Altes, neu gedacht

Dass Equalizer nicht gleich Equalizer ist, davon kann der Hersteller Roger Schult ein ausgedehntes Lied singen. Die jüngste Schöpfung des deutschen EQ-Spezialisten, das API 500 Modul W2393 TiltBaxxEQ kommt mit einem besonderen Konzept daher und will zeigen, dass zum Thema der akustischen „Gleichmacherei“ noch längst nicht alles gesagt ist. 

von Georg Berger

Wie war das noch gleich mit dem Hochzeitskleid? Es sollte etwas Neues, etwas Altes, etwas Geborgtes und etwas Blaues haben, dann klappts auch mit der Ehe. Nun, im Fall von Roger Schults jüngstem Streich, dem TiltBaxxEQ-Modul trifft tatsächlich Altes auf Neues, wobei der Meister sich sozusagen altbekannte, um nicht zu sagen historische Techniken dafür ausgeborgt und neu kombiniert hat. Mit einer Reihe verbauter blauer Kondensatoren auf der Platine ist dann alles erfüllt, um dem Anwender künftig auf lange Zeit erfolgreiche Entzerrungen am lebenden Signal offerieren zu können. Doch eins nach dem anderen.

Der W2393 TiltBaxxEQ ist ein im populären API 500-Format gebauter Entzerrer, der in mono daherkommt und drei Bänder auf sich vereinigt. Das Besondere daran ist, dass das Höhen- und Tiefenband als Baxandall-Filter ausgelegt ist und das Mittenband als sogenanntes Neigungsfilter, auch Klangwaage genannt, aufgebaut ist (siehe Kasten auf Seite 58). Somit hat Roger Schult aus etwas Altem (Baxandall- und Neigungsfilter) etwas Neues geschaffen. Kostenpunkt: rund 660 Euro, was vergleichsweise günstig ist.

Diese Filter-Kombination sucht meines Wissens nach bislang seines Gleichen, obschon sich beide Filtertypen separat auf die eine oder andere Art als Hard- oder Software am Markt finden. So gibt es beispielsweise von Dangerous Music den rund 4.000 Euro kostenden Bax EQ (Test in Heft 03/2012) oder von Heritage Audio den knapp 1.600 Euro kostenden Symph EQ, die sich für Masteringanwendungen empfehlen und mit der Baxandall-Filter-Topologie aufwarten. Buzz Audio offeriert mit dem rund 1.900 Euro kostenden Zodiac Tilt-n-Filter EQ ein Neigungsfilter mit einem parametrischen Filter und Passfiltern. Softube bietet mit dem Tonelux Tilt Plug-in einen Neigungsfilter für rund 90 Euro an, ebenso wie Elysia, die ihr „niveau filter“ aus dem mpressor Kompressor sozusagen ausgekoppelt haben und als eigenes Filter-Plug-in kostenlos via Plugin Alliance anbieten. Doch zurück zum TiltBaxxEQ.

Einzigartig: Baxandall trifft auf die Klangwaage

In Sachen Verarbeitung – auch dieses Modul ist „Handmade in Germany“ – gibt’s rein gar nichts zu meckern. Ganz im Gegenteil: Die Bauteile sind höchst akkurat auf der Platine verbaut. Von kostengünstiger SMD-Technik ist nicht die Spur zu sehen. Auch bei der Auswahl der Bauteile hat Roger Schult Wert auf eine entsprechend hohe Qualität gelegt. So werden WIMA-Kondensatoren verbaut, Styroflex-Kondensatoren sind handselektiert und sämtliche ICs durchlaufen zur Qualitätssicherung einen Prüfprozess, um das Rauschen und den Klirrfaktor auf ein Mindestmaß zu reduzieren. So etwas ist sonst nur in Highend-Boutique-Geräten zu sehen.

Die Ausstattung des TiltBaxxEQ ist rasch erfasst. Auf der schwarz eloxierten Aluminium-Frontplatte kann das Höhen- und Tiefenband per Kippschalter auf zwei Center-Frequenzen eingestellt werden, die sich per Fader in einem Bereich von Plus/Minus zwölf Dezibel regulieren lassen. Ein schaltbarer Bypass sorgt zudem für einen raschen gehörsmäßigen A/B-Vergleich. Das Neigungsfilter offeriert drei Center-Frequenzen, die sich über einen Drehregler in einem Bereich von fünf Dezibel anheben und absenken lassen. Mithilfe des zentral eingelassenen Drehreglers, den eine rot-blaue Zeichnung ziert, lässt sich die Klangwaage justieren. Im Uhrzeigersinn gedreht werden die unteren Frequenzen um die Centerfrequenz angehoben und im gleichen Maße die Frequenzen darüber abgesenkt. Gegen den Uhrzeigersinn gedreht verhält es sich anders herum.

Ein hinterleuchteter Drucktaster am Fuß der Frontplatte schaltet den TiltBaxxEQ schließlich per Relais auf einen Hard-Bypass. Besonderheit: Durch Ziehen eines Jumpers auf der Platine ist bei Bedarf ein Hochpassfilter erster Ordnung in den Signalweg schaltbar, das bei 38 Hertz mit einer Flankensteilheit von 3 dB/Oktave werkelt.

Hinsichtlich der Auswahl der wählbaren Frequenzen am Modul, gibt Roger Schult zu Protokoll, dass er sich dabei an den Bedürfnissen und Problemen bei Mikrofon- und Stimmenaufnahmen orientiert hat. So sind die Frequenzen des Niveaufilters im Bereich von Männer- und Frauenstimmen angesiedelt. Das Bass-Band sorgt etwa für eine Minimierung von Trittschall und die Frequenzen im Höhenband reduzieren Zischlaute oder sorgen für eine Portion Frische.

Musikalisch-organischer Highend-Klang

Im Hör- und Praxistest füttere ich den TiltBaxxEQ mit diversen Signalen, die er ordentlich verbiegen soll. Während des Tests vermisse ich allerdings beim Einstellen recht bald eine Mittenrastung der Regler und Fader, um das Modul rasch in eine neutrale Position bringen zu können. Sicherlich, das ist Jammern auf hohem Niveau, zumal es Bypass-Schalter in den Außenbändern und fürs gesamte Modul gibt. Trotzdem: Um das Modul in Neutralstellung zu bringen, muss ich eben immer den Bypass nutzen um zu hören, ob ich wieder bei Null angekommen bin. Und wo ich schon mal beim Meckern bin: Die schwarze Frontplatte ist zwar schick anzusehen. Aber je nach Studioumgebung und Beleuchtung kann das Ablesen der schwarzen Regler mitunter schwierig sein. Ebenso wie beim V2359j amp4ribbon Modul (Test in Heft 11/2022) wäre daher vielleicht eine Version des EQ mit silbriger Frontplatte für den einen oder anderen eine willkommene Alternative.

Rein gar nichts zu meckern gibt’s hingegen in Sachen Entzerrung und Sound. Ganz gleich, was ich am TiltBaxxEQ einstelle, vor allem auch extreme Settings, alles klingt immer sehr gut. Das Modul schafft es stets, eingespeisten Signalen einen seidigen Glanz zu verleihen und es geht auf subtile Weise ans Werk. Klangliche Verfärbungen, zumal in Extremstellung der Parameter, sind zu keinem Zeitpunkt zu hören. Alles klingt immer schön. Die musikalisch-organischen Qualitäten, mit denen sich der TiltBaxxEQ sozusagen unmerklich ins Signalgeschehen schleicht, sind immer dann überdeutlich, wenn das Modul auf Bypass geschaltet wird. Plötzlich klingt alles irgendwie kalt, matt, dröhnend und eher zweidimensional. Das ist in höchstem Maße suchtgefährdend.

Perfekt fürs Tracking und Mastering

Wie zu erwarten gehen die beiden Außenbänder behutsam, aber merkbar ans Werk. Beim Einstellen des Neigungsfilters geht es ungleich kräftiger zur Sache, zumal wenn es verstärkt oder gedämpft wird. In Kombination mit den Außenbändern kann ich trotz oder gerade aufgrund der eher überschaubaren Bedienmöglichkeiten eine enorme Palette an klanglichen Ergebnissen erzeugen. So verstärke ich bei einer E-Bass-Spur die Höhen bei fünf Kilohertz, dämpfe im Bass bei 80 Hertz und verstärke im Mittenband die Bassfrequenzen bei einer Centerfrequenz von 700 Hertz und einer Verstärkung von 2,5 Dezibel. Ich erhalte einen plastischen Klang mit klar definierten und präzisen Bassanteilen. Da klingt nichts mulmig und trotz der Reduktion der Höhen durch das Neigungsfilter klingt es oben herum immer noch spürbar luftig. Bei gleicher Stellung der Außenbänder drehe ich nun das Neigungsfilter in die entgegengesetzte Richtung und verstärke um 500 Hertz bei vollen fünf Dezibel Verstärkung jetzt den Höhenbereich. Normalerweise würde ich jetzt einen eher schrillen, dünnen und verfärbten Klang erwarten. Doch der Bass klingt, um seine Bassfrequenzen beraubt, merkbar schlank, die Anschläge mit dem Plektrum sind hörbar herausmodelliert. Durch die Betonung der Mitten und ganz leicht der Tiefmitten mutiert der Bass zu einer knurrigen Bariton-Gitarre. Auch dieses Ergebnis weiß zu gefallen. Aus dem „Heavenly Voices“-Vortrag einer Frauenstimme kann ich das Zarte und Zerbrechliche mithilfe des TltBaxxEQ ohne Umschweife herauskitzeln. Durch die fein gezeichneten Höhen, bei gleichzeitiger Reduktion nerviger Mittenanteile klingt die Stimme schlanker, das Feenhafte wird verstärkt und die Spur sitzt deutlich besser im Mix. Beim Schalten auf Bypass fällt einmal mehr alles zusammen. Plötzlich klingt die Stimme muffig, so als ob ein Samttuch vor das Mikrofon gehangen wurde. Die gleichen Erfahrungen mache ich auch bei anderen Instrumenten. Mit diesen Qualitäten habe ich am Ende die Qual der Wahl, welche der durchweg schön klingenden Einstellungen ich nehmen soll.

Fazit

Der W2393 TiltBaxxEQ von Roger Schult ist ein Equalizer mit einer besonderen Kombination aus Baxandall- und Neigungsfilter. Klanglich bewegt sich der EQ auf Highend-Niveau, der auf schmeichelnde Art und Weise alles schön klingen lässt, selbst bei Exterm- oder Fehlstellungen. Mit diesen Qualitäten empfiehlt er sich nicht nur fürs Tracking, sondern auch fürs Mastering. Und günstig ist das Modul obendrein auch noch.