, welche Röhrenschallwandler auszeichnet. Bei den Testkandidaten ist diese Abstimmung sehr gut gelungen, auch die hohen Flötentöne gehen nie ins Schrille.Bei eher gering ausgeprägtem Nahheitseffekt hat Akapita Steiners sehr modulationsfähige Altstimme eine klare Struktur und setzt sich im Arrangement auch ohne Effekteinsatz gut durch. Auch im virtuellen Raum verlieren Stimme und Flöte nicht an Kontur, weiterer Effekteinsatz hat lediglich klangkosmetische Gründe. Der Klang mag nicht ganz so edel sein wie bei unseren Aufnahmen mit dem Microtech Gefell M990 und dem Vertigo Sound VSP-2, geht uns aber sehr gut ins Ohr. Das Eigenrauschen der Mikrofone ist dezent hörbar, aber tonal nicht störend. Wer es klinisch rein bevorzugt, sollte sich aber anderswo umsehen.     Die bisherigen Ausführungen gelten wohlgemerkt für beide Modelle gleichermaßen. Wer nicht mehr verlangt, findet also im LCT 840 eine sehr gutes Röhrenmikrofon. Wer Wert auf noch mehr Klang-Varianten legt, sollte unbedingt das LCT 940 antesten. Der FET-Verstärker verändert den Klang nämlich deutlich, im Vergleich zur Röhrenschaltung wird er kompakter, in gewisser Weise moderner, ohne die zerbrechliche Luftigkeit der Röhre. Speziell für Nylonsaiten-Gitarren gefällt uns der FET-Klang besser, allerdings hat die Röhre auch was für sich. Bei unserem Gitarren-Instrumental mit solierender E-Gitarre haben wir die Begleit-Akustikgitarren wegen des transparenteren Klangbilds mit reiner Röhrenschaltung aufgenommen. Wäre es bei zwei Nylonsaiten-Gitarren geblieben, hätten wir aber beide Verstärkersounds zu gleichen Teilen verwendet. Ansonsten sind die Varianten sehr vielfältig, deswegen empfiehlt sich das LCT 940 allen, die gerne mit Klängen experimentieren und auch mal neue Wege beschreiten.                           

Fazit

Die Lewitt-Mikrofone LCT 840 und LCT 940 sind sehr gute Röhrenmikrofone, mit röhrentypisch luftigen Hochmitten und Höhen auf einem stabilen, runden Klangfundament. Dank der innovativen Integration von Röhren- und FET-Verstärker in seinem Gehäuse, bietet das LCT 940 noch mehr Klang-Variationen. Wer diese nicht braucht, ist aber mit dem LCT 840 bestens bedient.

Erschienen in Ausgabe 02/2014

Preisklasse: Referenzklasse
Preis: 1189 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut